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Bellis-Perennis
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Wien

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Insgesamt 1090 Bewertungen
Bewertung vom 02.01.2023
Roth, Markus

'Ihr wisst, wollt es aber nicht wissen'. Verfolgung, Terror und Widerstand im Dritten Reich


ausgezeichnet

Markus Roth versucht in diesem Buch, das Teil einer Reihe des Verlages C.H. Beck ist, die Verfolgung und Vernichtung von Gruppen, die nicht in das arisches Weltbild des NS-Regimes passten, darzustellen.

In diesen Kapiteln setzt er sich mit der Entwicklung der deutschen Gesellschaft auseinander. Er stellt dazu unterschiedliche Fragen. Die wichtigste Frage, wie eine so großartige Kulturnation derartige Verbrechen begehen konnte, wird wohl für immer unbeantwortet bleiben. Oder ist die deutsche Kultur vielleicht gar nicht so großartig, wie alle immer glauben?

Warum macht man uns zu Parias?
Wie ein langsames Sterben
Von denen sitzt keiner zu Unrecht
Antisemitismus gut! - Aber doch nicht so!
Beweist durch die Tat, dass ihr anders denkt

"Ihr wisst, wollt es aber lieber nicht wissen."

Es war Thomas Mann, der diese Worte im November 1941 im Auslandssender der BBC angesichts der Kriegsverbrechen in Polen und Russland spricht und seinen Landsleuten schonungslos den Spiegel vorhielt.

"Das haben wir nicht gewusst" wurde dennoch zur Lebenslüge eines ganzen Volkes.

Meine Meinung:

Aus der Sicht von heute ist leicht, den Großeltern oder Eltern vorzuhalten, sie hätten nichts gegen das Regime unternommen. In einem Klima der Angst und einer Welt der Propaganda ohne Möglichkeit andere, als die jene Informationen zu lesen, die von der Regierung verbreitet werden, ist es schwer eine eigene Meinung zu haben und sie dann auch noch kundzutun.

Dennoch gab es ihn, den Widerstand, auch wenn sich die Mehrheit der Deutschen vom Terror des NS-Regimes einschüchtern ließen und in dumpfer Gleichgültigkeit verharrten. Deswegen muss der Verdienst jener umso höher bewertet und geschätzt werden, die unter Einsatz ihres eigenen Lebens oder dem ihrer Familien Widerstand wagten - und sei er auch noch so klein.

Zweifellos könnte man auch den Alliierten vorwerfen, zu lange zugesehen zu haben. Immerhin waren bereits vor 1941 die Gräueltaten des Regimes im Ausland bekannt waren. Warum hat man nicht schon früher eingegriffen?

Fazit:

Gerne gebe ich diesem Buch 5 Sterne.

Bewertung vom 01.01.2023
Yokomizo, Seishi

Die rätselhaften Honjin-Morde / Kosuke Kindaichi ermittelt Bd.1 (eBook, ePUB)


gut

„Closed room murder mystery“ - Made in Japan

In seiner Hochzeitsnacht wird Kenzo, der älteste Sohn der bekannten und reichen Ichiyanagi-Familie gemeinsam mit seiner frisch angetrauten, aber nicht standesgemäßen Frau ermordet. Die Umstände sind allerdings höchst befremdlich: Zum einem konnte man einen lauten Schrei und eine seltsame Melodie hören und zum anderen liegt das tote Ehepaar in einem fest verschlossenen Raum.

Kann der Fremde mit den drei Fingern, der seit einiger Zeit in Okamura herumschleicht und nach dem Haus der Familie Ichiyanagi gefragt hat, der Mörder sein? Wenn ja, warum? Um Klarheit zu gewinnen, engagiert Onkel der ermordeten Braut den jungen Detektiv Kosuke Kindaichi.

Meine Meinung:

"Die rätselhaften Honjin-Morde" ist ein 1946 von des 1981 verstorbenen japanischen Autors Seishi Yokomizo veröffentlichter historischer Kriminalroman, der im Jahr 1937 spielt.

Yokomizo ist ein Vertreter des „Closed room murder mystery“-Kriminalromans, also jener Unterordnung des Genres, bei dem nicht Opfer oder Täter im Mittelpunkt stehen, sondern die Durchführung der Tat, die auf den ersten (und zweiten) Blick undurchführbar erscheint.

Seishi Yokomizo wird gerne mit britischen Krimiautoren wie Agatha Christie oder Arthur Conan Doyle und deren Detektiven verglichen, die mit Köpfchen und Kombinationsgabe ihre kniffligen Fälle lösen.

Der junge Detektiv Kosuke Kindaichi kommt, im Gegensatz zu den saturierten Ermittlern aus Europa, ziemlich arrogant daher. Er weiß eben, was er kann. Für die Leser wirkt er unnahbar, was vermutlich daran liegt, dass man wenig über ihn erfährt. So kann man als Leser seinen Gedanken und den Schlüssen daraus nicht immer ganz folgen.

Der Schreibstil selbst ist ungewohnt, denn die Leser erhalten den Mord wie einen Krimi nacherzählt. Dennoch ist diese Erzählweise spannend, denn hier erhalten wir Einblick in japanische Traditionen und Gepflogenheiten.

Der Autor legt zahlreiche falsche Spuren und recht schnell ist klar, dass der Mann, nur mehr drei Finger hat und deshalb so auffällig ist, keinesfalls der Mörder sein kann.

Fazit:

Ein Einblick in die Welt der japanischen Krimis, der mich nicht ganz überzeugt hat, daher nur 3 Sterne.

Bewertung vom 31.12.2022
Caspari, Anna-Maria

Ginsterhöhe (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Dieser historische Roman, der auf der Geschichte eines real existierenden Dorfes in der Eifel basiert, ist das Debüt der Autorin Anna-Maria Caspari und Teil einer Trilogie.

Der Bauer Albert Lintermann kehrt aus dem Großen Krieg, wie man den Ersten Weltkrieg damals genannt hat, zerstört an Körper und Seele zurück. Eine Granate hat nicht nur seinen Freund Hennes getötet sondern auch seine linke Gesichtshälfte zerstört.

Nichts ist mehr so wie vor dem Krieg: Sowohl von den Dorfbewohnern als auch von seiner Frau Bertha, die sich regelrecht vor ihm ekelt, erfährt er Zurückweisung. Erst als er, nach der Geburt seiner Tochter Annemarie, mehrerer Operationen unterzieht, wird das Verhältnis - zumindest für eine gewisse Zeit - wieder besser.

Doch der Friede währt nicht lange. Die Lage der Eifel an der Grenze zu Belgien und Luxemburg, die Weltwirtschaftskrise und die damit verbundene Not, lassen neue Herausforderungen und Unheil in Form von „braunen Wolken“ am Horizont aufziehen.

Meine Meinung:

Anna-Maria Caspari zeichnet in diesem historischen Roman das Bild eines deutschen Dorfes. Sie lässt uns an den Veränderungen der Personen und deren Umfeld teilhaben.

Das Buch besticht durch seinen Erzählstil, in dem historische Ereignisse unaufgeregt in die Handlung und die Dialoge eingebettet sind. So mag ich das!
Ungeschönt spricht die Autorin das kollektive Trauma der Kriegsverletzungen an. Anders als in Frankreich, wo vor allem Versehrten mit Gesichtsverletzungen von Staat bestmöglich versorgt werden und als Helden gelten, wendet man sich in Deutschland angewidert von ihnen ab. Sie erinnern ja an die Niederlage im Krieg.

Auch der aufkeimende Nationalsozialismus, der letztendlich (fast) alle erfasst, und dem vor allem die Jungen erliegen, ist anschaulich dargestellt. Nur ganz wenige, wie Albert, Silvio oder Lene, durchschauen das Regime, wenn auch aus unterschiedlichen Perspektiven.

Ich bin schon auf den nächsten Teil der Trilogie gespannt, der unter dem Titel „Perlenbach“ demnächst erscheinen wird.

Fazit:

Dieser historische Roman ist ein gelungenes Debüt, dem ich gerne 5 Sterne gebe.

Bewertung vom 30.12.2022
Klüpfel, Volker;Kobr, Michael

Der große Coup des Monsieur Lipaire / Die Unverbesserlichen Bd.1


weniger gut

Der Beschreibung nach habe ich hier eine spritzige Gaunerkomödie erwartet. Doch leider bin ich hier ziemlich enttäuscht worden. Mit dem Klamauk und dem eigenartigen Humor à la Louis de Funès, den ich schon als Kind nicht ausstehen konnte, bin ich nicht zurecht gekommen.

Weder finde ich die Handlung spritzig noch sind mir die Charaktere sympathisch. Das gilt vor allem für den Guilliaume Lipaire, der eigentlich ein Deutscher namens Wilhelm Liebherr ist, und als Hausmeister einer Ferienhaussiedlung die Häuser illegal untervermietet, sich an Speis und Trank der Bewohner bedient und auch sonst allerlei windige Geschäfte betreibt. Sein Compagnon ist Karim, der ziemlich dämlich dargestellt wird, und sich ständig von Monsieur Lipaire schulmeistern lassen muss. Beide sind mir in ihrer trotteligen Art ziemlich auf die Nerven gegangen.

Die Handlung habe ich auch nicht wirklich spannend gefunden.

Fazit:

Nein, das wird wohl das einzige Buch dieses Autoren-Duos bleiben - egal ob Allgäu oder Côte d’Azur. Leider reicht es nur für 2 Sterne.

Bewertung vom 28.12.2022
Weiß, Sabine

Blüte der Zeit


ausgezeichnet

Sabine Weiß entführt uns mit ihrem neuesten Roman „Blüte der Zeit“ in das 17. Jahrhundert. Wie wir es von der Autorin gewöhnt sind, erzählt sie auf spannende Weise und opulente zum einen vom Kriegsgeschehen in Europa und zu anderen von wunderschönen Lustgärten und botanischen Schönheiten.

Der Dreißigjährige Krieg hat mit dem Westfälischen Frieden vor rund zwanzig Jahren sein Ende gefunden. Dennoch brechen mit dem englisch-niederländischen Krieg und den Begehrlichkeiten des französischen Königs Ludwig XIV. die nächsten Konflikte aus. Innenpolitisch sind die Niederlande zerrissen. Die Verurteilung von Johann de Witt und seinem Bruder wegen Hochverrats, lösen gemischte Gefühle bei den Bürgern aus.

In diesem Spannungsfeld der Politik dürfen wir Max, den Sohn eines Lustgärtners, und seine Mutter Debora sowie seine Geschwister begleiten. Nicht nur, dass der Krieg die Familie (der Vater wurde von marodierenden Soldaten ermordet) an den Bettelstab bringt, gibt es noch eine Familienfehde zwischen Debora und ihrer Schwester Hester.

Mit viel Ehrgeiz und Durchhaltevermögen schafft es die Familie, sich ihren Platz in der Gesellschaft zu erarbeiten.

Meine Meinung:

Sabine Weiß hat wie schon in ihren anderen historischen Romanen viel Zeit und Arbeit in die Recherche gesteckt. Um es den Lesern einfacher zu machen, gibt es zu Beginn ein Verzeichnis, in dem die historisch belegten und die fiktiven
Personen aufgelistet sind.

Dem kriegerischen Teil stellt Sabine Weiß den schöngeistigen Handlungsstrang der barocken Lustgärten gegenüber. Nicht, dass hier alles gemütlich und konfliktfrei abläuft, ist die Beschäftigung mit dem Formschnitt der Bäume, das Komponieren von Blumenbeeten und Anlegen von Wasserspielen eine hohe Kunst.

Ich verfolge seit Jahren die Wiedererrichtung des barocken Gartens von Schloss Hof in Niederösterreich. Ein Lustschloss von Prinz Eugen, das später in Besitz von Maria Theresia gelangt ist. Schloss Hof verfügt über sieben Kaskaden in Terrassen angelegte Wasserspiele. Bei einer Führung während der Bauphase der Großen Kaskade konnten wir die technischen Details aus dem Barock kennenlernen. Den Grottenbauern und Gärtnern gehört hier meine Bewunderung.

Spannend finde ich ja die Geschichte der Niederlande. Die bürgerlichen Provinzen der Niederlande wehren sich Jahrzehnte - wie hier im Roman beschrieben - gegen einen König und bleiben bis 1806, unter verschiedenen Namen, eine Republik. Erst Napoleon I. macht aus der Batavischen Republik das Königreich Holland. Eine Monarchie bleiben die Niederlande (in unterschiedlicher Ausdehnung) nach dem Wiener Kongress von 1814/15 bis heute.

Fazit:

Wer einen penibel recherchierten und opulent erzählten historischen Roman aus dem 17. Jahrhundert lesen will, ist hier goldrichtig. Gerne gebe ich für dieses Werk 5 Sterne und eine Leseempfehlung.

Bewertung vom 26.12.2022
Lin, Tom

Die tausend Verbrechen des Ming Tsu


ausgezeichnet

Dieses Buch ist das Debüt von Tom Wentao Lin, dem jüngsten Autor, der jemals mit der Andrew Carnegie Medal for Excellence in Fiction ausgezeichnet wurde.

Worum geht’s?

Man schreibt das Jahr 1869 und die Pacifiy Railway wird quer durch den Kontinent getrieben. Abertausende chinesische Arbeiter schuften für einen Hungerlohn. Als sich der Chinese Ming Tsu, in Ada, die Tochter eines Eisenbahnmagnaten, verliebt, wird er von dessen Handlangern fast getötet und als Arbeitssklave auf der Baustelle gehalten. Doch Ming Tsu überlebt und schwört blutige Rache. Schon bald wird auf ihn ein Kopfgeld von 10.000 Dollar ausgesetzt und sein Steckbrief hängt in jeder noch so kleinen Stadt.

Mit Hilfe eines greisen, blinden Chinesen, genannt »Der Prophet«, und einer bunt gemischten Zirkustruppe, die ihn zu ihrem Schutz angeheuert hat, arbeitet er sich zielstrebig Richtung Reno, Kalifornien durch. Dort hofft er, seine Ada wieder zu treffen.

Auf dem Weg dorthin zieht er eine blutige Spur, denn „das Töten machte ihm schon lange nichts mehr aus.“ ...

Meine Meinung:

Obwohl nur knapp 200 Seiten lang (epub), fesselt die Geschichte des Ming Tsu bis zur letzte Seite.

Natürlich sind Rachefeldzüge im amerikanischen Westen keine neue Erfindung. Allerdings sind sie in den letzten Jahren ein wenig aus der Mode gekommen.

Wer Sergio Leones Western „Spiel mir das Lied vom Tod“ kennt, weiß um die Brutalität mit der die Eisenbahnen durch Amerika gebaut worden sind. Diesmal wird diese Geschichte nicht aus der Sicht der Siedler, die ihres Lebens und ihres Landes beraubt werden, sondern aus der Sicht eines chinesischen Arbeitssklaven erzählt. Eine Zeit lang kann Ming Tsu darauf vertrauen, dass Weiße die chinesischen Gesichter nicht erkennen können bzw. einem „Schlitzauge“ nicht ins Gesicht schauen wollen.

Der Schreibstil ist kurz und knackig. Tom Lin hält sich nicht mit Sentimentalitäten auf, wenn man davon absieht, dass Ming Tsu seinen Traum von Ada zehn Jahre lang akribisch verfolgt. Dass er dabei über zahlreiche Leichen geht, muss man ihm fast verzeihen. Auf seinem Weg der Rache trifft er unterschiedliche Menschen, die ihn teils ablehnen, herausfordern und solche, die ihm weiterhelfen.

Der für mich interessanteste Charakter ist der „Prophet“, ein blinder Chinese, dessen Vorhersagen, sei es das Wetter oder den nahen Tod eines Mitreisenden betreffen, immer eintreffen.

Der Showdown am Ende ist unerwartet. Doch ein Happy End mit „Liebe, Wonne und Waschtrog“ wäre unrealistisch und unglaubwürdig.

Fazit:

Natürlich wird dieser Roman nicht allen Leser gefallen, aber ich bewerte diesen genialen Rachewestern mit 5 Sternen und einer Leseempfehlung.

Bewertung vom 20.12.2022
Reyer, Sophie

Die Wilderin


ausgezeichnet

Sophie Reyer entführt uns mit ihrem historischen Roman in sie karge und schroffe Bergwelt Tirols von 1900.

Um ihre Familie zu erhalten, muss Theres, die einen kleinen Bergbauernhof betreibt, wie weiland schon ihr Vater zur Bockbüchse greifen und das eine oder andere Stück Wild zu erlegen.

Als dann ein Mann erschossen aufgefunden wird, gerät Theres unter Verdacht, da man bei ihm ein rotes Tuch findet, das Theres gehört.

Die Dorfbewohner wollen es schon immer gewusst haben, denn wer wildert, schießt auch auf Menschen. Und so scheint das Urteil bereits festzustehen, denn auch für den Postenkommandanten ist Theres schuldig. Nur Inspektor Andreas Schmidt hat so seine Zweifel und sucht nach Beweisen für Theres‘ Unschuld.

Meine Meinung:

Wie wir es von Sophie Reyer gewöhnt sind, begibt sie sich mit ihren Romanen in eine mystische Ebene. Im Fall der „Wilderin“ sind die Tiroler Sagengestalten der Saligen sehr präsent. Die saligen Frauen werden als scheue, aber hilfsbereite und weise Frauen beschrieben, die in Not geratenen Menschen helfen. Das zeigt sich letztlich auch beim Prozess gegen die Theres. Es scheint als ob die Saligen der Gerechtigkeit zum Sieg verhelfen, denn nun werden alte Konflikte aufgelöst und der wahre Täter meldet sich.

Obwohl das Leben auf der Alm mehr als karg ist und Theres zahlreiche Schicksalsschläge hinnehmen muss, verzagt sie nicht. Sie nimmt das Schicksal so an, wie es ist.

Sophie Reyer zeichnet ein Sittenbild des Tirols zu Beginn des 20. Jahrhunderts, das diesen Roman zu etwas Besonderem macht. Wir erleben Theres in ihrer ganz eigene Welt, die abgeschottet vom übrigen Weltgeschehen auf ihrer Alm ums Überleben kämpft. Theres lebt im Einklang mit der Natur und entnimmt nur das, was sie für das Überleben braucht. Diese Eigenständigkeit, dieses Anders sein ist den Dorfbewohnern ein Dorn im Auge.

Fazit:

Ein historischer Krimi nach einer wahren Begebenheit, der mehr Sittenbild einer Region als Kriminalroman ist, aber durch seine bildhafte Sprache besticht. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

Bewertung vom 19.12.2022
Abuelaish, Izzeldin

Ich werde nicht hassen


ausgezeichnet

„Ich weiß, was Leid bedeutet. Ich bin Palästinenser!“

Diese Autobiografie ist an Dramatik kaum zu überbieten.

Warum?

Izzeldin Abuelaish ist in einem palästinensischen Flüchtlingslager aufgewachsen, hat Medizin studiert und ist der erste Palästinenser, der in einem israelischen Krankenhaus arbeitet. Das Leben als Pendler zwischen zwei Welten ist für den Gynäkologen, der nichts anderes will, als Frauen zu helfen ist an sich schon schwierig genug, lässt sich aber durch Beharrlichkeit und ein Übermaß an stoischem Verhalten ertragen.

Doch dann bringt eine versehentlich abgefeuerte Rakete eines israelischen Panzers sein Weltbild gehörig ins Wanken: Die Rakete trifft sein Haus, obwohl klar sein muss, dass hier ein Arzt wohnt, und tötet drei seiner Töchter und eine Nichte.

Sein Bericht im israelischen Fernsehen am 16. Januar 2009 geht um die Welt: Aufgelöst berichtet er live: „Unser Haus wurde bombardiert, meine Töchter sind tot. Oh Gott, was haben wir getan?“

Izzeldin Abuelaish hätte nun jeden Grund, Israel zu hassen. Im Gedenken an seine toten Töchter kämpft er für eine Versöhnung und Verständigung zwischen Israelis und Palästinensern. Es ist ihm aus ganzem Herzen zu wünschen, dass seine Appelle und Bemühungen endlich Erfolge zeigen und eine nachhaltige Lösung in diesem Konflikt bringen, der keinen Gewinner sondern nur Verlierer kennt.

Fazit:

Dieser beeindruckenden Autobiografie, die Politiker aufrütteln soll, gebe ich gerne eine Leseempfehlung und 5 Sterne.

Bewertung vom 14.12.2022
Benda, Susanne

Dein Schweigen, Vater


gut

Als im Mai 1945 Nazi-Deutschland besiegt ist, beginnt für die deutschstämmigen Bewohner Brünns erst der Krieg. Sie werden, wie hinlänglich bekannt, enteignet, verprügelt und auf den sogenannten „Brünner Todesmarsch“ getrieben. Wer nicht mehr weiterkonnte, wurde rücksichtslos ermordet.

Der zwölfjährige Paul ist einer der wenigen von ihnen, die überlebt haben. Er musste zahlreiche Familienangehörige sterben sehen und Freunde zurücklassen.

Dass aus ihm ein schweigsamer Mann wurde, ist verständlich. Nach seinem Tod begeben sich seine Kinder, Maria und Ulrich, auf Spurensuche. Vor allem Maria will die Familiengeschichte erkunden. Sie geht die rund 37 km von der österreichischen Staatsgrenze nach Pohořelice, dem Heimatort seines Vaters, zu Fuß, um den Vertriebenen nahe zu sein.

Meine Meinung:

Wer Sabine Bodes Bücher rund um die Kriegskinder bzw. Kriegsenkel kennt, wird sich mit Epigenetik schon auseinandergesetzt haben. Auch dieser Debütroman von Susanne Benda beschäftigt sich mit diesem Thema. Wie beeinflussen solche traumatische Erlebnisse die Nachkommen? Wir erhalten einen Einblick in das Leben von Pauls Kindern, Maria und Uli, das auch nicht ganz geradlinig verläuft.

Der Rückblick in die dramatischen Tage sind penibel recherchiert und eindrucksvoll beschrieben. Das weitere Leben Pauls ist durch sein Schweigen geprägt, das oft durch Albträume durchbrochen wird. Leider fällt dieser Teil der Erzählung in seiner Spannung ab. Die nimmt erst wieder ein wenig zu, als Maria den Todesmarsch in umgekehrter Richtung also von Österreich nach Pohořelice

Der Schreibstil wirkt bei der Spurensuche nach der Herkunftsfamilie des Vaters stellenweise ein wenig langatmig. Dieses Eintauchen in die Vergangenheit hätte durchaus Potenzial gehabt. Leider ist die Chance dazu nicht genützt worden. Allerdings muss man der Autorin zugute halten, dass sie sich für ihren Debütroman ein schwieriges Thema ausgesucht hat.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem interessanten Thema 3 Sterne.

Bewertung vom 14.12.2022
Arneitz, Anita

Winterzeit in Kärnten


ausgezeichnet

Anita Arneitz, Reisejournalistin und Schreibberaterin entführt uns in diesem Buch in das winterliche Kärnten.

Sie teilt Österreichs südlichstes Bundesland in fünf Gebiete:

Rund um den Wörthersee
Süden
Norden
Westen
Osten

Mit viel Liebe zum Detail werden hier Möglichkeiten zum Winterurlaub abseits überfüllter Pisten und alkoholschwangerer Hüttengaudi beschrieben.

Hier ist für jeden etwas dabei. Ob Schifahren auf dem Nassfeld, Eislaufen auf dem Weißensee, Eisschwimmen im Wörthersee (Brrrrrrrrrrr) oder gemütliche Wanderungen sowie Eintauchen in historische Rundgänge von Villach, Klagenfurt oder Friesach - jeder kommt hier auf seine Kosten. Kinder freuen sich auf eine Wanderung mit den Alpakas.

Anita Arneitz gibt Tipps für gutes Essen, Bewegung und Entspannung.

Als Wienerin mit Villacher Wurzeln, die die väterliche Heimat eher im Sommer und Herbst besucht, haben sich auch einige Tipps für einen Kurzurlaub im Winter eröffnet.

Fazit:

Gerne gebe ich hier 5 Sterne.