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clematis

Bewertungen

Insgesamt 297 Bewertungen
Bewertung vom 12.05.2025
Lindberg, Karin

Besser spät und dann für immer (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Ordnung

Melissa lebt in Scheidung und flieht mit ihren beiden Kindern aus London ins schöne Cornwall, um sich während der Sommerferien eine Auszeit zu gönnen. Großtante Lucinda, bei der die drei unterkommen, benimmt sich aber recht abweisend und der fesche Mann, dem Melissa erstmals im Supermarkt begegnet, verhält sich auch recht seltsam. Die strukturierte und ordnungsliebende Alleinerzieherin muss lernen, mit vielen neuen Situationen umzugehen.
Nach dem Prolog wechseln die Sichtweisen im Roman munter ab, mal liest man Melissa in der Ich-Form, mal Grant. So entsteht rasch eine Nähe zu den beiden Hauptfiguren, die jeweils eine schwere Last mit sich tragen und kaum einen Blick in die Zukunft wagen. Schön fängt Karin Lindberg ganz alltägliche Situationen ein, die sich trotzdem – oder gerade deswegen – zu einem stimmigen Ganzen fügen. Wer meint, Putzen und Ordnen eignen sich nicht für ein unterhaltsames Buch, der kennt Melissa noch nicht, denn das Herz der Innenarchitektin schlägt auch nach dem abgebrochenen Studium noch für einladende Räumlichkeiten und entspannte Wohlfühlatmosphäre. Und diese überträgt sich schnell auf den Leser, der mitfühlen kann mit allen Charakteren. Trotz ihrer Probleme, Ecken und Kanten, erscheinen sie durchwegs sympathisch und spiegeln wohl so manche bekannte Situation wider.
Flüssig nimmt die Geschichte ihren Lauf, zaubert dem Leser immer wieder ein Schmunzeln ins Gesicht. Mit Ordnungsliebe und Sorge um die perfekte Figur, Trennungsschmerz für Exfrau und Kinder und vielem mehr, komponiert Karin Lindberg einen lesenswerten Roman, der mir viel Spaß bereitet hat.

Bewertung vom 12.05.2025
Haller, Elias

Signalrot


ausgezeichnet

Tanz!

Kriminalhauptkommissarin Tara Kronberg verbringt eine Auszeit im japanischen Kloster, als sie den Auftrag erhält, das Dezernat 47 im LKA Sachsen zu übernehmen. Da besitzt sie zwar keine Ermittlungsbefugnis, soll jedoch die Arbeit des K11 in einer brutalen Mordserie kontrollieren. Der dortige Chef ist nicht begeistert, Brenner gegen Kronberg beginnt …

Ein richtungsweisender Prolog, eine Szene 26 Jahre zuvor, dann kann der Leser auch schon die scharfsichtige und durchsetzungsstarke neue Dezernatsleiterin begleiten. Während sie in einem fensterlosen Loch einquartiert wird und warten muss auf ihre Zugangsberechtigung zu den Akten, zeigen sich schon ihr kämpferisches Wesen und der Wille zum Erfolg. Keinesfalls wird Tara sich unterkriegen lassen von ihrer direkten Vorgesetzen Kim Rosenstein oder dem Ersten Kriminalhauptkommissar Sebastian Brenner, nein, sie war früher erfolgreich und wird dies wieder sein. Aber dieser Fall hat es ganz besonders in sich, es geht um vermisste Frauen, die für ihren Entführen tanzen sollen bis zum Tod. Die schockierenden Details ihrer Qual präsentiert Elias Haller jedoch in einer für einen Thriller gut verdaulichen Art und Weise, so dass man sich viel vorstellen kann, aber nicht jegliches Leid direkt mitansehen muss. Flott und abwechslungsreich schreitet das Geschehen voran, blickt der Leser aus den Augen verschiedener Figuren auf die Ermittlungen, welche chronologisch angeordnet über etwa eine Woche fortdauern. Raffinierte Einzelheiten werden geschickt verwoben zu einem großen Ganzen, das man tatsächlich erst am Ende erkennt, auch wenn man irgendwann im letzten Drittel schon denkt: „Ach nein, was soll denn jetzt noch kommen? Ich weiß doch schon, wer´s war.“ Falsch gedacht, ein Kommissar muss mehr als nur Puzzlesteine zusammensuchen, und Tara Kronberg ist schließlich klug genug, das Muster zu erkennen.

Der erste Teil der neuen Tara-Kronberg-Reihe überzeugt auf allen Ebenen, ein flüssiger Schreibstil, gut vorstellbare Charaktere, gewitzte Zusammenhänge unter den einzelnen Erzählsträngen – ein kurzweiliges Lesevergnügen ist Thrillerfreunden hier sicher. Wann kommt Band 2 heraus? Am 7. Oktober 2025 – vormerken!

Bewertung vom 09.05.2025
Qudan, Rie

Tokyo Sympathy Tower (eBook, ePUB)


weniger gut

Architektur und Sprache

Sara Machina ist eine bekannte Architektin in Japan und steht nun vor der Herausforderung, einen Gefängnisturm zu planen, der neben dem Olympiastadion in Tokio errichtet werden soll. Das Besondere an diesem Turm wird sein, dass er ein Gefängnis beherbergt, wobei aber das Wort „Gefängnis“ tunlichst vermieden wird. Die Inhaftierten sind dort Gäste, die in ansprechenden Appartements leben, die sich in Bibliotheken bilden können und denen man mit Fürsorge und Wohlwollen begegnet. Machina steht dem Konzept skeptisch gegenüber, möchte den Wettbewerb dann aber doch nicht einfach anderen überlassen.

Ein spannendes Thema, Architektur und Sprache sind interessant, der neu gedachte Umgang mit Straftätern weckt mein Interesse. Allerdings kommt im Roman dann alles anders als erwartet. Die Erkenntnis, dass Worte die Wirklichkeit prägen, wird mit einer Künstlichen Intelligenz diskutiert, aber wie sich dies tatsächlich auf die Menschen auswirkt, ob das Ausklammern von abwertenden Wörtern Vorteile nach sich zieht und die Turmbewohner bessere Menschen werden lässt, bleibt ein offenes Experiment. Denn im Buch geht es vielmehr um die Architektin selbst und ihre innere Zerrissenheit zwischen diversen Problemfeldern. Da kommen Themen zur Sprache wie Gendergerechtigkeit oder sexuelle Gewalt, Körpergerüche und porentiefe Hygiene, Euphemismen und bewusste Veränderung der Sprachstruktur. In inneren Monologen oder Dialogen, zum Teil mit einen Chatbot, wird dann diskutiert und überlegt.

Leider konnte mich dieser Roman weder inhaltlich noch sprachlich fesseln, die etwa 160 Seiten werden nicht durch eine stringente Handlung geprägt, sondern durch eine Fülle an Gedanken, welche teils vom Menschen, teils von der Künstlichen Intelligenz genährt werden. Möglicherweise bin ich mit einer falschen Erwartungshaltung an dieses Buch herangegangen, andere werden mitunter eher etwas mit dem Text anfangen können.

Bewertung vom 08.05.2025
Boland, Shalini

The School Reunion


ausgezeichnet

bewertet wird die deutschsprachige Ausgabe "Das Klassentreffen"

Falsche Schlangen

Chloe Flynn ist einunddreißig, geschieden und „nur“ eine einfache Bankangestellte. Was soll sie also anfangen mit der Einladung zum Klassentreffen? Während die anderen bestimmt auf allen Ebenen glänzen werden, hat sie keinerlei Erfolg in ihrem Leben vorzuweisen. Als sie sie dennoch zur Teilnahme entschließt, kommen anonyme Drohmails.

Chloe und Dean schildern die Situation abwechselnd, eine unbekannte Stimme bekommt ebenfalls Raum, sodass unterschiedliche Blickwinkel Spannung ins Geschehen bringen. Böse Mobbingepisoden haben sich damals zugetragen während der Schulzeit, falsche Schlangen ihr wahres Gesicht verborgen, aber inzwischen sind doch wohl alle erwachsen geworden, oder nicht? Unruhig erwartet Chloe den Abend, an dem sie auf ihre ehemaligen Klassenkollegen trifft, und tatsächlich erwarten sie dort einige Überraschungen. Ähnlich wie der jungen Frau ergeht es dem Leser: bis zur letzten Seite gibt es unerwartete und schicksalhafte Wendungen im Geschehen. Während die ersten drei Viertel des Romans vermeintlich alles preisgeben, was man wissen möchte, kommt es schlussendlich ganz ruhig, aber völlig unvermittelt daher – Bolands meisterhafte Drehung aus dem Stand. Flüssig rauscht die Handlung dahin, führt einen an der Nase herum und endet – genial.

Gewohnt fesselnd, überraschend und verblüffend aufgelöst. Empfehlung!

Bewertung vom 08.05.2025
Engelmann, Gabriella

Der Gesang der Seeschwalben / Die Bücherfrauen von Listland Bd.1 (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Das Schweigen brechen

Um eine neue Bücherserie zu entwickeln, reist Journalistin Anna März ins mystische Listland, den nördlichsten Zipfel der nordfriesischen Insel Sylt. Dort möchte sie Fenja Lorenzen besuchen mitsamt deren erstaunlichem Bücherschatz, allerdings ist die 85jährige ausgeflogen und lediglich Tochter Elisa anzutreffen. Alsbald kommen die beiden Damen über einer Tasse Tee ins Plaudern und erkennen so manche Parallelen in ihren Familiengeschichten.

Einfühlsam und leise, aber deshalb nicht minder eindrucksvoll, erzählt Gabriella Engelmann diesen schönen Roman über Liebe und Zuneigung, über Notwendiges und Erzwungenes, über Verschwiegenes und Geheimnisvolles. In zwei Zeitebenen dürfen wir einerseits Lene ab dem Jahr 1937 folgen, andererseits Anna in der Gegenwart, wobei die Kapitel einander in loser Abfolge abwechseln. Beide Handlungsstränge enthalten bewegende Szenen und erzählen ein wenig vom Krieg, der im entlegenen Listlang weniger spürbar ist und davon, wie Menschen ihre Nachfahren beeinflussen können, selbst ohne einander zu kennen. So wird es nun Zeit, „das Schweigen zu brechen“ [kindle, Pos. 4197] und Licht ins Dunkel der Vergangenheit zu bringen. Detaillierte Natur- und Landschaftsbeschreibungen fließen ebenso virtuos in den Text mit ein wie unzählige Buchempfehlungen, von denen ich einige bereits kenne, andere bestimmt noch näher ansehen werde. Besonders gut gefallen haben mir die vereinzelt eingestreuten kursiv gedruckten Kapitel über „Das Haus am Ende der Welt“, welche darlegen, was die alten Mauern alles beobachten und still in sich aufbewahren, wobei ich stets die unvergessliche Stimme Erich Kästners als Erzähler im Kopf gehabt habe. (Auch Kästner wird im Roman mehrfach erwähnt.)

Ein sehr angenehm zu lesendes Buch mit viel Liebe zu besonderen Einzelheiten. Ich empfehle es sehr gerne weiter und freue mich schon auf den zweiten Teil der Dilogie.

Bewertung vom 06.05.2025
Peters, Katharina

Kreidemord / Romy Beccare Bd.14 (eBook, ePUB)


gut

Fall 14

Im Kreidemuseum auf Rügen liegt eine Tote, qualvoll erstickt im weißen Staub. Dieser vierzehnte Fall für Romy Beccare führt nicht nur zu einem weit zurückliegenden Korruptionsfall in Polizistenkreisen, sondern auch dazu, dass ihr Ehemann Jan Riechter unter Verdacht gerät.

Während der Klappentext Neugierde in mir weckt, denke ich beim Lesen immer wieder, dass ein Quereinstieg bei Fall 14 doch nicht ganz klug war. Zu viele Namen und Figuren begegnen mir beim Lesen, sei es im Team der Ermittler, sei es unter den Verdächtigen, sei es bei Verwandten vom Opfer. Die Kriminalisten werden recht gut charakterisiert, sodass man sich bei den Aktiven doch bald gut auskennt, allerdings reicht das Ganze ja auch etwa zwölf Jahre zurück, wodurch auch pensionierte Polizisten wieder ins Spiel kommen. Die unterschiedlichsten Spuren tauchen auf und werden akribisch verfolgt, ein Netz aus teils unübersichtlichen Handlungssträngen zieht sich nun durchs Geschehen, das zu allem Überfluss im Pandemiejahr 2020 abläuft und Hamsterkäufe, Abstandsregeln und sonstige Maßnahmen zur Sprache bringt. Möglicherweise bin ich die einzige Leserin, die 2025 nicht immer noch daran erinnert werden möchte, aber diese nicht unwesentliche Information hätte ich gerne vorab (z.B. im Klappentext) gehabt. Nun denn, es geht munter weiter mit einem hochmotivierten Team, bis schlussendlich eine fragwürdige Lösung als Treffer herhalten muss.

Alles in allem hat mich der Kreidemord auf Rügen nicht ganz überzeugt, was aber unter Umständen daran liegt, dass ich erst hier auf den Kahn aufgesprungen bin und frühere Zusammenhänge und Einzelheiten nicht kenne. Für treue Serienbegleiter bietet das Buch wohl eher das erwartete Lesevergnügen.

Bewertung vom 05.05.2025
Kinkel, Tanja

Im Wind der Freiheit (eBook, ePUB)


gut

Freiheit in Ketten

Susanne und Louise könnten unterschiedlicher nicht sein, die eine Schriftstellerin, die andere einfache Fabrikarbeiterin, als sich ihre Wege im Winter 1945/46 erstmals unerwartet kreuzen. Das Schicksal führt sie auch im Jahre 1848 zusammen, lässt beide kämpfen für Freiheit, Gleichberechtigung und Demokratie, der Erfolg bleibt diesmal jedoch aus. „Mag sein, dass die Sache der Freiheit derzeit wieder in Ketten liegt. Aber die Schlüssel zu diesen Ketten halten wir Frauen.“ [kindle, Pos. 5328]

Der Einstieg ins Buch mit einer siebzehnjährigen trotzigen Louise vor dem Notar und Susanne im Lehrerhaushalt und in einer Oederaner Tuchfabrik ist bestens gelungen. Beider Mädchen Geschichte weckt Neugierde, stellt doch jede von ihnen bildlich dar, welchen Stellenwert ein junges, minderjähriges Ding im 19. Jahrhundert einnimmt, nämlich gar keinen. Trotz aller Widrigkeiten nehmen aber Louise und Susanne ihr Leben in die eigene Hand und finden sich nach ihrem erstmaligen Aufeinandertreffen wenige Jahre später in der 48er-Revolution gemeinsam auf der Straße wieder. Was überaus einladend und fesselnd beginnt, verändert sich aber plötzlich schlagartig in eine Ansammlung an politischen Reden und Straßenkämpfen. Männer, welche Brandreden halten und Soldaten mit Schusswaffen beherrschen die Bühne, drängen die anfangs recht nahe gehende Handlung immer mehr an den Rand. Wiewohl dem Buch eine detaillierte Recherche zugrunde liegt und historisch belegte Figuren (u.a. Louise Otto) in die erdachte Geschichte eingebunden werden, so verliert sich das Ganze leider zunehmend in eine eher sachliche Darstellung der Geschehnisse im Jahre 1848, was ermüdend wirkt beim Lesen und den Drang zum Weiterblättern nicht gerade anfacht. Mehr Details wie „Was bedeutet Freiheit für dich?“ und Antworten aus unterschiedlichen Blickwinkeln hätten aus meiner Sicht spannender gewirkt, ebenso wie die anfangs so lebendig dargestellten Beweggründe von Louise und Susanne für ihr jeweiliges Tun.

Ein fundierter historischer Roman mit vielen realitätsgetreuen Details, der aber streckenweise aufgrund seiner sachlichen Darstellungsweise an Lebendigkeit einbüßt. Was ist da nach den ersten 25 Prozent passiert? Es scheint, als wären zwei unterschiedliche Textteile zusammengesetzt worden.

Bewertung vom 05.05.2025
Zinßmeister, Deana

Sturm über dem roten Land: Die Australien-Saga - Spin-Off (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Kluft in Australien

Farm Second Chance, Australien, 1817: Die siebzehnjährige Grace ist ein rechter Wildfang und genießt ihr unbeschwertes Leben auf der Farm ihrer Eltern. Mit Pferd Bumerang erkundet sie nicht nur die nähere Umgebung ihres Zuhauses, sondern streift auch gerne ins Outback, um die Einsamkeit der Natur bis in ihr Innerstes zu spüren. Als ihr Vater, selbst Arzt, von Grace´ Interesse für Medizin erfährt, verbietet er ihr jegliche weitere Beschäftigung mit dem Thema, da sich dies für ein junges Mädchen nicht geziemt, sondern verpflichtet sie im Gegenteil zu gesellschaftlichem Engagement im örtlichen Bibelkreis. Als wäre das nicht schon schlimm genug, verspricht er seine jüngste Tochter dann auch noch dem selbstgefälligen Arthur Bellamy zur Frau, während diese allerdings schon ihr Herz an einen Aborigine verloren hat.

Unlösbare Probleme an der Kluft zwischen Weiß und Schwarz, zwischen Zuwanderern und Eingeborenen, aber auch innerhalb der Familie Fairbanks bilden die Grundlage dieses schönen und stimmungsvollen Romans, der auch etliche wahre Begebenheiten zwischen den fiktiven Szenen bereithält. Deana Zinßmeister versteht es wahrhaft, Phantasie und Realität zu einem stimmigen Ganzen zu verknüpfen, sodass den Leser eine Geschichte mit bezaubernder Atmosphäre erreicht. Der Schreibstil fließt angenehm dahin und beschreibt die Zustände im 19. Jahrhundert bildlich, lediglich das Verwenden von „um was“ statt „worum“, „auf was“ anstelle von „worauf“ oder „von was“ (wovon) in der Erzählung - nicht in der direkten Rede, wo ich das ja noch verstehen kann - ist mir eher unangenehm aufgefallen. Die Figuren hingegen sind gut vorstellbar, ihr jeweiliges Dilemma ebenso. Welches lösbar ist, welches weiter bestehen bleibt, das schildert die Autorin höchst lebendig in diesem Roman.

Ein lesenswertes Buch im Rahmen von Deana Zinßmeisters „Australien“-Saga, das viel verrät über den fernen Kontinent und darüber hinaus noch wahre Episoden und geschichtlich verbürgte Persönlichkeiten in die Handlung einflicht, wie im interessanten Nachwort zu erfahren ist. Leseempfehlung!

Bewertung vom 01.05.2025
Maly, Beate

Zeit der Hoffnung / Die Trümmerschule Bd.1 (eBook, ePUB)


sehr gut

Frau Professor Herzig

Die Jüdin Stella Herzig muss während des Zweiten Weltkriegs Wien verlassen, sehnt sich aber ständig nach ihrer Heimat, weshalb sie 1945 aus London zurückkehrt. Erschrocken stellt sie auf der Zugfahrt zum Westbahnhof fest, wie sehr sich die Stadt verändert hat, Ruinen ragen in den Himmel, Schutt und Trümmer müssen weggeschaufelt werden. Glücklicherweise findet die junge Lehrerin rasch eine Anstellung am renommierten Lindengymnasium, schafft sich mit ihren modernen und aufgeschlossenen Methoden aber nicht bei allen Kollegen Freunde, ganz im Gegenteil, so mancher Nazi tummelt sich noch in den Reihen der Lehrer.

Bildreich und mit einem geschulten Blick fürs Detail erzählt Beate Maly die Geschichte der jungen Frau Professor Herzig, die in der Wiener Lehrerin und Politikerin Stella Klein-Löw in groben Zügen eine Vorlage findet. Die überwiegende Handlung ist fiktiv, zeigt aber sehr eindrücklich, wie Wien in den Nachkriegsjahren ausgesehen hat und wie verbreitet antisemitisches Gedankengut immer noch war. Sehr deutlich zum Tragen kommen Traumata, mit welchen Erwachsene zu kämpfen haben, aber auch Stellas Schüler werden oft dazu gedrängt, Erlebtes totzuschweigen, zu gehorchen und die Wünsche und Erwartungen ihrer Eltern zu erfüllen. So verwundert es einen nicht, dass die Atmosphäre häufig angespannt ist, man nach wie vor nicht weiß, wem gegenüber man sich öffnen oder gar anvertrauen kann. Sowohl die Welt des gestrengen Gymnasiums als auch des Lebens unter unterschiedlichen Besatzern wird eindrucksvoll wiedergegeben, sodass die Geschichte vor den Augen des Lesers recht lebendig wird. Nicht überaus dramatisch, eher ruhig und einfühlsam schildert Maly die einzelnen Szenen, die Stella Herzig als Hauptfigur mutig und entschlossen darstellen. Da noch nicht alles auserzählt ist, Fragen offen bleiben, wird man sich bis zur Fortsetzung im Jänner 2026 gedulden müssen.

Ein leiser, realitätsnaher Roman, der erinnern möchte und zum Nachdenken mahnt. Empfehlenswert!

Bewertung vom 01.05.2025
Hammann, T. J.

Die Lektorin - Ich schreibe dein Ende! (eBook, ePUB)


sehr gut

Fortsetzungsroman

Bei Lektorin Lilli Ziegler wird ein Manuskript abgegeben, das das Blut in ihren Adern gefrieren lässt. Verblüffend sind die Parallelen zu ihrem eigenen Leben, aber die einzelnen Teile, welche nach und nach - einem Fortsetzungsroman gleich - bei Lilli ankommen, werden immer bedrohlicher, denn ihre Familie ist laut den Ankündigungen im Text in akuter Lebensgefahr.

Raffiniert legt Tim J. Hammann diese Geschichte an und vermag dadurch die Leser in seinen Bann zu ziehen. Einer ganzen Reihe an Fragen muss sich Lilli stellen. Wer könnte hinter den Manuskripten stecken? Wie gut kennt sie ihre Familie, ihren Ex-Mann und ihre beiden erwachsenen Kinder wirklich? Was bezweckt der Täter? Wem kann sie noch vertrauen? Die Spannung ist greifbar, Lillis Dilemma, der Polizei und auch ihren Weggefährten nicht alles zu erzählen, was ihr widerfährt, wird von Tag zu Tag größer. Das Augenmerk liegt weniger auf den einzelnen Figuren als vielmehr auf der Gesamtkomposition aus Lillis Leben, das mittels der Manuskriptteile dargestellt und des Weiteren vorgezeichnet wird und den Überschneidungen mit der Wirklichkeit, die gleichzeitig stattfindet. Dergestalt bildet jedes recht große Kapitel einen Abschnitt der Dramaturgie ab, wobei man sich immer weiter verstrickt in einen Strudel aus verblüffenden und überraschenden Neuigkeiten und der Fähigkeit des Schreibers, Lilli stets auf den Fersen zu sein. Die Auflösung kommt dann fast zu turbulent daher mit spektakulären Szenen, bei denen sich die Ereignisse regelrecht überstürzen und noch schnell etliche Informationen geballt zusammengefasst werden.

Ein flüssiger Schreibstil und eine überaus ungewöhnliche Handlungslinie lassen dieses Thrillerdebüt zu einem kurzweiligen Zeitvertreib werden.