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Lena
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Köln

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Insgesamt 127 Bewertungen
Bewertung vom 03.02.2025
Lenz, Svea

Lebensträume. Ärztin einer neuen Zeit


ausgezeichnet

Viktoria Becker wohnt in der Spandauer Vorstadt und studiert Medizin an der Freien Universität in Westberlin. Mit dem Bau der Mauer im August 1961 wird ein grenzüberschreitendes Studium verhindert und gefährdet Vickys großen Traum, Ärztin zu werden. Dank des Engagements westdeutscher Studenten gelingt Vicky und ihrem Freund Achim die Flucht in den Westen. Während Vicky ihr Studium mit Engagement fortsetzt, wird Achim im November 1961 als Fluchthelfer verhaftet.
Vicky weiß nichts über den Verbleib Achims und hat nach dem Studium Probleme, eine Anstellung zu bekommen. Ihr Ziel der Chirurgie rückt in weite Ferne, aber nach einem Erste-Hilfe-Einsatz kann Vicky ihre Medizinalassistenz an der Klinik am Frankfurter Flughafen absolvieren.
Als junge Ärztin hat sie es in der Männerdomäne und den fordernden Schichtdiensten nicht leicht, setzt sich jedoch wissbegierig und leistungsstark durch und ist in ihrer knappen Freizeit als Samariterin im Frankfurter Rotlichtmilieu im Einsatz. Im Kampf für den Ausbau zu einer modern ausgestatteten Klinik am Frankfurter Flughafen hat Vicky kaum Zeit an ihre Familie im Osten zu denken. Sie vermisst Achim, sehnt sich nach einem Wiedersehen und ist deshalb nicht offen für eine neue Liebe, ohne zu hinterfragen, ob sie nach einer langen Zeit der Trennung immer noch dieselben sein würden und ihre Beziehung noch eine Chance haben könnte.

Der Roman handelt von 1961 bis 1972 und ist eine lebendige Geschichte mit einer liebenswerten Hauptfigur.
Sehr detailreich wird der Lebensweg der Anfang 20-Jährigen, insbesondere ihre ersten Schritte im Beruf, geschildert. Die fiktive Geschichte um die unerschrockene, forsche und ehrgeizige Vicky wird dabei mühelos mit der deutschen Historie verbunden. Der Zweite Weltkrieg und die Besatzungszeit liegen noch nicht lange zurück, die Bundesrepublik befindet sich im Wirtschaftsaufschwung mit Leiharbeitern aus allen Herren Ländern. Es ist die Zeit von Gammlern und Studentenprotesten gegen Krieg und atomare Aufrüstung, aber auch die Zeit des Vietnam-Kriegs und von zunehmendem Terror um den Staat zu erpressen.
Durch den anschaulichen Einblick in das Leben in die 1960er-Jahre in Ost und West ist der Zeitgeist spürbar. Vickys persönliche Geschichte mit Klinikalltag und ihrem einnehmenden Wesen sowie das Einfließen der politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse sorgen für ein anschauliches Bild der damaligen Zeit und der Lebensumstände, die durch Alltagsszenen, Musik, Nachrichten und reale Ereignisse untermalt wird.

Die Geschichte ist so lebensecht und authentisch, als wäre man an Vickys Seite. Dabei schafft es die Autorin ohne übertriebenes Drama und mit vielvältigen interessanten medizinischen Details diverse aufregende Situationen als Notärztin, Allgemeinmedizinerin oder Gynäkologin zu schildern.
Die Liebesgeschichte bleibt dezent im Hintergrund, so dass tatsächlich Vickys Weg als mutige und engagierte berufstätige Frau im Vordergrund steht, die nicht zurückblickt, ihr Ziel klar vor Augen hat und dennoch genug Empathie für ihre Patienten und die Damen der Frankfurter Halbwelt aufbringt.

"Lebensträume - Ärztin einer neuen Zeit" ist ein vielschichtiger Entwicklungsroman über eine sehr engagierte junge Ärztin. Er schildert einen emanzipierten Lebensweg vor dem Hintergrund des Verlusts der Heimat, hinterfragt damalige Moralvorstellungen und hinterlässt durch Vickys Lebensmut, sich entwickelnde Freundschaften, Fortschritte und Erfolge ein wohliges Gefühl. Der Roman ist abwechslungsreich, spannend und emotional, macht Geschichte lebendig und zeigt eindringlich den Wert von Freiheit, Demokratie und Menschlichkeit.

Bewertung vom 01.02.2025
Schwarz, Iver Niklas

Kummersee


ausgezeichnet

Im Sommer 1990 kam Lenas älterer Bruder im Kummersee bei Horlow an der deutsch-deutschen Grenze unter mysteriösen Umständen ums Leben. Bis heute hat Lena Bilder im Kopf, die etwas anderes aussagen, als die Einstufung der Behörden als Badeunfall.
Über 30 Jahre später kehrt Lena als Polizistin an den Ort ihrer Kindheit zurück. Als Personenschützerin begleitet sie zusammen mit ihrem Kollegen Malik ein Vermessungsteam, das die Geeignetheit Horlows als Atommülllager prüfen soll. Als ehemalige Bewohnerin des Ortes gilt Lena als Verräterin und bekommt den Widerstand der Horlower zu spüren. Zudem campiert eine Gruppe militanter Umweltschützer am Kummersee, die das Endlager dort verhindern möchte.
Während Lena von Erinnerungen an den "Badeunfall" heimgesucht wird und sich noch immer Gruselgeschichten um den Kummersee ranken, kommt es zu ersten Todesfällen, die zeigen, dass die Monster des um Mythen umrankten Sees noch immer da sind.

"Sleepy Horlow" ist bezeichnend für das Dorf am Kummersee, in dem eine düstere und beklemmende Stimmung herrscht und Fremde nicht willkommen sind. Geprägt von den jahrhundertealten Mythen um den See und den mysteriösen Todesfällen, die sich dort ereignen, durchzieht sie Geschichte eine gruselige Atmosphäre. Etwas Tödliches schlummert im See, wobei Lena als erwachsener Frau bewusst ist, dass das Böse von den Menschen ausgeht und dass dort keine anderen Monster im Verborgenen lauern.

Durch Rückblenden in die Vergangenheit der 1990er wird deutlich, warum Lena den Ort so lange gemieden hat. Die Folgen des Traumas sind gegenwärtig, aber Lena ist entschlossen, sich ihren Ängsten zu stellen, um endlich eine Erklärung für den Tod ihres Bruders, aber auch die aktuelle Bedrohung, zu erhalten. Vor dem Hintergrund sind ihre Alleingänge als Polizistin und die Gefahr, in die sie sich begibt, erklärbar.

Die Geschichte ist spannend, denn es nicht zu erahnen, wo sie hinführen wird. Als Leser möchte man selbst unbedingt wissen, welches Geheimnis der See birgt und wer für dessen Bewahrung bereit ist, zu töten. Wie Lena wird man förmlich in den See gezogen, um Antworten zu finden. Die Aufklärung ist gewaltig und mit einer unfassbaren Skrupellosigkeit und Gewalt verbunden. Selbst als man denkt, das Ausmaß der Verschwörung erkannt zu haben, wird man mit einer weiteren Erschütterung überrascht.

"Kummersee" ist eine spannende Mischung aus Familientragödie und Mysterythriller, in der geschickt die deutsch-deutsche Geschichte mit zeitgemäßen Aspekten um Umweltschutz und Ökoterrorismus verbunden wird.

Bewertung vom 01.02.2025
Thomas, Bev

Mutterlüge


sehr gut

Ruth Hartland ist Psychologin und leitet die Trauma-Abteilung in einer Klinik in London. Sie ist Mutter von erwachsenen Zwillingen, wobei ihr Sohn seit anderthalb Jahren verschwunden ist. Ihr Ehe ist daran zerbrochen und das Verhältnis zu ihrer Tochter angespannt. Im beruflichen Umfeld verschweigt Ruth ihre privaten Sorgen.
Ihr neuer Patient Dan erinnert sie an ihren Sohn Tom. Er verunsichert sie in den Therapiesitzungen und Ruth schafft es immer weniger, die professionelle Distanz zu wahren - mit fatalen Folgen.

Der Roman wird aus Ruths Ich-Perspektive geschildert, so dass man der Hauptfigur sehr nahe kommt. Sie ist einerseits eine erfahrene Psychotherapeutin, die mit Leidenschaft ihrem Beruf nachgeht und andererseits eine Mutter, die einen Verlust erlitten hat und sich in Frage stellt. Die Darstellung ist emotional und realitätsnah und erscheint aufgrund der Tatsache, dass die Autorin selbst jahrelang als klinische Psychologin tätig war, besonders authentisch.

Es gibt Einblicke in ihren Berufsalltag, die Therapiesitzungen mit ihren Patienten und die Supervisionen. Dazwischen erfolgen Erinnerungen an Tom und Rückblenden in das Familienleben. Geprägt von einer Kindheit mit einer alkoholkranken Mutter wollte Ruth in ihrer Mutterrolle stets alles richtig machen. Die Unterschiede ihrer Kinder machten es ihr jedoch schwer. Während sie ihrer Tochter, die von Geburt an stärker wirkte, weniger Aufmerksamkeit schenkt, rückt die Fürsorge für ihren sensiblen Sohn in den Mittelpunkt.
Als Therapeutin möchte sie ihren Patienten helfen, gleichzeitig ist es ihr ein Bedürfnis, sie zu knacken und erfolgreich zu sein. Ihr neuer Patient Dan macht ihr jedoch Probleme. Die Grenzen zwischen Dan und Tom, zwischen ihrer Aufgabe als Therapeutin und ihrer Eigenschaft als Mutter verschwimmen.

"Mutterlüge" ist kein nervenaufreibender Thriller, aber ein fesselndes Drama über Verlust, Schuldgefühle, mangelnde Abgrenzung und Mutterschaft.
Gebannt wohnt man den Therapiesitzungen bei und hat das Gefühl, dass Dan genau weiß, was Ruth durchmacht und dass er sie bewusst provoziert und manipuliert. Geblendet von ihrer Trauer um den Sohn und ihren Versagensängsten fehlt Ruth der neutrale Blick auf Dan. Es ist jederzeit zu spüren, dass die Sitzung in eine Katastrophe führen wird, wobei das Ausmaß der Tragödie am Ende dennoch überrascht.

Bewertung vom 28.01.2025
Menz, Lars

Die Schanze


sehr gut

Nach einer gescheiterten Beziehung kehrt Dr. Ellen Roth Hamburg den Rücken und zieht zurück in ihre Heimat in Bayern, wo sie die Arztpraxis im Dorf übernimmt. Am ersten Abend ihrer Rückkehr ereignet sich ein Mord. Der Sohn des Bürgermeisters wird erhängt an der Skisprungschanze aufgefunden. Ellen ist mit Johannes Gruber zur Schule gegangen und sie kennt ihn näher, als ihr lieb ist. Sie dachte eigentlich, sie hätte die Vergangenheit längst hinter sich gelassen, aber sie wird immer noch von quälenden Erinnerungen heimgesucht und jetzt sie sich auch noch fragen, ob der Mord an Johannes mit ihrer Rückkehr in einem Zusammenhang stehen könnte.

"Die Schanze" beginnt mit einem Mord in einem verschneiten Dorf, in dem jeder jeden kennt und so manches Geheimnis nicht im Verborgenen geblieben ist. Die Geschichte wird aus mehreren Perspektiven geschildert, wobei die Ärztin Ellen im Vordergrund steht. An ihrer Seite ist ein lokaler Journalist, der die Story seines Lebens wittert. Überhaupt steht das Dorfgefüge im Fokus, denn über die Ermittlungen der Polizei erfährt man, wenn überhaupt, nur indirekt etwas durch den pensionierten Polizisten Karl Haußer.

Jede Figur hat mit eigenen psychischen oder physischen Problemen zu kämpfen. Krankheit, Einsamkeit und Bindungsschwierigkeiten oder Existenzängste sind gegenwärtig. Kein Bewohner des Ortes ist leicht zu durchschauen und könnte Mordgedanken hegen.

Die Geschichte ist aufgrund der persönlichen Hintergründe dramatisch und von Beginn an spannend. Die Spannung wird weiter angeheizt, als ein zweiter Mord passiert und unklar ist, ob Ellen in Gefahr ist.

Durch die kurzen Kapitel und wechselnden Perspektiven wird die Neugier zum Weiterlesen geweckt. Der Thriller ist mit der winterlichen und düsteren Stimmung perfekt für die Jahreszeit und ein stimmiges Debüt, auch wenn man die Handlungen von Ellen und Merab, die sich mit dem Wissen, über das sie verfügen, nicht an die Polizei wenden, in Frage stellen muss und auch das Motiv des Täters am Ende nicht ganz überzeugt.

Bewertung vom 25.01.2025
Schneider, Anna

Grenzfall - Ihre Spur in den Flammen / Jahn und Krammer ermitteln Bd.5


ausgezeichnet

In Fahrzeug kommt um Mitternacht bei Bad Tölz von der Straße ab und geht in Flammen auf. Eine Zeugin will gesehen haben, dass eine Frau nach dem Unfall aus dem Fahrzeug gestiegen und in den Wald geflüchtet ist. Alexa Jahn und ihr Kollege Florian Huber von der Kripo Weilheim nehmen die Ermittlungen auf. Während Huber von einem Unfall oder Selbstmord ausgeht, stellt Alexa mehr Fragen und möchte mehr zum Halter des Fahrzeugs in Erfahrung bringen. Wenig später brennt ein Haus in einer guten Wohngegend in Gaißach lichterloh, was für Alexa kein Zufall sein kann.
In Österreich hat Bernhard Krammer mit den Folgen seines letzten Falls zu kämpfen, der ihn auch persönlich getroffen hat. Aktuell ist er mit keinem laufenden Fall befasst ist und wird durch die Medien auf die Brände in Deutschland aufmerksam, wobei er eine Parallele zu einem Fall von Brandstiftung in Innsbruck erkennt. Alle Opfer sind in der Immobilienbranche tätig.

"Ihre Spur in den Flammen" ist bereits der fünfte Band der "Grenzfall"-Reihe, in der Oberkommissarin Alexa Jahn und Chefinspektor Bernhard Krammer grenzüberschreitend gegen das Böse ermitteln. So hat man auch in diesem Teil die Zweiteilung aus einem Handlungsstrang in Bayern und einem in Österreich. Daneben gibt es Einsichten in den Täter, die nahe legen, dass es bei den Bränden um einen Rachefeldzug handelt, ohne dass man direkt auf den Täter schließen kann.

Die Kenntnis der vorangehenden Teile der Buchreihe ist empfehlenswert, da sowohl der private Hintergrund und die Persönlichkeit der beiden Hauptfiguren sowie auch der Fall aus Band 4 eine Rolle spielen. Die Autorin schafft es dabei zu Beginn geschickt Teile des letzten Bandes zusammenzufassen, um den Einstieg nach einem Jahr Pause zu erleichtern.

Der Kriminalfall ist gerade aufgrund seiner Undurchsichtigkeit und dem Fehlen klassischer Mordfälle originell und spannend aufgebaut. Erneut müssen Alexa und Krammer sich vor allem auf ihren Instinkt verlassen, der das Vater-Tochter-Duo beruflich leitet.
Die Ermittlungen werden dabei detailliert und authentisch geschildert, auch wenn Alexa und Krammer nicht von ihren Alleingänge ablassen können. Weder Alexa noch Krammer sind abgebrühte Polizeibeamte. Beide sind empfindsam, bedauern die Opfer und sind trotz ihrer Erfahrung entsetzt von den Reaktionen auf die Verbrechen. Immer wieder prangern sie die zunehmende Verrohung der Gesellschaft an.

"Ihre Spur in den Flammen" ist ein willkommenes Wiedersehen mit den liebgewonnen Protagonisten, ein spannender Kriminalfall, in der die klassische Polizeiarbeit sowie der Spürsinn der Ermittler in den Mittelpunkt rücken, aber auch die persönlichen Dramen und die Auseinandersetzung der Hauptfiguren mit sich selbst und ihren Unzulänglichkeiten neben den Ermittlungen die Buchreihe fortsetzen und ihr Leben und Persönlichkeit einhauchen.
Einziges Manko ist, dass die Fallaufklärung am Ende recht schnell geht und in hohem Maß dem Zufall geschuldet ist.
Bis Fall 6 der Reihe erscheint, wird wieder ein Jahr vergehen, aber die Leseprobe macht schon jetzt neugierig auf "Ihr Grab in den Fluten" (ET: 28.01.2026).

Bewertung vom 25.01.2025
Nisi, Sarah

Haltlos (eBook, ePUB)


gut

Vor drei Monaten ist Emilys Freundin Liv auf die Gleise der Londoner Tube gestürzt und ums Leben gekommen. Emily stand neben ihr, leidet aufgrund des Schocks jedoch an Amnesie und kann sich an den gesamten Morgen von Livs Todestag nicht erinnern. Die Polizei hat die Ermittlungen inzwischen eingestellt, aber Liv kann weder an eine Unfall, noch an einen Selbstmord glauben.
Auf Wunsch von Livs Mutter kümmert sie sich um die Auflösung des Appartements ihrer Freundin und zieht deshalb temporär darin ein. Sie findet ein Tagebuch, das ein anderes Licht auf Liv wirft. Emily möchte endlich Gewissheit haben und versucht auf eigene Faust zu ermitteln, was an dem Bahnsteig passiert ist. Hilfe erhält sie von Livs dubiosem Nachbarn, der eine kriminelle Vergangenheit hat.

Der Roman wird aus den Perspektiven von Emily und Nachbar Shakes erzählt. Darüber hinaus gibt es Eindrücke aus Sitzungen eines namenlosen Patienten mit einer Therapeutin und einzelne Abschnitte aus Livs Tagebuch.

Emilys Sicht ist nicht zu trauen, die Erinnerungen mit Träumen vermischt, Shakes Verhalten ist zwielichtig, Liv hatte Geheimnisse, die sie einem Tagebuch anvertraut und der unbekannte Patient versucht seine Therapeutin zu manipulieren. Es gibt nur eine übersichtliche Anzahl an Figuren und jeder macht sich verdächtig. Aufgrund der absichtlich undurchsichtigen Darstellung bleibt jeder Charakter langweilig blass und eindimensional.

Die Geschichte dreht sich lange im Kreis um die Frage was mit Liv passiert ist, bis Emily eine Initiative ergreift, die dann jedoch haarsträubend ist. Statt den naheliegenden Weg über die Polizei zu gehen, wird dem vermeintlichen Täter eine Falle gestellt, in die er nicht notwendigerweise tappt und die für Emily zudem gefährlich ist.

Livs Tagebuch gibt entscheidende Details preis, die Emily an ihr zweifeln lassen, wobei ein Geständnis in Form eines Tagebuchs eine sehr simpel gewählte Variante ist um offene Fragen zu beantworten. In der Realität ist wohl zweifelhaft sich freiwillig selbst schriftlich zu belasten.

Positiv betrachtet ist der Thriller wendungsreich und lädt durchgängig zum spekulieren ein. Täter und Opfer wechseln und fachen die Spannung weiter an. Die vielen falschen Fährten sind jedoch ermüdend und der Strang um die desolate Situation in Gefängnissen, wenn Inhaftierte der Willkür von Bediensteten unterworfen sind, blieb wie die Charakterzeichnung nur oberflächlich.

Bewertung vom 22.01.2025
Faber, Henri

Kaltherz


gut

Wenige Minuten allein gelassen waren ausreichend und die fünfjährige Marie verschwindet auf einem Ausflug mit ihrer Mutter spurlos. Polizistin Kim Lansky, die neu in der Abteilung für Vermisste bei der Bayerischen Polizei ist, übernimmt die Ermittlungen eines kürzlich verstorbenen Kollegen. Ihr Vorgesetzter ist ein Freund aus ihrer Jugend in Neuperlach, einem sozialen Brennpunkt, wo sie beide nichts haben anbrennen lassen. Ohne sich in das Team zu integrieren, geht Lansky eigenmächtig vor und versucht den Fall auf ihre Art zu lösen. Lansky dringt in düstere Kriminellenkreise vor, denen sie näher ist, als sie sein sollte und sieht sich bald auf ungeahnte Weise mit ihrer Vergangenheit konfrontiert.

"Kaltherz" handelt von der Entführung eines fünfjährigen Mädchens und wird aus vier Perspektiven erzählt, darunter auch der fünfjährigen Marie, die so gar nicht versteht, was vor sich geht. Daneben erhält man Einblicke in die Leben der Eltern, wobei sowohl Vater als auch Mutter etwas zu verbergen scheinen und nur schwer einzuschätzen sind. Ermittlerin Lansky ist zupackend, frech und stets auf der Jagd und eckt mit ihrer unkonventionellen Art unweigerlich an.
Der Zweck heiligt die Mittel, aber ihre Vorgehensweise unter Missachtung sämtlicher Dienstvorschriften ist mehr als fragwürdig.

Es werden eine Reihe falscher Fährten gelegt, die die Aufmerksamkeit in Richtung Wirtschaftskriminalität und Organisierte Kriminalität lenken, bevor eine Wende für mehr Drive in der Handlung sorgt. Die anschließenden zahlreichen weiteren Wendungen sind wie die Ermittlungen kaum mehr nachzuvollziehen.
Neben dem Faktor Zufall und einer ordentlichen Portion Gewalt der unkaputtbaren Lansky spielen die handelnden Personen, die fast alle ein zweites Gesicht haben eine entscheidende Rolle. Die Menge an Action und persönliche Involvierung, Lügen und Trauma ist für den Fall und die übersichtliche Anzahl an Charakteren viel und gestaltet die kaum nachvollziehbare Fallaufklärung ein wenig abstrus.

"Kaltherz" ist spannend und wendungsreich und auch die unterschiedlichen Perspektiven sind individuell herausgearbeitet, die polizeilichen Ermittlungen sind in dem Fall jedoch wenig authentisch und spielen in dem Thriller eine Nebenrolle.

Bewertung vom 22.01.2025
Murrin, Alan

Coast Road


ausgezeichnet

Colette Crowley kehrt im Herbst 1994 in ihren Heimatort Ardglas in der Grafschaft Donegal in Irland zurück. Die Lyrikerin hatte ihren Ehemann und ihre Kinder für eine Affäre in Dublin verlassen. Getrennt von dem Mann möchte sie nun die Beziehung zu ihren Kindern, insbesondere dem jüngsten Sohn, intensivieren. Die Familie Mullen vermietet ihr ein Cottage in der Coast Road, da sie ein viertes Kind erwartet und die Mieteinnahmen finanziell gut gebrauchen können.
Um selbst etwas zu verdienen, bietet Colette einen Schreibkurs an, zu dem sich auch Izzy Keaveney anmeldet, die permanent im Clinch mit ihrem Ehemann ist. Sie genießt deshalb die Gespräche mit Pfarrer Brian Dempsey, der sie mehr zu verstehen scheint. Nachdem sie sich Colette angenähert hat, hilft sie ihr dabei, ihren Sohn zu treffen, zu dem ihr ihr Mann Shaun den Zugang verweigert.
Während in dem kleinen Ort sowohl über die verruchte Colette als auch über Izzys Beziehung zu dem Pfarrer getratscht wird, ist ein Referendum in Vorbereitung, dass die Möglichkeit einer Scheidung legalisieren soll.

"Coast Road" handelt in den Jahren 1994/ 1995 in Irland, einem katholisch geprägten Land, in dem das Sakrament der Ehe so hochgehalten wurde, dass noch vor 30 Jahren eine Scheidung unmöglich war.
Schon der Prolog deutet darauf hin, dass es in der Kleinstadt brodelt und die Situationen eskalieren und in Gewalt umschlagen wird. Sodann wird ein Blick zurück geworfen auf die Ankunft Colettes in Ardglas. In den Fokus der Geschichte rücken neben Colette, die von ihrem Mann getrennt lebt, zwei weitere Frauen, die unglücklich verheiratet sind. Izzy fühlt sich von ihrem Mann gegängelt, seitdem sie nicht mehr arbeiten darf und Dolores Mullen muss zusehen, wie ihr Mann sie vor aller Augen betrügt.

Der Roman ist aus wechselnden Perspektiven verschiedener Bewohner der Kleinstadt geschildert, so dass ein Einblick in die einzelnen Haushalte, aber vor allem auch in die Gefühlswelt der Charaktere möglich ist. Die Figuren sind vielschichtig angelegt, keiner ist nur gut oder böse.

"Coast Road" ist eine spannende Zeitreise in die 1990er-Jahre. Die Geschichte erweckt eine fiktive Kleistadt mit 1.000 Einwohnern lebendig zum Leben, in der Ort und die Personen leicht vorstellbar werden. Es zeigt eindringlich, wie Frauen, aber auch Männer, in unglücklichen Ehen gefangen sind, wobei den Frauen, die finanziell und gesellschaftlich von ihren Männern abhängig sind, die größere Not zukommt. Erschreckend ist zu sehen, dass neben der körperlichen Überlegenheit auch Kinder als Druckmittel eingesetzt werden.

Mit feiner Beobachtungsgabe zeichnet der Autor ein Sittengemälde und entwickelt mit der steigenden Dramatik, mit Intrigen und Verzweiflung eine spannende authentische Geschichte passend zum Zeitgeist. Es zeigt die Konsequenzen auf, wenn man gegen den Strom schwimmt, zeichnet einen mutigen Weg der Selbstfindung und bekräftigt die Bedeutung von Frauensolidarität.

Bewertung vom 20.01.2025
Sullivan, J. Courtney

Aller Anfang


ausgezeichnet

Celia, Sally, Bree und April lernen sich am Smith-College in Northampton kennen, an dem ausschließlich weibliche Studierende zugelassen sind. Sie stammen aus unterschiedlichen familiären Verhältnissen und sind auch charakterlich verschieden. Während die schöne Bree bereits verlobt ist, ist April nach dem Vorbild ihrer Mutter eine feministische Aktivisten. Sally leidet unter dem Verlust ihrer kürzlich verstorbenen Mutter, während Celia aus einer intakten katholischen Familie stammt, an der sie sehr hängt.
Auch wenn sie aufgrund ihrer unterschiedlichen Träume und Vorstellungen vom Leben Konflikte austragen müssen und es durch Brees neue Beziehung zu Lara, Sallys Heiratspläne und Aprils Aktivismus Reibungspunkte gibt, halten sie, wenn es darauf ankommt, fest zusammen.

"Aller Anfang" wird abwechselnd aus der Perspektive einer der vier Frauen erzählt, wobei die ersten Kapitel, die am College handeln, zur jeweiligen Vorstellung des Charakters sehr lang sind. Man erhält damit auch einen bildhaften Einblick in den Campus und das sehr besondere College, auf dem die Frauen mit gleichgeschlechtlichen Beziehungen experimentieren.
Die vier Frauen machen unterschiedliche Erfahrungen in Sachen Liebe - von festen Beziehungen, Verlobungen und Trennungen über eine Affären zu einem älteren Mann - bis die gemeinsamen vier Jahre am College vorbei sind und es sie wieder in unterschiedliche Richtungen verschlägt.
Eine Wiedervereinigung zur Hochzeit von Sally endet im Streit und bedeutet einen Riss der Freundschaft, der erst wieder gekittet werden kann, als sie die anderen brauchen und eine von ihnen in ernsthafte Gefahr geraten ist.

Der Roman erzählt von den Höhen und Tiefen einer Freundschaft, wie Frauen einander Halt geben können, aber auch wie sie sich gegenseitig verletzen können. Empathisch wird die Entwicklung der jungen Frauen beschrieben, die zu Beginn noch etwas orientierungslos sind und erst noch ihren Platz finden müssen.

Die Geschichte ist vielschichtig und handelt neben Freundschaft und dem Erwachsenwerden von sexueller Orientierung, Feminismus, Gewalt gegen Frauen, von Selbstfindung, Toleranz und Loyalität.
Jede der Hauptfiguren ist individuell gezeichnet und selbst wenn man keine Identifikationsfigur finden sollte, ist es interessant ihre Entwicklung durch die Hürden des Lebens - gemeinsam und getrennt von einander - zu verfolgen. Der Fokus liegt dabei klar auf Frauen, denn trotz der beschriebenen Liebesbeziehungen spielen Männer nur eine untergeordnete oder negativ besetzte Rolle.

Die Bedeutung von Freundschaft und die unterschiedlichen Lebensentwürfe, die sich aufgrund der vielen verschiedenen Wahlmöglichkeiten für Frauen zu Beginn des 21. Jahrhunderts ergeben, sind facettenreich und empathisch geschildert.

Bewertung vom 18.01.2025
Poston, Ashley

Seven Years From Now


ausgezeichnet

Clementine arbeitet in der PR-Abteilung eines Buchverlags in New York. Sie liebt ihren Job und hat sich nach dem Tod ihrer Tante Analea noch mehr in die Arbeit gestürzt und eine emotionale Mauer um sich gebaut. Ihre beiden besten Freundinnen möchten sie wieder ins Leben zurückholen und arrangieren Dates für sie, die Clementine widerwillig durchsteht.
Sie lebt in der Wohnung, die sie von ihrer Tante geerbt hat und die sie davor gewarnt hat, sich nicht in dieser Wohnung zu verlieben. Analea hat sich dort selbst unglücklich verliebt, denn die Wohnung hat ein Eigenleben. Sie kann die Bewohner um sieben Jahre in der Zeit versetzen. Als das tatsächlich Clementine passiert, lernt sie Iwan kennen, der vor sieben Jahren als Untermieter einen Sommer in Analeas Wohnung verbrachte. Nach zwei Abenden ist Clementine in den charmanten Koch verliebt, weiß aber nicht, wie sie in der Gegenwart eine Verbindung zu ihm aufbauen und ob ihre Liebe eine Zukunft haben könnte.

"Seven Years from now" handelt von einer jungen Frau, die um ihre freiheitsliebende Tante trauert, der sie sehr nahe stand und die sie mit ihrer mitreißenden Art auf Reisen um die ganze Welt genommen hat. Seit ihrem Tod lebt Clementine nur noch für die Arbeit und verkriecht sich in der Wohnung. Iwan, der so unvermittelt dort auftaucht, ist die erste Person, die mit seiner Leidenschaft und seinem Enthusiasmus wieder etwas in Clementine berührt und unbewusst an das Mantra ihrer Tante erinnert, dem Mond hinterherzujagen.

Die Geschichte ist magisch, wobei der Aspekt der Zeitreise aus dem Buch keinen Fantasy-Roman macht, sondern eine Hürde zwischen zwei Liebenden darstellt, die es zu überwinden gilt.
Anschaulich und lebendig ist der Alltag von Clementine in NYC geschildert. Man gelangt an verschiedenste Schauplätze und hat die Stadt bildhaft vor Augen. Auch Clementine ist als Hauptfigur leicht vorstellbar und nahbar. Sie ist verletzlich und zeigt am Anfang nur wenig Selbstliebe. Erst Iwan bewirkt, dass sie nicht nur beruflich, sondern auch privat für eine Sache brennt und kämpft.

"Seven Years from now" ist ein modernes Märchen voller Magie und einem Hauch Romantik, das neben Liebe und Freundschaft aber auch von den Schattenseiten, von Verlust und Trauer, handelt.
Die originelle Geschichte ist so bittersüß wie Iwans Zitronenkuchen und ist neben der Geschichte über Selbstfindung und Liebe auch eine Liebeserklärung an den Wert des Essens und die Erinnerungen, die damit einhergehen.