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Leserin

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Insgesamt 184 Bewertungen
Bewertung vom 04.05.2021
Erste Stunde: Tierisch laut! / School of Talents Bd.1
Schellhammer, Silke

Erste Stunde: Tierisch laut! / School of Talents Bd.1


ausgezeichnet

„School of Talents 1: Erste Stunde: Tierisch laut!“ ist der Auftaktband zu einer neuen Kinderbuchreihe von Silke Schellhammer. Der zweite Band heißt „School of Talents 2: Zweite Stunde: Stromausfall!“
Das Cover ist ein „Hingucker“ & macht total Lust auf’s Lesen.
Leser und Leserinnen ab 8 Jahren dürfen gerne zugreifen.

Worum geht’s?

Die kleine Alva ist traurig, weil sie sich in der Schule nicht konzentrieren kann. Ist sie eine schlechte Schülerin? So wirkt es zumindest auf ihr Umfeld.
Alva fühlt sich als Außenseiterin, bis Onkel Thomas sie ins Vertrauen zieht. Er als "Oberspinner der Familie" kann Alva gut verstehen und fragt sie, seit wann sie "Tiere versteht". Da ist Alva baff! Und es gibt sogar eine Schule für besondere Talente! Der vermeintliche Makel ist nämlich eine Gabe…

Ein tolles Buch für kleine und große Leser, mit schönen Illustrationen und einer kindgerechten Sprache. Die Kapitel sind schön kurz, Leseanfänger werden also nicht überfordert, dies finde ich wichtig. Auch die Botschaft der Geschichte ist richtig und wichtig – es gibt keine „Versager“. Man muss für die Lektüre natürlich ein Quentchen Phantasie mitbringen, dann steht dem Lesespass nichts mehr im Wege.
Alva und ihre Mitschüler - Mala kann Wasser beeinflussen, Till sich schrumpfen, Jonas ist ein Gestaltwandler, Alva kann Tiere verstehen - erleben im Internat viele Abenteuer, sogar eine Schatzsuche steht an. Die Figuren sind liebevoll gestaltet, die story ist spannend und lustig. Da kommt keine Langeweile auf!

Fazit:
Internatsgeschichten sind im Kinderbuchgenre natürlich nichts Neues, diese story ist trotzdem innovativ, da die Protagonisten so besonders sind. Mit dieser Erzählung wird das Selbstwertgefühl von Kindern gestärkt und die Phantasie angeregt.

Verdiente Leseempfehlung!

Bewertung vom 11.04.2021
Höllenkind / Clara Vidalis Bd.8
Etzold, Veit

Höllenkind / Clara Vidalis Bd.8


weniger gut

Wo bleibt die Spannung?

Clara Vidalis wird von der Presse beschuldigt, ein Monster (eine Kriminelle) erschaffen zu haben. Sie wird von ihrem Vorgesetzten in den Urlaub geschickt & sie muss ihre Waffe abgeben. Glücklicherweise ist ihr Verwandter Marco in Italien zu Geld gekommen, daher kann er es sich leisten, Wohnungen in Florenz zu vermieten. Da ihr Mann keinen Urlaub bekommt, fährt die Pathopsychologin Clara mit ihrer Cousine nach Italien, wo ihr prompt die Geldbörse gestohlen wird. Außerdem fällt ihr ein Mann auf, der vor der Wohnung herumlungert. Als sie Klarheit will, stellt sich der Unbekannte als Schweizergardist Tobias Wehrli vor und bittet Vidalis um Hilfe: Bei einer Hochzeit im Vatikan brach die Braut plötzlich blutüberströmt vor dem Altar zusammen. Zwei alte Adelsfamilien wollten durch die Verbindung der Kinder ihre Kräfte bündeln. Clara beginnt zu ermitteln; bald kommt es zu weiteren mysteriösen Todesfällen, was bedeutet, dass es sich um eine Vendetta handeln muss…

Im Schweinsgalopp durch die Popkultur & Kunstgeschichte: „Bluthölle“ ist der achte Band der Clara—Vidalis-Krimireihe. Für mich ist es der erste Band der Reihe, man kann das Buch jedoch als stand – alone lesen. Der Anfang des Romans war äußerst vielversprechend. Leider war die Erzählung sprachlich eine Enttäuschung und stilistisch holprig. Viele Figuren sprechen auf ähnliche Art und Weise, benutzen die Wendung „Es ist eh so“, daher sind sie nicht unbedingt unterscheidbar. Die Dialoge sind teilweise unglaubwürdig, insgesamt fehlt es an Tiefe. Mangelnder Tiefgang ist zwar ein Grundproblem im Thriller – Genre, oft wird dieses Manko jedoch durch eine mörderische Spannung wettgemacht (wie in dem Chris-Carter-Thrillern). Nicht so hier. „Bluthölle“ besteht formal aus mehreren Teilen, ein Hauch von Spannung kommt leider erst am Ende auf. Kein klassischer Thriller also.
Etzold schneidet sehr viele Themen an, große Namen werden genannt. David Lynch, Dan Brown, Dante Alighieri, Michelangelo. Für Ahnungslose ist das sicher interessant. Alter Adel und Menschenhandel: Teilweise ist die Handlung in Rumänien angesiedelt. Es fehlt die Einheitlichkeit: Mal heißt eine Stadt „Constanta“, mal „Konstanza“. Auch Sätze wie „Er ließ die Schultern senken“ lassen sich durch eine sorgfältige Korrektur vermeiden.
Die Protagonisten waren mir leider nicht sympathisch, obwohl ich bei einem Blick in den Klappentext (vor der Lektüre) begeistert war: Clara Vidalis ist eine Bremerin mit spanisch-italienischen Wurzeln, ihre Italienischkenntnisse sind nicht perfekt. Ich hätte mir eine filigranere Figurenzeichnung gewünscht.
Mir ziemlich schnell klar, wie alles in der Geschichte zusammenhängt. Insgesamt fehlt es an Raffinesse. Eine Ermittlerin, die im (Zwangs)Urlaub in ihrem Metier arbeitet, ist im Krimigenre nichts Neues, dieser Aspekt störte mich jedoch nicht im Geringsten, auch nicht die Kürze der Kapitel. Aus dem „Stoff“ hätte Veit Etzold mit adäquaten erzählerische Mitteln aber viel mehr machen können. Da ich grundsätzlich keine Lektüre abbreche, musste ich mich hier gegen Ende zum Lesen regelrecht „aufraffen“.

Schade!

Bewertung vom 08.04.2021
Der Abstinent
McGuire, Ian

Der Abstinent


ausgezeichnet

O'Connor vs Doyle

„Neun Monate sind inzwischen vergangen, seit er aus Dublin hierher versetzt wurde, und er hat sich an die Sitten seiner englischen Kollegen gewöhnt. Ständig machen sie ihre Witze, sticheln, lassen nichts unversucht, um ihn zu provozieren. Oberflächlich sind sie freundlich, aber hinter dem Grinsen und Gelächter spürt er Misstrauen. “

1867, Manchester:
Ein Polizist wird ermordet- es werden drei irische Rebellen hingerichtet, deren Ziel es war, der englischen Fremdherrschaft den Garaus zu machen. Der britisch – irische Konflikt hat spätestens seit der katastrophalen „Great Famine“ seinen Höhepunkt erreicht. Die Briten fürchten die Rache der Fenier. Constable James O’Connor aus Dublin soll als Kenner der Szene Licht in’s Dunkel von Manchester bringen. Seit dem Tod seiner Frau ist er trockener Alkoholiker, doch er ist stark rückfallgefährdet. Die Bigotterie der Engländer überrascht ihn nicht wirklich, doch nie hätte er damit gerechnet, dass ausgerechnet der amerikanische Ire (und Kriegsveteran) Stephen Doyle sein ärgster Feind werden würde…

„Der Abstinent“ ist ein unheimlich spannender historischer Roman; die Beschreibungen des Autors sind plastisch und eindringlich, er beschwört den Dreck & den Gestank einer Industriestadt im neunzehnten Jahrhundert herauf. „Noir“ in Reinform! Die Erzählweise ist ruhig und reduziert, und doch gelingt es McGuire, in wenigen Worten eine beklemmende und düstere Atmosphäre zu evozieren. Obwohl er mit seinem Krimi keine akkurate Chronik der „Troubles“ präsentiert, gelingt es ihm, die kriegsähnlichen Zustände präzise abzubilden, ohne in Schwarzweißmalerei zu verfallen. O`Connor setzt Spitzel ein, um die irische Community auszuhorchen, er möchte für Recht und Ordnung sorgen, glaubt er an die Gültigkeit von Gesetzen?
Strebt Stephen Doyle wirklich nach Gerechtigkeit, oder ist das Töten seit seiner Teilnahme am Amerikanischen Bürgerkrieg schlicht eine Selbstverständlichkeit für ihn?
Loyalität und Verrat, Armut, Perspektivlosigkeit, toxische Männlichkeit, Schuld & Sühne: Ian McGuires Roman ist kein “Stoff“ für Zwischendurch und erst recht keine Wohlfühllektüre.
Der Autor präsentiert mit „Der Abstinent“ ein packendes Psychogramm und einen lesenswerten historischen Thriller mit einem überraschenden Ende. Trotz gewisser Längen in der Erzählung habe ich den Krimi regelrecht „verschlungen“.

Bewertung vom 23.02.2021
Der Countdown-Killer - Nur du kannst ihn finden
Suiter Clarke, Amy

Der Countdown-Killer - Nur du kannst ihn finden


sehr gut

Da sie mithilfe ihrer Radiosendung „Justice Delayed“ einen Kriminalfall aufklärte, besitzen Elle Castillo und ihr Podcast Kultstatuts im Netz. Eigentlich war Ellie beim Jugendamt angestellt, aus dieser Zeit kennt sie auch die somalischstämmige Polizistin Ayaan. Mittlerweile ist „Justice Delayed“ Elles Vollzeitjob, mit ihrem Mann Martin, dessen Familie aus Mexiko stammt, lebt sie in Minnesota. Tatkräftig unterstützt wird Elle von ihrer Producerin Tina. Tina kümmert sich um die technischen Details, sie sortiert aber auch Ellles Post vor & sie löscht die schlimmsten Hasskommentare. „Gutmenschen – Scheiß“ gehört zu den harmlosen Anfeindungen, Elle wird auch mit dem Tod bedroht.
Als junge Mädchen verschwinden, fühlt sich Elle an einen ungelösten Fall aus den 1990er Jahren erinnert, und so beginnt sie im Jahr 2019, den Fall des „Countdown Killers“ in ihrem Podcast aufzuarbeiten. Eines Tages nimmt ein Informant Kontakt mit der Podcasterin auf, da er glaubt, die Identität des berüchtigten Serienmörders enthüllt zu haben. Als Elle zum Treffen mit dem Hörer eilt, findet sie ihn ermordet vor. Treibt ein Nachahmungstäter sein Unwesen? Eine bestimmte Zahlenfolge spielt eine auffällige Rolle. Elle beginnt zu ermitteln…

Amy Suiter Clarkes Idee, eine Podcasterin als Ermittlerin agieren zu lassen, ist unglaublich innovativ. Im Text wechseln sich Podcast-Folgen (bzw.Transkripte) mit Elles Ermittlungen und einer weiteren Perspektive ab. Durch diesen Ansatz ist „Der Countdown Killer – Nur du kannst ihn finden“ total am Puls der Zeit – auch Twitter und Reddit spielen eine Rolle, durch Hörer- bzw. Leserkommentare wie *mikrofonfallenlass* wirkt das Ganze authentisch. Ich finde es toll, dass mal nicht eine Pathologin oder ein Cop mit Suchtproblem im Mittelpunkt steht.
Der Handlungsort ist der amerikanische Bundesstaat Minnesota. Während der Lektüre konnte ich die klirrende Kälte förmlich spüren. Den Winter im Mittleren Westen beschreibt Clarke perfekt! Ich mochte auch die Diversität der Figuren und den True Crime Podcast, wie eingangs erwähnt. Es gibt keine Längen im Roman, der Stil der Autorin ist flüssig. „Zum Nägelkauen spannend“ ist der Krimi in meinen Augen jedoch nicht, und es gibt Logiklöcher und Vorhersehbares.
Einerseits ist der Thriller innovativ, andererseits aber sehr konventionell, wenn es um die Motivation des Killers geht. In dieser Hinsicht wirkt das Ganze ausgelutscht, Ähnliches hat man in dem Genre schon oft gelesen. Insgesamt fehlte mir die Raffinesse im Roman, der komplette Handlungsverlauf wirkt ziemlich konstruiert, manche Phrasen sind regelrecht platt: „Dass Weiße von der Polizei besser behandelt wurden, war nichts Neues.“
Andere Sätze sind unfreiwillig komisch: „Er […] atmete den Duft von Parfüm und billigem Aftershave ein, das bei ewigen Studenten so beliebt war.“
„In dieser Gegend wohnten viele Rentner, die sich gegen den unvermeidlichen Umzug in ein Altenheim stemmten […].“
Die Autorin reißt sehr viele Phänomene der Postmoderne an: Rassismus, den ideologischen Kampf zwischen der amerikanischen „Rechten“ und „Linken“, alternative Lebensmodelle. Für eine Vertiefung fehlt ihr jedoch die Zeit, da die Thriller – Handlung forciert werden muss. Die gesellschaftskritischen Aspekte wirken daher unausgereift, das finde ich schade, da es wichtig ist, soziale Ungerechtigkeit nicht nur zu benennen, sondern auch zu analysieren.
Die Figuren bleiben eher blass. Leider war mir Elle nicht sympathisch, dabei wollte ich sie wirklich mögen. Flache Charaktere sind jedoch ein Grundproblem in dem Genre; man muss auch bedenken, dass der „Countdown Killer“ Amy Suiter Clarkes Debut ist.
Die Autorin prangert sehr glaubwürdig das Gift der Misogynie an – darin liegt die große Stärke des Romans.
Fazit:
Für Amy Suiter Clarkes Debut vergebe ich 3,5 von insgesamt 5 möglichen Sternen. Die Autorin konnte mich mit einer guten Grundidee begeistern. Aus dem Stoff hätte sie aber viel mehr machen können, die Ausarbeitung ihres Konzepts konnte mic

Bewertung vom 22.02.2021
Tinte & Siegel / Die Chronik des Siegelmagiers Bd.1
Hearne, Kevin

Tinte & Siegel / Die Chronik des Siegelmagiers Bd.1


ausgezeichnet

Ich bin ein großer Fan der „Rivers of London“ – Reihe von Ben Aaronovitch und immer auf der Suche nach guter Urban Fantasy. Auch Kevin Hearnes neue Serie ist in Großbritannien angesiedelt: Der Siegelmagier Aloysius „Al“ MacBharrais aus Glasgow ist ein waschechter Schotte! Als Leser/in sollte man sich daher auf markige, gar derbe Sprüche einstellen: „Ich hab deine Oma bestiegen.“
Der Protagonist hat ein Problem – eigentlich sollte er Nachwuchs ausbilden, doch alle seine Lehrlinge versterben auf mysteriöse Art und Weise. Nicht umsonst hält Al Rosinen für Teufelszeug. Sein Schüler Gordie erstickte, nachdem er einen Scone aß. Im Zuge seiner Nachforschungen erfährt Al, dass Gordie ein kriminelles Doppelleben führte und magische Wesen an den Meistbietenden verkaufte. Al argwöhnt, dass die Fae ihre Finger im Spiel haben könnten. Der Siegelmagier beginnt zu ermitteln…

Bei Kevin Hearne gibt es keine Altersdiskriminierung! Al ist eigentlich schon im Rentenalter, aber noch längst nicht reif für’s Abstellgleis. Sein Schnurrbart ist sein Markenzeichen, außerdem hat er immer einen flotten Spruch auf den Lippen. Mittels Geheimtinte fabriziert er die tollsten Zaubersprüche, aber er ist auch verflucht, um nicht den Hass der Menschen auf sich zu ziehen, kommuniziert er daher schriftlich (analog oder digital) mit seiner Umwelt. Seine Managerin Nadia behält stets einen kühlen Kopf, wenn die magischen Wesen Al das Leben schwer machen…

„Tinte & Siegel“ ist ein gelungener Reihenauftakt - Kevin Hearne präsentiert den perfekten Mix aus realen & magischen Elementen. So spielt etwa die „Signal“ App eine nicht unerhebliche Rolle. Dies gefiel mir wirklich gut! Die magischen Wesen (etwa „Hobgoblins“) sind gut ausgearbeitet, es gibt Sympathieträger und Schurken. Obwohl man im Text den einen oder anderen Querverweis als Hommage an berühmte Fantasyautoren finden kann, liest sich „Tinte & Siegel“ nie wie ein billiger Abklatsch. Kevin Hearne gelingt es, eine in sich stimmige Geschichte zu erzählen und ein eigenständiges Werk zu erschaffen. Dabei kommt der Humor nicht zu kurz, es gibt skurrile Szenen und schräge Typen wie „Buck Foi“. Glücklicherweise nimmt der Autor sich selbst nicht allzu ernst, mit einem Augenzwinkern entwirft er den plot.
Ich fühlte mich beim Lesen prima unterhalten, daher freue ich mich schon auf den nächsten Band der „Chronik des Siegelmagiers“ !

Bewertung vom 17.02.2021
Der andere Sohn / Karlstad-Krimi Bd.1
Mohlin, Peter;Nyström, Peter

Der andere Sohn / Karlstad-Krimi Bd.1


gut

Auf die Lektüre des Romans habe ich mich sehr gefreut. Der Klappentext versprach spannende & anspruchsvolle Unterhaltung. Im Roman „Der andere Sohn“ gibt es zwei verschiedene Handlungsstränge & zwei Zeitebenen – 2009 und 2019, jedoch wenige Zeitsprünge oder Rückblenden.
Baltimore, 2019: Als der FBI-Agent John Adderly nach einem vermasselten Undercovereinsatz untertauchen muss, entscheidet er sich ausgerechnet für seine alte Heimat – Karlstad in Schweden.
Im Jahre 2009 verschwand Emelie Bjurwall, Tochter und Erbin des schwedischen „AckWe“-Konzerns spurlos. Gefunden wurde lediglich ihr Blut und die DNA von Johns Halbbruder, Billy. Zehn Jahr später möchte John den ungelösten Fall endlich aufklären: Ist Billy wirklich der Mörder?
Die Exposition war unheimlich spannend!
John leidet an einer Posttraumatischen Belastungsstörung; er ist eigentlich ein interessanter Protagonist. Ich finde es auch toll, dass die Handlung nicht in Stockholm angesiedelt ist. Immer wieder ist vom „varmländischen Dialekt“ die Rede. Man kann den Roman flott lesen. Die Figurenkonstellation ist für Vielleser wahrscheinlich nicht überraschend – die problematische schwedische Bourgeoisie kennt man schon aus den Romanen von Stieg Larsson oder Henning Mankell. Die toughe Geschäftsfrau, die mit dem Softie – Ehemann liiert ist, ist leider auch nichts Neues. Die schwedische „Unterschicht“ steht im Krimi in krassem Kontrast zu den Großindustriellen. Der Grundgedanke des Romans rund um John gefiel mir wirklich gut, meines Erachtens ließ die Ausarbeitung jedoch stark zu wünschen übrig – Der Handlungsverlauf war für mich völlig vorhersehbar, die Figuren leider (!) erschreckend flach: John verhält sich für einen blitzgescheiten FBI-Agenten oft ziemlich unklug, überhaupt ist die Beschreibung der Charaktere im Roman ziemlich klischeehaft & eindimensional: „[…] die berüchtigte Anwältin […] hatte große dunkle Augen. Er nahm an, dass sie oder ihre Verwandten vom Balkan stammten.“
Manche Passagen lesen sich wie Szenen aus einem schlechten Achtziger-Jahre-Film: „Dann ließ sie das Oberteil zur Taille hinabfallen. […] Sie hatten sich beide hemmungslos verausgabt […].“ Oft verhalten sich die Protagonisten nicht wie normale Menschen. Das fand ich schade. In einem guten Thriller sollten weder der plot noch die Figuren konstruiert wirken. Im Verlauf der Geschichte gelingt es den Autoren nicht, eine spannungsgeladene Atmosphäre zu evozieren. Die Erzählweise ist linear, der Roman endet mit einem Cliffhanger, der Protagonist denkt bzw. sagt das für den aufmerksamen Leser/ die aufmerksame Leserin Offensichtliche, das fand ich richtig ärgerlich. Insgesamt fehlt es einfach an Raffinesse.
Fazit:
„Der andere Sohn“ ist ein schwacher Reihenauftakt, daher kann ich leider nur zweieinhalb von insgesamt fünf möglichen Sternen vergeben. Aus dem Stoff hätten die Autoren mit adäquaten erzählerischen Mitteln viel mehr machen können. Es kann eigentlich nur besser werden – ich hoffe auf mehr „Feintuning“ in Band zwei, da ich trotz aller Kritikpunkte neugierig auf Johns nächsten Fall bin.

Bewertung vom 09.02.2021
Kim Jiyoung, geboren 1982
Cho, Nam-joo

Kim Jiyoung, geboren 1982


ausgezeichnet

„Bei Jiyoungs Geburt senkte die Mutter ihren Kopf noch tiefer und schluchzte […]“


Kim Jiyoung wurde am ersten April 1982 geboren. Mit Mann und Kind lebt die Südkoreanerin in Seoul. Nach der Geburt ihres eigenen Kindes ist die junge Frau gezwungen, ihren Job aufzugeben. Als sie beginnt, sich seltsam zu verhalten, glaubt ihr Ehemann, es sei ein Scherz. Doch als Jiyoung 2015 in die Rollen von anderen Frauen schlüpft („Du klingst schon wie Deine Mutter.“), schickt ihr Mann sie zum Psychiater…
Die Erzählperspektive in "Kim Jiyoung, geboren 1982" ist die des Arztes.
Stellenweise liest sich der Roman wie eine Fachpublikation, es gibt Fußnoten und Quellenangaben, aber ich finde nicht, dass es eine „trockene“ Lektüre ist. Das Ganze ist unheimlich fesselnd, die Chronik einer systematischen Benachteiligung ist packend; aber auch deprimierend – Es ist eine Geschichte des Androzentrismus oder ein Bericht über Misogynie. Der Wettlauf zwischen Männern und Frauen beginnt für koreanische Kinder schon im Mutterleib, Frauen wird vermittelt, dass sie weniger wert seien. Zwar setzt sich die Mutter der Protagonistin für die Bildung der Tochter ein, aber Jiyoung Kim (sie könnte auch Lieschen Müller oder Jane Doe heißen) stößt im Laufe ihres Lebens immer wieder an ihre Grenzen - von Geschlechtergerechtigkeit keine Spur! Auch als Akademikerin ist die Protagonistin nicht vor sexueller Gewalt geschützt, wie selbstverständlich installieren Kollegen am Arbeitsplatz heimlich Kameras auf der Damentoilette, und schon in jungen Jahren müssen sich Frauen an Übergriffe „gewöhnen“, nur um gesagt zu bekommen, sie seien selbst schuld: „Du flirtest mit mir, und jetzt behandelst du mich wie einen Stalker. Warum?“
Um nicht zu spoilern, will ich nicht verraten, wie der Roman endet.

"Kim Jiyoung, geboren 1982" ist ein unheimlich wichtiger Roman. Man sollte nicht den Fehler begehen und die im Buch geschilderte Problematik als genuin asiatische abtun. Es werden natürlich ein paar ostasiatische Eigenheiten geschildert, die Geschichte der Titelfigur hätte sich meines Erachtens aber fast überall auf der Welt ähnlich ereignen können. Auch in der „westlichen“ Welt ist der Gender Pay Gap immer noch ein Thema, sexuelle Gewalt an Frauen ist leider immer noch kein Phänomen der Vergangenheit. Wenn man sich mit Medizingeschichte beschäftigt, ist dieser Mix aus Sachbuch & Roman ebenfalls sehr aufschlussreich.

Bewertung vom 26.01.2021
Das Windsor-Komplott / Die Fälle Ihrer Majestät Bd.1
Bennett, S J

Das Windsor-Komplott / Die Fälle Ihrer Majestät Bd.1


gut

„Man hatte genug Ärger mit der eigenen Familie“.

Sophia Bennett ist primär als Jugendbuchautorin bekannt. Als SJ Bennett wagt sie mit „Das Windsor Komplott“ den Genrewechsel – Biographische Fiktion meets Cosy Crime!
Worum geht’s?
Großbritannien, 2016:
Auf Schloss Windsor feiert die Königin von England ihren 90. Geburtstag. Anwesend ist die Crème de la Crème: Der Erzbischof von Canterbury, Dame Helen Mirren, Sir David Attenborough. Am nächsten Morgen folgt jedoch ein böses Erwachen – der junge russische Pianist Max Brodsky wird in pikanter Pose tot im Kleiderschrank aufgefunden.
Als die britische Polizei und der MI5 bei den Ermittlungen auf Granit beißen (hat womöglich Wladimir Putin höchstpersönlich einen „Schläfer“ nach GB entsandt?) muss Königin Elizabeth II die Dinge selbst in die Hand nehmen. Gemeinsam mit ihrer Privatsekretärin Rozie versucht die Queen, Licht in’s Dunkel zu bringen…

„Das Windsor Komplott“ ist der Auftaktband zu einer neuen Reihe. Die königliche Familie steht im Fokus, der eigenwillige Humor von Prinz Philip kommt nicht zu kurz, wird dem Original jedoch nicht gerecht. Auch die weltweite (Polit)Prominenz wird genannt, der amerikanische Expräsident Barack Obama und seine Ehefrau Michelle spielen natürlich auch eine Rolle. Der Roman ist ein Schmankerl für Fans der Serie „The Crown“, aber man sollte nicht alles, was Teil der Geschichte ist, für bare Münze nehmen, die Autorin arbeitet teils mit Klischees. Es ist bekannt, dass Königin Elizabeth sehr tierlieb ist, es ist also nicht verwunderlich, dass die britische Regentin im Roman als passionierte Reiterin dargestellt wird. Es gibt nette Szenen in der Geschichte, vor der Lektüre hatte ich jedoch mit einer skurrilen, schwarzhumorigen story gerechnet. „Das Windsor Komplott“ ist nicht unbedingt ein Spannungskracher, und irgendwie waren mir manche Passagen zu „zeitgeistig“. Als Autorin hätte ich die Geschichte definitiv gestrafft.
Ich finde es auch schade, dass in der deutschen Übersetzung die Implikationen des englischen Originaltitels verloren gehen. Eine Krawatte spielt eine nicht unerhebliche Rolle im Krimi, außerdem ist diplomatisches Fingerspitzengefühl gefragt, um „den Knoten zu lösen“. Meines Erachtens werden die Feinheiten des Titels “The Windsor Knot“ durch die deutsche Übersetzung („Das Windsor Komplott“) nicht tradiert.

Fazit:

„Das Windsor Komplott“ von SJ Bennett ist ein solider, durchaus unterhaltsamer Auftaktband zu einer neuen Reihe.

Bewertung vom 04.01.2021
Miss Bensons Reise
Joyce, Rachel

Miss Bensons Reise


sehr gut

"Ich würde den Käfer gern nach meinem Vater benennen. Bensons Käfer. Dicranolaius bensoni.“



England, 1950.

Der Zweite Weltkrieg hat tiefe Wunden geschlagen. Margery Benson hat nicht nur ihre Brüder im Krieg verloren; auch ihr Vater ist auf tragische Art und Weise um’s Leben gekommen, da er den Verlust seiner Söhne nie verwunden hat. Die Mutter starb eines natürlichen Todes.

Die einsame Mittvierzigerin arbeitet in Großbritannien als Lehrerin und fristet ein recht tristes Dasein. Ein unerfreulicher Vorfall wirkt jedoch wie ein Weckruf auf den Single – fünf Jahre nach Ende des WK II beschließt sie, endlich einen langgehegten Traum zu verwirklichen: In Neukaledonien hofft sie, den goldenen Käfer zu finden. Ihr Vater hatte ihn ihr einst in einem Naturkundebuch gezeigt. Im Nachkriegsengland gilt es für eine Frau als unschicklich, allein zu reisen, und so beschließt die Protagonistin, dass eine Reisebegleitung gefunden werden muss. Es meldet sich ausgerechnet Enid Pretty, ein Jayne – Mansfield – Verschnitt, dessen Mundwerk nie still zu stehen scheint. Das hatte sich „Miss Benson“ ganz anders vorgestellt! Die junge Enid ist nicht die distinguierte Akademikerin, die die alleinstehende (selbsternannte) Naturforscherin im Sinn hatte. Ms Pretty ist jedoch „Erfroit zu akseptiren.“ Das ungleiche Paar tritt also die Reise auf einem Dampfer nach Australien an – nicht ahnend, dass die Expedition den Beginn einer wunderbaren Freundschaft markieren soll…



Ein auktorialer Erzähler führt durch „Miss Bensons Reise“. Der Roman ist spannend und abwechslungsreich, es gibt überraschende Wendungen. Auf humorvolle Art und Weise wird der Wert der Freundschaft beschworen; gemeinsam gelingt es den Frauen, über sich selbst hinauszuwachsen & ihre Träume zu verwirklichen. Es ist nie zu spät, um das Leben zu leben, das man (in diesem Fall frau) sich erträumt hat!



Rachel Joyce präsentiert mit „Miss Bensons Reise“ einen ganz besonderen Abenteuerroman: Zwei wackere Frauen stehen ihren Mann, wenn man so will; und obwohl die Autorin teils mit Tropen arbeitet, ist die Geschichte meines Erachtens nicht vorhersehbar.



Fazit:

Ich habe das Buch mit großem Vergnügen gelesen

- „Miss Bensons Reise“ von Rachel Joyce ist eine unglaublich unterhaltsame Geschichte nicht ohne Tiefgang, die ich gerne zur Lektüre empfehle.

Bewertung vom 11.12.2020
Kissing Chloe Brown / Brown Sisters Bd.1
Hibbert, Talia

Kissing Chloe Brown / Brown Sisters Bd.1


sehr gut

„Fünfundneunzig Kilo Frau“ – das ist die Brillenträgerin & Webdesignerin Chloe Sophia Brown. Die Afrobritin kommt aus einer wohlhabenden Familie. „Chlo“ ist chronisch krank, Fibromyalgie lautet die Diagnose, die sie nach einer Ärzte- Odyssee erhält. Als sie mit 31 Jahren einen Autounfall hat, wirkt dieses Ereignis wie ein Weckruf auf sie – sie beschließt, sich nicht mehr von ihrer Krankheit einschränken zu lassen, sondern das Leben in vollen Zügen zu genießen.
Daher erstellt sie eine To-Do – Liste. Erster Punkt auf der Liste – eine eigene Wohnung.
Redford Morgan ist Hausmeister in Chloes Wohnblock, zunächst hält er die abweisende Mieterin für eine verwöhnte Upper-Class-Göre. Als Chloe ein Kätzchen rettet, und „Red“ Morgan ihr zu Hilfe kommt, lernen die beiden sich kennen. Chloe will sich betrinken, Motorrad fahren, die Punkte auf ihrer Wunschliste für ein erfülltes, mutiges Leben abhaken. Der Biker Red willigt ein, ihr dabei zu helfen und verliebt sich dabei in die Frau, die er anfangs unausstehlich fand…
Die Autorin Talia Hibbert leidet selbst an einer chronischen Krankheit & sie gehört zur schwarzen community.
Mit „Kissing Chloe Brown“ (der englische Titel „Get a life, Chloe Brown“ gefällt mir viel besser) präsentiert sie daher keine Sick-Lit oder Inspiration Porn im Stil einer Jojo Moyes. Chloes Krankheit ist insofern kein Element, das dazu dienen soll, den potentiellen Leser aufzuwerten. Dies gefiel mir gut. Die Schilderung von Chloes Gesundheitszustand ist wohl realistisch, Hibbert zeigt auch auf, dass eine chronische Krankheit oft in’s soziale Abseits führt, leider versäumt sie es, zu zeigen, dass viele chronisch kranke Menschen neben gesundheitlichen Problemen oft auch mit einem finanziellen Abstieg zu kämpfen haben, der die Isolation verstärken kann. Chloes Familie ist angesehen & wohlhabend, sie selbst verdient als Webdesignerin sehr gut, kann sich ein Auto und eine Wohnung leisten. Chloes Familie unterstützt sie, es gibt die exzentrische Oma, die besorgte Mutter und die quietschfidelen Schwestern. Diese Figurenkonstellation hat mich etwas genervt, um ehrlich zu sein. Die Autorin arbeitet auch mit Tropen, die den Roman vorhersehbar machen. Wie oft hat man schon etwas über Protagonisten gelesen, die eine Wette abschließen, oder eine Liste abarbeiten (die sich im Verlauf der Geschichte als problematisch erweisen soll)?
Chloe ist eine klasse Protagonistin, eine Figur mit Ecken & Kanten. Red Morgan hingegen ist eine Figur, die fast zu gut ist, um wahr zu sein, solche Menschen gibt es in der Realität gar nicht. Er ist ein tätowierter Adonis, ein sensibler, einfühlsamer, hilfsbereiter Mensch; außerdem ein toller Liebhaber. Es ist seine Virilität, die Chloe anzieht, und sein unbedingter Wille, ihre Normalität auch als die seine zu akzeptieren. Die Anziehungskraft, die entsteht, wenn zwei Menschen auf einer Wellenlänge liegen, beschreibt die Autorin perfekt. Es ist gut, dass sie ihre Protagonistin nicht als asexuelles Wesen beschreibt, sondern ihrer Figur „erlaubt“, Lust zu empfinden & einen schönen Mann zu begehren. Chloes Überempfindlichkeit erweist sich in Liebesdingen nämlich als Pluspunkt, was nicht unplausibel ist. Aber es ist nicht ganz logisch, dass sie sich Red mehr oder weniger ohne Komplexe zeigen kann. Red findet Chloe heiß, er schwärmt von ihrem „Rokoko-Gesicht“. Es gibt sehr explizite Liebesszenen im Roman. Die Sprache in den Passagen (bzw. die deutsche Übersetzung) ist sicher Geschmackssache. Die Erotik trägt in gewisser Weise zur Figurenentwicklung bei, daher fand ich sie passend, auch wenn ich mich darüber wunderte, dass Chloe kein Problem mit Reizüberflutung zu haben schien.
Red, der auf Chloe sehr selbstbewusst wirkt, hat schlechte Erfahrungen gemacht ( es ist faszinierend, wie die Autorin Geschlechterstereotype in Reds Geschichte außer Kraft setzt), die ihn verletzlich machen.
Insgesamt hätte Talia Hibbert aber mehr aus der Geschichte machen können, die ich trotz stilistische Schwächen s