Benutzer
Benutzername: 
SternchenBlau

Bewertungen

Insgesamt 166 Bewertungen
Bewertung vom 02.09.2020
Wilson, Hannah

Schnee war gestern


gut

Gute Übersicht

Mein 8,5jähriger Sohn ist seit bald zwei Jahren von „Fridays for Future“ angefixt und hat neben Demos auch schon vor einer großen Runde gesprochen und Briefe an Politiker:innen geschrieben. Daher haben wir in mittlerweile auch schon einiges an Kinderbüchern über die Klimakrise gelesen. Generell liegt „Schnee war gestern“ dabei leider nur im Mittelfeld.

Sehr gut gefallen hat mir die Aufteilung in die Abschnitte Die Klimakrise, Das Meer, Wildes Wetter, Hitze und Luft, weil das die immense Bandbreite abdeckt, auf die sich die Klimakrise auswirkt. Dazu gefällt mir sehr, dass die Krise auch explizit als „Klimakrise“ bezeichnet wird und nicht ausschließlich der Begriff Klimawandel benutzt wird. Da mein Sohn schon einiges zur Klimakrise gehört und gelesen hat, hat er sich im ersten Teil von „Schnee war gestern“ etwas gelangweilt, dafür kann das Buch aber ja nichts. Gerade weiter hinten, kamen aber einige Details, die ihn fasziniert haben, weil er sie noch nicht kannte, wie ein Luftreinigungsapparat aus den Niederlanden (gegen Smog und nicht gegen CO2).

Kinder lieben ja peppiges und knalliges Layout, das ist mir hier aber doch ein Bisschen zu unruhig. Und einige Grafiken finde ich nicht komplett selbsterklärend. An einigen Stellen hätte ich es besser gefunden, wenn die Bildunterschriften die Orte markieren, von denen die Bilder stammen. Das abgesoffene Haus, steht das in Wuppertal oder in Virginia?

Die Texte sind knackig und auf Prägnanz getrimmt. Manchmal fehlt mir dann aber noch der eine oder andere Halbsatz, um eben nicht ins Grübeln zu geraten. Ich bringe ein paar Beispiele.

„Wenn eine Hitzewelle feuchte Gegenden erreicht, wird es für die Menschen gefährlich.“

Ab einer gewissen Hitze, wird es für Menschen generell lebensgefährlich, bei hoher Luftfeuchtigkeit trifft das halt bei noch etwas geringeren Temperaturen zu. Man könnte hier aber meinen, dass das nur bei hoher Luftfeuchtigkeit der Fall wäre. Und WARUM wir nicht mehr so einfach schwitzen können, wird leider auch nicht genau erklärt. Der Monsun ist zwar ein Wetterphänomen, dass in vielen tropischen Ländern auftritt, bei vielen dieser Länder ist aber die Trockenzeit auch schon recht feucht verglichen mit Mitteleuropa. Anders in Indien und Bangladesh, denn da regnet es z.T. wirklich monatelang gar nicht und darum leiden diese Länder ganz besonders darunter, obwohl sie gleichzeitig völlig vom Monsum abhängig sind.

„2015 wurde Indien von einer extremen Hitzewelle getroffen. Bis zu 2500 Menschen starben.“

Das erscheint mir nicht sehr viel. Im Monat, in einer Stadt? Selbst in Deutschland geht man von mehreren Tausend Toten bei großen Hitzewellen aus. Bei deutlich weniger Einwohnern und geringeren Temperaturen.

Und auch beim Luftreinigungsapparat, den mein Sohn so spannend fand, hat er gleich gefragt, warum man das nicht überall machen würde. Warum denn nicht?

Die Tipps, was die Kinder selbst zuhause für die Klimakrise machen können, finde ich ganz charmant. Mir fehlt aber etwas die Reflexion, dass diese Krise nur im großen gelöst werden kann. Dafür ist mir dann die Doppelseite am Ende auch etwas zu knapp geraten.

Fazit
Guter Überblick, im Vergleich zu anderen Kinderbüchern über die Klimakrise aber nur im Mittelfeld. Irgendwie fehlte uns der eine oder andere Gedanke noch. 3 von 5 Sternen.

Bewertung vom 31.08.2020
Harper, Helen

Hexen gibt es doch / Hex Files Bd.1 (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Ich habe mich köstlich amüsiert!

Warum ist es eigentlich so schwierig eine amüsant, leichte Lektüre zu finden? Schnell wird es mir zu oberflächlich oder banal. ABER: Bei „Hex Files“ passt für mich einfach alles. Für mich ist das Buch ab sofort der Prototyp einer amüsant, leichten Lektüre. Ich habe mich einfach köstlich amüsiert, denn hier passt alles so gut zusammen.

Ich-Erzählerin Ivy will mit dem Hexen-Orden eigentlich nichts mehr zu tun haben, wird durch Verwechslung (und Intrigen, wie sich später herausstellt) aber aus heiterem Himmel magisch mit dem Hexenermittler Adeptus Exemptus Raphael Winter verbunden. Charaktere und Worldbuilding dieser Urban Fantasy sind einfach toll gelungen und ich gucke den beiden total gerne zu, wie sie durch einen magischen Kriminalfall stolpern. (Die Crime-Anteile stehen aber nicht im Vordergrund.) „Rafi“ ist dabei zwar irgendwie sehr pflichtbewusst und manchmal auch dadurch etwas rüpelhaft, erfrischenderweise hat er aber gerade dadurch nichts von einem Bad Boy, was in vielen Fantasy Geschichten leider noch als Stereotyp herumgeistert. Auch das Genderbild passt für mich. Der Schlagabtausch zwischen Ivy und Rafi hat viel von einer Screwball-Comedy und ich gucke ihnen gerne dabei zu.

Ivy bietet in ihrer Verpeiltheit und ihrem Wunsch, möglichst viel Zeit mit einer heißen Schokolade auf der Couch zu verbringen, enorm viel Identifikationspotential. Und Kater Brutus, dem Ivy Sprechen in sehr eigenwilliger Form beigebracht hat, fand ich allerliebst.

Eigentlich wollte ich das Buch nur schnell mal anlesen, aber dann habe ich es mit Begeisterung innerhalb eines Tages verschlungen.

Fazit
Witzig, charmant, dazu eine tolle Hexenwelt. Sympathische Protagonistinnen, denen ich gerne beim Schlagabtausch zugucke. Ich habe mich köstlich amüsiert und freue mich schon sehr auf den zweiten Band, der zum Glück bereits morgen erscheint. Begeisterte 5 Sterne von 5.

Bewertung vom 29.08.2020
Gilbert, Elizabeth

City of Girls


gut

Tante Vee erzählt von Sex und Krieg und ein Bisschen auch von Freundschaft und Liebe.

Elizabeth Gilberts „Eat, Pray, Love“ fand ich vor einigen Jahren so toll und ihren TED-Talk „Your elusive creative genius“ einen wirklich inspirierenden Vortrag. Daher hatte ich mich sehr auf „City of Girls“ gefreut. Erwartet habe ich einen witzigen Roman mit viel Feminismus.

Stellen wie diese gab es aber leider nur wenige:

„Auf dem Dach unserer kleinen Braut-Boutique lernte ich Folgendes: Wenn Frauen unter sich sind, ganz ohne Männer, müssen sie nichts Spezielles sein; sie dürfen einfach sein.“

Bekommen habe ich stattdessen ein über weite Strecken sehr langatmiges Buch, bei dem ich nicht verstanden habe, warum hier der Sex als so etwas Besonderes herausgestellt wurde.

Für die 1940er Jahre wäre das eine Emanzipationsgeschichte gewesen, aber hier und heute hat mich oft einfach nicht interessiert, wer mit wem ins Bett geht. Der eher pubertäre Ausbruchsversuch der noch jungen Hauptfigur am Anfang und die zwischenzeitlichen Selbstzweifel der Figur standen einer Sex-Positivity diametral gegenüber. Genauso wie die gelegentlichen sexistischen Beleidigungen („H*re“) oder auch die damaligen sexistischen Frauenbilder, die die Autorin für mich nicht immer richtig gerade rückt. Einmal wird auch das Esk*mo-Wort benutzt und die Stelle, wo eine Freundin befürchtet ihr Sohn könnte ein „w*rmer Bruder“ werden, weil er so sanft sei, das hätte sich Gilbert definitiv sparen können.

Manchmal hat mich die Ich-Erzählerin Vivian ziemlich genervt. Das wird leider nicht immer durch Selbstironie aufgefangen.

Der Krieg nahm, gerade durch die Funktion von Vivians Bruder, aber auch durch die anderen Ereignisse, nach und nach eine immer größere Rolle ein. Das fand ich historisch ganz interessant, weil doch die US-Zivilbevölkerung scheinbar nicht so betroffen war. Aber irgendwie war das mit Vivians Eskapismus unausgewogen. Am Ende gibt es eine schöne Passage, die die im Krieg enthaltene toxische Männlichkeit gerade rückt, aber der lange Fokus darauf zuvor, kam mir halt wirklich vor wie: Jemand erzählt Geschichten vom Krieg. Die ernsten Themen sind einfach nicht ausgewogen in einer Geschichte, die in erster Linie leicht daherkommen will. Einsichten, wie auch über sexualisierte oder häusliche Gewalt, stehen daher auch wie Fremdkörper im Buch, auch, wenn sie noch so trefflich sind.

Die Dialoge zogen sich oft zu lang, obwohl mir viele Schlagabtausche gut gefallen haben, fand Gilbert zu selten dann den richtigen Punkt.

Dann hatte ich auch mit der Struktur des Buches so meine Probleme: Gerade die ersten 100 bis 150 Seiten zogen sich oftmals wie Kaugummi. Der Mittelteil wurde besser. Nach Vivians Rückkehr nach New York wirkte es wie ein stakkatohafter historischer Abriss, der wenig Raum gab, mit den Ereignissen mitzufühlen. Nun ja, wenn man 90 Lebensjahre in ein Buch pressen will, hätte etwas mehr Fokus gut getan. Die Auflösung, warum Vivian überhaupt einen Brief schreibt, und die Begegnungen mit eben jenem Freund haben mich dann doch sehr bewegt. Hier hat sich für mich aufgetan, warum ich „Eat, Pray, Love“ so mochte. Das ist auch der Grund, warum ich meine 2,5 Sterne aufgerundet habe.

Auf 100 bis 200 Seiten weniger, mit einer besseren Struktur hätte das ein zauberhafter, bissiger Gesellschaftsroman werden können. So hoffe ich einfach, dass Elizabeth Gilbert bei ihrem nächsten Roman ihren eigenen Rat besser beherzigt:

„Ich erzählte Edna davon, wie meine Großmutter die winzigsten Fehler in meinen Kleidungsstücken aufzuspüren pflegte und verlangte, dass ich sie auf der Stelle korrigierte. Meistens wandte ich ein: »Das merkt doch niemand!«, aber Großmutter Morris sagte: »Das stimmt nicht, Vivian. Die Leute werden es bemerken, aber sie werden nicht wissen, was sie bemerken. Sie werden nur bemerken, dass etwas nicht stimmt. Lass das nicht zu.“

Fazit
Leider zu langatmig. Die tollen Beschreibungen und Beobachtungen gehen unter. Meine 2,5 Sterne runde

Bewertung vom 27.08.2020
Braithwaite, Oyinkan

Meine Schwester, die Serienmörderin


ausgezeichnet

Bitterböser Humor

„Ayoola ruft mich mit diesen Worten herbei: Korede, ich habe ihn umgebracht.
Ich hatte gehofft, diese Worte nie wieder zu hören.“

Dieses Buch beginnt bereits mit einem Knall. Und Oyinkan Braithwaite lässt es noch viele weitere Male knallen. Nein, ein Pistolenschuss fällt nie, immerhin ist es ein Messer die bevorzugte Waffe der Schwester. Es ist der Humor, der knallt. Genau auf den Punkt. Die Kapitel sind meist nur wenige Seiten kurz, manchmal sogar nur zwei oder drei, und an ihrem Ende steht oft eine Pointe, ein Cliffhanger, ein Nach-Luft-Schnappen.

Einen Krimi oder gar Thrillerspannung sollten die Lesenden allerdings nicht erwarten. „Meine Schwester, die Serienmöderin“ ist ganz klar ein Roman, wenn auch ein bitterböser mit makaberem Humor und ein paar Leichen. Spannend fand ich ihn trotzdem, weil ich wissen wollte, was mit den Schwestern passiert. Daher habe ich das Buch auch binnen nur eines Tages gelesen.

Zum Glück für ihre Schwester Ayoola hat die Ich-Erzählerin Korede einen ausgeprägten Hang zu Sauberkeit und Putzen. Darum kann die ältere Schwester der jüngeren auch so hervorragend nach ihren „Missgeschicken“ helfen. Das Buch liest sich an vielen Stellen leicht und beschwingt. Sarkasmus und Ironie tun aber hier, wie fast immer, erst deswegen so richtig weh, weil es letztendlich um ernste Themen geht. Die Schwester als Serienmörderin ist ohne das Patriarchat nicht denkbar und das Buch liest sich daher sehr feministisch.

„Es überrascht mich nicht, dass sie das Messer an sich genommen hat. Wäre es mir vor ihr eingefallen, hätte ich mit einem Hammer darauf eingeschlagen.“

In diesem Zusammenhang möchte ich aber auch dringend auf meine Content Note am Ende dieser Rezension verweisen.

Total spannend als weiße, europäische Leserin fand ich, dass Braithwaites Schilderung von Nigeria und dessen „gehobene Mittelschicht“, wie sie es selbst bezeichnet. Das hat nichts mit afrikanischen Elendsschilderungen zu tun, dies sonst im Westen noch häufig vorherrschen. Vieles wirkt nicht anders, als bei uns. Das Spezifische kommt durch Versatzstücke, wenn Korruption geschildert wird oder die Schwestern vor einem älteren Chief und Gast des Vaters traditionell knien. Braithwaite bleibt absolut souverän, sie erklärt diese Dinge nicht ausführlich für ein westliches Publikum. Das finde ich letztendlich umso interessanter, weil ich eben das Gefühl habe, dass hier eine nigerianische Autorin in erster Linie für ein Schwarzes, nigerianisches Publikum schreibt.

Das machte für mich dann einige Stellen nochmal interessanter, wenn Braithwaite z.B. Colorism thematisiert, also die Diskriminierung aufgrund der Schattierung der Hautfarbe (was sich übrigens ebenfalls durch die Kolonialisierung erklären lässt).

"»Und ihr beide habt also denselben Vater und dieselbe Mutter?«
»Sie hat euch doch gesagt, dass sie meine Schwester ist.«
»Aber ist sie von beiden Seiten deine Schwester? Sie sieht ein bisschen gemischt aus.“

Loyalität in der Familie und unter Frauen ist ein zentrales Thema. Gerade an dieser Stelle bleibe ich gerade am Ende aber mit einem Fragezeichen zurück: Was bedeutet denn nun dieses ungewöhnliche Schwestern-Beziehung für den Feminismus? Das Ende plätschert auch ein wenig aus. Und: Gerade, weil Braithwaite oft so auf den Punkt schreibt – auf den Knall – fällt gelegentlich auf, wenn sie es nicht macht und die Kapitel etwas weniger prägnant sind. Aber: Es ist ein Debüt und ich habe mich wirklich amüsiert! 4,5 Sterne sind daher bei mir sicher.

Fazit
Hier fand ich den bitterbösen, pointierten Humor und das feministische Thema toll. Dazu kriege ich hier mal einen ganz anderen Blick auf Nigeria. Das alles habe ich in einem Rutsch und mit viel Amüsement gelesen. Dafür gibt es eine Empfehlung von mir und 4,5 von 5 Sternen.




CN / Content Note: häusliche Gewalt, Misshandlung von Kindern, Misogynie, sexistische Beleidigungen, Gewalt gegen Tiere

Bewertung vom 27.08.2020
Stickley, Frances

Wovon träumst du heute Nacht?


ausgezeichnet

Im Traum auf Reisen gehen

Mein 8,5jähriger Sohn hat ein Gedicht zum Buch geschrieben:

Die hübschesten Träume verschwinden im Nu. 
Die Alpträume kleben die Augen zu. 
Die Träume hier sind schön,
Da kann ich toll auf Reisen gehn.  

Meine Erwachsenen-Meinung:

Ach, welch wunderschöne Einladung einzuschlafen und zu träumen.
Die Orte, an die die Träume führen, sind so schön und vielfältig. Die Bilder dazu bieten ganz viel Inspiration und lassen gleichzeitig noch genügend Platz für die eigenen Sehnsüchte. Dabei wirken die Bilder mit den vielen Blautönen richtig beruhigend auf mich. Das passt ja zum abendlichen Vorlesen.
Diese wundervolle Bilderbuch hat das Zeug zu einem Klassiker.
Und obwohl mein Sohn nicht mehr die Kernzielgruppe des Buches ist, hat es ihn gleich zu einem kleinen Gedicht inspiriert.

Für einen einzigen Kritikpunkt habe ich. Bei der Zeile „Ein Abenteuer, dessen Held du bist“ hätte ich eine genderneutrale Form noch besser gefunden.

Fazit:
Dieses Bilderbuch hat das Zeug zum Einschlaf-Klassiker. 4,5 von 5 Sternen.

Bewertung vom 27.08.2020
Buxton, Kira Jane

Hollow Kingdom


sehr gut

Die Zombie-Apokalypse aus Krähensicht

„Jetzt gehörte unser Haus dem Zuckerahorn. Und vielleicht war das gut so. Vielleicht hatte der Zuckerahorn das redlich verdient.“

Dass hier die Apokalypse aus Krähensicht geschildert wird, hat das Buch überhaupt erst auf meiner Leseliste landen lassen. Allerdings hatte ich diesen ungewöhnlichen Blickwinkel bis zum Lesen schon wieder vergessen und habe mich dann umso mehr darüber gefreut. Und S.T., die Krähe, als Ich-Erzähler ist mir recht schnell ans Herz gewachsen, genau wie der Bluthund Dennis, für den S.T. anstatt ihrer beider Herrchen die Verantwortung übernimmt. 

Viele Stellen haben eine so wundervolle Poesie, gepaart oft auch mit Ironie:

„Im Staate Washington gedeiht alles prächtig: smaragdgrünes Moos, knackige Äpfel, süße Kirschen, große Träume, Koffein-Abhängigkeit und passive Aggression.“

Dennoch hatte ich etwas Mühe ins Buch einzusteigen. Es plätscherte zunächst etwas vor sich hin, manche Infos schienen mir unnötig versteckt und mit Geheimnis aufgeladen. Manche Wege erschlossen sich mir nicht wirklich, es schien mir hier häufiger unnötig kompliziert: Warum müssen die beiden durch die halbe Stadt, bis sie etwas bestimmtes tun können? Dazu passt, dass manchmal seitenweise die Kerninfo zurückgehalten wird, die der Ich-Erzähler aber sofort wahrgenommen hatte. 

Dafür tut sich schließlich eine wundervolle Mission für die beiden auf. Die führt zu sonderbaren und wundervollen Begegnungen und die Figuren sind mir sehr  ans Herz gewachsen. Was mir auch sehr gut gefällt: Das Spiel mit mehreren „Chosen Ones“: „der, der bewahrt“, „der, der erobert“ und so weiter und so fort. Es gibt eben nicht ein:e, die alles erreichen kann. Und vieles ist nicht so offensichtlich, wie es zunächst scheint.

Eine weitere Stärke der Autorin ist die Schilderung der Natur. Schon durch die Bandbreite an Baumarten von Zuckerahorn über Hainbuche zur Douglas-Tanne und Tierklassifikationen von Regenwurm bis zum Elefanten fühle ich mich wie in einem Krähenhirn. Die Natur überwuchert immer mehr die Zivilisationsreste der Menschen und gleichzeitig bleibt Seattles Großstadtnetz mit seinen Starbucks-Cafés, Wohnanlagen oder Malls immer der Bezugspunkt für S.T..

In diesen Betrachtungen findet die Autorin eine schöne Gegenform für die Aussage, dass wir Menschen die Vielfalt der Natur zerstören. Eine Aussage, die mir aber etwas zu schlicht ausgeführt wurde. Dazu kamen die für mich die langatmigen Stellen dazu, um die volle Sternenzahl zu geben.

CN / Content Note: wie bei vielen apokalyptische Geschichten Mord, Gewalt, Verstümmelung, hier viel Tötung von Tieren, sexualisierte Gewalt (nur eine zentrale Szene, die hatte es für mich aber in sich)

Und die unreflektierte Übernahme der teilweise misogynen Ansichten von S.T. haben mich auch genervt. (Einmal wird der Ind*aner-Wort benutzt.) Ich hätte es schon fast wieder vergessen, aber S.T. beobachtet auch einen vermutlichen sexuellen Übergriff oder Schlimmeres durch eine Hundemeute auf eine Hündin. Irgendwie fand ich die Schilderung schwer zu ertragen, obwohl es eigentlich nur zwei kurze Absätze sind. Vielleicht, waren diese Zeilen einfach zu lapidar. Dafür ziehe ich nochmal einen halben Stern ab.

Fazit 
Der Blickwinkel macht „Hollow Kingdom“ zu etwas ganz Besonderem. Ich sehe ein paar Abstriche (bitte auch Content Note beachten), aber das Buch hat mir auch gefallen. 3,5 von 5 Sternen, die ich aufrunde.

Bewertung vom 27.08.2020
Nielsen, Susin

Adresse unbekannt


ausgezeichnet

Warmherzig und voller Empathie

Felix spürt die letzten Monate wenig davon, dass sein Name „der Glückliche“ bedeutet. Seiner Mutter ging es immer wieder mal schon nicht wirklich gut. Und schließlich wohnen sie in einem VW-Bus, das Wort „obdachlos“ will er Anfangs für diesen Zustand nicht gelten lassen.

Dieses Kinderbuch an der Schwelle zum Jugendbuch ist warmherzig geschrieben. Voller Empathie gehe ich mit den Charakteren mit. Ich drücke allen die Daumen, dass sie wieder auf einem besseren Weg finden. Dadurch entwickelt Autorin Susin Nielsen auch eine ganz eigene Spannung. Ich wollte unbedingt wissen, was weiter passiert, und konnte das Buch daher kaum aus der Hand legen.

Toll fand ich auch die Vignetten, die zu Beginn jeden Kapitels den Aufenthaltsort der Kleinstfamilie angeben.

Absolut gelungen finde ich die Kombination von einem leichten, oftmals humorvollen Schreibstil und der Schilderung einer harten sozialen Wirklichkeit. Felix’ schützt sich selbst, indem er manches beschönigt und indem er seinen Humor nicht verliert. Und ja, ich finde, dass auch Kinder an solche Themen kindgerecht herangeführt werden sollten. Kinder haben einen großen Gerechtigkeitssinn und hier lernen sie sich, in andere einzufühlen.. Kinder erfahren hier, dass Obdachlosigkeit etwas ist, dessen sich die Betroffenen zwar oftmals schämen, dass es aber nichts ist, dessen man sich schämen müsste. „Es könnte jeden treffen“, schreibt Felix’ Freundin Winnie für die Schülerzeitung – lange bevor sie weiß, dass dieses Thema unsichtbar auch ihren Freund betrifft.

Ich habe mit der Hauptfigur mitgelitten, aber ich war auch so stolz auf ihn, was er leistet.

Die Charaktere sind mir alle ans Herz gewachsen. Dadurch, dass aus Felix’ Sicht erzählt wird, wird auch die ganze Ambivalenz der Bindung zu seiner Mutter deutlich. Wie er sie liebt, wie er immer wütender auf sie wird. An dieser Stelle ist gerade für ein Kinderbuch eine Content Note wichtig, finde ich.

Der Verlag empfiehlt das Buch ab 11 Jahren, was ich sehr stimmig finde. Die ernsten Themen werden jetzt nicht drastisch geschildert. Aber manche Kinder könnte es trotzdem belasten.

Content Note / CN: Wohnungslosigkeit, Depression, angedeutete Option eines Suizids, die Möglichkeit einer Vergewaltigung, Bedrohung häusliche Gewalt gegen die Mutter, Hunger, Diebstahl, Tod eines Haustieres

Gerade die Darstellung der Depression finde ich absolut gelungen, auch, wie Felix dadurch in eine Verantwortung rutscht, die seinem Alter noch nicht entspricht. Die Möglichkeit einer Vergewaltigung, da fürchtet sich Felix einmal um seine Mutter, und einmal werden die beiden im Bus bedroht. Beides löst sich allerdings auf.

Die Auslösung hätte für mich noch etwas knapper sein können. Aber ich denke, für die Zielgruppe ist es sehr gelungen, dass man beim Lesen noch etwas länger in Wohlfühlelementen schwelgen kann. Einen Extrapunkt gebe ich noch für die divers geschilderten Figuren. Und super sind auch die Fragen an die Lesenden im Anschluss – zur Diskussion in der Schule oder als Anregung zum Selber-Nachdenken.

Fazit
Ein warmherziges Kinderbuch, hier wird das ernste Thema Obdachlosigkeit empathisch und altersgerecht umgesetzt (Altersempfehlung ab 11). Dieses Buch empfehlen ich – mit Hinweis auf die Content Note – von Herzen weiter und vergebe 4,5 von 5 Sternen.

Bewertung vom 21.07.2020
Astner, Lucy

Hier ist doch was faul! / Polly Schlottermotz Bd.5


sehr gut

Ein singendes Faultier im Urwald braucht dringend Hilfe. Charmante Geschichte.

Mal wieder eine 3-Generationen-Rezi...

Mein 8,5jähriger Sohn findet:
Mir hat bei „Polly Schlottermotz“ Faultier Shakira am Besten gefallen und dass sie so gut Lieder singen. Darum musste ihr Polly auf alle Fälle helfen. Und auch die anderen Charaktere fand ich sehr gut gefunden.
Schade fand ich, dass ich noch von jedem von Pollys Eckzähnen die Zauberkraft erfahren habe. Nur beim Alarmzahn war es schnell klar. Aber selbst am Ende weiß ich es vom vierten noch nicht. Das war ja der erste Band aus der Reihe, die wir gelesen habe, aber bei anderen Reihen wurde das besser erklärt.
Es hat sich einiges wiederholt. Das ist der Hauptgrund, was mir nicht so gut gefallen hat. Manchmal war es so: Polly geht durch den Urwald, die Zeit läuft langsam ab, und mehr passiert dann aber nicht. Aber mir hat die Faultiergeschichte gefallen und insgesamt habe ich das Buch ganz gerne gelesen. Daher vergebe ich 3,5 von 5 Sternen.

Unsere Oma sagt:
Die Geschichte von Polly Schlottermotz ist ganz lebhaft erzählt. Zwischendrin gibt es immer mal wieder langatmige Stellen, aber ich fand schon spannend, wie das mit dem singenden Faultier alles zusammenhängt. Und so einen Zauberpass, der mich an alle möglichen Orte bringt, hätte ich auch gerne.

Meine Erwachsenen-Meinung:
Dieses Buch haben wir mal wieder in 3-Generationen gelesen. Wir mögen Faultiere alles sehr gerne, es ist wirklich eine charmante Geschichte und gerade die tierischen Protagonist:innen mochten wir sehr gerne.

„Ich sehe schon meinen Grabstein vor mir. Er lebte als Held – bis er von einem Gänseblümchen verschluckt wurde. Das habe ich nicht verdient, Polly, die Leute werden über mich lachen!“

Auch, wenn das Buch sehr nett war, wenn es sehr nett war, haben wir bei diesem Buch keinen großen „Zug“ gespürt, dass wir unbedingt wissen wollten, wie es weitergeht.

Mir sind wie meinem Sohn einige Kapitel aufgefallen, bei denen kaum etwas passiert ist. Das Erzähltempo ist ziemlich gemächlich und leider wird die nicht dafür genutzt, um die Charaktere stärker zu beleuchtet. Und nein, ich muss nicht zum vierten Mal lesen, dass die Elefantendame auf Wellness-Ausflug ist oder zum zehnten Mal, dass die Zeit knapp wird.
Wie hat sich denn die Großtante das gedacht: Sie schenkt einen magischen Zauberpass, aber ihre Enkelin benutzt den dann nur für einen Tag? Probleme werden aufgemacht, aber nicht wirklich behandelt. Und der Fantasy-Anteil ist jenseits des Tierthemas auch recht gering.

Während wir das Buch gelesen haben, haben wir in einer Kinder-Doku erfahren, dass alle Faultier-Arten Einzelgänger sind. Ja, künstlerische Freiheit ist okay, aber irgendwie passt es trotzdem zu meinem Eindruck des ganzen Buchs, in dem es genau darum geht, dass Shakiras Verbannung aus dem Dorf wieder aufgehoben werden soll.

Fazit:
Eine charmante Kindergeschichte, die man gut lesen kann, aber nicht lesen muss. Unsere 3,5 Sterne runden wir auf, sagt mein Sohn, weil es ihm so insgesamt ganz gut gefallen hat.