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Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Hennie
Wohnort: 
Chemnitz

Bewertungen

Insgesamt 273 Bewertungen
Bewertung vom 06.02.2022
Das Loft
Geschke, Linus

Das Loft


ausgezeichnet

Unheilvolle Alliance
„Die, die wir lieben, sind immer die, die uns am meisten wehtun können, weil nur sie Zutritt zu unserem Herzen haben.“ (Letzte Seite, ohne Zahl, nach 347)

Drei junge Menschen, Sarah, Marc und Henning, bewohnen zusammen ein exquisites Loft in Hamburg. Die beiden Männer sind seit längerem Freunde. Sarah und Marc lernten sich später kennen und sind ein Liebespaar. Oberflächlich betrachtet scheint alles paletti, aber zwischen Henning und Sarah schwelen Konflikte fast von Beginn an. Sie werden ständig größer und unversöhnlicher. Eines Tages ist die gemeinsame Küche über und über mit Blut besudelt, eine Menge, die klarmacht, dass hier jemand zu Tode gekommen sein muss. Bald stellt sich heraus, es ist tatsächlich Hennings Blut. Er ist verschwunden. Von ihm gibt es nicht eine Spur. Sarah und Marc rücken in den Fokus der Polizei. Sie sind die Hauptverdächtigen in dem Mordfall ohne Leiche.

Die unerklärliche Geschichte ist unterteilt in 5 Abschnitte mit jeweils einem vorangestellten Zitat von Voltaire.
In ständig abwechselnden Kapiteln kommen Sarah Hauptmann und Marc Lammert zu Wort. Sie sind ein Paar, das sich sehr liebt. Es ergeben sich tiefe Einblicke in ihr Leben. Die Sichtweisen, ihre Blickwinkel sind mitunter unterschiedlich. Dazu kommen die Berichte aus dem Polizeipräsidium durch das verschiedenartige Ermittlerduo Bianka Rakow und Peter Höger.
Die Spannung steigt mit jedem neuen Detail und ebenso die Zweifel an den Aussagen. Wer sagt die Wahrheit? Wie ist nur das Rätsel um Henning zu lösen? Wer brachte ihn um? Wo ist seine Leiche? Es gibt noch eine Menge mehr an Fragen, auf die es erst am Ende des Thrillers eine Antwort geben wird. Nur langsam kommen die wirklichen Beziehungen zwischen den Dreien ans Licht, ihre Charakterzüge nehmen Gestalt an. Ausgangspunkt bzw. die Ursache für das grausige Geschehen im Loft bildet der gemeinsame Urlaub in Nicaragua.
Wie der Autor im Klappentext schon voraussagt, gibt es (fast) keine Chance für die Lesenden herauszufinden, was mit Marc, Sarah und Henning geschah. Aufmerksamkeit beim Lesen ist gefragt! Durch die fortwährenden Perspektivwechsel bleibt der Spannungsbogen hoch, bis es zum Ende hin nochmal kulminiert. Wie die ganze Story ausgeht, überraschte mich sehr. Das war ohne Frage ein schrecklicher Tod, aber für den verantwortungs- und rücksichtslosen Menschen hatte ich kein Mitleid.

In beeindruckender Weise wurden die verschiedensten Gefühle (Qual, Schmerz, Liebe, Haß, Erkenntnis), vor allem die von Sarah und Marc, herausgearbeitet. Emotionen spielen die herausragende Rolle, sowohl die positiven als auch die negativen. Es ist schon erstaunlich, wozu Menschen fähig sind! Und auch, wie es der Autor schafft, das alles in eine fesselnde Lektüre zu verwandeln.

Für mich war es das erste Buch von Linus Geschke. Es hat mir gut gefallen. Ich vergebe die Höchstbewertung und empfehle es für alle Thrillerfans!

Bewertung vom 30.01.2022
Der fürsorgliche Mr Cave
Haig, Matt

Der fürsorgliche Mr Cave


gut

Der gepeinigte Peiniger
Liegt wirklich ein Fluch über dem Leben des Antiquitätenhändlers Terence Cave? Im Kleinkindalter verlor er seine Mutter durch Suizid, dann kam seine Ehefrau durch einen Einbrecher ums Leben und schließlich stürzt sein Sohn Reuben von einer Straßenlaterne und stirbt. Schließlich verbleibt ihm nur Reubens Zwillingsschwester Bryony. Sie will und muss er beschützen! Das ist seine Pflicht und Aufgabe. Doch Cave nimmt der 15 jährigen durch seine grenzüberschreitende, distanzlose Fürsorge die Luft zum Atmen.

Die ganz große Katastrophe bahnt sich an. Die Leserschaft erfährt die Entwicklung aus der Sicht des Vaters in Briefform oder in der Art eines Tagebuches, das er an die Tochter richtet. Er ist tief traumatisiert, von fürsorglich wie es der Titel ausdrückt, kann keine Rede sein. Für die Ratschläge, die Hilfeangebote und die gutgemeinten Hinweise von seiner Schwiegermutter Cynthia bleibt er immun. Er lebt in seiner eigenen Welt. Seine Handlungsweisen sind extrem übergriffig. Sie wirkten auf mich krank, völlig daneben und ließen mich teilweise fassungslos zurück. Sein Wahn steigert sich bis zur Eskalation und endet schließlich in weiteren entsetzlichen Ereignissen.

Auf S. 72 bezeichnet der Autor seinen Protagonisten als "Terence, der gepeinigte Peiniger". Ich finde, das trifft es ganz ausgezeichnet.

Das war leider ein Lesestoff, den ich am liebsten abgebrochen hätte.
Matt Haig steckte sicherlich selbst in einer depressiven Phase als er diese Geschichte 2008 niederschrieb. „Die Mitternachtsbibliothek“ von ihm hat mir dagegen gut gefallen. Das Buch polarisierte zwar auch, wenn man sich die Rezensionen anschaut.
„Der fürsorgliche Mr. Cave“ brachte mir leider keinen Lesegenuß. Das Buch zog mich runter und hatte für mich eine sehr negative Aura. Gerade jetzt in Pandemiezeiten keine Lektüre, die ich empfehlen möchte.

Meine Bewertung: 3 von 5 Sternen!

Bewertung vom 03.01.2022
Perfect Day
Hausmann, Romy

Perfect Day


sehr gut

Lou Reed und der perfekte Tag
Ich habe Romy Hausmanns Debüt-Thriller „Liebes Kind" gelesen und war davon sehr angetan, was ich in meiner Rezension auch zum Ausdruck brachte.
Zitat daraus: „Liebes Kind“ ist eine Story wie eine Lawine! Gewaltig! Grausam! Erschütternd! Sehr tragisch! Tief berührend!
Nun las ich ihren dritten Thriller, den ich in der Schreibweise anders empfand, nicht ganz so überzeugend.

Es war ein ganz normaler Donnerstag im Leben von Ann. Lou Reed sang von einem perfekten Tag. Da sprang plötzlich die Haustür auf und Polizisten drangen in den Wohnraum ein. Sie verhafteten ihren Vater, den international anerkannten Professor der Philosophie und Anthropologie Walter Lesniak. Ihm wird vorgeworfen, zehn Mädchen im Alter zwischen sechs und zehn Jahren ermordet zu haben. Diese verschwanden im Zeitraum von 14 Jahren. Den Weg zu ihren geschundenen toten Körpern zeigen rote Schleifen an, die der Mörder gemeinsam mit den Opfern vorher verteilte.
Ann kann das nicht glauben. Ihr alleinerziehender Vater war stets fürsorglich zu ihr, seinem „Käferchen". Gemeinsam macht sie sich mit einem fragwürdigen Journalisten auf die Suche nach dem wahren Täter. Um alles in der Welt muss sie die Unschuld ihres Vaters beweisen.

Aus der Sicht von Ann erlebte ich einen langen Trip bis zur endgültigen Aufklärung der Verbrechen. Sie begibt sich ohne nachzudenken in abenteuerliche Situationen, überschreitet Kompetenzen ohne Rücksichten, bringt sich und andere in Lebensgefahr. Ich habe das Buch mit Spannung gelesen. Es ist in einem guten Stil geschrieben. Jedoch reichte es nicht an den Erstling heran. Gut gefallen haben mir die Tagebucheinträge Anns. Sie machte sich Gedanken über die verschiedensten Gefühlszustände, Emotionen – von Traurigkeit, Zuversicht, Einsamkeit, Scham, Enttäuschung, Sicherheit, Verbundenheit (als Kind)...bis hin zu Liebe (als Erwachsene). Das ist berührend in der Ausdrucksweise und den Rechtschreibfehlern der kleinen Ann. Welche Bedeutung diese Eintragungen besitzen erfährt man gegen Ende des Thrillers.
Zwei Sätze von mehreren, die ich mir notierte, möchte ich zitieren, die mir das Gelesene näher brachten.
S. 259
„Alles, was geschieht auf der Welt, jede einzelne Handlung und jede Konsequenz beruht auf einem Gefühl.“
S. 372
„Wir sehen, was die Leute uns glauben machen.“

Ich möchte für „Perfect Day“ meine Lese-/Kaufempfehlung geben mit vier von fünf Sternen.

Bewertung vom 13.12.2021
Was uns schmeckt
Gladwin, Laura

Was uns schmeckt


ausgezeichnet

IRDISCHE KÖSTLICHKEITEN
Schon die Aufmachung des großformatigen Buches fällt sofort ins Auge. Davon war ich sehr angetan. Das setzte sich im Inneren von Seite zu Seite bis zum Ende fort.
Die illustrierte Übersicht erfolgt in ungefährer Reihenfolge zu Obst, Tropischen Früchten, Gemüse, Fleisch, Fisch, Milch, Käse und vielem mehr. Wie es schon auf dem Cover vermerkt ist, werden über 1000 leckere Sachen nicht nur vorgestellt, sondern auch erklärt. Es sind irdische Köstlichkeiten!
Nicht nur die Kinder erfahren eine Menge über Essbares, Nahrungsmittel, Speisen und Gerichte rund um die ganze Welt – alle Altersgruppen können hier dazu lernen. Es werden Fragen beantwortet, aber es stellen sich auch viele neue. Mir als Großmutter begegneten beispielsweise auch noch unbekannte Begriffe, Bezeichnungen, die ich noch nie hörte genauso wie fremde Früchte- und Gemüsesorten.
Es ist ein lehrreiches Werk über die Esskultur, in dem Wissen vermittelt zu Proteinen, Kohlehydraten, Fetten, zur Verarbeitung und Zubereitung von Speisen. Sehr umfangreich und anschaulich sind die Themenbereiche (s.o.) dargestellt. Eine kleine Auswahl gebe ich hier mit Getreide, Hülsenfrüchte und Brot. Dazu werden süße Sachen wie Kuchen, Torten, Kekse und Nachspeisen nicht vergessen. Ebenso wenig wie Gewürze, Kräuter und Aromen oder Öl, Essig, Zitronensaft und die vielfältigen Zutaten zum Backen, Braten. Ich habe noch kein vergleichbares Buch für Kinder und Jugendliche gesehen. Deshalb nenne ich es wertvoll. Lobend möchte ich zur Autorin Laura Gladwin, die Illustratorin Zoë Barker und die Übersetzerin Ursula Heinzelmann erwähnen. Ihnen gemeinsam gelang ein wunderbares Werk. Vielleicht wird es mal ein Klassiker!

Am Ende des Atlas der Genüsse werden verschiedene Rezepte (nicht wie herkömmlich zu verstehen!) vorgestellt, Hinweise gegeben zum Kreieren von eigenen Speisefavoriten. Damit kann jeder seine Gerichte einzigartig gestalten.

Mir gefällt dieses Buch, was ich Lexikon des Hochgenusses nennen möchte, außerordentlich gut. Jederzeit empfehle ich es als Geschenk. Es verdient die Höchstbewertung und meine nachdrückliche Lese- und Kaufempfehlung!

Bewertung vom 17.11.2021
Was bleibt, wenn wir sterben
Brown, Louise

Was bleibt, wenn wir sterben


ausgezeichnet

Alltag mit dem Tod
In „Was bleibt, wenn wir sterben" berichtet Louise Brown von ihrem Alltag mit dem Tod, von den Begegnungen mit Menschen, die einen Verlust erlitten haben, von der Auseinandersetzung mit Trauer und Tod, von der Endlichkeit unseres Lebens... Sie erzählt von ihren Erfahrungen als trauernde Tochter und wie sie schließlich zu ihrer Berufung kam.

Louise Brown schreibt über das diffizile Thema sehr umgänglich, ihre Empathie kommt deutlich zum Tragen. Sie hat die soziale Kompetenz dazu. Aus ihrer eigenen Trauer und deren schwerwiegenden Bewältigung heraus wurde sie Trauerrednerin. Des Öfteren kommt sie auf das eigene Erleben des plötzlichen Verlustes ihrer Eltern innerhalb kurzer Zeit zurück. Sie versteht das fundamentale Erlebnis des Sterbens und des Todes mit dem Leben in Einklang zu bringen. Ich fühlte mich in meinen Verlusten persönlich angesprochen.
Das Buch wurde in drei Teile gegliedert: 1. Teil – Konfrontation mit dem Tod; 2. Teil - Leben mit der Trauer; 3. Teil – Die Endlichkeit annehmen. Die Teile wiederum enthalten Kapitel mit aussagekräftigen Überschriften.
Mit einfachen Sätzen spricht sie einfache Wahrheiten aus und konfrontiert mit dem Tod. Ich verstehe zutiefst, was sie ausdrücken möchte. Ihre Erkenntnisse, ihre Erfahrungen teilt sie unaufdringlich mit und zeigt z. B. auf, dass Erinnerungen an den Verstorbenen/die Verstorbene auch aus unperfekten Momenten bestehen und schön sein können.
Eingeschlossen sind solche bitteren Erkenntnisse, dass nichts im Leben beständig ist und Liebe immer Verlust bedeutet. Die Autorin zeigt z. B. auf, dass Erinnerungen, Gedanken, Gefühle im Zusammenhang mit dem Verstorbenen auch aus unperfekten Momenten bestehen und durchaus auch schön sein können.
Schließlich gab mir das Buch auch Einblicke in die verschiedensten Möglichkeiten, wie wir die Trauer bewältigen, wie wir damit umgehen und uns mit Würde von den Verstorbenen verabschieden können. Es gab einige Stellen, die mich sehr ergriffen haben, mir ans Herz gingen, die mich tief erwischten.
Mir gefällt Louise Browns Schreibstil. Da kommt ihr ganz sicher ihr Beruf als Journalistin sehr gelegen. Sie schreibt angenehm, findet tröstliche, berührende Worte, bleibt stets authentisch. Sie findet eine wohltuende Leichtigkeit im Umgang mit dem schweren Thema. Ich habe mir wunderbare Sätze festgehalten. Sie selbst zitierte oft. Ein Zitatnachweis ist am Ende zu finden. „Was bleibt, wenn wir sterben" erhält einen würdigen Platz in meinem Bücherregal.

Fazit:
Das kleine Buch war für mich voller aufrichtiger Empfindungen und es störte mich überhaupt nicht, dass immer wieder auf den Tod der Eltern bzw. auf ihr Leben Bezug genommen wurde. Nach meinem Empfinden gelang es Louise ihre Erfahrungen mit anderen zu teilen.
Das Interview am Ende gibt mir noch mehr Aufschluß über die Autorin und ihre Beweggründe über das Thema zu schreiben. Mir wurde noch einiges klarer.
Zum Titel: Es gibt eine Menge, was von uns bleibt! Jeder Mensch ist einzigartig und besonders!

Das Buch ist kein Ratgeber, kein Sachbuch, den roten Faden sehe ich in den vielseitigen Vorschlägen der Unterstützung in einer schweren Zeit. Der Tod ist wie das Leben sehr individuell! Jeder kann hier etwas für sich finden! Ich kann das Buch für alle empfehlen.
Deshalb die Höchstbewertung!

Bewertung vom 02.11.2021
Meeressarg / Fabian Risk Bd.6
Ahnhem, Stefan

Meeressarg / Fabian Risk Bd.6


ausgezeichnet

Zwei Tote im Kopenhagener Hafenbecken
Mit "Meeressarg" legt der schwedische Autor Stefan Ahnhem bereits den sechsten Band aus der Fabian-Risk-Reihe vor.

Allerdings bildet nicht Kommissar Fabian Risk den Mittelpunkt, sondern die Handlungsebenen verteilen sich auf zwei weitere Protagonisten, die in den vorangegangenen Bänden wesentliche Rollen spielten. Da ist zum einen der Polizeichef von Kopenhagen - Kim Sleizner – und zum anderen die Expolizistin Dunja Hougard, die aus dem Untergrund gegen ihren ehemaligen Chef ermittelt.
Der Autor hat viel an Aktionen in seinen Krimi hineingepackt. Noch dazu zwingt die kompakte, konzentrierte Erzählweise Ahnhems den Leser sehr aufmerksam den Inhalt zu verfolgen. Zum vollen Verständnis sollte die Reihe nacheinander gelesen werden. Für mich bedeutete es vollen Lesegenuß. Die Vernetzung der Handlungsorte sowie die Verzahnung der Handlungsstränge mit den drei charakteristischen Hauptfiguren habe ich als genial empfunden. Die Charaktere von den Haupt- bis zu den Nebenfiguren sind hervorragend ausgearbeitet. Sie sind sehr verschieden und damit wunderbar realistisch. Das gilt auch für den fiesesten Menschen von allen. Kim Sleizner verkörpert den Prototyp des negativen Charakters. Er ist arrogant, hinterhältig, unvorstellbar brutal, korrupt bis in jede Pore, ein mit allen Wassern gewaschener Unmensch, wie ich es nicht für möglich gehalten habe. Ihm bleibt unerklärlicherweise stets ein Hintertürchen offen! Was für ein unvorstellbarer Filz in den besten Kreisen!
Ahnhem gelingt es den roten Faden sowohl bei den vielen Geschichten als auch bei den handelnden Personen immer im Blick zu behalten.

Fazit:
Zuallerst spannend bis zur letzten Zeile!
Der Kriminalroman wird klar und logisch in allen seinen Handlungssträngen weitergeführt. Das gilt ebenso für die Verbindung zwischen den Ländern Schweden (Helsingborg) und Dänemark (Helsingör) und deren Ermittler samt Team.

Das ist ein Krimi, den ich allen Fans mit bestem Gewissen mit Höchstbewertung empfehlen kann.

Bewertung vom 21.10.2021
Das Leben, ein großer Rausch / Die Polizeiärztin Bd.2
Sommerfeld, Helene

Das Leben, ein großer Rausch / Die Polizeiärztin Bd.2


ausgezeichnet

Powerfrauen in harter Zeit
Es geht nahtlos weiter: „Das Leben, ein großer Rausch" ist der zweite Teil der Magda Fuchs Reihe. Der 2. Band schließt nahtlos ans Geschehen an, nachdem mit einem hochgradig neugierig machenden Cliffhanger geendet wurde. Eine lange Wartezeit entstand bis zur Möglichkeit des Weiterlesens.

Den Mittelpunkt bildet nach wie vor Magda Fuchs, eine junge Frauenärztin, die engagiert ihren Beruf ausübt und zusätzlich im Dienst der Polizei das schlechtbezahlte Amt einer Polizeiärztin erfüllt. In der schwierigen Zeit der Inflation eröffnet sie in Charlottenburg ihre eigene Praxis. Dabei kommt ihr der Zufall zu Hilfe. Sie übernimmt die Praxisräume des verstorbenen Mannes ihrer Pensionswirtin Agnes Fahrland. Über mangelnde Arbeit und die auch noch unter schwierigsten Bedingungen kann sie sich nicht beklagen.
Um Magda herum entwickelt das Autorenduo Helene Sommerfeld weiterhin eine grandiose Authentizität, die mir die Realität im Berlin Anfang der zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts recht nah brachte. Der rote Faden verbindet die verschiedenen Charaktere, die mal mehr und mal weniger mit der Ärztin in Kontakt stehen. Ich las nun sehr erwartungsvoll weiter über die Entwicklung Magdas und die der anderen weiblichen Personen: Doris, Ina, Celia, Erika. Auch über die Männer wird berichtet. Am besten gefiel mir wiederum der junge Kommissar Kuno Mehring, der genau wie Magda leidenschaftlich, engagiert und mit Erfolgswillen in seinem Beruf agiert. Sie arbeiten zusammen und ergänzen sich hervorragend, was sich natürlich auch im Privatleben niederschlägt. Ihre Harmonie ist beeindruckend.
Sehr anschaulich und lebensecht erfährt man von den Jahren zwischen 1922 bis 1924. Dabei werden neben dem überbordenden Reichtum (z. B. Familie Hinnes) auch Berlins Schattenseiten beleuchtet, die unvorstellbare Armut, Hunger und Elend, die grausamen Schicksale von Frauen und Kindern, deren aussichtlose Notlagen im familiären Umfeld. Kriminelle Auswüchse wie Mord, Totschlag, Kinderhandel sind an der Tagesordnung. Die sozialen Umstände für die unteren Schichten sind katastrophal und jede Hilfe, die Magda und Ina Dietrich, die Fürsorgerin, den Frauen zukommen lassen, erscheint wie ein Tropfen auf dem heißen Stein. Bildung und Aufklärung tut Not, um kleine Verbesserungen des Lebensnivaus zu erreichen. Es ist ein weiter Weg!

Die Covergestaltung gefällt mir gut. Nach dem auffallenden Grün nun ein Titelumschlag in sattem Rot. Der Untertitel „Das Leben, ein großer Rausch“ läßt sich weiterführen. Auf der einen Seite sind da die grandiosen Verführungen, der Rausch des Lebens, die zum Beispiel Doris bis zum Exzeß genießt. Das wird ihr fast zum Verhängnis.

Fazit:
Sehr gute Erzählung über die Jahre 1922 bis 1924 mit all seinen Schrecken bis hin zur historischen, beispiellosen Inflation.
Epochale Geschichte wird eingebettet in den Werdegang von jungen Frauen.

Ich fühlte mich wieder hervorragend unterhalten und war traurig als ich am Ende des Buches angekommen war. Nun heißt es erneut warten auf Band 3, der im März 22 erscheint. Allerdings freue ich mich sehr darauf.

Von mir gibt es die Höchstbewertung und die unbedingte Kauf- und Leseempfehlung!

Bewertung vom 20.10.2021
Jahre der Hoffnung / Kinderklinik Weißensee Bd.2
Blum, Antonia

Jahre der Hoffnung / Kinderklinik Weißensee Bd.2


ausgezeichnet

Große Herausforderungen
Teil zwei beginnt mit dem Kriegsjahr 1914 und gibt einen kurzen Einblick in die euphorische Zeit der Mobilmachung. Deutschland hatte Rußland den Krieg erklärt. Auch ihr Verlobter Dr. Maximilian von Weilert erhielt den „Gestellungsbefehl“ und wird als Arzt in einem Lazarettzug arbeiten. Marlene ist im Medizinstudium. Max möchte eine Nothochzeit, um sie versorgt zu wissen. Doch daraus wird nichts...

Es geht weiter mit den beiden Lindow-Schwestern im Jahr 1918. Marlene hat ihr Medizinstudium erfolgreich abgeschlossen, arbeitet nun für ein Jahr als Medizinalpraktikantin in der Kinderklinik Weißensee. Sie, ihre Schwester Emma und die Kinderkrankenschwestern haben an vielen Fronten zu kämpfen. Es fehlen Ärzte. Max kommt äußerlich unverletzt, aber total wesensverändert aus dem Krieg.
Die Spanische Grippe erfaßt epidemisch ganz Berlin, d. h. die Kinderklinik muss zur Seuchenklinik umfunktioniert werden. Obendrein erkrankt Emmas kleiner Sohn schwer. Als ob das alles nicht ausreicht, kommen noch andere Probleme hinzu.

Der zweite Band hat mir noch besser gefallen als das erste Buch der Reihe. Die Charaktere und ihre Handlungsweisen sind ausgefeilter, detail- und nuancenreicher ausgearbeitet. Antonia Blum führt die Erzählung nahtlos fort. Sofort war ich wieder mit den handelnden Personen vertraut. Historie wird lebendig gestaltet mit Personen aus Fleisch und Blut. Ich fühlte mich mittendrin, in den Abläufen des Klinikalltags, im Lazarettzug mit Max bei den schrecklich leidenden Kriegsverletzten, in der privaten Umgebung der Protagonisten. Vieles findet bei der Autorin authentische Beachtung durch genaueste Recherche: die Fortschritte in der Medizin, hier vor allem die Säuglings- und Kinderheilkunde, die Rolle der Frau in der patriarchalischen, männerdominierten Gesellschaft bis hin zur Mode und der Musik der Zeit. Die persönlichen Schicksale, die sozialen Umstände verbindet sie mit den gesellschaftlichen Verhältnissen. 1918 war das Kaiserreich Geschichte. Die neue Zeit brachte mit der politischen Veränderung auch gewaltige Umbrüche mit sich.
Mir hat es sehr gefallen, wie die meisten Frauen in ihrer Stärke von der Autorin dargestellt wurden. Neben Marlene, die sich gegen den selbstherrlichen, eitlen Dr. Buttermilch zur Wehr setzt, oder Emma, die examinierte Kinderkrankenschwester und alleinerziehende Mutter, sind das für mich Oberin Hanny Polsfuß, Stationsschwester Vera und auch die Vermieterin Frau Schlawinski. Sehr schön wieder der Portier Willy Pinke mit seinem Wellensittich Jacky – er ist so ein warmherziger, lieber Mensch. Ein waschechter Berliner mit dem typischen Dialekt. Es bleibt offen, ob er in seiner Funktion noch weiter arbeiten wird.
Das Buch endet hoffnungsfroh, aber mit einer sehr neugierig machenden Wendung.

Ich freue mich nun sehr auf die Fortsetzung „Kinderklinik Weißensee – Tage des Lichts", die aber erst im September 2022 erscheinen wird.

Bewertung vom 05.10.2021
Abgetrennt / Paul Herzfeld Bd.3
Tsokos, Michael

Abgetrennt / Paul Herzfeld Bd.3


sehr gut

Lesenswerter Abschluß der Trilogie
„Abgetrennt“ von Michael Tsokos (Deutschlands bekanntestem Rechtsmediziner) ist der letzte Band der Trilogie um Paul Herzfeld.

Wie schon in den beiden Teilen zuvor erzählt der sachkundige Autor spannend und lebendig. Hier sind es dubiose Leichenteile, die gleich zu Beginn im Prolog eine wichtige Rolle spielen. Mit großer Brisanz wird der/die Lesende durch das Geschehen geführt. Dabei geht der rote Faden nie verloren, obwohl neben der explosiven Haupthandlung (im wahrsten Sinne des Wortes) noch Fälle aus dem ganz normalen Arbeitsalltag in der Rechtsmedizin untersucht werden.

Ein altbekannter, hochgefährlicher, totgeglaubter Serientäter meldet sich aus der Versenkung und schmiedet Pläne, um Herzfeld spektakulär aus dem Weg zu räumen.

Die kurzen Kapitel mit den Angaben zu Datum/Zeit/Ort ließen mich schnell mit dem Lesen vorankommen. Der ständige Wechsel zwischen den Schauplätzen sowie zwischen den unterschiedlichen Personen tragen erheblich zum schnellen Weiterlesen bei.
Die Charaktere sind vorzüglich dargestellt. Ich konnte sie mir gut vorstellen. Allein Heinrich von Waldstamm, ein junger Sektionsassistent, war für meinen Geschmack etwas überzeichnet. Diese Person und ihr Verhalten wurde mehrmals mit fast dem gleichen Wortlaut beschrieben. Trotz seiner Jugend war er mir zu naiv, zu unbedacht. Ihm fehlte anscheinend vollkommen die Vorausschau seiner gewagten Aktionen.
Insgesamt merkte ich dem Thriller an, dass hier ein Experte berichtet. Detailliert und fachspezifisch erfolgen die Informationen zu den Obduktionen. Auch über die spezifischen Gerüche werden wir nicht im Unklaren gelassen.

Für mich ein sehr unterhaltender Abschluß der Reihe um Rechtsmediziner Paul Herzfeld. Schade, dass sie nun zu Ende ist. Eigentlich könnte es ja weitergehen, ist doch ein krimineller Aspirant entkommen!

Meine Bewertung: 4 von 5 Sternen und die Empfehlung für alle Thrillerfans.

Bewertung vom 01.10.2021
Gegen alle Regeln / Strafverteidiger Pirlo Bd.1
Bott, Ingo

Gegen alle Regeln / Strafverteidiger Pirlo Bd.1


sehr gut

Ohne Regeln! Alles erlaubt?
Den ersten Band der neuen Anwaltsreihe "Pirlo: Gegen alle Regeln“ las ich in einer Leserunde.
Vom ersten Leseabschnitt war ich von den Protagonisten Anton Pirlo und Sophie Mahler angetan. Der Zwiespalt, in dem sich Pirlo mit seinen kriminellen Brüdern befindet, kommt recht gut zur Geltung. Sophie erscheint mir als recht unkompliziert, fast pragmatisch. Mit der Wohnzimmerkanzlei Pirlos findet sie sich schnell ab und mit seiner leicht überheblichen Art und Weise sowie seiner unkonventionellen Arbeitsweise kommt sie klar.

S. 115 „Der Typ ist eine Herausforderung. Aber sie arbeitet gern mit ihm zusammen.“

Die Zeitsprünge stören mich entgegen anderer LeserInnen nicht. Durch die Überschriften erfolgte vom Autor eine klare Definierung und Abgrenzung. Dadurch wußte ich immer, in welchem Monat ich mich gerade befand.
Was mich allerdings nervte, waren die Brüder Pirlos. Sie werden ihn ganz sicher noch in der Zukunft in große Schwierigkeiten bringen. Durch Rückblicke in die Vergangenheit erhält man sowohl zu Pirlos als auch zu Sophies Familienverhältnissen einiges an Informationen. Pirlo ist Libanese, heißt eigentlich Ramzes Khatib. Wie es zur Namensänderung kam und auch andere Umstände erfährt man zunächst noch nicht. Sie werden im nächsten Band ganz bestimmt aufgeklärt werden. Hier wurde das erst einmal so festgemacht. Wie konnte Pirlo die juristische Laufbahn einschlagen, Strafverteidiger werden mit einem kriminellen Familienclan-Hintergrund? Das ist sehr ungewöhnlich und bedarf Antworten.
Gemeinsam mit Sophie gelingt es Pirlo nach vielen Unanehmlichkeiten die extrem unsympathische Angeklagte Marlene von Späth frei zu bekommen.

Zum Cover:
Es paßt zum Inhalt - Ein adretter Mann im Anzug mit wahrscheinlich Prozeßakten in der rechten Hand hinter mehrfach gesprungener Glasscheibe.

Fazit:
Ein Krimi, der mich trotz vieler Klischees gut unterhalten hat. Unglaubliche Handlungen, vollzogen durch den Hauptdarsteller Pirlo, machen den Roman spannend. Am Ende des Buches bleiben für mich vorerst viele Fragen offen. Bis zu Band 2 im August 2022 vergeht noch viel Zeit. Hoffentlich werde ich mich dann noch erinnern!?

Ich vergebe vier von fünf Sternen und die Kauf- bzw. Leseempfehlung für alle Freunde von Anwaltkrimis!