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seschat
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Bewertungen

Insgesamt 938 Bewertungen
Bewertung vom 11.07.2016
Snyder, Carrie

Die Frau, die allen davonrannte


gut

Die Kanadierin Aganetha Smart ist 104 Jahre alt und blickt auf ein bewegtes sowie unkonventionelles Leben zurück.

1928 gewann die passionierte Läuferin bei den Olympischen Spielen in Amsterdam Goldmedaille über 800 Meter.

Seit ihrer Kindheit auf der elterlichen Farm liebt es Aganetha, genannt Aggie, zu rennen, obgleich es zur damaligen Zeit alles andere als schicklich galt. Doch ihr Wille und Mut ist stark, was auch an den weiblichen Vorreiterinnen im Laufumfeld liegen mag.

Aber ihr Leben verläuft nicht ausschließlich erfolgreich. Viele Familienmitglieder sieht sie sterben und ihr Geliebter Johnny schleicht sich heimlich und leise aus ihrem Leben, als es ernst wird.

Carrie Snyders 349 Seiten starker Roman ist eine Hommage an die Weiblichkeit und deren Wagemut. Da stört es kaum, dass es sich bei Aganetha um eine fiktive Gestalt handelt. Die Hauptprotagonistin und Ich-Erzählerin Aganetha strotzt den Kriegen der 20er Jahre und zieht ihr Ding durch, man kann sie dafür nur bewundern.

Snyders sprunghafte Erzählweise, die von häufigen Rückblicken in Aganethas Kindheit und Jugend geprägt ist, forderte den Leser mehr als einmal heraus. Hatte man sich gerade in eine Szene eingelesen, so kam es ohne Umschweife zum Wechsel. Zudem gerieten hierbei einige Beschreibungen etwas langatmig. Spannend hingegen war die Auflösung einer bestimmten Lebensentscheidung Aganethas kurz vor Schluss. Inhaltlich haben mehr die privaten Rückschläge als Aggies sportlicher Erfolg und damit die leicht depressive Grundstimmung überwogen. Daher war es nicht immer einfach, die Seiten flüssig in einem Rutsch zu lesen. Vielmehr musste man mehrfach innehalten.

FAZIT
So oft man es auch versucht, man kann dem Leben nicht davonrennen. Man sollte es daher, lieber mit Gleichschritt probieren. Alles in allem ein solides Stück Literatur über eine mutige Frau.

Bewertung vom 07.07.2016
Himmel, Jana

Verflixt und unsichtbar (eBook, ePUB)


sehr gut

Laura Sand ist ein Profi im Aufdecken von Ehebrecher- und Fremdgehfällen und mit einem besonderen Talent ausgestattet. Sie kann sich unsichtbar machen, muss dazu aber alle Hüllen fallen lassen.

In ihrem neuesten Fall soll die 24-jährige Privatdetektivin ein Wirtschaftsdelikt aufdecken. Schützenhilfe bekommt die Einzelkämpferin dabei vom Charmebolzen und Schnöselkollegen Erik. Eigentlich bietet dieser diffizile Fall schon genügend Aufregungspotenzial, doch Laura wäre nicht Laura, wenn sie nicht parallel noch einen zweiten Fall aufzuklären hätte. Der schmierige Lebenspartner von Lauras Freundin Stefanie wurde ermordet und Laura, die das Opfer heimlich beschattet hat, gilt als Hauptverdächtige...

Jana Himmels erster Fall für Laura Sand liest sich sehr flüssig und kurzweilig. Protagonistin Laura und deren Persönlichkeit wurden gut herausgearbeitet. Die Dessousfetischistin und Vollwaise ist eine sympathische Figur, die sich mit ihrem Kollegen Erik gern verbale Schlachten liefert. Doch hinter dem Anzugträger und geschniegelten Lackaffen Erik scheint mehr zu stecken, als sie anfangs vermutet hat.


Die übrigen Nebendarsteller wurden gut mit in die leichte Handlung eingebaut. Besonders die häufig wechselnden Handlungsorte und Rückblicke in Lauras Vergangenheit besaßen ein hohes Spannungspotenzial. Insgesamt war es vor allem Lauras temporäre Unsichtbarkeit, die den besondern Reiz der Story ausmachte.

Einzig Lauras zahlreicher Heulattacken hätte es m. E. nicht bedurft. Zudem fand ich es etwas schade, dass die Frau auf dem Buchcover nicht 100%ig mit der Laura, wie sie im Laufe der Handlung beschrieben wurde (falsche Haarfarbe), übereinstimmt. Auch das offene Ende samt Cliffhanger kam etwas plötzlich daher.

FAZIT
Ein leichter Chick-Lit-Krimi, der Lust auf die Folgebände macht.

Bewertung vom 17.06.2016
Muhr, Isabella

Veilchenzauber (eBook, ePUB)


weniger gut

INHALT
Die 30-jährige Münchnerin Linda kämpft wie ihre zwei besten Freundinnen Ella und Nadine um ihre Ehe. Nach der Geburt des ersten Kindes ist in den Beziehungen der frei Frauen irgendwie die Luft raus. Ellas bessere Hälfte betrügt sie und Lindas Mann Dennis ist ständig mies gelaunt und lebt nur noch für die Arbeit. Infolge bandelt die frustrierte Linda mit dem ausgeglichenen Nachbarn Mark an...

MEINUNG
Isabella Muhrs Geschichte ist nicht neu und wirkt an einigen Stellen ungemein klischeehaft und konstruiert bis hin zu unrealistisch.
Ich hatte mir im Vorhinein deutlich mehr vom Plot und den handelnden Personen, allen voran von Hauptcharakter Linda, versprochen. Ihr sprunghaftes sowie ihr wenig erwachsenes Verhalten hat sie für mich wenig greifbar gemacht. Zudem wurden oftmals Konfliktherde, wie z. B. mit ihrer Mutter, nur angerissen und nicht zu Ende gedacht. Wahrheiten auszusprechen, ist nicht Lindas Stärke gewesen. Ihre ständigen Schuldgefühle und ihre weinerliche Art machten die Lektüre nicht immer leicht. Obwohl sie innerhalb der Handlung oft als "lebhafter Wildfang" beschrieben wurde, kam diese Seite eher mäßig zum Tragen. Ihre männlichen Partner, Ehemann Dennis und Nachbar Mark, spielten nur eine Nebenrolle. Lindas Freundinnen, Ella und Nadine, mit ihren Eheproblemen fielen in Lindas stetiges Lamento mit ein und konnten die Geschichte nicht wirklich beleben, wenngleich sie deutlich andere Charakterzüge und Werte vertraten. Alles in allem, hätte ich die Geschichte mit Frauen um die 40 glaubhafter gefunden. Den noch jungen Protagonistinnen habe ich nicht alles abnehmen können.

Muhrs Sprachstil ist leicht und kurzweilig, so dass einer flüssigen Lektüre nichts im Wege stand. In Bezug auf die Auflösung des Titels "Veilchenzauber" war ich ehrlich gesagt etwas enttäuscht. Da hatte die romantisch verlangte Leserin in mir deutlich andere Vorstellungen, auch in Hinblick auf die gesamte Handlung.

FAZIT
Eine insgesamt sehr vorhersehbare und klischeebesetzte Geschichte, deren überschaubarer Inhalt gut und gerne auf weniger Seiten gepasst hätte.

Bewertung vom 11.06.2016
Harrower, Elizabeth

In gewissen Kreisen


schlecht

INHALT
Sydney, Anfang der 60er Jahre. Zoe Howard ist gerade 17 geworden, als ihr Bruder das elternlose Geschwisterpaar Anna und Stephen Quayle seiner gut situierten Familie vorstellt. Eine schicksalhafte Begegnung für beide Seiten. Denn ihre unterschiedlichen Lebenswege werden sich zukünftig immerfort kreuzen...

MEINUNG
Die Australierin Elizabeth Harrower hat diesen Roman bereits 1971 geschrieben, aber nie veröffentlicht. Nun, im Jahre 2016, hat sich der Aufbau Verlag an dieses Stück Literatur gewagt.

Leider hat mich die Geschichte - eine Art Psychogramm der verlorenen Generation nach 1945 - nicht überzeugen können. Warum?

Dem Plot fehlte der rote Faden. Vieles blieb unausgeprochen bzw. wurde nur marginal angerissen, so dass es nicht immer leicht war, Zusammenhänge herzustellen. Insgesamt machte das Buch auf mich einen unfertigen Eindruck.

Ebenso wirkten die handelnden Personen, allen voran die Erzählerin Zoe, erschreckend blass und emotionslos. Ihnen fehlte das Menschliche. Sie agierten wie leere Hüllen, robotergleich. Ob Geburt, Heirat oder Tod, nichts konnte sie tangieren. Erst gegen Ende der Geschichte wagten sie einen "kleinen" Ausbruch aus ihren festgefahrenen Lebensentwürfen/-modellen.Vielleicht lag ihre Passivität auch an der Zeit, in der sie groß wurden und lebten. Sicherlich spielte auch ihr betuchtes Umfeld eine Rolle.Doch ihre finanzielle Angesichertheit bewahrte Zoe nicht vor der Lebenskrise. Sie will und kann einfach ihren Platz im Leben nicht finden und rettet sich erst in Zynismus und später in Apathie. Alle vier Freunde bzw. Partner (Zoe, Russel, Anna und Stephen) führen auf ihre Art und Weise verkorkste Leben, was ich wenig erbauend fand.

Zitat, S. 100:
"Selbstbewusst, doch ohne Bewusstsein, unzufrieden, doch offensichtlich passiv in seiner Unzufriedenheit [...]."

Zitat, S. 171f.:
"Man kann von einem Ertrinkenden nicht erwarten, dass er einen anderen vor dem Ertrinken rettet."

Harrower verwirrt mit der stetig wechselnden Erzählzeit und -perspektive den Leser. Episoden bzw. wichtige Ereignisse werden oft nur angerissen oder faktisch dargeboten, ohne auf die Vorgeschichte einzugehen. Das Hauptaugenmerk liegt auf zwischenmenschlichen Dialogen, die manches nachwirkende Bonmot enthalten, mehr aber auch nicht.

FAZIT
Ein Roman, dessen Sinn sich mir leider nicht erschlossen hat, was auch an der wirren Erzählstruktur lag.

Bewertung vom 04.06.2016
Dieckens, Jelka

Elbsirenen: Morinos erster Fall (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

INHALT
Der streitsüchtige Hamburger Schlagersänger Harald Menke, genannt Harry, wurde ermordet, nur von wem? Seine Familie und sein Manager kommen gleichermaßen als Täter infrage. Der 34-jährige Kriminalkommissar Francesco Morino und seine Kollegin Bea Hinrichs haben alle Hände voll zu tun, zumal es neben dem Kriminalfall auch private Turbulenzen gibt...

MEINUNG
Mit "Elbsirenen" ist Jelka Dieckens ein solides und zugleich spannendes Krimi-Debüt gelungen, das sich mit der Schlagerwelt auseinandersetzt - ein bisher in Kriminalromanen wenig beachtetes Thema/Feld.

Die beiden Ermittler Morino und Hinrichs konnten überzeugen, wenngleich ich die weibliche Kommissarin sympathischer und fachlich versierter fand. Morino als Halbitaliener wird seiner klischeehaften Rolle als Frauenheld gerecht. Die damit einhergehenden vielfachen erotischen Szenen fand ich ehrlich gesagt etwas deplatziert und quantitativ zu viel. Dafür gibt's bereits das Genre Liebes-/Erotikroman.

Der Mordfall und die damit verbundene Ermittlungsarbeit wurden spannend erzählt und ließen den Leser ins hart umkämpfte Schlagerbusiness eintauchen. Thematisch fand ich das sehr interessant und viele Wahrheiten kamen ans Licht. Hamburg als Handlungsort kam mir etwas zu kurz, aber vielleicht ändert sich dies im zweiten Buch noch. Die temporeichen Ermittlungen und die Einblicke ins Privatleben von Morino & Co. hielten sich in etwa die Waage, was ich als durchaus angemessen für einen unterhaltsamen Krimi empfand. Auch die Brutalität der Gewalttaten hielt sich in Grenzen, was mir als Liebhaberin von "weichen" Krimis sehr entgegenkam. Am Ende des Krimis hätte ich gern noch weitergelesen, um auch die privaten Baustellen der Kommissare zu klären, aber ohne Cliffhanger wär's auch keine richtige Serie oder?

Sprachlich gab es nichts zu bemängeln. Dieckens hat eine flüssige und flotte Schreibe, die auf den Punkt kommt und sich nicht allzu sehr in Einzelheiten verliert.

Das dunkle Cover ist ein wahrer, obgleich düsterer Eyecatcher, der mich sofort neugierig gemacht hat. Auch der exotische Titel "Elbsirenen" erzeugte auf Anhieb Interesse.

FAZIT
Ein kurzweiliger Krimi, der bis zum Ende spannend bleibt und die Schlagerwelt in den Blick nimmt. Ich freue mich schon auf die Fortsetzung.

Bewertung vom 03.06.2016
Koch, Jessica

Dem Horizont so nah


ausgezeichnet

Jessica Kochs Buch "Dem Horizont so nah" beruht auf einer wahren Geschichte, nämlich ihrer eigenen. Schonungslos offen und ehrlich lässt sie den Leser in ihre Seele und damalige Beziehung mit dem HIV-positiven Halbamerikaner Danny schauen.

Kochs Liebesgeschichte berührt ab der ersten Zeile und wirkt in sich sehr stimmig. Kein Wort ist zu viel, eher zu wenig. Seite um Seite taucht man in eine sehr emotionale, aber intensiv gelebte Zeit im Leben der Autorin ein. Gegen ihre Eltern lebt Jessica (20) mit Danny (20) und dessen bester Freundin, einer ehemaligen Drogenabhängigen, zusammen. Danny lässt trotz seiner traumatischen Geschichte und seinem tödlichen Schicksal Jessica nie im Stich. Im Gegenteil, er zeigt ihr, was es bedeutet, mit allen Sinnen zu leben und den Moment zu genießen. Er sprüht förmlich vor positiver Lebensenergie und Liebe. Durch Ihn reift Jessica zu einer selbstbewussten und toleranten jungen Frau heran. Seine Erkrankung geht sie offen an, verheimlicht nicht, was eine Menge Mut erfordert. Jessica Kochs Buch ist auch eine Hommage an das vorurteilsfreie Leben und den bewussten Umgang mit HIV.

Mich hat dieses sehr persönliche Buch bis zum Ende nicht mehr losgelassen und zu Tränen gerührt. Vor allem bei Dannys Abschiedsbrief habe ich Rotz und Wasser geheult (s. Buchtitel). Das emotionale Auf und Ab von Jessica und Danny hat mich besonders mitgerissen. Schuld, Trauer und Liebe, eigentlich alle menschlichen Emotionen spielen eine Rolle, wodurch das Buch ausnahmslos jeden anspricht.

FAZIT
Ein berührendes Buch, das jeder einmal gelesen haben sollte. Danke Jessica Koch, dass du deine Geschichte mit uns Lesern geteilt hast! Deine Entscheidung war mutig und richtig.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 01.06.2016
Gentile, Lorenza

Teo


sehr gut

Was können elterliche Eheprobleme mit den Kindern anrichten?
Den 8-jährigen Teo nehmen die anhaltenden Streitereien zwischen Mutter und Vater sehr mit. Mehr noch, er gibt sich selbst die Schuld daran, obwohl dies natürlich nicht stimmt. Doch in seiner Welt herrschen andere Gesetze und vor allem der französische Feldherr Napoleon. Seit Teo zum Geburtstag einen Comic über Napoleon bekommen hat, ist der Korse sein größter Held und Ratgeber. Er, der angeblich nie eine Schlacht verloren habe, schaffte Ordnung, ist aber leider schon einige Jahre tot; oder lebt Napoleon in Penner Luigi weiter?

Autorin Lorenza Gentile hat mit "Teo" ein sehr berührendes Buch zum Thema Familie und Entfremdung geschrieben. Für den jungen Teo gibt es keinen größeren Wunsch, als dass sich seine Eltern bald wieder verstehen. Dementsprechend denkt er über seine eigenen Verhaltensweisen nach, war er immer ein guter Schüler und Sohn? Immer tiefer gerät er dabei in einen Strudel aus Schuld und Selbstvorwürfen, so dass er selbst einen Selbstmord nicht ausschließt, um dann unsichtbar geworden, mit Napoleon reden zu können. Seine kindliche Sicht auf die Dinge wirkt erschreckend authentisch und stimmt den erwachsenen Leser nachdenklich. Fantasie/Traum und Wirklichkeit scheinen beinahe zu verschmelzen. Schließlich möchte man ihn einfach nur schütteln bzw. in den Arm nehmen und vor dem Schlimmsten bewahren.