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Bellis-Perennis
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Wien

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Insgesamt 1090 Bewertungen
Bewertung vom 23.01.2023
Parker, Martina

Aufblattelt (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

„Die Caspari Hohenfelsen waren eine Patchworkfamilie. Aber eine, die schlecht gequiltet war und bei der an allen Ecken und Enden die Nähte aufzuplatzen schienen.“

Als der adelige Ferdinand Isabella, der Tochter des Dorftrunkenboldes, einen Heiratsantrag macht, gibt es jede Menge Gerede im Ort und die adelige Sippe ist not umused.
Isabella bekommt die gewünschte typisch burgenländische Hochzeit, bei der die Halbschwester des Bräutigams plötzlich tot zusammenbricht. Unfall oder Mord?

Diese Frage stellen sich nicht nur die Ermittler, sondern auch Journalistin Vera Horvath und ihre Gartenfreundinnen. Vera beginnt zu recherchieren und entdeckt, dass einiges bei der Familie von Hohenfelsen nur eine schlecht getünchte Fassade ist.

Als dann wenig später noch Ferdinands Halbbruder Fritzgoli durch einen Reitunfall zum Pflegefall wird, glaubt niemand mehr an einen Zufall.

Und dann, ja dann wird das Familienoberhaupt noch von einem Armbrustbolzen getroffen, der ausgerechnet dem Chef der umstrittenen Baufirma Pannonia-Bau gehört. Allerdings ergibt die Obduktion einen überraschenden Befund.

Meine Meinung:

Dieser Krimi ist der dritte von Martina Parker und natürlich im Südburgenland angesiedelt. Wieder mit dabei die bereits bekannten Gartenfreundinnen, zu denen nun auch Isabella, der Naturschutz sehr stark am Herzen liegt, sowie Tochter Letta, die nervtötende Hilda, Veras Mutter, und der Dunkel-Tom.

Auf die doch recht große Rolle, die Veras Mutter beim Umbau des Hauses spielt, hätte ich gerne verzichten können. Sie ist fast so übergriffig wie Fritzgoli, der Grapscher.

Es werden allerlei Spuren gelegt, die in Sackgassen führen. Trotzdem habe ich recht bald eine vielversprechende Idee gehabt, was das Motiv sein könnte. Und ja, dieses anfangs vage Idee hat sich bewahrheitet.

Martina Parkers Schreibstil ist unverwechselbar. Da darf der jüngst Spross von Fritzgoli, ein Baby im falschen Moment „Prost“ sagen, Isabellas Großmutter die Hohenfelsens rumänisch verfluchen und die Gartenfreundinnen im tiefsten südburgenländischen Dialekt ihre Weisheiten verbreiten. Keine Angst, die werden als Fußnot übersetzt.

Der Standesdünkel ist sehr gut dargestellt. Doch gibt es sie nicht nur bei den Adeligen, sondern auch Hilda kann damit aufwarten, aber hier heißt es Vorurteil.

Jedes Kapitel hat neben einer Überschrift noch Wissenswertes zum Thema Schädlinge oder Pflanzen vorangestellt.

Das Cover passt vorzüglich zu den beiden Vorgängern „Zuagroast“ und „Hamdraht“. Es ist möglich, jeden Krimi einzeln zu lesen, allerdings brächte man sich um amüsante Lesestunden. Der 4. Band mit dem Titel "Ausgstochen" erscheint im Herbst 2023

Fazit:

Diesem unterhaltsamen Gartenkrimi gebe ich gerne 5 Sterne.

Bewertung vom 23.01.2023
Langmann, Nico

Wie man einen Traum aufgibt, um ein Leben zu gewinnen


ausgezeichnet

Nico Langmann hat bei einem Autounfall als Zweijähriger eine Wirbelsäulenverletzung davon getragen, die zu einer Querschnittslähmung führt.

Die Eltern wollen es nicht wahrhaben, dass Nico nie mehr gehen wird können und schleppen das Kind von einer Behandlung zur anderen. Dabei klammern sie sich an jede noch so abstruse Methode. Da die gegnerische Versicherung für alle Kosten aufkommen muss, werden alle Möglichkeiten genutzt. Die Mutter fliegt mit Nico nach Brasilien, Moskau und Thailand. Ein Rollstuhl ist für die Mutter keine Option, denn deren Credo lautet „Nico wird bald wieder gehen“. Erst im Kindergartenalter besteht Nico auf einen Rolli, weil er entdeckt hat, dass ihm der eine gewisse Freiheit schenkt.

Anders als seine Mutter weiß Nico recht bald, dass das mit dem Gehen nichts mehr werden wird. Nico hat einen - wenn man das so nennen will- Vorteil: Er kennt nichts anderes, er kennt sich nur gelähmt.

Meine Meinung:

Ich habe vor ein paar Tagen ein Interview mit Nico Langmann gesehen, das anlässlich des Erscheinens seines Buches ausgestrahlt worden ist. Dabei hat er humorvoll erzählt, wie er die angespannte Erwartungshaltung der Eltern erfüllen will und angibt, seine Beine zu spüren.

Die Jahre, in denen Nico von einem Therapeuten zum anderen geschleppt worden ist, grenzt an Kindesmisshandlung, zumal sich einige der Therapeuten als Scharlatane und Quacksalber herausstellen.

Nico muss den Traum seiner Mutter leben. Erst mit der Aufgabe dieses Traumes, gewinnt Nico Langmann sein eigenes Leben.

Spannend erzählt Nico Langmann seinen Weg zum Rollstuhltennis, seine Siege und Niederlagen. Interessant auch das Kapitel Sex, das vermutlich bei vielen Menschen Fragen aufwirft, die sie nie zu stellen wagen. Darüber spricht Nico Langmann in einer Schule vor unsicheren, pubertierenden Schülern.

Nico Langmann erzählt auch von seinem Zusammentreffen mit Franz-Joseph Huanigg, dem Behindertensprecher der ÖVP, der einige Jahre im Nationalrat war und unter Sebastian Kurz nicht mehr aufgestellt worden ist. Das Angebot, statt Huanigg in die Regierung Kurz zu gehen, lehnt Nico Langmann ab. Er hat das ungute Gefühl, als Alibi missbraucht zu werden.

Fazit:

Eine gelungene Autobiografie, der ich gerne 5 Sterne und eine Leseempfehlung gebe.

Bewertung vom 21.01.2023
Graeber, David

Piraten (eBook, ePUB)


gut

Der bekannte Autor, Ethnologe und Anarchist David Graeber (1961-2020) hat sich mit diesem Buch auf die Spuren „echter“ Piraten, abseits des Hollywood-Klischees à la Erol Flynn oder der Meuterei auf der Bounty, geheftet. Dazu bediente er sich der Ergebnisse der ethnologischen Studien auf Madagaskar, die er unter Marshall Sahlins (1930-2021) durchgeführt und 1996 darüber promoviert hatte.

Graeber untersuchte das Piratenleben des 17. und 18. Jahrhunderts auf Madagaskar, fand Anhaltspunkte über Siedlungen und Unwesen der Freibeuter auf der Insel. Dabei stützte er sich auf die wenigen historisch belegten Texte.

Die Insel, die rund 400 km östlich von Moçambique im Indischen Ozean liegt, ist strategisch günstig gelegen und von dort aus Raubzüge auf Indienfahrer zu machen und gleichzeitig als Versteck zu dienen. Doch Madagaskar war keineswegs eine unbewohnte Insel.

Wie wurden die Freibeuter auf Madagaskar aufgenommen? Freundlich oder doch als Eindringlinge? Haben sich die Piraten mit den Madegassen vermischt? Warum gibt es kaum archäologische Funde als Beweis für die längere Anwesenheit der Piraten?

Sind Piratenschiffe wirklich ein Hort der Demokratie, in dem der Kapitän regelmäßig gewählt wird? Gab es wirklich einen Piratenstaat? Ist „Libertalia“ Fakt oder Fiktion oder Wunschdenken, der vom Adel unterdrückten und geprägten Gesellschaft in Europa?

Meine Meinung:

Dass Autor David Graeber sich des Piratentums annahm, passt gut zu seiner anarchistischen Biografie, denn er hatte eine führende Rolle bei der „Occupy“-Bewegung inne.

David Graeber versucht, aus den wenigen gesicherten Fakten Antworten auf die Fragen zu geben. Das gelingt manchmal besser und manchmal nicht ganz so gut.
Er wirft mehr neue Fragen auf, als er beantwortet.

Demokratie auf einem Segler, auf dem der Kapitän nach Belieben abgewählt werden kann? Klingt nicht ganz glaubwürdig. Nicht jeder Kapitän ist ein Leuteschinder. Gerade auf den Schiffen des 17. und 18. Jahrhunderts muss es eine klare Aufgabenverteilung und strenge, fast militärische anmutende Hierarchie geben, um die äußeren Bedingungen zu beherrschen. Bei einem Sturm zu diskutieren und abzustimmen WER in die Wanten klettern muss oder ob man die Rumrationen gleich ausgibt, kann ich mir nicht vorstellen. Auch die Navigation (ohne technische Hilfsmittel wie GPS oder Echolot) stellt eine, für den einfachen Matrosen ohne entsprechende Ausbildung, vor eine nahezu unlösbare Aufgabe dar.

Das Buch ist recht gut lesbar und mit ausführlichen Zitaten aus den wenigen historischen Quellen unterlegt, die in ein umfangreiches Quellenverzeichnis dargestellt sind. Zur leichteren Einordnung in das Weltgeschehen ist ein Zeitstrahl mit damaligen Geschehnissen in Europa und Madagaskar angeführt. Eine Liste weiterführender Literatur rundet den Text ab.

Fazit:

Ein interessantes Buch, das das Piratenleben in einem anderen Licht erscheinen lässt. Mich hat das Buch nicht ganz überzeugt, da es mehr Fragen aufwirft als es beantwortet, daher gibt es von mir 3 Sterne.

Bewertung vom 20.01.2023
Kasperski, Gabriela

Zürcher Verstrickungen (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Dieser achte Fall für Zita Synder & Werner Meyer beschäftigt sich mit einem ungewöhnlichen wie unrühmlichen Kapitel der Schweizer Geschichte: Kolonialismus und Sklaven. Echt? In der Schweiz, wird so mancher fragen. Die Eidgenossen haben doch nie Kolonien besessen, die haben ja keinen Zugang zum Meer.

Doch von Anfang an:

Nelly Gomez, eine junge Frau glaubt auf einem alten Foto ihre seit Jahren verschwundene Mutter zu erkennen, und bittet die „Agentur für besondere Affären“ von Eli Apfelbaum, für die Snyder und Meyer arbeiten, um Hilfe.

Nellys Familie stammt von St. Croix von den Westindischen Inseln und ihre Mutter Bernardine ist vor zwanzig Jahren von einer Reise von Dänemark mit einem Zwischenstopp on Zürich nicht mehr auf die Insel zurückgekommen.

Snyder und Meyer beginnen zu recherchieren und treffen auf eine Filmemacherin, die eine umstrittene Dokumentation über die kolonialistische Vergangenheit der Stadt Zürich gedreht hat. Die Empörung in der Stadt ist groß, zumal auch die Familie der Regisseurin in die Ausbeutung von versklavten Menschen verstrickt ist.

Als dann noch herauskommt, dass die Polizei seinerzeit bei dem Vermisstenfall geschlampt hat, nimmt sich Beanie Barras, Nachfolgerin von Werner Meyer bei der Polizei und selbst eine PoC (Person of Color) des Cold Case an.

Meine Meinung:

Auch mein erster Gedanke war, wieso die Schweiz in Kolonialismus verstrickt sein könnte. Aber, die Antwort liegt auf der Hand: GELD. Schweizer Investoren haben ihr Vermögen in Zuckerrohr- oder Kakaoplantagen, die vorrangig durch Sklavenarbeit am Laufen gehalten wurden, gesteckt. Dass auch unter dem Deckmäntelchen von ethnografischen Studien menschliche Skelette sowie Kunstschätze nach Europa verschifft worden sind, zeigen die diversen Museen deutlich. Die Diskussion über Rückgabe dieser Artefakte ist in den letzten Jahren laut geworden.

Dieser mitreißende Krimi hat mir sehr gut gefallen. Es ist notwendig, auch hinter die Fassaden zu schauen, vor allem dann, wenn sich wie hier, Abgründe einer Familie auftun, denn die Familiengeschichte derer von Hofmann birgt zahlreiche Geheimnisse, die man lieber nicht aufgedeckt hätte.

Fazit:

Ein gelungener Krimi, der am Saubermann-Image der Schweiz ein wenig kratzt. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

Bewertung vom 19.01.2023
Beardsley, Heike; Vögl, Ulrike

Keltenherz (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Die Keltensiedlung auf dem Donnersberg erlebt unter der Führung von Häuptling Drystan sowie der Umsicht seiner Frau Rowan einen Aufschwung, der auch durch den Handel mit römischen Händlern wie Caius, dem Weingutbesitzer, begründet ist. Einigen Dorfbewohnern ist diese Zusammenarbeit allerdings ein Dorn im Auge. Sie wollen die Römer lieber wieder vertreiben. Genauso wie wird Caius angefeindet, weil er eben mit den Kelten Handel treibt.

»Schämen solltest du dich! Kein echter Römer lässt sich mit Barbaren ein!«

Nach wie vor überschattet der Verlust von Halvor, des erstgeborenen Sohnes die Familie, der als Baby verschwunden ist. Weder Drystan noch Rowan können sich mit diesem Schicksalsschlag abfinden. Die Bedrohung durch römische Truppen trägt auch nicht unbedingt zu einem friedlichen Leben auf dem Donnersberg bei.

Doch es gibt auch Anzeichen der Völkerverständigung: Thorin, der Zweitgeborene und designierte Nachfolger hat sich in Livia, die Tochter des römischen Weingutbesitzers Caius verliebt. Doch die Freundschaft zwischen Drystan und Caius wird auf eine harte Probe gestellt, nach dem drei römische Soldaten der keltischen Muttergöttin geopfert werden sollen.

Noch weiß niemand, dass einer der drei Gefangenen, die aktuelle Ordnung gehörig auf den Kopf stellen wird.

Meine Meinung:

Wie schon in den beiden Vorgängern („Keltensonne“ und „Keltenschwur“) haben die Autorinnen Heike Beardsley und Ulrike Vögl penibel recherchiert und die Geschichte von Rowan und Drystan sowie von Caius und Aurelia opulent erzählt.

Da es ja keine schriftlichen Zeugnisse der Kelten gibt, sondern nur Berichte der Römer und einige Artefakte, kann sich die Fantasie der Autorinnen sehr gut entfalten.
Diese Trilogie ist in Rheinland-Pfalz, beim Donnersberg angesiedelt. Hier hat man Überreste einer Kreisgrabenanlage gefunden, die auf ein größeres keltisches Oppidum hinweisen. Warum es letztendlich verlassen worden ist, konnte von der Wissenschaft bis jetzt nicht schlüssig beantwortet werden. Die Möglichkeit, die hier in diesem historischen Roman dazu angeboten wird, ist schlüssig.
Darauf weisen die Autorinnen in ihrem Nachwort hin. Für alle jene, die mit Latein nicht viel am Hut haben, werden die wichtigsten lateinischen Begriffe in einem Glossar dargestellt.

Die Geschichte hat mir gut gefallen. Sie zeigt, dass es nicht immer leicht ist, Anführer zu sein. Dass es kein umfassendes Happy Ende geben kann, legen die Autorinnen im Nachwort dar.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem fesselnden Finale der Donnersberg-Trilogie 5 Sterne.

Bewertung vom 19.01.2023
Maly, Beate

Die Kinder von Schönbrunn / Schönbrunn-Saga Bd.2


ausgezeichnet

In diesem zweiten Band rund um Emma und Greta, die beiden Töchter des verstorbenen Tierarztes von Schönbrunn steht nun im Jahr 1922 die jüngere Schwester Greta im Mittelpunkt.

Während Emma die väterliche Tierarztpraxis gemeinsam mit Ehemann Julius weiterführt, trauert Greta nach wie vor um ihren Mann Gustav, der nach wie vor als vermisst gilt. Die Chancen, ihn wiederzusehen, schwinden von Jahr zu Jahr. Noch kann sie sich nicht mit seinem Tod abfinden, doch muss sie sich um ihre Tochter Gisela kümmern. Die aufgeweckte Kleine wickelt so ziemlich jeden um den Finger. Ganz anders Emil, Fritz und Ferdl, drei Jungs, die im benachbarten Schloss Schönbrunn, das nun als Kinderheim genützt wird, untergebracht sind.
Durch puren Zufall beginnt Greta just in diesem Kinderheim eine Ausbildung als Erzieherin und findet nicht nur einen Zugang zu den verstörten Kinderherzen, sondern schöpft auch neue Hoffnung für die Zukunft.

Meine Meinung:

Beate Maly, die selbst als Frühförderin einen pädagogischen Hintergrund hat, hat uns diesmal in das Wien von 1922 entführt. Die Nachwirkungen des Krieges wie Armut, Hunger, Wohnungs- und Hoffnungslosigkeit sind deutlich spürbar. Doch es gibt auch schon die ersten Anzeichen von Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Es ist die Zeit der Reformpädagogik und des „Roten Wiens“. Die sozialistische (heute sozialdemokratisch) Partei stellt den Bürgermeister und setzt auf neue Ideen. Es ist die große Zeit des kommunalen Wohnbaus, der Errichtung von Kindergärten, von Arbeiterbibliotheken und die Zeit der Kinderheime.

Im Schloss Schönbrunn, das nach dem Sturz der Habsburger in den Besitz der jungen Republik gelangt ist, ist nicht nur ein Kinderheim, sondern auch eine Schule der Kinderfreunde, dem Verein der Arbeiter sowie eine Bildungsanstalt für Erzieherinnen, untergebracht. Genau in dieser Bildungsanstalt macht Greta nun ihre Ausbildung.

Wir Leser spüren den krassen Gegensatz von imperialem Glanz mit Gold, Stuck und Seidentapeten zu nüchternen, kahlen Schlafräumen, deren Einrichtung, die gebrauchten Stahlrohrbetten an eine Kaserne erinnern. Hier sind neben Kriegswaisen auch jene Kinder untergebracht, die den Eltern wegen mangelnder Fürsorge abgenommen worden sind. Nicht alle Erzieher haben ein Herz für diese oft traumatisierten Kinder. Einige dieser Frauen sind eher Gefängnisaufseherinnen als Erzieherinnen. Das muss auch Emil, der mehrere Tage neben seiner toten Mutter ausgeharrt hat, erleben. Auch Ferdl, der sich nach seinem Idol, dem Fußballer Pepi Uridil, ebenso „Tank“ nennen lässt, ist traumatisiert. Er kennt als Ausdruck nur Gewalt und schwebt in Gefahr, beim nächsten Vergehen gegen die strenge Hausordnung, in eine Besserungsanstalt abgeschoben zu werden.

Die Charaktere sind wieder gut gelungen. Wie häufig, geben die garstigen Personen mehr her. Greta bekommt den Neid einiger Kolleginnen deutlich zu spüren. Sie stammt ja aus bürgerlichen Verhältnissen, verfügt über eine eigene Wohnung und trägt selbst genähte Kleidung. Damit sitzt sie zwischen allen Stühlen: Zu reich für die Sozialisten und zu arm für die Schwiegereltern ihrer Schwester, die nach wie vor einen Gutshof in der Steiermark bewirtschaften. Es ist zu befürchten, dass die eine der beiden missgünstigen Erzieherinnen, in einem eventuellen dritten Band noch eine Rolle spielen könnten.

Beate Malys Schreibstil ist flüssig und gut zu lesen. Im Nachwort hat sie auf die historischen Ereignisse Bezug genommen.

Fazit:

Eine gelungene Fortsetzung, der ich gerne 5 Sterne gebe.

Bewertung vom 18.01.2023
Albinus, Iben

Damaskus


ausgezeichnet

Sigrid Melin verlässt nach einem Eklat eine NGO, die sich für Menschenrecht einsetzt, und nimmt das Angebot einer norwegischen Telekomfirma an, sich in Syrien für Demokratie und Frieden, deren Pflänzchen im Arabischen Frühling gehegt werden müssen, zu engagieren.

Sie lässt ihre Familie zurück und reist nach Damaskus, um sich mit ihrer ehemaligen Studienkollegin Reem zu treffen, die in Syrien eine anerkannte Sicherheitsfirma betreibt.

Was niemand außer dem Ehemann weiß, Sigrid leidet nach einem tragischen Ereignis in Kopenhagen an einer PTBS, die sie häufig in emotionalen Stress abgleiten und ausrasten lässt. Sigrid glaubt, mit dieser Reise ihr damaliges Versagen kompensieren zu können.

Schon bald gerät Sigrid zwischen alle Mühlsteine der Politik und niemand ist vor der Willkür des Diktators Baschar al-Assad sicher, der auch davor nicht zurückschreckt, langjährige Weggefährten aus dem Weg zu räumen. Selbst Reem und ihre Familie sind betroffen. Es beginnt ein Katz-und-Maus-Spiel, dessen Ausgang niemand vorhersehen kann.

Meine Meinung:

Die dänische Autorin Iben Albinus zeichnet in ihrem Debüt eine authentische Situation des Lebens in Syrien von 2011. Noch weiß niemand, wie sich die explosive Lage entwickeln wird. Mit dem Wissen von heute, 12 Jahre später, liest sich dieser Thriller gleich noch einmal fesselnder.

Für Zartbesaitete ist dieses Buch wohl eher nichts, denn es wird entführt, gefoltert, Autobomben explodieren, Familien auseinandergerissen und zerstört. Die Gewalt nimmt niemandem, der sich gegen das Regime stellt, aus. Das müssen auch ehemalige Weggefährten des Diktators feststellen.

Ein interessanter Aspekt ist die (unbewusste?) Mithilfe von europäischen Firmen an den Gräueln der Regierung. Sendemasten für die Handynutzung aufzustellen kann etwas Positives sein, sich aber wie man hier lesen wird, sich schnell als Terrorinstrument für ein Unrechtsregime benutzt werden.

Auch wenn dieser Thriller eine fiktive Geschichte ist, so sind historische Ereignisse geschickt eingeflochten und ergeben ein authentisches Gesambild.

Fazit:

Ein Thriller, der es in sich hat. Gerne gebe ich diesem Debüt 5 Sterne.

Bewertung vom 17.01.2023
Tsokos, Michael

Zerteilt / Fred Abel Bd.5


ausgezeichnet

Dieses wohl letzte Buch dieser Reihe rund um den Gerichtsmediziner Dr. Fred Abel ist mein erstes aus der Serie. Warum eigentlich? Keine Ahnung.

Jedenfalls ist der Krimi äußerst spannend. Autor Michael Tsokos ist ein Meister seines Faches und lässt uns am brutalen Alltag der Gerichtsmediziner teilhaben. Interessant, dass es Querverweise zu echten Kriminalfällen wie den Einbruch ins Grüne Gewölbe von Dresden und dessen Drahtziehern gibt.

Für die eine oder andere Schilderung der Auffindungssituation einer Leiche braucht es einen guten Magen - nicht nur für die Polizisten und Gerichtsmediziner, sondern auch für so manchen Leser.

Ich kann gut verstehen, dass Dr. Fred Abel, der nun Vater wird, seinen Job an den Nagel hängt.

Fazit:

Diesem spannenden Krimi gebe ich leichten Herzens 5 Sterne. Ich werde mir die vier Vorgänger auch noch besorgen.

Bewertung vom 17.01.2023
Schneider, Anna

Grenzfall - In der Stille des Waldes / Jahn und Krammer ermitteln Bd.3 (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Nach Band 1 „Der Tod in ihren Augen“ und Band 2 „Ihr Schrei in der Nacht“ dürfen wir nun den dritten (Grenz)Fall lesen.

Die deutsche Oberkommissarin Alexa Jahn ist nach der Schussverletzung aus dem letzten Fall noch rekonvaleszent und soll sich erholen sowie über ihre Zukunft als Polizistin nachdenken. Als dann ihr ehemaliger Kollege auftaucht und die Vermutung im Raum steht einen falschen Täter verhaftet zu haben, begeben sich die beiden auf erneute Spurensuche.

Parallel dazu bekommt es Chefinspektor Bernhard Krammer aus Innsbruck mit einem merkwürdigen Kriminalfall zu tun: Bei Bauarbeiten werden zwei Dachspräparate entdeckt in deren Bauch Babykleidung. Doch das dazugehörige Baby ist nicht zu finden. Die Spuren führen zu einem Vermisstenfall: Peter Fichtner, ein Tierpräparator, und sein Sohn sind von einer Bergwanderung nicht zurückgekommen.

Meine Meinung:

Der dritte Band der SPIEGEL-Bestseller-Serie schließt zeitlich direkt an den Vorgänger an.

Obwohl (oder vielleicht gerade deshalb?) Alexa Jahn und Bernhard Krammer diesmal nicht gemeinsam ermitteln ist dieser Krimi extra spannend.

Wir begeben uns in ein schier undurchdringliches Dickicht aus Schuld und Sühne, Liebe und Verrat.

Neben den beiden Handlungssträngen, die fesselnd und aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt, gibt es noch Einschübe, die anfangs nicht genau einzuordnen sind.

Der Cliffhanger am Ende rund um das Verschwinden von Krammers ungarischstämmige Kollegin Roza Szabo, sorgt dafür, gespannt auf den nächsten Teil „In den Tiefen der Schuld“ (ET Frühjahr 2024) zu warten.

Man kann die einzelnen Krimis unabhängig voneinander lesen. Ich empfehle jedoch, mit Band eins zu beginnen, um die Verbindung zwischen Alexa Jahn und Bernhard Krammer kennenzulernen.

Fazit:

Eine spannende Fortsetzung, die durch authentische Ermittlungen, eine gelungene Hintergrundkulisse und sympathische Charaktere überzeugt. Gerne gebe ich hier 5 Sterne und eine Leseempfehlung.

Bewertung vom 16.01.2023
Conte, Steven

Das Gedächtnis des Winters (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Schauplatz dieses Romans ist die Jasnaja Poljana, das ehemalige Landgut von Leo Tolstoi im Herbst 1941.

Die deutsche Wehrmacht requiriert den Gutshof, in dem das Tolstoi-Museum untergebracht ist, mit samt Nebengebäuden, um hier ein Behelfslazarett einzurichten. Dafür sollen im Garten ein Friedhof angelegt werden und das Grab von Tolstoi entfernt werden.

Es wird am laufenden Band operiert. Der Nachschub an verwundeten Soldaten nimmt kein Ende, die Ärzte sind am Limit. Noch dazu sind nicht alle gleich gut. Da ist Oberstleutnant und Arzt Metz, der sich eine unerprobte Droge spritzen lässt oder Chirurg Paul Bauer. Der zweifelt an der deutschen Propaganda und ist desillusioniert. Paul Bauer trifft auf Katharina Trubetzkaja, die Kuratorin des Museums, die den Deutschen natürlich keinerlei Zugeständnisse machen will. Doch das gemeinsame Interesse für Leo Tolstoi lässt die beiden miteinander sprechen, zumal die Trubetzkaja, als Tochter einer großbürgerlichen Familie mit Gouvernante, deutsch spricht.

Nach rund 6 Wochen treten die Soldaten mit ihren Verwundeten den Rückzug an. Die meisten werden, wie die Trubetzkaja prophezeit hat, ihre Heimat niemals wiedersehen. Dem russischen Winter und der Entschlossenheit der Verteidiger ist die schlecht ausgerüstete deutsche Wehrmacht nicht gewachsen.

Meine Meinung:

Autor Steven Colin hat mit diesem historischen Roman einen etwas anderen Blick als die üblichen Romane rund um den Russlandfeldzug.

Die Charaktere sind sehr gut herausgearbeitet. Der Autor zeigt Zweifler am Regime, die jedoch dies nicht öffentlich aussprechen dürfen. Daneben gibt es reichlich skurrile Figuren wie den Oberstleutnant Metz, der sich vom Geist des Dichters Leo Tolstoi verfolgt fühlt.

Der historische Roman ist penibel recherchiert. Geschickt sind Fakten und Fiktion gemischt. Anleihen und Anregungen nimmt der Autor neben Tolstois „Krieg und Frieden“, aus dem auch zitiert wird, sind die Aufzeichnungen von Eve Curie („Eine Frau an der Front“, 1946), die die Jasnaja Poljana wenige Monate nach dem Abzug der Deutschen besucht hat.

Fazit:

Ein penibel recherchierter historischer Roman, dem ich gerne 5 Sterne gebe.