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Xirxe
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Hannover
Buchflüsterer: 

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Insgesamt 872 Bewertungen
Bewertung vom 26.06.2010
Nesbø, Jo

Der Fledermausmann / Harry Hole Bd.1


sehr gut

Harry Hole, Hauptfigur einer Krimireihe von Jo Nesbø, untersucht in diesem ersten Fall den Mord an einer jungen Norwegerin in Australien. Dort ist Hole Andrew zugeordnet, einem Aboriginie-Kollegen, mit dem ihm bald ein freundschaftliches Verhältnis verbindet. Was zu Beginn wie ein Routineverbrechen aussieht, scheint sich jedoch zusehends als das Werk eines Serienmörders und -vergewaltigers zu entpuppen. Und Andrews Verhalten wird immer merkwürdiger...
Die neue Hauptfigur ist bemerkenswert untypisch für einen ,Kriminaler'. Zwar auch geplagt von schweren Problemen in der Vergangenheit (wie viele seiner nordischen Kollegen), verliert Hole sich dennoch nicht in Depressionen und tiefer Schwermut. Lieber versäuft er seinen Verstand :-)
Ebenfalls untypisch sind die ausgesprochen langen Exkurse zu Themen wie Geschichte der Aboriginies, deren Mythen und Sagen, der Vergangenheit der Ermittler usw. So werden einem nicht nur die handelnden Personen des Buches sehr nahe gebracht, sondern man erfährt zusätzlich viel Neues und Unbekanntes über das Land und dessen Vergangenheit (zumindest mir ging das so).
Die Story selbst ist verzwickt und mit viel psychologischer Raffinesse aufgebaut, die Spannung bleibt wirklich bis zur letzten Seite erhalten (Wäre am Schluß des Buches keine Leseprobe einer späteren Folge enthalten, wüsste man nicht ob Hole nun die Reißleine seines Fallschirms zieht oder nicht...).
Ein spannender und interessanter Erstling einer Krimireihe, die Lust auf mehr macht.

1 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 20.06.2010
Carrisi, Donato

Der Todesflüsterer


schlecht

Heftiger Beginn: Im Wald werden sechs Arme gefunden, die offensichtlich kurz zuvor verschwundenen 9-13jährigen Mädchen gehören. Zu Hauptkommissar Roches Team, das mit dem Fall betraut wurde, stößt noch der Profiler Goran Gavila dazu und ihnen ist schnell klar, dass es sich hier um einen Serientäter handelt. Im zweiten Kapitel lernen wir Mila Vasquez kennen, eine junge Polizistin, die der Spur eines verschwundenen Jungen folgt. Verdächtig ist ein Musiklehrer und als sie in sein Haus eindringt, kann sie den kleinen Pablo tatsächlich befreien. Ungläubig entdeckt sie eine weitere Person, eine junge Frau die als kleines Mädchen verschwand und seitdem nicht mehr gesehen wurde.
Kein schlechter Plot für einen Thriller: Arme von verschwundenen Kindern werden gefunden, Kinder werden direkt aus ihrer Familie gekidnappt - hört sich vielversprechend an. Leider lässt die Logik und insbesondere die Sprache ziemlich zu wünschen übrig.
Erst mal die Logik: 'Hier wohnte der junge Musiklehrer' (Seite 17), der auf Seite 16 als 'dicken, käsig aussehenden Mannes um die vierzig' beschrieben wird. Wie jung definiert wird, mag ja Ansichtssache sein, aber trotzdem... Auf Seite 19 wird geschildert, wie sich Mila dem Haus nähert 'zu dem Palisadenzaun rannte, der das frei stehende Haus nur nach hinten begrenzte.' Laut Seite 16 beobachtet sie das Haus von der gegenüberliegenden Strassenseite, was bedeuten würde, dass der Hintereingang sich der Strasse zugewandt befinden müsste. Denn der Zaun begrenzt das Haus ja nur nach hinten. Man versuche sich dies mal konkret vorzustellen - es macht einfach keinen Sinn. Ein dritter Punkt wäre das Verhalten der jungen Frau: Nach jahrelanger Gefangenschaft reicht ein einziges Wort von Mila, dass sie ihr eigenes Selbst wieder wahrnimmt und ihr vertrauensvoll folgt. UAH!!
Die Sprache ist auch sehr gewöhnungsbedürftig, wobei unklar ist, ob es an der Übersetzung liegt oder tatsächlich dem Original entspricht. Auf Seite 17 'Fundstücke, an denen Mila auf der Suche nach einer Fährte geschnuppert hatte'. Ja ist sie denn ein Hund? Oder auf Seite 14 die 'Rede' des Profilers: Ob der Autor tatsächlich glaubt, dass ein Profiler solch ein Geschwafel von sich gibt? Immer wieder wirkt die Sprache zudem, als ob sie einem Horror-Dämonen-Roman entstamme: Seite 8 'Der große Nachtfalter flog ihn durch die Dunkelheit.', Seite 17 'von einem widerlichen Schatten verschluckt worden', Seite 18 'in dem widerliche Schatten sich ausbreiteten und alles Leben verfaulen ließen.', Seite 21 'in seinen Augen den Vorhof der Hölle zu erblicken.'. Dies ist nur eine Auswahl, aber ich denke es reicht :-)
Schade, denn der Fall ist durchaus spannend und packend. Aber so macht es keinen Spass, ihn zu lesen. Ich höre hier lieber auf...

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 19.06.2010
Amado, Jorge

Bola und der Torhüter


sehr gut

In Brasilien ist der Fußball weiblich - Bola heißt es übersetzt. Hier im Buch ist ihr Name Fura-Redes, die Netzbrecherin. Leichtfüßig ist sie, unbeschwert und frech, gefürchtet von den Verteidigern, geliebt von allen Angriffsspielern. Aber sie ist auch gerecht, sie bevorzugt keine Mannschaft. Doch eines Tages verliebt sie sich, ausgerechnet in einen Torhüter. Den man Blümchensucher, fauler Handschuh oder Zitterarm nennt - na, ihr könnt euch schon vorstellen warum :-) Doch von einem Tag auf den andern fliegt ihm Fura-Redes in die Arme, bei jedem Spiel und immer wieder und plötzlich ist er der beste Torwart von allen. Ob das gutgeht???
Eine wunderschöne, verrückte aber auch poetische Fußballgeschichte aus Brasilien, der die Liebe und Leidenschaft der Brasilianer zu diesem Spiel mal ganz anders darstellt.

Bewertung vom 19.06.2010
Reiche, Dietlof

Freddy, Ein Hamster greift ein


sehr gut

Freddy, der lesende und schreibende Hamster, hört durch Interanimal (eine Art tierische Telepathie) einen durchdringenden Hilfeschrei: 'Hilfe! Der Hamstermörder!'. Sofort mobilisiert er seine tierischen und menschlichen Mitbewohner (Sir William, ein schwarzer Kater, Enrico & Caruso, zwei Komiker-Meerschweine und Master John, der Versorger), um die Artgenossen zu retten. Zusammen mit Lisa, der Freundin von Master John und den Kornwölfen, einer Gruppe von Naturschützern, versuchen sie zu verhindern, dass eine Kolonie von Feldhamstern dem Bau einer Autofabrik zum Opfer fällt.
Wer schon immer mal wissen wollte wie Hamster Gottesdienste feiern, zwei Meerschweine Planierraupe und Fahrer spielen und adlige Haustiere miteinander kommunizieren, ist mit diesem Buch bestens bedient. (Unter uns: So groß sind die Unterschiede gar nicht zwischen Tier und Mensch :-))
Ein richtig schönes, witziges und auch spannendes Kinderbuch, denn: Edel sei der Hamster, hilfreich und gut. Doch muss er beissen - dann bis auf's Blut. Auch für Erwachsene geeignet :-)

Bewertung vom 19.06.2010
Traxler, Hans; Singer, Nelly

Finster war's, der Mond schien helle


sehr gut

Wer kennt es nicht, das Kindergedicht 'Finster war's, der Mond schien helle, als ein Wagen blitzeschnelle....'. Viele können es vermutlich sogar noch komplett auswendig :-) Hans Traxler und Nelly Singer haben es nun in eine etwas modernere (?) Version gebracht, wobei ich den ursprünglichen Text als herrlich zeitlos empfinde. Zugegebenermaßen aber ist dieser wohl doch etwas schwierig im Bild festzuhalten ('als ein Wagen blitzeschnelle langsam um die Ecke fuhr' oder 'Drinnen saßen stehend Leute').
Nun sind es keine direkten Gegensätze mehr, die den Witz des Gedichtes ausmachen, sondern schlicht herrlicher Unsinn, der neben den Versen mit wirklich witzigen und ideenreichen Bildern dargestellt wird. Ob wohl die Bilder zuerst da waren und dann die Verse? (Wäre meine Vermutung)
Mein persönlicher Favorit: Zwei Haie mit grünem Jägerhütchen, singend und musizierend vor einer Almhütte - einfach schön!

Bewertung vom 18.06.2010
Meyer, Philipp

Rost


ausgezeichnet

Keine zwei Wochen umfasst der Zeitrahmen dieses Buches - doch es reicht um das Leben aller Beteiligten grundlegend zu ändern.
Ein trostloser, heruntergekommener Flecken in den Weiten von Pennsylvania: Isaac, ein zarter junger Mann um die 20, intelligent und wißbegierig, will weg wie seine Schwester, auf nach Kalifornien zum Studieren. Er bricht auf, ohne das Wissen des Vaters doch mit dessen Geld und hofft, dass ihn sein bester Freund Poe begleitet, der im Trailer seiner Mutter ohne Zukunftsaussichten in den Tag hineinlebt. Doch diesem fehlt die Energie für einen solchen Aufbruch, will Isaac jedoch noch ein Stück begleiten. Als sie in einem leerstehenden Gebäude vor dem aufkommenden Regen Schutz suchen, begegnen sie dort drei merkwürdigen Gestalten. Isaacs schlechte Vorahnungen trügen ihn nicht: Während er nach draußen verschwindet, versuchen die Männer Poe zu vergewaltigen. Isaac rettet seinen Freund indem er einen der drei tötet. Kurz darauf verschwindet er erneut ohne jedoch zu erfahren dass Poe wegen Mordes verhaftet wird.
Alle Figuren des Buches mühen sich ab mit der Frage nach dem Sinn des Lebens angesichts der allgegenwärtigen Trostlosigkeit und Düsternis rings um sie herum. Der einzige Lichtblick in diesem freudlosen Dasein ist die beständige Schönheit der sie umgebenden Natur.
Während Isaac weiter auf dem Weg nach Westen ist, sich mühsam auf der Straße durchschlägt und beständig mit den Schuldgefühlen kämpft, die ihn seit dem Selbstmord seiner Mutter umtreiben, lernt Poe die harte Realität des Gefängnisalltags kennen. Den Sinn seines Lebens sieht er nun darin, seinem Freund all dies zu ersparen, er will die Schuld auf sich nehmen.
Parallel zur Geschichte von Isaac und Poe beschreibt Meyer den Niedergang der Stahlindustrie dieser Gegend in zwei Dimensionen: Die riesigen nun verlassenen Werke rosten vor sich hin und die Natur holt sich nach und nach wieder was man ihr mühsam abgetrotzt hatte. Im gleichen Maße kehrt auch die Gesellschaft wieder zu ihren Ursprüngen zurück: Nachdem 10.000e entlassen wurden, wird die zivilisatorische Schicht stetig dünner. Immer öfter gilt das Recht des Stärkeren, Gewalt und Diebstähle nehmen zu, das Rechtsbewußtsein im gleichen Maße ab. Isaac bekommt dies auf seiner Reise zu spüren: Als scheinbarer Penner identifiziert, wird er von Jugendlichen ohne Grund (Penner sein reicht) zusammengeschlagen.
Meyer zerpflückt den ‚Amerikanischen Traum’, dass es jede/r durch eigene Kraft nach oben schaffen kann. Er beschreibt wie durch Profitgier ganze Familien zerstört wurden, stolze Facharbeiter mit Stundenlöhnen zu 30 $ zu Verkäufern mit 4,50 $ pro Stunde degradiert wurden, Häuser massenweise geräumt und versteigert und völlig Verzweifelte auch vor dem Letzten nicht zurückschreckten.
Es ist das Porträt einer Gesellschaft die ihre beste Zeit hinter sich zu haben scheint und nur wenig Auserwählten die Möglichkeit bietet, am Leben teilzunehmen, denn: ‚Dass der Durchschnittsbürger keinen Job mehr hat, in dem er gut sein kann, da liegt doch das Problem’.
Meyers Erzählweise ist ungewöhnlich: Durch einen kleinen Kunstgriff gelingt es ihm, die Geschichte sowohl von außen mit Blick auf eine Person zu schildern aber auch deren Gedanken und Emotionen direkt miteinfließen zu lassen. Dies mag zu Beginn etwas verwirren, doch das Prinzip ist schnell zu durchschauen und bringt dem/der Lesenden die Protagonisten überaus nahe. Obwohl jedes Kapitel des Buches einer Person gewidmet ist und damit ständig die Sichtweise wechselt, fällt es nicht schwer dem Fortgang der Geschichte zu folgen.
Wer einen intensiveren Blick auf die heutige Gesellschaft (nicht nur der USA) sucht, ist mit diesem Buch bestens bedient. Als leichte Unterhaltungslektüre ist es denkbar ungeeignet.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 18.06.2010
Dische, Irene

Lieben


sehr gut

Wer romantische und glückliche Liebesgeschichten erwartet, vielleicht ein bisschen HerzSchmerz aber mit gutem Ende, sollte tunlichst die Finger von diesen Erzählungen lassen. Die Lieben und die darauf basierenden Beziehungen von denen Irene Dische berichtet, sind gekennzeichnet durch ausgeprägte Ungleichgewichte: Die eine Seite liebt mit völliger Hingabe den Partner, der Partner hingegen nur sich selbst. Oder die Liebe ist von einem Teil durch eine derart große Erwartungshaltung gekennzeichnet, dass die andere Seite diese nicht erfüllen kann oder will - es kommt zur Katastophe (oder fast).
Doch trotz dieser so unfroh klingenden Inhalte handelt es sich keineswegs um ausschließlich trübselige und deprimierende Geschichten. Dische versteht sich darauf, derart unerwartete Wendungen in ihre Stories einzubauen, dass man immer wieder ungläubig den Kopf schütteln und schmunzeln muss (Der Prof, der seine attraktive und kultivierte Frau für eine extrem dicke, ungebildete Verkäuferin verlässt und dann... Oder Huseyn, der den Mann seiner Tochter tötet und über den perfekten Mord jubiliert, bis er....).
Das Hörbuch ist eher mager ausgefallen was die Zahl der Geschichten betrifft. Ganze zehn Stück finden sich auf den zwei CDs wieder, immerhin mit fünf Kommentaren der Autorin, von ihr selbst gesprochen, wie sie auf die Idee zu den einzelnen Inhalten kam. Zusätzlich ist eine Geschichte im Original (auf Englisch) enthalten, ebenfalls von Dische selbst gelesen (wobei die deutsche Version besser klingt. Aber eine Autorin soll ja auch schreiben können und nicht vorlesen :-))
Angela Winter war eine gute Wahl für diese Lesung. Insbesondere die Darstellung der beiden selbstverliebten Egozentriker, selbstmitleidig, voller Hingabe und Liebe für die eigene Person, gelingt ihr meiner Meinung nach glänzend.
Alles in allem eine schöne Auswahl aber für rund 20 € schlicht zu teuer. Lieber das Buch kaufen :-)

Bewertung vom 13.06.2010
Dahl, Arne

Misterioso / A-Gruppe Bd.1 (6 Audio-CDs)


sehr gut

Um Paul Hjelm, Ermittler bei der Stockholmer Polizei, nach einem aufsehenerregenden Fall aus der Schusslinie der internen Ermittlung zu bringen, initiiert sein Chef die Neugründung einer Sondereinheit, zu der Hjelm umgehend abgeordnet wird. Deren Aufgabe ist die Klärung dreier Morde an schwedischen Wirtschaftsgrößen sowie(vermutlich) weitere Tote zu verhindern. Die ersten Spuren führen zu einer Geheimloge, dann in osteuropäische Mafiakreise. Doch diese versuchen auf einzigartige, brutale Weise klar zu machen, dass sie mit diesen Verbrechen nichts zu tun haben.
Dahls Ermittlerteam hebt sich wohltuend ab von den sonst so häufig schwermütigen, depressiven KollegInnen. Es sind normale Menschen, von denen dennoch jede/r auf eine Art besonders ist: der ehemals steroidabhängige Bodybuilder, der jetzt im Chor singt; der frühere Staranwalt den sein Gewissen zur Polizei brachte; Chavez, ein stadtbekannter Jazzmusiker. Charaktere die Interesse wecken, auch über den Fall hinaus.
Der Fall selbst ist verzwickt: Scheinbar sichere Fährten erweisen sich als falsch, führen jedoch so ganz nebenbei zur Aufdeckung von anderen Verbrechen. Ebenso beiläufig werden eine Reihe von gesellschaftlichen Problemen miteinbezogen: der alltägliche Rassismus, Flüchtlingsproblematik, Korruptheit und Verkommenheit der obersten Schicht - fast schon ein bisschen viel was Dahl sich hier vorgenommen hat.
Till Hagen als Vorleser macht seine Sache gut. Ohne sich in den Vordergrund zu drängen, verleiht er den Personen und Geschehnissen den Ton und die Betonung die es braucht, um alles vor sich zu sehen.
Alles in allem ein spannender aber auch unterhaltsamer Krimi, in dem selbst Erotik und Humor nicht fehlen.

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 06.06.2010
Ardagh, Philip

Schlimmes Ende


ausgezeichnet

Wie kommt man nur auf solche Ideen :-) ????
117 Seiten völliger Nonsense, Wortspielereien, Klamauk auf hohem Niveau und dazu noch die genialen Zeichnungen von David Roberts - man bekommt die Mundwinkel gar nicht mehr nach unten. Doch Achtung! Leserinnen und Leser, die ein Mindestmaß an Sinn in einer Geschichte brauchen um diese genießen zu können, sollten die Finger davon lassen. Hier zählt nichts außer der Freude am Erzählen - und zwar völlig sinnfrei.
Die Geschichte ist schnell wiedergegeben: Edmund, genannt Eddie oder Jonathan oder auch Simon, je nachdem ob seiner Mutter gerade sein Name oder Kosename nicht einfällt, muss eine Zeitlang zu seinem Großonkel, dem Wahnsinnigen Jack, da seine Eltern an einer abscheulichen, sehr ansteckenden Krankheit leiden, von der man gelb und an den Rändern (welchen???) etwas wellig wird sowie nach alten Wärmflaschen riecht. Auf der Reise nach 'Schlimmes Ende', dem Haus seines Großonkels, zusammen mit dem 'Wahnsinnigen Jack', der 'Wahnsinnigen Maud' (seiner Großtante) und dem ausgestopften Wiesel das Sally bzw. Malcolm, aber vielleicht auch Cornelius oder Edna heißt, begegnet er merkwürdigen Gestalten und landet unter obskuren Umständen im Waisenhaus 'Sankt-Fürchterlich-Heim für dankbare Waisen' bei der schrecklichen Frau Direktor Grausam-Unsäglich.
Ardagh liebt es, überall noch weitere kleine Geschichten einzubauen, die eine skurriler als die andere (wie sich beispielsweise der Theaterdirektor auf seine Rolle als Lachs in dem Stück 'Wir kleinen Fische' vorbereitete. Er verbrachte einen ganzen Monat in der Badewanne und ernährte sich ausschließlich von Wattwürmern und Ameiseneiern.). Dazu die in jeder Hinsicht spitzen Zeichnungen von David Robert: Figuren mit den spitzesten Nasen die man sich vorstellen kann, spitzen Fingern, spitzen Beinen, Ellbogen, Schulten, Füße - es ist eine wahre Freude sich beim Durchlesen diese herrlichen Bilder anzuschauen.
Harry Rowohlt hat hier sicherlich eine erstklassige Übersetzung geliefert (ich kenne das Original nicht). Wie kommt man nur auf Wörter wie 'Augenbrauenaufrauer' oder 'berühmtergeneralsförmiger Eiswürfel'? Sowas findet doch man nicht im Wäörterbuch - oder doch :-) ?
Also: Unbedingt Lesen!!

Bewertung vom 01.06.2010
Hamberg, Emma

Landliebe gesucht


sehr gut

Welch selten alberner Titel für dieses Buch!! Sollte damit die typische LiebesHerzSchmerz-Leserinnenschaft angelockt werden, dürfte die bei der Lektüre herb enttäuscht worden sein. Mich hätte dieser Titel aus diesem Grund jedenfalls abgeschreckt und wäre ich vorab nicht in den Genuss einer Leseprobe gekommen, hätte ich dieses Buch sicherlich nie in die Hand genommen. So aber...
Es handelt von drei Schwestern in den Vierzigern, die nichts gemeinsam haben außer ihrer Kindheit auf einem Bauernhof und ihren geliebten Eltern. Marie, die Älteste, lebt das unstete Leben eines Nachtmenschen in der Großstadt - nachts arbeiten, Party, ungebunden. Das Landleben ist ihr ein Gräuel. Aber so richtig glücklich ist sie dennoch nicht. Asa, die Mittlere, hochintelligent und vermögend, glücklich verheiratet und toller Job als IT-Spezialistin, wünscht sich nichts sehnlicher als ein Kind. Doch es will und will einfach nicht klappen. Zu guter Letzt gibt es noch Lena, die Jüngste. Verheiratet mit Robert, der nur für seine Tankstelle lebt, vier Kindern und jede Menge Tiere: Hasen, Katzen, Hund..... Es fängt an, ihr alles über den Kopf zu wachsen und es gibt niemanden, der ihr zur Seite steht - außer Conny, dem Eismann.
Da stirbt plötzlich der Vater der drei, keine 70 Jahre alt. Ihre Mutter, eine kleine aber energische Frau, die keinen Tag vom Vater getrennt war, bricht völlig zusammen. Doch jemand muss sich um den Hof kümmern, 100 Kühe melken, füttern, inseminieren, dazu noch 100 Kälber. Und und und.... Und zu allem Überfluss lässt Lena ihren Mann mit den vier Kindern sitzen - das Chaos ist perfekt.
Emma Hamberg schreibt in einer ungewöhnlichen Art und Weise: Die Sätze sind meist sehr knapp - Subjekt, Objekt, Prädikat. Oder sie lässt das Subjekt völlig weg: 'Legt ihre Hand hin. Nimmt die Wärme auf...' Dadurch entsteht ein Gefühl, dass man unmittelbar an den Gedanken der handelnden Personen teilnimmt (denn wer denkt schon in Relativsätzen :-) ?). Da zudem die Krisensituationen der vier Frauen sehr realistisch dargestellt sind, ist man schon nach kurzer Zeit voller Mitgefühl und Anteilnahme für die Protagonistinnen. Und findet sich vielleicht auch selbst in dem ein oder anderen Schicksal zumindest in Teilen wieder. Hambergs Verdienst ist es, dies alles weder rührselig noch kitschig oder sentimental dargestellt zu haben, sondern wunderbar die Balance haltend zwischen gefühlvoll und sachlich, traurig und humorvoll.
Ein schönes, unterhaltendes aber ebenso ernsthaftes Buch, das einen auch sein eigenes Leben mit etwas anderen Augen betrachten lässt.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.