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yellowdog

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Insgesamt 2184 Bewertungen
Bewertung vom 10.08.2022
Joshi, Alka

Die Hennakünstlerin / Jaipur Bd.1


ausgezeichnet

Schwestern in Jaipur

Alka Joshis Roman Die Hennakünstlerin führt uns nach Indien im Jahr 1955. Das Land hat die Unabhängigkeit erreicht. Eine spannende Zeit.
Im Mittelpunkt steht die geheimnisvolle Lakshmi, die mit ihren Henna-Malereinen erfolgreich ist. Und um sozialen Aufstieg kämpft.
Schnell erfährt der Leser ihr Geheimnis. Sie ist seit Jahren auf der Flucht vor ihrem gewalttätigen Ehemann und lebt jetzt in Jaipur, als ihr Mann plötzlich auftaucht und ihre 13jährige Schwester Radha mitbringt.
Wie dann die Beziehung der Schwestern geschildert wird, hat mir sehr gefallen. Es ist nicht immer einfach, aber sie brauchen sich auch. Es wird zudem ein Bild der Vergangenheit dadurch entworfen.

Der Roman ist abwechslungsreich, da Lakshmi viele Kundinnen hat, die sie mit Henna bemalt und so erfährt man von vielen Geschichten dieser Frauen.
Die Handlung um die Schwestern verdichtet sich immer mehr.

Stilistisch ist der Roman ansprechend und unterhaltsam. Die Autorin ist zwar in Indien geboren, lebt aber schon lange in den USA, entsprechend amerikanisch ist ihr Schreibstil.

Bewertung vom 10.08.2022
Hürlimann, Thomas

Der Rote Diamant


sehr gut

Auf der Klosterschule

Thomas Hürlimann hat einen neuen Roman: Der rote Diamant.
Es wird von Arthur erzählt, der als ca.11jähriger von seiner Mutter Mimi in ein Internat in einem Kloster gebracht wird.
Er ist damit auch ganz einverstanden und denkt, dass die Klosterschule ihn prägen wird.
Es sind die sechziger Jahre.
Die Passagen von dem jungen Helden mit seiner Mutter sind ziemlich amüsant. Andererseits frage ich mich doch, ob Mimi nicht eine zu überzeichnete Gestalt wird. Und vermutet ja stark autobiografische Elemente. Wird Hürlimann seiner Mutter in dieser Figur der Mimi gerecht?
Der Schweizer Schriftsteller Thomas Hürlimann hat als einer der wenigen Autoren der Gegenwart einen vollkommen eigenständigen Stil. Darin ist viel Wortwitz enthalten und so einige exzellente Formulierungen.
Darin gleicht dieser Roman den früheren großen Büchern wie Fräulein Stark oder Der große Kater.
Hürlimann ist aber auch ein eigenwilliger Autor und manchmal frage ich mich schon, was seine Figuren so antreibt. Ich bin daher über weite Strecken ein Leser mit emotionaler Distanz geblieben.
Das hohe Niveau der Sprache Hürlimanns und viele seiner Fabulierungen konnte ich dennoch ohne Einschränkungen genießen.

Bewertung vom 08.08.2022
Stern, Anne

Drei Tage im August


ausgezeichnet

Das Flüstern der Linden im August

Anne Stern, die mit ihrer Fräulein Gold-Reihe schon eine eindrucksvolle Figur erschaffen hat, die unvergessen bleibt, hat es wieder getan. In „Drei Tage im August“ ist mit Elfie ist wiederum eine Figur da, der man als Leser gerne durch das Buch folgt. Sie hat allerdings ihre Eigenheiten. Und es ist eine schwere Zeit, in der sie ihre Chocolaterie in Berlin betreibt.
Eine weitere wichtige und wohl auch exemplarische Figur ist der Buchhändler Franz, jüdischer Herkunft, der in dieser Zeit natürlich große Probleme hat.
Weitere Figuren werden gezeigt, darunter Lieferjungen, ein Dienstmädchen und ihre alte Herrin, ein Portier, ein Barbesitzer und weitere, die insgesamt das Berlin der Zeit abbilden.
Anne Sterns Beschreibungen erschaffen unvermittelt ein Gefühl für die Situation.
Die Autorin hat außerdem eine gute Form des Erzählens gefunden. Viele Passagen enthalten Elfies Besuche bei der alten Madame Conte, die ihr die Geschichte ihres Lebens erzählt. Das nimmt weite Strecken der Handlung ein.

Ich habe das Hörbuch gehört. Es wird von der vielfach bewährten Sprecherin Vera Teltz gelesen, die mich schon oft begeistert hat. Ich halte sie momentan für die Beste des Genres. Sie verleiht den Figuren stimmlich die treffende Stimmung, die überwiegend ruhig gehalten ist.
Natürlich schon ungewöhnlich, aber auch originell, wenn in diesen Buch sogar die Linden sprechen.

Bewertung vom 07.08.2022
Giampietro, Nicoletta

Mit geballter Faust (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Porträt einer bleiernen Zeit

Mit geballter Faust wirft Nicoletta Giampietro einen Blick in die Zeit in Italien in den siebziger Jahren. Es sind die bleiernen Jahre mit politischer Radikalisierung der jungen Leute.
Im Mittelpunkt steht die 14jährige Giulia, deren um 2 Jahre ältere Schwester Gabriella besonders engagiert ist.Auch Giulas Freunde Carmela und Michele stehen im Blickpunkt.
Die Fronten sind verhärtet und die Erbarmungslosigkeit dieser Zeit wird deutlich gezeigt.Das spaltet auch Freundschaften.
Die Schriftstellerin Nicoletta Giampietro bildet ein Jahrzehnt italienischer Geschichte ab. Sie wuchs selbst in Mailand in dieser Zeit auf. Daher glaube ich, dass die Beschreibungen eine hohe Glaubwürdigkeit haben.
Sie schreibt sehr detailliert, aber immer packend und zeigt, wie sich der Druck auf die Jugendlichen erhöht und wie die Situation schließlich eskaliert.
Ein wirklich starker Roman!

Bewertung vom 02.08.2022
Hennig von Lange, Alexa

Die karierten Mädchen / Heimkehr-Trilogie Bd.1


sehr gut

Die Tonbänder

Bedenkt man Alexa Henning von Langes literarischen Anfänge wie Relax hätte man ein Buch wie Die karierten Mädchen nicht erwartet. Sie ist jetzt endgültig eine vielseitige Autorin.
De karierten Mädchen ist Anfang einer Trilogie und souverän geschrieben. Eine entschlossene Frau steht im Mittelpunkt, die auf Alexa Hennig von Langes Großmutter basiert. Diese Klara arbeitet in einem Kinderkurheim, deren Leiterin sie schließlich wird. Es geht langsam aber sicher auf 1933 zu und die Zeiten werden davon geprägt. Klara hat ein kleines Mädchen jüdischer Herkunft aufgenommen, die sie wie eine Tochter aufzieht. Das birgt in den folgenden Jahren immer mehr Gefahren. Und schließlich ist 1939 eine schwere Entscheidung zu treffen.
Im Gegensatz zur beruflichen Situation ist das Waisenkind von der Autorin erfunden, damit kann man bei dem Buch nicht von einer Biografie sprechen. Es ist ein lupenreiner Roman.

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Bewertung vom 31.07.2022
Hoffman, Alice

Practical Magic. Zauberhafte Schwestern


gut

Die Owens-Schwestern

Erst beim Lesen von Practical Magic ist mir aufgefallen, dass ich schon die Verfilmung unter dem Titel Zauberhafte Schwestern gesehen habe.
Der Roman ist schon 1995 geschrieben worden.

Alice Hoffmann hat einen angenehm zu lesenden Stil, der gleichzeitig unspektakulär bleibt.
So kann man leicht dem Lebensweg der Schwestern Gillian und Sally Owens,
die schon seit früher Kindheit als Hexen verrufen sind und daher eine Außenseiterrolle einnehmen müssen.
Als Kinder sind sie deswegen wie zusammen geschweißt, sie halten immer zusammen. Als Erwachsene gehen sie getrennte Wege und schlagen unterschiedliche Richtungen ein.
Sally wird Mutter und Gillian ist mit einem gewalttätigen Mann namens Jimmy zusammen.
Meiner Meinung nach schadet der Aspekt um den getöteten Jimmy der Handlung. Das speist einen Krimiplot ein, wo man als Leser auf mehr Magie hofft. Daher von mir nur eine eingeschränkte Empfehlung.

Bewertung vom 31.07.2022
Strubel, Antje Rávik

Es hört nie auf, dass man etwas sagen muss


sehr gut

Sammlung von Essays

Spätestens seit den Erfolg mit Die blaue Frau ist Antje Ravic Strubel ein literarischer Shooting Star.
Schon ihre Romane haben essayistische Momente. Ihre Essays, von denen einige hier versammelt sind, wirken besonders konzentriert bis angestrengt.

Schon über den Titel „Es hört nie auf, das man etwas sagen muss“ kann mn länger nachdenken.
In den Texten geht es oft um genderspezifische Themen und um Literatur. Von Virginia Woolf über Astrid Lindgren und Selma Lagerlöf bis zu Fontane.
Mit einigen Essays kann ich etwas anfangen, andere erreichen mich nicht. Aber das ist normal für eine Essaysammlung, die Texte über mehrere Jahre abdeckt.
Die Essays sind fast alle schon vorher Zeitungen, Zeitschriften, als Nachwörter oder Begleittexte erschienen. Alle Essays wurden für diese Ausgabe überarbeitet.

Ein paar möchte ich kurz erwähnen:
In dem Essay Scham nennt Strubel treffend so einiges in Deutschland für das man sich im Ausland rechtfertigen und nicht selten schämen muss.
Vom Überschwärmen der Grenzen heißt ein Essay, in dem die Autorin sich ausführlich Penthesilea von Kleist widmet.
Witzig fand ich Lieber Theodor Fontane.
Höhepunkt ist für mich der letzte Text Die große Elchwanderung, die poetische Stellen und gute Gedanken hat.

Zuletzt sei noch das unglaublich originelle Buchcover erwähnt, dass Judith Schalansky kreiert hat.

Bewertung vom 31.07.2022
Otoo, Sharon Dodua

Herr Gröttrup setzt sich hin


sehr gut

Drei Texte

Das Buch enthält drei Texte, die sehr unterschiedlich sind.
Sharon Dodua Otoo gewann mit der Titelgeschichte dieses Buches verdientermaßen den Ingeborg Bachmann-Preis. Begrüßenswert, dass der Text jetzt wieder in gedruckter Form vorliegt.
Bemerkenswert ist auch der zweite Text, die Rede zur Literatur, mit dem Titel Dürfen Schwarze Blumen malen.

Stark auch der letzte Text „Härtere Tage“. Er ist autobiografisch und folgt den Spuren ihrer Herkunft, den Eltern und der Suche nach dem eigenen Weg.

Bewertung vom 31.07.2022
Allende, Isabel

Violeta


sehr gut

Bericht eines ganzen Lebens

Der neue Roman der chilenischen Erfolgsautorin Isabll Allende erzählt das ganze Leben einer Frau bzw. es ist Violeta selbst, die als alte Frau ihre Erlebnisse in einen Bericht verfasst.
Sie ist 1920 geboren zur Zeit der Spanischen Grippe und ist in der Gegenwart 2020 mitten in der Corona-Pandemie. Diese beiden Pandemien bilden die Klammer, in der die Geschichte gefasst wird.
Schauplatz ist vermutlich überwiegend das chilenische Patagonien, genau wird das nicht gesagt. Teilweise hält Violeta sich auch in den USA auf.

Es gibt Abschnitte im Roman, die sehr fesseln, z.B. die Schilderungen um das Leben von Violetas Gouvernante Miss Taylor.
Überhaupt ist der erste Teil des Romans für mich der stärkste.
Es gibt aber auch Passagen, die ziemlich überzogen sind. Isabel Allende ist keine Autorin, die Klischees vermeidet.
Violeta ist eine leidenschaftliche Frau, die auf ihre Unabhängigkeit und Eigenständigkeit beharrt, zwei Kinder bekommt und auch geschäftlich erfolgreich wird. Sie trägt den Roman durchgängig, lässt aber bei der Darstellung eines ganzen Jahrhunderts doch viel weg.

Der Roman überzeugt durch seine Erzählform und dem erzählerischen Abdecken eines großen Zeitraums.

Bewertung vom 31.07.2022
Cercas, Javier

Geschichte einer Rache / Terra Alta Bd.1


sehr gut

Kantige Hauptfigur, der den Roman aus der Masse herausragen lässt


Terra Alta ist ein harter, spanischer Krimi. Im Mittelpunkt steht der Polizist Melchor Marin, der in Terra Alta in einem brutalen Doppelmord ermittelt.

Melchor ist ein ungewöhnlicher Typ. Er stammt als Sohn einer Prostituierten aus ärmlichen Verhältnissen in Barcelona und hat eine kriminelle Vergangenheit.
Die Entscheidung, Polizist zu werden, hatte er, als er im Gefängnis durch Literatur zu einem Bewusstseinswechsel bewegt wurde.
Er wird als Polizist schließlich von Barcelona in die katalanische Region Terra Alta versetzt. Dort lernt er die Bibliothekarin Olga kennen.
Diese Beziehung wird detailliert und stark beschrieben.

Javier Cercas Roman hat mich als Krimi nicht vollständig überzeugt, sehr wohl aber als Porträt eines Mannes, der sein Leben ändert.