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hasirasi2
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Dresden

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Insgesamt 1229 Bewertungen
Bewertung vom 21.11.2019
Lund, Stina

Die Frauen von Skagen


sehr gut

Wo Licht ist, ist auch Schatten

„Drei Menschen, die nicht in ihr richtiges Leben finden, drei Menschen – Marie, Sören und sie selbst - , die es einfach nicht schaffen, voneinander loszukommen und allein glücklich zu werden.“ (S. 235)
Skagen, Ende des 19. Jahrhunderts: Asta ist die Gesellschafterin der Fabrikantentochter Marie und wird mir ihr zusammen erzogen und unterrichtet. Da Marie Malerin werden will, erstreitet sie sich von ihren Eltern Zeichenunterricht und Asta muss bzw. darf sie zu jeder Stunde begleiten. Als der berühmte Maler Peder Severin Krøyer ein Portrait von Marie anfertigt, verliebt sich Asta in ihn, doch dieser hat nur Augen für Marie ...

Frankfurt, 2016: Vibekes Vater gehört eine Farbenfabrik und er wünscht, dass sie diese später übernimmt. Doch Vibeke möchte Malerin werden. „Das Leben ist sinnlos ohne Papier und Stift, ohne Leinwand und Farben.“ (S. 44) Ihre Mutter Malu unterstützt sie dabei, denn sie hat ihre Träume nach dem Kunstgeschichtsstudium für ihre Familie geopfert. „… zum Malen braucht man Mut. Ich glaube, der ist mir abhandengekommen.“ (S. 44) Malu reist mit Vibeke nach Skagen, wo es um 1900 eine berühmte Künstlerkolonie gab und sich heute noch eine außergewöhnliche Kunsthochschule befindet. Vibeke wird angenommen und entdeckt im Hinterzimmer eines Cafés ein bisher unbekanntes, nicht signiertes Gemälde, dass sie Marie Krøyer zuschreibt. Kann sie das Geheimnis des Bildes lüften?

Stina Lund erzählt im vorliegenden Roman die Biografien der Skagen-Maler als psychologischen Spannungsroman.

Asta beneidet Marie um ihr Aussehen, ihre Herkunft und ihr Talent. Sie schafft es auch Jahre nach deren Hochzeit mit Krøyer nicht, sich von ihnen zu lösen, sondern lebt als ihre Haushälterin und Vertraute mit in der Künstlerkolonie. Aber auch die Krøyers sind so daran gewöhnt, dass sich Asta um alles kümmert, dass sie nicht auf sie verzichten möchten. Marie hat erste Erfolge als Malerin, doch ihr Mann gibt ihr immer wieder zu verstehen, dass sie nicht gut genug ist. Sie beugt sich seinem Urteil, auch wenn die anderen Skagener Künstler das nicht so sehen. „Er ist nicht nur mein Ehemann, er ist auch mein Vorbild. Sein Wort hat Gewicht.“ (S. 172)
Asta ist von Krøyer besessen und nimmt jede Chance wahr, ihm nahe zu sein und sich in die Ehe einzumischen. Ihre Ménage á tois ist geprägt von gegenseitiger Eifersucht, Abhängigkeit, Machtspielen und Gewalt. Sie bindet sie immer fester aneinander und nimmt krankhafte Züge an.

Vibeke ist fasziniert von Skagens Künstler und ihrer Geschichte und dem ganz besonderen Licht, das dort strahlt. Sie hat das Gefühl endlich angekommen zu sein: „Ich möchte nie wieder weg von hier.“ (S. 103.

Zwischen beiden Erzählsträngen gibt es viele Parallelen. Es geht um Frauen, die von der Kunst leben können wollen, sich aber von Männern bzw. Vätern und ihren eigenen Ängsten bremsen und unterdrücken lassen.
Stina Lund schreibt sehr spannend und anschaulich, ich hatte die Gemälde und besonderen Lichtverhältnisse stets vor Augen. Die zwischenmenschlichen Spannungen und Wechselspiele haben mir gut gefallen, wobei ich den Erzählstrang um Marie und Asta etwas interessanter fand, als den um Vibeke.

Auch wenn ich die Handlungsweisen der Protagonistinnen aus heutiger Sicht nicht immer verstehen konnte – vor allem Maries bedingungslose Unterwürfigkeit – konnte ich ihr Verhalten trotzdem nachvollziehen.

Bewertung vom 18.11.2019
Prescott, Lara

Alles, was wir sind


ausgezeichnet

Ich muss ehrlich zugeben, dass ich Dr. Shiwago nie gelesen habe und darum ganz unvoreingenommen an die Geschichte herangegangen bin. Lara Prescott erzählt parallel von Olgas und Boris Liebe, ihrem Leben in der UdSSR, dem Entstehen von Dr. Shiwago und von der Arbeit (der Stenotypistinnen) der CIA, insbesondere von Irina und ihrer Ausbilderin Sally.

Es ist die Geschichte der Frauen im Hintergrund. Man nimmt sie nicht wahr, aber sie bekommen alles mit und ziehen oft die Fäden. Doch den Ruhm ernten die Männer, dafür gehen sie sprichwörtlich über die Leichen der Frauen und (be)nutzen sie. Das wird bei den Sekretärinnen des CIA überdeutlich. Aber auch Olga steht immer hinter Boris, unterstützt ihn, sucht widerholt das Gespräch mit der Regierung und der Partei und warnt ihn, denn sie hat Angst.

Olga war mir nicht immer sympathisch, erschien manchmal zu berechnend. Ja, sie hat ihren Beruf für Boris aufgegeben und ist in den Gulag gegangen, um ihn zu schützen. Ja, sie erwartet nicht, dass er sich scheiden lässt um sie zu heiraten. Andererseits fordert sie Unterstützung von ihm ein – als Wiedergutmachung? Und sie lässt ihre Kinder bei ihrer Mutter. Olga ist auf jeden Fall eine Frau, die polarisiert und es dem Leser nicht leicht macht.

Irina hingegen hat mich sofort fasziniert. Nach außen ist sie die unauffällige Tippse, die Neue im Büro, die sich aus allem raushält. Sie hält sich selber für nichts Besonderes und ist überrascht, dass ihre Vorgesetzten mehr in ihr sehen. Die Arbeit als Spionin, der Adrenalinkick gefallen ihr extrem gut. Außerdem findet sie ausgerechnet in der Agency ihre große Liebe – aber kann sie die auch (aus-)leben?

Auch Boris Pasternak kommt bei Lara Prescott nicht ganz so gut weg. Er erscheint sehr wankelmütig und versucht immer, den Weg des geringsten Widerstandes zu gehen. Er ändert seine Entscheidungen mehrfach und verletzt Olga damit. Außerdem wird deutlich, wieviel besser er als einer von Stalins Privilegierten gegenüber den „normalen Menschen“ in der UdSSR lebt.

Wenn ich das Buch in ein Genre einordnen müsste, würde ich es als Spionageroman bezeichnen. Die Autorin vermittelt sehr geschickt die angespannte politische Situation in der UdSSR, den Wettlauf mit der USA um technische Errungenschaften wie den ersten Flug zum Mond, und hat mich damit bis zum Ende gefesselt. Dazu kommen die beiden großen, nicht immer glücklichen Liebesgeschichten, die mich sehr bewegt haben.
Mir ging es wie einigen anderen Lesern, und ich habe das Buch zwischendurch immer wieder aus der Hand legen müssen, um die Handlung sacken zu lassen. „Alles, was wir sind“ ist für mich definitiv ein weiteres Jahreshighlight.

Bewertung vom 16.11.2019
Ruppert, Astrid

Leuchtende Tage / Familie Winter Bd.1


ausgezeichnet

Maya ist die vierte Generation der Winter-Frauen. Sie wird bald 30 und hat ihre Ziele noch nicht erreicht. Von ihrer Mutter Paula trennen sie Welten. Diese ist genauso ein Freigeist wie Urgroßmutter Lisette es war. Maya hingegen ist das ganze Gegenteil. Durch ihren Lebensgefährten Yannick findet sie zu den Urban Explorers, die Lost Places suchen und fotografieren. Maya ist von den Seelen der verlassenen Häuser fasziniert, denkt sie sich Geschichten dazu aus. Von ihrer eigenen Familiengeschichte weiß sie so gut wie nichts, aber sie kann sich an ein verwunschenes Sommerhaus erinnern, das Lisettes Familie gehörte und aus dem diese damals regelrecht geflohen war. Als sie das Haus zum ersten Mal betritt, weiß sie, dass sie endlich mehr erfahren will. Sie bittet ihre Mutter Paula und ihre Großmutter Charlotte, ihre Erinnerungen mit ihr zu teilen.

Lisettes ältere Brüder sind der ganze Stolz ihrer Eltern, nur sie selbst kann es ihnen nie recht machen. Sie ist zu ungestüm, ungeduldig, unweiblich, will genau wie ihre Brüder zur Schule gehen und einen Beruf ausüben dürfen. Als Emile in das Haus der Familie kommt um ihnen eine neue Garderobe zu schneidern, nimmt sie ihren Mut zusammen und zeigt ihm ihre Kleiderentwürfe. Er findet die Skizzen – und Lisette – toll, versteht sie und zeigt ihr, wie sie sie umsetzten kann. Sie verlieben sich und Lisette verlässt mit und wegen ihm ihre Familie, lässt den goldenen Käfig hinter sich.

Astrid Rupperts erzählt die Geschichte einer ungezähmten jungen Frau, die gegen ihre Familie und die damaligen Normen rebelliert. Sie will frei sein, leben und lieben können wen sie will. Und sie will arbeiten, will die Frauen aus den starren Korsetts und vorgezeichneten Leben befreien. Zusammen mit ihrer großen Liebe Emile wählt sie eine ungewisse Zukunft, eröffnet ein kleines Schneideratelier. Sie hat die Visionen und liefert die Ideen, er setzt sie um. Bald kaufen berühmte Schauspielerinnen und Gräfinnen ihre Reformkleider. Sie können Näherinnen einstellen und müssen anbauen. Ihre anfängliche Angst, dass ihre Familie sie doch noch zurückholt und mit dem Mann ihrer Wahl verheiratet, erweist sich als unbegründet – lieber schweigt man sie tot, um den befürchteten Skandal zu vermeiden. Auch ihre später versuchte Wiederannäherung gelingt nicht. Und dann kommt der Krieg und verändert alles.

Die Frauen der Familie Winter sind sehr verschieden und haben trotzdem etwas gemeinsam – sie alle haben nie geheiratet und wollen ganz anders sein als ihre Mütter, ihr Leben anders gestalten und sich abgrenzen. Dass sie dabei deren Fehler wiederholen, wird ihnen nicht klar.
Ich habe Lisette von Beginn an gemocht und mit ihr mitgefühlt. Ich habe sie dafür bewundert, dass sie sich aus Enge des Lebens befreien konnte, welches ihre Mutter für sie geplant hatte. Sie ist eine sehr starke und kreative Persönlichkeit, aber auch von Selbstzweifeln geprägt. Emile hilft ihr und fördert sie, ohne ihr etwas vorzuschreiben oder sie einzuengen. Sie bilden eine perfekte Symbiose und Lisette kann sich nicht vorstellen, ohne ihn zu sein. Er ist die einzige, größte Liebe ihres Lebens.
Schon früh beschäftigt sich Lisette mit der Gleichberechtigung und fördert immer wieder die Frauen aus ihrer Umgebung, indem sie ihnen Festanstellungen in ihrem Atelier gibt, was damals unüblich war.
Astrid Rupert hat mit ihr und den anderen Protagonisten sehr lebendige und glaubhafte Charaktere geschaffen. Zudem beschreibt sie die Lebensumstände und örtlichen Gegebenheiten sehr bildlich. Ihr Erzählstil ist sehr mitreißend und emotional.

„Leuchtende Tage“ ist der Auftakt einer Trilogie. In den nächsten Bänden geht es um Charlotte und Paula, aber ich würde gern auch noch mehr über Maya erfahren. Bisher zweifelt sie noch sehr an sich und ist darin Lisette ähnlich, ohne deren Mut zur Veränderung. Aber da sie jetzt verstanden hat, dass sie sich in ihrem Leben nur eingerichtet hat, es aber nicht lebt, kann sie die Situation ja ändern.

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 13.11.2019
Kruse, Tatjana

Tannenduft mit Todesfolge


ausgezeichnet

Mord ist ihr Geschäft

Tatjana Kruses schreibt über sich selbst: „Mit mir will man am Fest der Liebe besser nicht zusammen sein …“ (S. 8). Bisher habe ich mich nicht vor ihr gefürchtet – im Gegenteil, bei unseren Treffen war sie immer sehr nett – aber nach dem Lesen von „Tannenduft mit Todesfolge“ habe ich schon ein bisschen Angst vor ihr. Und vor Weihnachtsfeiern (selbst innerhalb der Familie) … und Zügen … und Fahrstühlen. Außerdem stellt sich mir die Frage, wie viel von ihr in dem Buch steckt: „Mir war klar, dass ich irgendwann einmal das Reisen zu meinem Beruf machen würde.“ (S. 161). Wer ihr in den sozialen Medien folgt weiß, dass sie einen großen Teil des Jahres in der Bahn verbringt. So verwundert es auch nicht, dass die erste Kurzgeschichte an Heiligabend in einem IC spielt und dabei einiges anders läuft als von den Reisenden und dem Zugbegleiter geplant ...

Aber Frau Kruse mordet nicht nur in Zügen, sondern auch in Kirchen, Banken oder Villen und fast jedes Mal endet die Geschichte dann doch anders, als man es erwartet. Neben der Weihnachtsgans haben auch ein Hamster, ein Wellensittich, ein Papagei und diverse Hunde Gastauftritte und zum Glück überleben sie alle – was man über die Besitzer (leider) nicht sagen kann.

Die Geschichten sind gewohnt lustig, skurril, überraschend, bitterböse und mit amüsanten Klischees gespickt: „Die Haustür wurde aufgetreten, eine Blendgranate erhellte die Nacht, Kinder schrien, ein Hund bellte.“ (S. 48)
Außerdem sind sie so kurz, dass man sie bequem zwischendurch, vorm Einschlafen, im Wartezimmer oder in der Bahn lesen kann, wenn man keine Angst davor hat, in der Öffentlichkeit zu Lachen oder sich ein bisschen zu Gruseln. Übrigens sind fast alle Geschichten schon mal in anderen Anthologien erschienen und wurden jetzt erstmals in diesem Buch zusammengefasst.

Lustig, skurril, überraschend und bitterböse – mein Weihnachts(geschenk)tipp für alle Krimileser, die es humorvoll mögen: „Tannenduft mit Todesfolge“!

Bewertung vom 12.11.2019
Niels, Greta

Ein Hauch von Sommer und Zitronen


sehr gut

Auf ins zitronengelbe Glück

Lina hat gleich dreifach Pech: Ihr Chef taucht unter, um die Insolvenz der Firma zu verschleppen. Ihr Freund Ole sagt ihr, dass er sich ein eine Kollegin verguckt hat und eine Auszeit braucht, um sich über seine Gefühle klarzuwerden. Und ihr Vermieter kündigt ihr die Wohnung wegen Eigenbedarf.
Auch die Beziehung zu ihrer Mutter ist schwierig, eigentlich kaum vorhanden. Lina war erst 2, als ihr Vater die Familie verlassen hat und ihre Mutter als Alleinerziehende und Alleinverdienende ständig überfordert und überarbeitet war. Zum Glück gibt es die ehemalige Nachbarin und Wahl-Oma Trude, die Lina mit aufgezogen hat und ihr heute noch sehr nah steht.

Als sie in dieser Situation unerwartet vom Onkel ihres Vaters ein Häuschen erbt, hofft sie natürlich, dass sich damit das Wohnungsproblem gleich gelöst hätte. Leider steht es irgendwo im Bergischen Land und ist sehr renovierungsbedürftig. Doch Lina hat ja Zeit. Sie belegt ein paar Handwerkerseminare im Baumarkt und fängt einfach an, schließlich sagt Oma Trude immer „Nicht träumen, sondern anpacken.“ (S. 82) Außerdem helfen ihr die neuen, netten Nachbarn und auch Konditor Ben, der ihr immer wieder über den Weg läuft, bei den Arbeiten. Und als sich Lina endlich vorstellen kann, in ihr zitronengelbes Häuschen zu ziehen, tauchen der Denkmalschutz und Ole auf …

„Ein Hauch von Sommer und Zitronen“ ist nach „Ines und die grasgrüne Liebe“ bereits der zweite von Greta Niels und macht Lust auf Sommer in den Bergen und Bens Zitronentörtchen a la Lina. (Das Rezept dafür findet ihr übrigens am Ende des Buches.)

Lina ist Mitte 30 und hatte ihr Leben bereits durchgeplant. Ihre Karriere lief gut und auch die Hochzeit und Kinder mit Ole waren (zumindest für sie) nur noch eine Frage der Zeit. Nachdem all ihre Pläne wie Seifenblasen geplatzt sind, helfen ihr vor allem Oma Trudes Lebensweisheiten, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Bei der Sanierung des geerbten Hauses setzte sie sich mit ihrer Vergangenheit und ihren Eltern auseinander. Lina merkt, dass sie mit ihnen Frieden schließen muss, wenn sie ihre Zukunft unbelastet angehen will.
Ben sieht nicht nur gut aus und macht ihr immer wieder Avancen, sondern wird schnell zum echten Freund und Helfer für alle Lebens- und Renovierungsfragen. Geht da etwa was?

Die Geschichte ist sehr kurzweilig und herzerwärmend, aber ich hätte sie mir etwas weniger vorhersehbar und mit mehr Humor gewünscht – so wie in Greta Niels erstem Buch.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.11.2019
Bastian, Aurélie

Bienvenue - Willkommen bei mir


ausgezeichnet

célébrer un festin

Seit wir zum Geburtstag meines Vaters letztes Jahr ein selbst zusammengestelltes Menü aus Aurélie Bastians letztem Buch „Französisch kochen mit Aurélie“ zubereitet haben und das Essen ein voller Erfolg wurde, habe ich noch oft einzelne Gerichte daraus ausprobiert und auch „Französisch Backen“ von ihr gehört längst zu meinen Standardwerken.

Aber natürlich ist es schöner, wenn man die Menüvorschläge gleich von der Autorin und Foodbloggerin selbst bekommt. In ihrem neuen Buch „Bienvenue - Willkommen bei mir“ hat sie Gerichte für verschiedene Gelegenheiten, Jahreszeiten und Mottos zusammengefasst und wie immer sehr ansprechend in Szene gesetzt.

Das Rezept für das warme Camembert-Brot mit Calvados aus der Kategorie „Winterabend mit Freunden“ hatte es uns so angetan, dass wir es sofort probieren mussten. Und auch wenn mein Brot nicht ganz so ansprechend aussieht wie das von Aurélie, so hat es uns doch hervorragend geschmeckt und wird hoffentlich der Star unsere Silvester-Party werden. (Das Baguette wird übrigens aus dem gleichen Grundteig gebacken und ist ebenfalls sehr lecker.)
Doch auch für den „Heiligabend zu Hause“ haben wir uns schon Gerichte ausgesucht – neben den Lachscreme-Tannen und der obligatorischen Käseplatte mit selbstgemachter Zwiebel- und Feigenkonfitüre, wird es zum Dessert die Tarte Tartin mit Rotweinbirnen und das überbackene Eisdessert mit Baiserhaube geben. Angst vor der Vorbereitung habe ich dank des Zeitplanes, der jedem Kapitel vorangeht, nicht.

Weitere Kategorien sind „Omas Geburtstag im Frühling“, „Sommerliche Kinderparty“, „Mädelsabend“, „Sommerfest“ und „Herbstzeit mit Pilzen und Kastanien“ – da wartet mein Mann schon sehnsüchtig auf den Wallnuss-Roquefort-Kuchen ;-).
Ich finde es toll, dass sich simple Rezepte mit etwas anspruchsvolleren abwechseln, es gibt Fleisch, Fisch und Gemüse, Herzhaftes und Süßes, kleine Häppchen und große Pasteten – da sollte jeder etwas nach seinem Gusto bzw. Können finden.
Vor jedem Abschnitt erzählt Aurélie Bastian, was sie zu den Gerichten inspiriert oder was man noch beachten sollte.

Mein Fazit: Ein wirklich tolles Koch-/Backbuch für verschiedene feierliche Gelegenheiten, welches die französische Küche und Lebensart sehr appetitlich inszeniert.

Bewertung vom 10.11.2019
Rygiert, Beate

George Sand und die Sprache der Liebe / Außergewöhnliche Frauen zwischen Aufbruch und Liebe Bd.1


sehr gut

Gleiche Sitten, gleiche Rechte

Paris 1831: Baroness Aurore Dudevant hat ihren Mann und ihre Kinder auf dem Land zurückgelassen, um sich in Paris als Schriftstellerin zu verwirklichen. Zudem lebt sie mit dem 8 Jahre jüngeren Studenten Jules Sandeau zusammen und trägt selbstgeschneiderte Männerkleidung – ein Skandal! Dass vor allem Letzteres daraus resultiert, dass ihr schlicht das Geld für teure Damenbekleidung fehlt und die Idee mit den Anzügen aus der Not geboren wurde, ist erstmal egal. Da sie dringend Geld braucht, nimmt sie das Angebot von Verleger Henri de Latouche an und schreibt wie so viele andere große Schriftsteller ihrer Zeit für seine Zeitschrift Figaro – anonym natürlich, weil ihr Mann und ihre Schwiegermutter es verlangen. Zusammen mit Jules schreibt sie parallel an dem Roman „Rose et Blance“, den sie unter dem Pseudonym J. Sand herausbringen. Doch als sie ihren ersten eigenständigen Roman veröffentlicht, verweigert ihr Jules das gemeinsame Pseudonym und sie erfindet George Sand. Ihre Beziehung zerbricht an Georges Erfolg und der Identifikation mit ihrem männlichen Alter Ego – denn in ihrer Rolle als Mann fühlt sie sich viel freier, viel weniger eingeschränkt.
George, wie sie sich fortan nennen lässt, ist nicht mehr die duldsame Baroness, die zum Wohl ihrer Kinder die Gelage und Affären ihres Mannes in Kauf nimmt, sondern will selber für diese sorgen können. Sie kämpft 5 Jahre um die Scheidung, nicht, um für einen neuen Mann frei zu sein, sondern um selbstbestimmt leben und über ihre Kinder und ihr Vermögen bestimmen zu können.
Ein Knebelvertrag mit dem Verleger François Buloz macht sie zum bestbezahlten Schriftsteller des Landes, aber dafür arbeitet sie auch unermüdlich und schläft nur wenige Stunden pro Nacht.

„George Sand und die Sprache der Liebe“ von Beate Rygert beleuchtet nur 9 Jahre in Aurores / Georges Leben, aber in diesen erfindet sie sich komplett neu, ringt um Erfolg und Anerkennung – und die Liebe ihrer verschiedenen Partner – und macht immer wieder auf die Einschränkungen der Frauen ihrer Zeit aufmerksam. Sie fordert Gleichberechtigung, auch zwischen den verschiedenen Ständen.
George kokettiert damit, wer oder was sie ist – Mann oder Frau? Mutter oder leidenschaftliche Geliebte? Dabei will sie nur, was ihr zusteht – die gleichen Rechte, Pflichten und Erfolge wie ein Mann. Sie verführt und lässt sich verführen, sowohl von Männern als auch von Frauen. Nach Jules führt sie eine extrem leidenschaftliche Beziehung mit Alfred de Musset, der allerdings an Wahnvorstellungen, Depressionen und krankhafter Eifersucht zu leiden scheint. Sie braucht lange, um sich von ihm zu befreien und endgültig zu lösen. Diesem Teil in Georges Leben hat sich die Autorin besonders gewidmet, dagegen kam die Beziehung zu Chopin, die eigentlich im Klappentext beschrieben wird, etwas zu kurz. Vielleicht liegt es aber auch an den Dramen, die sich George und Alfred geliefert haben, dass mich gerade diese Episode so gefesselt und mitfühlen lassen hat.

Die 4 Männer, mit denen George im Laufe der 8 Jahre zusammenlebt, sind extrem unterschiedlich. Ihren Mann hatte sie aus Vernunft geheiratet und fürchtet sich nun vor seinen Exzessen. Die Liebe zu Jules hat sie als Künstlerin beflügelt und ihr zum Durchbruch verholfen, aber er hat sich oft wie ein bockiges Kind verhalten. Albert gehört zur Kategorie Genie und Wahnsinn. Erst bei Chopin scheint sie endlich angekommen zu sein.

Mein Fazit: Das Buch zeichnet das leidenschaftliche Portrait einer starken Frau, die ihrer Zeit weit voraus war und schon damals forderte, dass alle Menschen gleichberechtigt zu behandeln seien und damit das gleiche Recht auf Selbstverwirklichung und Erfolg haben.

Bewertung vom 07.11.2019
Oetker, Alexander

Winteraustern / Luc Verlain Bd.3


ausgezeichnet

Schönheit und Grauen so nah beieinander

Kurz vor Weihnachten ist im Aquitaine die Hochsaison der Austernzüchter, da die Meeresfrüchte in Frankreich auf keiner Weihnachtstafel fehlen dürfen. Luc hat organisiert, dass er und sein Vater Alain auf dem Polizeiboot den Sonnenaufgang auf dem Meer über den Austernbänken erleben dürfen. Wegen seines Bauchspeicheldrüsenkrebses könnte es Alains letzte Fahrt sein. Da kommt ein Anruf über Funk, dass ein Austernzüchter auf einer Sandbank überfallen, niedergeschlagen und der Flut überlassen wurde. Sie können ihn retten, finden dabei aber die Leichen zweier junger Männer. Wer hat sie warum ermordet? Ihre Eltern sind sich sicher, dass der Marktführer im Austernhandel dahintersteckt. Dieser versucht schon lange, auch den Rest seiner Konkurrenten zu übernehmen und behauptet, sie würden hinter den Austerndiebstählen stecken. „So weit hat es ja kommen müssen. … Sie denken doch ohnehin alle, dass wir es sind, die hier die Austern stehlen. Und nun nehmen sie Rache.“ (S. 76/77)

„Winteraustern“ ist Luc Verlains bisher persönlichster Fall. Da sein Vater früher selbst Austernfischer war und er ihm immer geholfen hat, steckt er tief in der Materie drin. Zudem versucht er so viel Zeit wie möglich mit Alain zu verbringen, weil er nicht weiß, wie viel ihnen wegen der Krebserkrankung noch bleibt, und bindet ihn sogar in die Ermittlungen mit ein. „Danke für das Abenteuer, mon fils.“ (S. 206)
Und dann ist da noch Anouk. Sie ist nicht nur seine Kollegin, sondern auch seine Freundin, auch wenn sie das bisher so nicht ausgesprochen haben. Jetzt hat sie das Angebot bekommen, in Paris Karriere zu machen. Wie wird sie sich entscheiden? Luc möchte sie auf keinen Fall beeinflussen.

Im Laufe der Ermittlungen stellt Luc, der die letzten 15 Jahre in Paris gelebt hat, fest, wie sehr sich die Lage der Austernfischer verschlimmert hat. Nicht nur die Diebstähle und die Konkurrenz der Marktführer, auch die Umweltverschmutzung und Klimaerwärmung setzt ihnen zu. Der Druck wird immer höher und gerade die jungen Austernfischer, zu denen die Toten gehörten, hatten beschlossen, sich endlich zu wehren. Ist ihnen das zum Verhängnis geworden?

Für mich ist dies das bisher beste Buch der Reihe. Der Fall ist extrem spannend und ich hatte bis kurz vor Schluss überhaupt keinen Verdacht, wer der Täter sein konnte. Zudem gefiel mir das Zwischenmenschliche hier sehr – Lucs Beziehung zu seinem Vater, wie er ihm die letzte Zeit so schön wie möglich machen will, und seine Gewissenskonflikte wegen Anouks eventuellem Weggang. Er will sie nicht verlieren aber auch ihrer Karriere nicht im Weg stehen.
Da ich bisher nichts über Austern und ihre Zucht wusste (Meeresfrüchte sind nicht so meins, es sei denn, sie sind aus Schokolade und Nougat ;-)), fand ich auch die Hintergründe dazu sehr spannend. Das Erzählte macht mich sehr nachdenklich.

Abgerundet wird die Handlung durch Genussmomente in allen Varianten, seien die Beschreibung der Landschaften und der See oder der leckeren Gerichte und korrespondierenden Weine – Alexander Oetkers Bücher sprechen immer alle Sinne an.

Bewertung vom 06.11.2019
Storks, Bettina

Leas Spuren


ausgezeichnet

Marie ist Historikerin in Stuttgart und überrascht, als sie von einem Notar nach Paris eingeladen wird. Sie hat in Vertretung ihrer vor über 60 Jahren verstorbenen Großtante Charlotte zusammen mit dem französischen Journalisten Nicolas eine Wohnung von dessen Großvater Victor geerbt. Allerdings ist das Erbe an eine Bedingung geknüpft – sie müssen ein im 2. WK verschollenes Gemälde wiederfinden und dessen jüdische Erben. Marie will schon ablehnen, als sie auf der Suche nach einer im Testament erwähnten Mappe in Victors Schreibtisch zwei Sonderausweise findet. Haben er und Charlotte wirklich für die Nazis in der deutschen Botschaft gearbeitet?! Und wenn ja, was genau haben sie dort gemacht? „Mit dem Öffnen der Schublade hatten sie … den Geist aus der Flasche gelassen. Es gab kein Zurück.“ (S.39)
Marie bittet ihre Oma Ferdi um Hilfe, Charlottes jüngere Halbschwester. Aber die kann oder will sich nicht an die Ereignisse des Krieges erinnern. „Am besten lässt man die Vergangenheit ruhen, Kind. Es kommt nichts Gutes dabei heraus.“ (S. 126) Allerdings bestätigt sie, dass Charlotte in der deutschen Botschaft in Paris gearbeitet hat und mit Victor zusammen war.
Auch Nicolas Vater ist strikt dagegen, dass in Victors Vergangenheit gewühlt wird und dabei evtl. Dinge ans Licht kommen, die seinem Ruf – und damit den der Familie – schaden würden. Vor allem, als plötzlich das Thema Raubkunst im Raum steht.

Bettina Storks erzählt die Geschichte auf zwei Zeitebenen, so dass man als Leser bereits mehr über Charlottes und Victors Erlebnisse weiß, als Marie und Nicolas zu dem Zeitpunkt herausgefunden haben. Das hat es für mich besonders spannend gemacht und ich konnte mit ihnen mitfiebern.
Als Historikerin und Journalist sind Marie und Nicolas natürlich geradezu prädestiniert, Nachforschungen anzustellen – hat Victor sie vielleicht gerade deswegen ausgesucht? Ihre Suche gestaltet sich sehr schwierig, es gibt keine Spur des verschwundenen Bildes oder von deren ehemaligen Besitzern. Außerdem fragen sie (sich) nach Victors Beweggründen für seine Arbeit für die Deutschen. War er wirklich ein Kollaborateur? Und welche Rolle spielte Charlotte beim Verschwinden des Bildes? Die Suche nach dem Bild wird zur Suche nach der Wahrheit.
Es war erschreckend zu erfahren, dass es immer noch Zeitzeugen von damals gibt, die unter Schuldgefühlen leiden und nicht über die Ereignisse reden können oder wollen, weil es ihnen damals so eingebläut wurde.
Andererseits gibt es aber auch Menschen, die heute noch hunderte Daten der damals Deportierten sammeln in der Hoffnung, wenigstens einige Schicksale aufzuklären und damit gegen das Vergessen ankämpfen.

Mit viel Gefühl beschreibt sie die aufkeimende Liebe zwischen Charlotte und Victor in dieser schwierigen Zeit, in der eine Beziehung zwischen einer Deutschen und einem Franzosen nicht gern gesehen war. Beide wissen beide lange nicht, in wieweit sie dem jeweils anderen trauen können, trotzdem lassen sie sich aufeinander ein.
Besonders imponiert hat mir Charlottes „Erwachen“. Sie begreift schnell, dass es Unrecht ist, was die Deutschen – und ihre Trittbrettfahrer – in Frankreich veranstalten und schämt sich für ihr Volk. Charlotte will den französischen Juden unbedingt helfen und geht dafür ein hohes Risiko ein.

Schon mit „Das geheime Lächeln“ hatte mich Bettina Storks in ihren Bann gezogen und ins Paris der 30er Jahre entführt. Und auch „Leas Spuren“ haben mich bewegt und bis zum sehr emotionalen Ende gefesselt. Ich habe bis weit nach Mitternacht mit der Taschenlampe im Bett gelesen (eigentlich lese ich nie im Bett!), weil ich unbedingt wissen musste, wie es ausgeht. Die historischen Hintergründe sind wieder hervorragend recherchiert und reale Begebenheiten perfekt in die fiktionale Handlung eingebunden. Paris ist und bleibt einer meiner liebsten Schauplätze und bildet den stimmungsvollen Rahmen für diese großartige Geschichte.

Bewertung vom 31.10.2019
Günther, Ralf

Eine Kiste voller Weihnachten


ausgezeichnet

Eine zauberhafte Geschichte, die den Geist der Weihnacht in die Welt trägt

„Was andere entzückte, erzürnte Storch. Er hasste den Schnee ebenso wie dies ganze festliche Gesumm der Weihnachtsvorbereitungen, hasste die Lieder, die das Herz in Samt packten, den Geruch von Backpflaumen und Zimtsternen, hasste erst recht die Stille, die über die Stadt sank, je schneller es dem Heiligen Abend entgegenging.“ (S. 27)
Dresden 1890: Vincent Storch hat eine Fabrik für die von ihm erfundenen „Dresdner Pappen“ – aus Papier geprägte goldene Figuren für den Weihnachtsbaum. Ausgerechnet an Heiligabend entdeckt er auf dem Hof eine Kiste, die für Zinnwald bestimmt war. Die dortige Kirche hatte den neuen Schmuck bestellt. Storch hat einen Ruft zu verlieren („Ohne uns gibt es kein Weihnachten! Ich werde nicht zulassen, dass Orders nicht ausgeliefert werden.“ (S. 23)) und selbst keine Familie. Also spannt er das Fuhrwerk an und macht sich auf den Weg in Richtung ins Erzgebirge, obwohl der Schnee immer dichter fällt.

Lisbeth will dringend zurück nach Geising zu ihrer Familie, doch zu Fuß hat sie keine Chance, der Weg ist zu weit. Sie irrt durch Dresden und entdeckt ein fürstliches Käsegeschäft (als Dresdnerin habe ich Pfunds Molkerei anhand der Beschreibung natürlich sofort erkannt). Leider kann man ihr dort keine Mitfahrgelegenheit nennen. Auch Storch, dessen Fabrik direkt nebenan liegt, weist sie ab, aber sie schmuggelt sich auf sein Fuhrwerk und gibt sich erst zu erkennen, als er nicht mehr weiter weiß …

Seit 2011 das erste Buch der kleinen Weihnachtsreihe im Kindler Verlag erschienen ist, habe ich jedes Jahr gespannt auf die nächste Geschichte bekannter historischer Romanautoren gewartet und war etwas traurig, als 2015 der vorerst letzte Band erschien: „Das Weihnachtsmarktwunder“, ebenfalls von Ralf Günther. Um so mehr habe ich mich gefreut, als ich in der Ankündigung für dieses Jahr „Eine Kiste voller Weihnachten“ entdeckte.

Ralf Günther lässt „mein“ historisches Dresden lebendig werden: die Neustadt mit ihren kleinen Geschäften, Manufakturen und Fabriken, die Pferdestraßenbahn, erste Automobile und der Striezelmarkt. Ich finde es spannend, mich mit Storch und Lisbeth durch das immer dichtere Schneetreiben bis nach Zinnwald im Erzgebirge durchzukämpfen und zu beobachten, wie Lisbeth und die Menschen, denen sie unterwegs begegnen, aber auch alte Bräuche und Aberglauben, Storchs Herz wie eine Schneeflocke zum Schmelzen bringen und wieder für den Geist der Weihnacht erwärmen.
Die Illustrationen von Andrea Offermann lassen mein bibliophiles Herz höherschlagen und machen das Buch wieder zu einem kleinen Kunstwerk.