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Xirxe
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Hannover
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Bewertungen

Insgesamt 872 Bewertungen
Bewertung vom 26.09.2010
Woodhead, Patrick

Der Wolkentempel


sehr gut

Tibet, im Jahre 1956: Ein junger Mönch wird Zeuge, wie chinesische Soldaten ein Kloster niederbrennen und die Älteren brutal ermorden. Knapp 50 Jahre später sind zwei junge britische Bergsteiger in Tibet unterwegs um den Makalu zu besteigen, den fünfthöchsten Berg der Erde. Der Aufstieg misslingt, doch Luca, einer der beiden Männer, erblickt für einen kurzen Augenblick eine perfekt proportionierte Pyramide, die kurz darauf wieder hinter Wolken verschwunden ist. Zurück in Großbritannien beginnt er nachzuforschen und aus Interesse wird Ehrgeiz, diesen unkannten Berg als Erster zu besteigen. Ungefähr zur gleichen Zeit finden Mönche die Reinkarnation des elften Panchen Lama, einen neunjährigen Jungen, den chinesische Soldaten unter allen Umständen versuchen zu töten. Der skrupellose Hauptmann Zhu erhält diesen Auftrag und hinterlässt bei seiner Jagd eine Spur der Verwüstung.
Wie Lucas ehrgeizige Suche nach dem unbekannten Berg, die Flucht des elften Panchen Lama und seine Verfolgung durch Zhu zusammenhängen, schildert der Autor spannend und überwiegend realistisch - zumindest soweit ich dies beurteilen kann (die Kletterszenen empfand ich als durchaus glaubwürdig, Tibet kenne ich leider (noch) nicht). Seine Figuren sind detailliert und differenziert beschrieben, nur wenig wirkt konstruiert und zweifelhaft. Die Vermutung, der Roman drifte eventuell zu stark ins Mystische ab (wie auch der Titel vermuten lassen könnte), bestätigte sich nicht.
Alles in allem ein packender und dramatischer Abenteuerroman mit Thrillerelementen und aktuellem Bezug.

Bewertung vom 24.09.2010
Ginzburg, Natalia

So ist es gewesen, 3 Audio-CDs


sehr gut

"Ich habe ihm in die Augen geschossen." Welch ein Beginn für eine Liebesgeschichte, die sich mehr und mehr als Illusion einer solchen darstellt.
Als junge Lehrerin in einer italienischen Kleinstadt lernt die Protagonistin den deutlich älteren Alberto kennen, der sich um sie zu bemühen scheint. Obwohl sie nicht in ihn verliebt ist, verbringt sie gerne ihre Zeit mit ihm. Zum ersten Mal in ihrem Leben fühlt sie sich anerkannt, seine Aufmerksamkeiten und sein Interesse für sie, ihr Leben, ihre Gedanken tun ihr gut. So gut, dass sie ihn schmerzlich vermisst als er sich längere Zeit nicht bei ihr meldet. Und sie erkennt, dass sie sich in verliebt hat. Davon überzeugt, dass auch er in sie verliebt ist, gesteht sie ihm ihre Gefühle. Doch zu ihrer Überraschung empfindet er nicht ebenso, sein Herz gehört seit langem einer Anderen, die verheiratet ist. Dennoch heiraten sie: er aus dem Gefühl heraus dazu verpflichtet zu sein, weil er ihr falsche Hoffnungen machte; sie mit der Zuversicht, dass er sie noch lieben lerne, wenn sie mehr Zeit miteinander verbringen. Doch nach kurzer Zeit setzt Alberto sein Verhältnis zu der Anderen fort und seine Ehefrau begreift, dass er sich wohl nie endgültig für sie entscheiden wird. Auch das gemeinsame Kind ändert nichts an seinem Verhalten.
Bemerkenswert ist die Sprache der Autorin, in der sie die Ehefrau erzählen lässt wie es zu diesem Mord kam. Schlichte, einfache kurze Sätze mit immer wiederkehrenden Wiederholungen. Was in einem handlungsreichen Roman äußerst störend wirken würde, unterstreicht hier die Trostlosigkeit und Verzweiflung in der sich die Täterin befindet. Eva Mattes liest diese Worte in einer ebensolchen Form, so dass man ohne Weiteres glauben kann, der wahrhaftigen Gattenmörderin zuzuhören. Keine unterhaltende amüsante Hörbuch'lektüre', aber ein eindringliches und beeindruckendes Stück Literatur.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.09.2010
Holt, Anne

Gotteszahl / Yngvar Stubø Bd.4


sehr gut

Es gibt eine ganze Reihe von Morden in Bergen und Oslo - oder besser Toten. Eine ermordete Bischöfin, ein toter Asylbewerber der aus dem Wasser gefischt wird, eine heroinsüchtige junge Frau stürzt aus dem Fenster, ihr Bruder wird in einem Park niedergeschlagen und noch ein, zwei mehr. Wer den Klappentext zuvor nicht gelesen hat, wird keinerlei Verbindungen erkennen, erste Anhaltspunkte tauchen ab der Mitte des Buches auf. Dort wird eine ominöse "Gruppe 25" eher beiläufig eingeführt, religiöse Fanatiker deren Ziel die Tötung einer bestimmten 'Art' Menschen ist. Doch erst nach 3/4 der Lektüre werden die Zusammenhänge klarer erkennbar, die zwischen all den Toten und dieser Gruppe bestehen. Bis dahin laufen die Ermittlungen unabhängig voneinander, wobei Kommissar Yngvar Stubø aufgrund der Brisanz des Falles in Bergen ermittelt, um dort den Mord an der Bischöfin aufzuklären. Insgesamt gibt es sicherlich sieben bis acht unterschiedliche Handlungsstränge, die mehr oder weniger zusammenhanglos nebeneinanderher laufen, bis dann im letzten Viertel des Buches sich alles ineinander fügt wie die Teile eines großen Puzzles (wobei das ein oder andere Teil übrigbleibt).

Gotteszahl war mein erstes Buch von Anne Holt und vermutlich auch nicht mein letztes. Denn eines steht fest: Frau Holt kann schreiben. Und zwar in dem Sinne, dass man es lesen möchte. Doch nach dem Lesen der letzten Seite bin ich mir immer noch unschlüssig: War das nun wirklich brilliant oder eher langatmig und zäh? Denn die typischen Eigenarten eines Krimis sind in diesem Buch nicht zu finden: Man fiebert vor Aufregung, wen erwischt es als Nächstes? Ist der/die ErmittlerIn auf der richtigen Spur? Liege ich mit meinem Verdacht richtig?

Vielleicht sollte man ein neues Genre einführen: Roman mit krimihaftem Charakter - dafür gibt es auch 4 Sterne :-)

Bewertung vom 05.09.2010
McDermid, Val

Tödliche Affäre


gut

Normalerweise ereignen sich in Krimis Verbrechen, die von mehr oder weniger tollen HeldInnen aufgeklärt werden - nicht so jedoch in diesen beiden Kurzkrimis von Val McDermid.
In der ersten Geschichte nimmt man teil an den Planungen und Überlegungen eines Schriftstellers, ohne allerdings zu wissen was er damit bezweckt. Er baut eine virtuelle Beziehung auf die in jede Richtung eine derartige Intensität gewinnt, dass die Lust auf das reale Gegenüber so groß wird, dass sie nicht mehr zurückzudrängen ist. Die Virtualität wird verlassen - und die ZuhörerIn ahnt was kommt. Dennoch bleibt es bis zum Schluss spannend.
Der zweite Krimi (wenn man es überhaupt so nennen mag) ist von gänzlich anderem Charakter. Hier erzählt ein Berufsverbrecher auf ausgesprochen charmante Art und Weise von seinem Werdegang und seinem Versuch, einen Job zu finden und ein anständiges Leben zu führen. Man erfährt, dass Diebe und Einbrecher ein Berufsethos haben, ebenso wie ihnen Würde und Familie wichtig sind. Letzlich wünschen auch sie sich nichts anderes als der normale Durchschnittsbürger. All dies wie sein erfolgreiches Bemühen auf unkonventionelle Art und Weise wieder zurück auf den Pfad der Tugend zu kommen, ist amüsant erzählt wie auch vorgelesen.
Schöne Unterhaltung für zwischendurch.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 03.09.2010
Nesbø, Jo

Kakerlaken / Harry Hole Bd.2


sehr gut

Nachdem Harry Hole in der ersten Folge in Australien ermitteln durfte, verschlägt es ihn diesmal nach Bangkok. Der norwegische Botschafter wurde ermordet und aus politischen Gründen ist äußerste Diskretion angesagt. Harry erkennt bald, dass man ihn nur unzureichend mit Informationen versorgt hat, er bekommt es mit Pädophilen zu tun und stößt zudem auf ein unschönes Konglomerat von Politik und Business. Schnell wird ihm klar, dass auf oberster Ebene auch bei der Polizei in Norwegen und Thailand kein allzu großes Interesse an einer genauen Aufklärung dieses Mordes besteht...
Wie in seinem ersten Fall erhält man auch in diesem Buch einen für einen Thriller recht genauen Einblick in die Gesellschaft, diesmal der thailändischen - für Thrillerbegeisterte vielleicht etwas zu viel des Guten. Die Lösung scheint ziemlich schnell auf der Hand zu liegen, bis nach der Hälfte des Buches der Fall eine überraschende Wendung nimmt - und sie bleibt nicht die einzige. Es gibt unkonventionelle Liebespaare und außergewöhnliche Persönlichkeiten - wirklich keine Lektüre nach Schema F.
Für einen Thriller mag das Buch zu ruhig daherkommen, bis kurz vor Schluss tropft nur relativ wenig Blut aus den Seiten :-) Spannend bleibt es dennoch, gut geschrieben ist es auch - und man freut sich auf den nächsten Harry-Hole-Krimi.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 26.08.2010
Ramuz, Charles Ferdinand

Die große Angst in den Bergen


ausgezeichnet

Bis vor wenigen Jahren noch führten Hörbücher ein Nischendasein, doch mittlerweile erscheint kaum ein halbwegs erfolgversprechendes Buch, das nicht gleichzeitig eine Audioversion im Schlepptau mit sich führt. Doch manche dieser Audiobooks sind weit mehr als nur ein Anhängsel einer papiernen Neuerscheinung: Sie sind ein Erlebnis ganz eigener Art. ,Die große Angst in den Bergen' von Charles Ferdinand Ramuz ist ein solches Erlebnis.
Zwanzig Jahre, nachdem sich ein schreckliches Unheil auf der Alp Sasseneire ereignete, beschließt die nächste Generation gegen den Willen der Alten, wieder Vieh dort hinaufzutreiben. Und das Unfassbare geschieht erneut: Eine Seuche ergreift die Kühe, die Sennen dürfen die Alp nicht verlassen und das Dorf wird von neuem von furchtbaren Unglücksfällen erfasst.
Was sich für uns rational denkende, moderne Menschen nur als eine Verkettung verhängnisvoller Ereignisse darstellen mag, ist für die Bewohner dieses Dorfes die Heimsuchung des Unbekannten, die Bestrafung dafür, dass sie ein verbotenes Stück Land erneut aufgesucht haben.
Christian Brückner liest diese Geschichte - und wie er sie liest. Stellenweise vorsichtig, zögerlich, fast leise erzählt er, um dann unvermittelt wieder hervorzubrechen mit seiner rauen, etwas heiser klingenden Stimme. All das Grauen, das Unheil, das nur darauf zu warten scheint, über das kleine Dorf hereinzubrechen, hört, nein, man beginnt es zu fühlen, wenn er spricht. Es ist meisterhaft, wie seine Stimme, obwohl unverwechselbar, den unterschiedlichen Charakteren ihre Besonderheit verleiht: den Männern auf der Alp; dem unheimlichen Klu, der etwas zu verbergen scheint; Joseph, dem Liebenden, voller Verzweiflung und Sehnsucht nach seiner Braut; Bartholomä, der trotz Furcht vor dem was da kommen mag, voller Zuversicht an den Schutz seines Papieres glaubt, das er um den Hals hängen hat. Irgendetwas ist da in diesen Bergen, es wartet - und Christian Brückner bringt es einem so nahe, dass es einen schaudert und fröstelt. Schlicht und einfach: GENIAL!

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 19.08.2010
Dahl, Arne

Falsche Opfer / A-Gruppe Bd.3 (6 Audio-CDs)


ausgezeichnet

Für ein Hörbuch viel zu spannend und anspruchsvoll!! Und dieser Satz ist genauso gemeint wie ich ihn geschrieben habe. Nur kurz abgelenkt, schon fehlen einige Worte die nicht unwesentlich zum Verstehen des Ganzen beitragen. Da das 'Zurückblättern' oder '-spulen' bei einer CD doch etwas schwerer fällt, bleibt einem nichts anderes übrig, als wirklich ganz genau zuzuhören.
Die Handlung beginnt bereits etwas verworren: Das A-Team wurde aufgelöst, verstreut in alle Landesteile, und jede/r betreut unterschiedliche Fälle. Es gilt einen Mord unter Fußballfans aufzuklären, in einem Gefängnis explodierte eine Bombe und hinterließ einen Toten, ein wildes Gemetzel zweier Banden ergab ein Massaker und zuguterletzt ein Pädophilenring der hochgenommen werden soll. Der scheinbare Bandenkrieg wird zum Politikum und um baldige Ergebnisse aufweisen zu können, wird die A-Gruppe wieder in Amt und Würden gesetzt. Bei den weiteren Ermittlungen werden Verbindungen zu den anderen Ereignissen sichtbar und nach und nach fügen sich die einzelnen Teile wie ein Puzzle zu einem unglaublichen Bild zusammen.
Manche RezensentInnen kritisieren, all dies wäre zu sehr an den Haaren herbeigezogen, doch genau das habe ich nicht so empfunden. Das allmähliche Zusammenströmen der einzelnen Handlungsabläufe wirkte an keiner Stelle konstruiert, vielmehr fügte sich alles so logisch und klar zueinander, dass man sich gar nicht vorstellen kann, dass es auch anders hätte ablaufen können.
Im Gegensatz zu den beiden Vorläuferromanen sind Hjelm und Holm etwas in den Hintergrund gerückt, was der Geschichte aber keinen Abbruch tut. Dahls Figuren bleiben herrlich klischeefrei und für die kleinen Sätze wie (sinngemäß) 'der Pädophile erlebte in seiner Kindheit genau das, was er jetzt seinen Kindern antat' liebe ich seine Romane. Er schildert wie in den vorigen Büchern ein deutliches Bild der Gesellschaft ohne in Schwarz-Weiß-Malerei zu verfallen. Das Ganze noch dazu in einer schönen und durchaus anspruchsvollen Sprache - einfach genial.
Till Hagen liest auch dieses Buch akzentuiert und spannend, aber ich werde beim nächsten Mal dennoch lieber zu einem Buch greifen. Das Zurückblättern ist doch einfacher :-)

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 17.08.2010
Alexie, Sherman

Das absolut wahre Tagebuch eines Teilzeit-Indianers


ausgezeichnet

Hi, ich heisse Arnold, zumindest nennnen mich die Weißen an meiner Schule so (also alle in Springdale). Daheim, im Spokane-Reservat wo ich mit meiner Familie lebe, rufen sie mich Junior, für einen Spokane-Indianer ein völlig normaler Name. Wie beinahe alle im Reservat sind wir arm, richtig arm. Damit meine ich nicht, dass ich keinen i-Pod oder nur das vorletzte Modell der Nike-Treter habe, nein, wir sind so arm dass immer wieder mal das Essen ausfällt oder ich die 35 km von der Schule zu Fuss heimgehen muss. Und wie fast alle Familien haben wir ein Alkoholproblem: Mein Vater säuft, aber immerhin verprügelt er mich nicht. Als ob das alles nicht reichen würde für ein glückliches Leben, wurde ich regelmäßig verdroschen weil ich ein 'Schwachkopf' bin (Ich seh' ein bisschen merkwürdig aus und lisple und stottere). Deshalb blieb ich meistens daheim und zeichnete Karikaturen und Comics.
Wie ich dann als einziger Indianer an eine 'weiße' Schule gekommen bin? Das habe ich Mr. P zu verdanken, meinem Mathematiklehrer dem ich in der ersten Stunde in der Highschool im Reservat mein Geometriebuch ins Gesicht geworfen hatte (er hatte danach ein gebrochenes Nasenbein). Ohne seine Hilfe hätte ich mich nie getraut nach Springdale zu gehen, ich wäre kein guter Basketballspieler geworden, hätte nie Penelope kennengelernt (das schönste Mädchen an der Highschool) und wüsste nicht, dass man auch mit Büchern einen Ständer bekommen kann (nein, nicht solche Bücher ;-)) Aber bis dahin zu kommen war nicht leicht. Wie das genau abging, kannst du in meinem Tagebuch nachlesen. Ein paar Comics und Karikaturen habe ich auch 'reingemalt. Vielleicht trifft man sich ja wieder. Und damit du dir deine Mäuse sparen kannst, schreibe ich noch ein paar Sätze für deine Eltern - dann bekommst du das Geld für das Buch bestimmt von ihnen.

Es ist kaum zu glauben, wieviel ernste Themen Sherman Alexie in diesem Buch anspricht ohne auch nur ansatzweise mit dem allseits bekannten Zeigefinger zu winken. Rassismus (und zwar sowohl Weiß gegen Rot wie Rot gegen Weiß), das Armuts- und Alkoholproblem der (Spokane-)Indianer, nichtexistente Eltern (insbesondere Väter), Magersucht undundund. All dies und noch mehr mündet immer wieder in ein Plädoyer, für seine Träume zu kämpfen, Grenzen auch gegen Widerstände zu überschreiten, sich nicht unterkriegen zu lassen egal wie hart es kommt und sich darüber im Klaren zu sein, dass Freundschaften nicht von der Hautfarbe abhängig sind. Erzählt wird dies alles in einer wunderbar schnoddrigwitzigen Form sowie durch Comiczeichnungen und Karikaturen, dass einem selbst bei den betrüblichsten Ereignissen zumindest etwas die Mundwinkel zucken.
Uneingeschränkt empfehlenswert ab ca. 12, 13 Jahren.

1 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.