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dorli
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Insgesamt 894 Bewertungen
Bewertung vom 29.10.2013
Schröder, Atze

Und dann kam Ute


gut

Nachdem Atzes langjährige Nachbarin Helga Wachowiak vor einen halben Jahr ausgezogen ist, wurde deren Wohnung jetzt neu vermietet: Ute zieht ein. Ute ist Vegetarierin, arbeitet in einer Waldorfschule und ist schwanger – ihre Lebenseinstellung ist das genaue Gegenteil von Atzes Ansichten. Dennoch fühlt sich der Dauer-Single von der neuen Nachbarin angezogen. Ob eine Beziehung trotz der ganzen Unterschiede gut gehen kann?

Atze Schröder hat einen Roman geschrieben – ein Buch, auf das ich sehr neugierig war. Leider muss ich sagen, dass ich nach dem Lesen ein wenig enttäuscht bin. Der Klappentext hat mich eine fortlaufende Geschichte erwarten lassen, in der es durchweg um das Kennenlernen und das Miteinander von Atze und Ute geht.
Anders als erhofft, ist dieser Roman aber eher eine Aneinanderreihung von einzelnen Episoden, in denen Atze erzählt, was ihm bei seinen vielfältigen Unternehmungen so alles widerfährt. Die Szenen mit Ute sind oft nur eine Überleitung zu einem weiteren Atze-Abenteuer.
Die unterschiedlichen Erlebnisse für sich genommen haben mich trotzdem amüsiert, hier gibt es puren Atze-Humor. Auch wenn sich der Witz seines überbordenden Machogehabes im Verlauf der Geschichte etwas verliert, wurde ich von den meisten Storys doch gut unterhalten. Hier und da gibt es sogar einige nachdenkliche Sätze, die Atze seine Einstellung zum Leben überdenken lassen.

„Und dann kam Ute“ ist nicht ganz das, was ich erwartet habe, aber eingefleischte Atze-Fans werden dieses Buch lieben.

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Bewertung vom 24.10.2013
Scheurer, Thilo

Letzte Ausfahrt Neckartal


ausgezeichnet

Rottweil. Die Kommissare Wolfgang Treidler und Carina Melchior werden zur Autobahnraststätte Neckartal gerufen. In einem abgestellten Fahrzeug wurde ein Toter gefunden. Noch bevor ihre Ermittlungen richtig in Gang kommen, klingt sich Rüdiger Paschl vom BKA in den Fall ein und übernimmt die Leitung. Paschl ist davon überzeugt, dass der Mord einen terroristischen Hintergrund hat. Als Melchior bei den persönlichen Dingen des Opfers einen USB-Stick mit mysteriösen Dateien findet, weisen die Spuren jedoch in eine andere Richtung. Melchior und Treidler beginnen, auf eigene Faust zu ermitteln…

„Letzte Ausfahrt Neckartal“ ist bereits der zweite Fall für die Rottweiler Kommissare Treidler und Melchior. Für mich war dieser Krimi aber das erste Buch, das ich von Thilo Scheurer gelesen habe. Auch ohne Kenntnis des ersten Bandes habe ich die beiden Kommissare gut kennengelernt und hatte zu keiner Zeit das Gefühl, dass mir Informationen fehlen würden.
Thilo Scheurer wartet in diesem Krimi mit einer tollen Mischung aus Spannung, Action, humorvollen Dialogen und dem interessanten und aktuellen Thema Datenüberwachung auf.
Die Handlung hat mich von Anfang an gefesselt. Durch die detaillierten Schilderungen der Ereignisse und ausführlichen Beschreibungen der Schauplätze ist man stets mittendrin im Geschehen und begleitet die Ermittler von Rottweil über Berlin nach Kattowitz und wieder zurück nach Rottweil, wo dann eine rasante Verfolgungsjagd nicht nur die Akteure in Atem hält.
Die von Treidler und Melchior gesammelten Informationen und Erkenntnisse bringen im Verlauf der Geschichte einige Wendungen und Überraschungen mit sich und haben mich bis zum Schluss über Täter und Hintergründe grübeln lassen.

„Letzte Ausfahrt Neckartal“ ein spannender Krimi mit zwei sehr sympathischen Ermittlern. Ich freue mich, dass es weitere Fälle mit Wolfgang Treidler und Carina Melchior geben wird.

Bewertung vom 24.10.2013
Eckert, Horst

Schwarzlicht


ausgezeichnet

Düsseldorf. Wenige Tage vor der Landtagswahl wird Ministerpräsident Walter Castorp ertrunken im Swimmingpool eines befreundeten Bauunternehmers aufgefunden. Mord – wie kurze Zeit später die ersten Spuren bestätigen. Vincent Veih übernimmt die Ermittlungen. Der zum vorläufigen Leiter des K11 ernannte Hauptkommissar hat es mit der Aufklärung dieses Falls nicht leicht. Nicht nur, dass die Hinweise in ganz unterschiedliche Richtungen führen, seine Kollegen neiden ihm den neuen Posten und auch privat läuft es für Vincent nicht zum Besten. Außerdem wird wegen der bevorstehenden Wahl von Seiten der Politik Druck gemacht und ein schnelles Ermittlungsergebnis gefordert…

Horst Eckert hat mir in „Schwarzlicht“ alles geboten, was zu einem fesselnden Krimi dazugehört. Eine flüssig und spannend erzählte Geschichte, deren Spannungskurve durchgehend auf einem hohen Niveau bleibt, die logisch aufgebaut ist und die mir durch zahlreiche offene Fragen und unerwartete Wendungen viel Platz zum Miträtseln und Mitgrübeln gegeben hat.

Besonders gut gefallen hat mir die sehr vielschichtige Handlung. Man verbringt den ganzen Tag mit Vincent und ist so nicht nur bei den Ermittlungen dabei, sondern erlebt auch alles andere, was ihn beschäftigt, sehr intensiv mit. Sei es nun der Ärger mit seiner langjährigen Freundin Nina, die Beziehung zu seiner Mutter, deren Vergangenheit als Terroristin Vincent nach wie vor Probleme macht oder auch der Hickhack um die Nachfolge seiner Noch-Chefin Ela Bach im Präsidium.

Die Ermittlungen selbst gestalten sich als schwierig, die Hinweise gehen in ganz unterschiedliche Richtungen - eine Abhöraffäre, Schwarzgeld, Korruption aber auch Drogen und das Rotlichtmilieu scheinen in diesem Fall eine Rolle zu spielen. Es brodelt mächtig im Hintergrund, denn die bevorstehende Wahl macht alle nervös. Durch die Prominenz des Opfers ist das Interesse der Öffentlichkeit hoch und Vincent wird von allen Seiten unter Druck gesetzt. Sogar das Kanzleramt schaltet sich ein.

Horst Eckert hat mit Vincent Veih einen sehr starken Charakter erschaffen. Vincents schwere Kindheit beeinflusst ihn nachhaltig. Von der Mutter, die sich der RAF anschloss, zurückgelassen und bei den Großeltern aufgewachsen, hat Vincent bis heute mit der Nazi-Vergangenheit seines Großvaters zu kämpfen. Seinen Vater kennt er nicht. Dieser Hintergrund hat aus Vincent einen Mann gemacht, der, wenn es sein muss, auch gegen den Strom schwimmt. Er lässt sich nicht vorschreiben, wie er einen Fall zu lösen hat, und greift auch gern mal zu Mitteln, die nicht immer den Vorschriften oder Anweisungen entsprechen. Gerechtigkeit hat für ihn oberste Priorität, auch wenn er anderen damit auf die Füße tritt.

Die Auflösung des Mordfalls Castorp ist einleuchtend und schlüssig, wobei ich von der Identität des Mörders überrascht wurde. Welche Richtung Vincents Privatleben nehmen wird, bleibt am Ende des Buches offen. Macht aber nichts, denn es wird weitere Fälle für Hauptkommissar Vincent Veih geben. Ich freue mich drauf.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 21.10.2013
Emmerich, Alexander

Wut im Quadrat


sehr gut

Kriminalhauptkommissarin Olivia von Sassen ist mit dem ICE unterwegs von Berlin nach Mannheim, um hier ihren Dienst bei der Mordkommission anzutreten. Kurz vor ihrem Ziel glaubt sie auf dem Mannheimer Rangierbahnhof in einem abgestellten S-Bahnwaggon einen Mord zu beobachten.
Olivia zögert nicht und zieht die Notbremse. Sie eilt zu dem abgestellten Waggon und benachrichtigt noch im Laufen die Polizei. Doch als ihre künftigen Kollegen eintreffen, sind weder ein Opfer noch ein Täter auffindbar…

Alexander Emmerich beginnt seinen Krimi „Wut im Quadrat“ mit einem interessanten Prolog. Er erklärt ausführlich die Bedeutung von „Wut“ und lässt dann zwei sehr wütende Menschen aneinanderrasseln. Einer er Kontrahenten behält die Oberhand – mehr erfährt der Leser an dieser Stelle nicht.
Im Folgenden erlebt man gemeinsam mit Olivia von Sassen die ersten drei Tage auf ihrer neuen Dienststelle in Mannheim. Es bleibt Olivia wenig Eingewöhnungszeit, sofort fordern Mord und eine Entführung ihre ganze Aufmerksamkeit.

Der Autor schickt ein sehr sympathisches Ermittlerteam ins Rennen. Olivia ist ein Technikfreak. Sie wurde nach mehreren Jahren bei der Berliner Kripo nach Mannheim versetzt. Den Grund dafür verschweigt sie. Im Gegensatz zu Olivia hat ihr Kollege Moritz Martin mit technischen Geräten wenig am Hut, zudem hält sich seine Ordnungsliebe in Grenzen. Auch Moritz gibt sich geheimnisvoll, wenn es um seine zahlreichen Informanten in der Stadt geht. Die beiden Ermittler sind schnell auf einer Wellenlänge und werden ruckzuck zu einem eingespielten Team. Tatkräftige Unterstützung bei der Spurensuche erhalten sie von dem überaus korrekt arbeitenden Leiter der Gerichtsmedizin Dr. med. Fatih Üstbas, der von Moritz ab und an überredet wird, entgegen der Vorschriften zu handeln. Über allem wacht (am liebsten nur von seinem Schreibtisch aus) der Leiter der Mordkommission Dr. Manfred Klose.

Es hat mir großen Spaß gemacht, mit Olivia und Moritz auf Verbrecherjagd zu gehen. Die beiden machen sich beherzt ans Werk und ermitteln auf eigene Faust weiter, als Dr. Klose Olivas Beobachtungen im S-Bahnwaggon als Fehlalarm abtut.
Die ganze Handlung ist von der ersten bis zur letzten Seite gut durchdacht, auf spannende Ermittlungen folgt eine schlüssige Auflösung, alle Geschehnisse werden nachvollziehbar erklärt.
In die laufende Handlung streut Alexander Emmerich ganz geschickt immer wieder Wissenswertes über Mannheim ein und gibt hier und da interessante Einblicke in die Kultur der Quadratestadt.

Ein gelungenes Debüt, ich freue mich schon auf weitere spannende Fälle mit Olivia und Moritz.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.10.2013
Burseg, Katrin

Der Sternengarten


ausgezeichnet

Schleswig 1640. Nachdem ihr Vater und ihr Bruder Christian von einem Ochsentrieb nicht zurückgekehrt sind, lässt die 12-jährige Sophie ihre kleine Schwester Melissa bei der Kräuterfrau Johanna Michels zurück und macht sich in der Kleidung ihres Bruders auf den Weg nach Gottorf, um als Gartenjunge zu arbeiten.
Hier begegnet Sophie dem jungen Perser Farid. Die beiden fühlen sich zueinander hingezogen, doch eine gemeinsame Zukunft wird nach einer Gräueltat des Ritters Rantzau für beide unmöglich. Während Farid Gottorf verlässt, findet Sophie im Haushalt der Familie Olearius Unterstützung und kann sowohl an der Herstellung des Gottorfer Codex wie auch an der Planung des Gottorfer Riesenglobusses mitarbeiten…

In „Der Sternengarten“ entführt Katrin Burseg den Leser in die Zeit der Regentschaft des Herzogs Friedrich III. nach Gottorf.
Nach einem kurzen Prolog beginnt die eigentliche Geschichte mit der öffentlichen Hinrichtung des für die fehlgeschlagene Orientexpedition verantwortlich gemachten Otto Brüggemann. Herzog Friedrich hat nach dem Debakel der Persienreise seine Handelspläne aufgegeben und wendet sich nun anderen Ideen und Träumen zu. Friedrich lässt nördlich des Gottorfer Schlosses den Neuwerk-Garten angelegen und plant hier den Bau eines Globushauses mit einem begehbaren Riesenglobus.

Es ist Katrin Burseg hervorragend gelungen, Sophies Geschichte in diese historischen Begebenheiten einzubetten. Fiktive und historische Figuren werden einleuchtend miteinander kombiniert, das Zusammenspiel ist gut durchdacht und ausgeklügelt. Man kann Sophies Lebensweg und ihren Werdegang in Gottorf von der Gartenarbeit über die Blütenmalerei für den Gottorfer Codex bis hin zu ihrer Mithilfe an den Plänen für den Globus sehr gut verfolgen und lernt dabei auch historische Persönlichkeiten wie den Hofmathematiker Adam Olearius oder den Kunstschmied Andreas Bösch gut kennen.

Die lebendige, flüssige Schreibstil und besonders das anschauliche Erzählen haben mich begeistert. So lässt die Autorin den Perser Farid ganz farbenprächtig seine Heimatstadt Istefan beschreiben oder Olearius sehr detailliert von der Planung und dem Bau des Globusses berichten und dessen genaue Funktion erklären, so dass man sich ein sehr gutes Bild von diesem technischen Wunderwerk der damaligen Zeit machen kann.

Katrin Burseg lässt auch die politischen Verwicklungen und die Schwierigkeiten in der von Kriegen strapazierten Region nicht aus. Seine kostspieligen Vorhaben will der Herzog mittels Steuererhöhungen finanzieren. Eine Maßnahme, die der Ritterschaft ein Dorn im Auge ist, da Friedrich die erforderliche Zustimmung der Ritter bei Steuerbewilligungen außer Acht lassen will. Es kommt zu Unruhen.

Die Autorin hat den Ritter Christian Rantzau als Bösewicht für ihren Roman auserkoren, hat aber im Nachwort erklärt, ihm mit dieser Rolle Unrecht zu tun. Nichtsdestotrotz spielt Rantzau den ihm zugedachten Part mehr als gut – er ist brutal und grausam und sieht sich selbst mit seinem Tun völlig im Recht, er ist der Meinung, Gott wäre auf seiner Seite. Besonders Sophie muss durch Rantzau sehr viel Leid erfahren.

Der Roman spielt in der Zeit von 1640 bis 1658. Eine recht große Zeitspanne. Ich hatte manchmal das Gefühl, als würde ich von einem großen Ereignis zum nächsten hüpfen und die Geschehnisse dazwischen würden viel zu schnell an mir vorbeiziehen. Hier und da hätte ich gerne noch mehr über Sophies Alltag gelesen. Aber das hätte dann wohl den Rahmen dieses ohnehin schon über 600 Seiten starken Romans gesprengt.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 09.10.2013
Pollock, Tom

Der Wolkenkratzerthron


ausgezeichnet

Die 16-jährige Graffitikünstlerin Beth Bradley ist wegen frecher Graffitis von der Schule geflogen. Ihre beste Freundin Pen hat sie verraten. Zuhause wird Beth von ihrem Vater kaum wahrgenommen, seit ihre Mutter gestorben ist. So zieht sie enttäuscht und wütend zugleich durch Londons dunkle Straßen bis zu ihrem Tunnel - eine Zuflucht, in der sie seit Jahren ihre Fantasiewelt an die Wände sprayt. An diesem Abend fühlt Beth sich einsam und verlassen. Plötzlich geschieht etwas Merkwürdiges: Ein geisterhaftes Zugwesen rattert in den Tunnel. Beth steigt ein und landet in einem mysteriösen London. Seltsame Geschöpfe tummeln sich hier und Beth begegnet Filius Viae, Kronprinz der Straßen Londons. Filius erzählt Beth von einer schrecklichen Gefahr. Der Kran-König Reach bedroht die Stadt. Und so macht Beth sich mit Filius in dieser wundersamen Welt auf die Suche nach Verbündeten für den Kampf gegen Reach…

Was Tom Pollock ohne Zweifel besitzt, ist eine Mega-Portion Fantasie. Er hat in diesem Buch Kreaturen geschaffen, wie sie mir in noch keiner anderen Geschichte über den Weg gelaufen sind. Dabei orientiert er sich hauptsächlich an den Dingen, die eine Großstadt wie London zu bieten hat. So beherbergen zum Beispiel Straßenlaternen das Lampenvolk. In Statuen stecken Menschen, die aufgrund von Verbrechen in vergangenen Leben zur Strafe in die Steinhaut hineingeboren wurden. Gossenglas, Filius Aufpasser, ist ein Müllmonster und erschafft sich täglich mit Hilfe von Kakerlaken und Ameisen neu. Die spießigen Reflexokraten leben als Spiegelbilder im London-hinter-Glas. Gerüste und Kräne werden zu reißenden Bestien.

Neben diesen skurrilen Geschöpfen schickt der Autor auch sehr interessante Hauptfiguren ins Rennen.
Da ist zuallererst Beth. Die Sprayerin ist aufmüpfig, wild, leichtfertig und fahrlässig, gleichzeitig aber auch sehr einsam. Sie sehnt sich nach einem richtigen Zuhause und hofft, dieses bei Filius zu finden.
Filius Viae ist ein Kind der Straßen Londons, mit einer Haut grau wie Beton und Blut dunkel wie Öl. Filius ist in seiner Welt gefangen. Von Gossenglas aufgezogen, wartet er auf die Rückkehr seiner Mutter, der Göttin Mater Viae. Beths aufbrausende Art ermuntert ihn, sich dem bedrohlichen Krankönig Reach entgegenzustellen.
Pen ist Beths beste Freundin. Die Muslime ist einerseits geprägt von ihrer Tradition und Kultur, wird andererseits in ihrem Denken aber von Schule, Freizeit und natürlich besonders von Beth beeinflusst. Pen muss im Verlauf der Geschichte Bekanntschaft mit einer von Pollocks fiesesten Kreaturen machen.
Beths Vater Paul ist von der Trauer um seine verstorbene Frau wie gelähmt und merkt gar nicht, wie sehr seine Tochter ihn braucht. Beths plötzliches Verschwinden rüttelt ihn endlich wach und er macht sich auf eine verzweifelte Suche nach seiner Tochter.
Als besonders liebenswerte Nebenfigur muss noch Viktor genannt werden. Der ständig betrunkene Russe sorgt mit seinem herrlich trockenen Humor für beste Unterhaltung.

Vieles davon hört sich ein bisschen verrückt an, aber das Zusammenspiel all dieser Gestalten ist auf eine spannende und interessante Art verrückt und hat mich durchweg begeistert. Nicht nur Pollocks Einfallsreichtum ist einfach grandios, er wartet auch mit einer gut ausbalancierten Mischung aus dunklen Momenten, humorigen Szenen, gnadenlosen Kämpfen und einigen Überraschungen auf. Außerdem hebt er immer wieder hervor, wie wichtig Freundschaft ist und dass es sich lohnt, zusammenzuhalten und für seine Lieben zu kämpfen.

Der Autor verzichtet darauf, für die eigenartigen Geschehnisse Hintergründe zu nennen. Er lässt seine Figuren einfach Handeln und überlässt es dem Leser, eigene Schlüsse aus den Vorkommnissen zu ziehen und Zusammenhänge selbst herzustellen.

Pollocks frische Ideen machen dieses Buch zu einer atemberaubenden Entdeckungsreise in eine fremde und doch irgendwie bekannte Welt. Es kommt einfach darauf an, wie man die Dinge betrachtet :-)

Bewertung vom 08.10.2013
Buder, Christian

Die Eistoten


sehr gut

Die 11-jährige Alice lebt mit ihrem Vater und ihrer Schwester Amalia in dem kleinen Dorf Hintereck. Ihre Mutter ist vor 4 Jahren gestorben. Angeblich erfroren - ein Unfall, heißt es offiziell. Doch Alice ist fest davon überzeugt, dass ihre Mutter ermordet wurde. Als Alice gemeinsam mit ihrem Freund Tom im Wald ein erfrorenes Mädchen entdeckt, geht sie davon aus, dass der Mörder wieder zugeschlagen hat und beginnt auf eigene Faust zu ermitteln…

Christian Buder hat sich als Schauplatz für seinen Thriller ein beschauliches Dorf im Allgäu ausgedacht. Sehr idyllisch, möchte man meinen, doch der Schein trügt. Über dem Dorf liegt eine eigentümliche Stimmung: eiskalte Winterabende, an dem merkwürdige Dinge geschehen. Allabendlich bellende Hunde verstummen plötzlich, die Kirchentür ist mit Blut beschmiert. Hinzu kommt das zum Teil recht seltsame Verhalten der Dorfbewohner. Dem Autor gelingt hier eine angespannte, düstere Atmosphäre, die sehr gut zu der gesamten Situation passt.

Mittendrin die herrlich altkluge Alice. Sie ist blitzgescheit und sehr neugierig. Sie hinterfragt alles und gibt sich sehr zum Verdruss ihres Vaters nicht mit belanglosen Antworten zufrieden. Bei ihrer Spurensuche geht Alice mit Logik zu Werke und kann geschickt kombinieren. Buder legt ihr oft pfiffige Worte in den Mund, die mich immer wieder haben schmunzeln lassen.

Das Verhalten von Alices Vater hat mich erschreckt. Er scheint überfordert mit seiner hochbegabten Tochter und statt mehr auf sie einzugehen und zumindest zu versuchen, ihre Überlegungen zu verstehen, geht er von einer psychischen Störung aus, weil sie seiner Meinung nach den Tod ihrer Mutter nicht verkraftet.

Die Idee, philosophische Elemente mit einem Thriller zu verweben, finde ich sehr spannend. Alice kann den längst verstorbenen Ludwig Wittgenstein sehen und sich mit ihm unterhalten. Wittgenstein liefert Alice Denkanstöße und Erklärungen und bringt Alice dazu, ihre eigenen Gedanken intensiver zu hinterfragen. Die Gespräche sind ihr bei ihren Überlegungen zu den Vorkommnissen in Hintereck eine große Hilfe.

Ein weiteres Thema, dass Buder aufgreift, ist das Beichtgeheimnis. Schnell wird klar, dass der Pfarrer des Dorfes den Täter nicht nur kennt, sondern auch weiß, dass das Morden noch weitergehen wird. Der Pfarrer unternimmt wenig, das Beichtgeheimnis hindert ihn daran, die Identität des Mörders preiszugeben. Ich habe nicht gewusst, dass die Schweigepflicht auch gilt, wenn das Leben anderer Menschen in Gefahr ist. Für mich unfassbar, aber es ist wohl tatsächlich so, dass das Beichtgeheimnis unverletzlich ist und ein Priester auch bei schweren Straftaten keinerlei Informationen über das weitergeben darf, was er in der Beichte erfahren hat.

Nicht gefallen hat mir das Ende der Geschichte. Ich weiß nicht, ob es in der Realität schon einmal einen ähnlichen Fall geben hat, vorstellen kann ich mir das irgendwie nicht. Das Motiv wird noch ganz nachvollziehbar erklärt, aber ein Mörder, so wie er hier dargestellt wird, scheint mir sehr unwahrscheinlich und so wird die ganze Auflösung für mich unglaubwürdig. Schade.

Ein spannend erzählter Thriller, der leider am Ende etwas ins Holpern gerät.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 03.10.2013
Fischer, Elis

Die Kunstjägerin


ausgezeichnet

Die Illustratorin Theresa Valier erbt ein Gemälde. Als sie auf der Rückseite eine kaum zu entziffernde Vignette entdeckt, auf der möglicherweise Sustermans und Rubens als Maler des Bildes genannt werden, wird sie neugierig und stellt Nachforschungen an. Hilfe erhofft sie sich unter anderem von dem Restaurator Rembert Wenz und bringt das Bild in sein Atelier. Nur wenige Tage später wird Wenz ermordet und das Gemälde gestohlen. Gemeinsam mit ihren Freunden, dem „Chianti-Club“, macht Theresa sich auf die nicht ganz ungefährliche Suche nach den Hintergründen und nach ihrem Bild…

In „Die Kunstjägerin“ teilt Elis Fischer mit dem Leser ihre Faszination für die Kunst, indem sie ein Gemälde aus ihrem Besitz in den Fokus dieses Krimis rückt.
Nicht nur das Verschwinden des Bildes, sondern auch das Bild selbst stellt im Verlauf der Handlung ein großes Rätsel dar. So wird die spannende Jagd nach Hinweisen doppelt interessant.
Die Autorin hat keinerlei Mitleid mit der sympathischen Theresa und lässt ihre Protagonistin allerhand Schrecken erleben. Ihr Handy wird abgehört, ihre Wohnung durchwühlt. Zusätzlich machen ein griesgrämiger Kommissar und ein Ehemann, der Vieles auf die leichte Schulter nimmt, Theresa das Leben schwer. Und auch Theresa steht sich bei der Spurensuche so manches Mal mit ihrer liebenswerten Schusseligkeit selbst im Weg. Richtig dramatisch wird es dann, als Theresa und ihr Sohn Dino in die Fänge des skrupellosen Täters geraten.
Sehr spannend fand ich auch die historische Komponente in Form von in Abständen eingeschobenen Briefen aus dem 17. Jahrhundert, alle unterzeichnet von einem „G.“. Diese Briefe haben einen besonderen Bezug zu dem verschwundenen Gemälde und liefern nach und nach Informationen zu einem mit dem Bild in Zusammenhang stehenden Geheimnis.
Fast nebenbei wird dieses Buch auch zu einen wunderbaren kulinarischen Reise, denn der Chianti-Club lässt sich bei seinen Treffen die ein oder andere Leckerei schmecken.

Ein gelungener Debütroman. Elis Fischer nimmt den Leser mit auf eine unterhaltsame Spurensuche und lädt zum Miträtseln ein.

Bewertung vom 20.09.2013
Hagedorn, Verena

Friesenherz


ausgezeichnet

Die Lehrerin Maike Johannsen hat gerade ihren 40. Geburtstag gefeiert und von ihrem Mann Torge eine Wellnesswoche auf einer Nordseeinsel geschenkt bekommen. Hier trifft sie auf die chaotische Künstlerin Ann, ebenfalls gerade 40 geworden. Die beiden ganz und gar unterschiedlichen Frauen müssen sich unvorhergesehen ein Hotelzimmer teilen. Maike und Ann arrangieren sich miteinander, bis eine Neuigkeit ihnen den Boden unter den Füßen wegzieht und beide zwingt, ihr weiteres Leben ganz neu zu planen…

Janna Hagedorn erzählt diese Geschichte aus Maikes Sicht und es gelingt der Autorin ganz hervorragend, Maikes Gedanken und Gefühle zu vermitteln. Sie lässt Maike in einen wahren Strudel aus unterschiedlichen Emotionen purzeln und bewirkt damit eine rasante und vor allen Dingen positive Entwicklung bei ihrer Protagonistin.

Nicht nur, dass Maike das „Wellness, Watt und Weiblichkeit“ – Programm überhaupt nicht zusagt, die Ayurveda-Kur sie eher grummeln als entspannen lässt und die Sorge um ihre 16-jährige Tochter, die zu einem fragwürdigen Fotoshooting gehen möchte, sie fast verrückt macht, auch dass der junge Wattführer Jan sich für sie interessiert, wirft sie aus der Bahn. Sie schwankt zwischen Vorfreude und Panik, ist nahe dran, der Versuchung zu erliegen, wird immer wieder von Zweifeln gepackt. Als dann Ann mit einer unsäglichen Wahrheit rausrückt, kann man als Leser spüren, wie es in Maike brodelt. Sie fragt sich, wie es weitergehen soll, wo doch jetzt alles in ihrem sorgsam aufgebauten und rundum vertrauten Leben verrutscht ist.

Sowohl Maike wie auch Ann haben mich letztendlich überrascht. Es hat mir sehr gut gefallen, wie beide mit ihrer neuen Situation umgehen und nach vorne blicken.

Neben dem Gefühlskuddelmuddel von Maike und Ann gibt es auch einiges zum Schmunzeln. Die bunt gemischte Teilnehmergruppe der Wellnesswoche und auch die Einheimischen tragen mit ihren Eigenheiten prima zur Unterhaltung bei. Außerdem wurde Maike von der Autorin mit einer herrlichen Schlagfertigkeit ausgestattet.

Ein tolles Lesevergnügen, dass den Leser hier und da auch mal nachdenklich werden lässt.