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Raumzeitreisender
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Buchwurm, der sich durch den multidimensionalen Wissenschafts- und Literaturkosmos frisst

Bewertungen

Insgesamt 757 Bewertungen
Bewertung vom 11.06.2016
Stoppt das Euro-Desaster!
Otte, Max

Stoppt das Euro-Desaster!


ausgezeichnet

Otte spricht Klartext

Keine fünfzig Seiten umfasst das Büchlein von Max Otte zur Euro-Krise, aber der Inhalt ist prägnant und besteht aus Klartext. Otte spricht die Bürger direkt an und ruft zum Widerstand auf. „Lassen Sie nicht zu, dass man uns zu verwirrten, resignierten Subjekten macht und wir ein ums andere Mal für Krisen geradestehen, die wir nicht verursacht haben. Es reicht – wehren Sie sich!“

Er spricht von einer „Herrschaft der Finanzoligarchie“ und meint damit die Machtstrukturen und Verquickungen der „Investmentbanken, Hedgefonds, Schattenbanken, Ratingagenturen und weiteren Akteuren“. Diese bilden die derzeit dominierende zivile Weltmacht. Wie kann es sein, dass diese Gruppen auf Kosten der Staaten leben, ohne sich angemessen an der Wertschöpfung in der Wirtschaft zu beteiligen?

Viele Investmentgesellschaften arbeiten extrem spekulativ, wohl wissend, dass Gewinne privatisiert und Verluste sozialisiert werden. Franz Müntefering prägte 2005 den Begriff „Heuschrecken“ und wurde dafür massiv kritisiert. Die Dummen sind die Steuerzahler, die immer wieder zur Kasse gebeten werden.

Otte hinterfragt, warum Griechenland zur Schicksalsfrage für Europa hochstilisiert wird. Warum kann Griechenland nicht in die Staatsinsolvenz gehen? Die Gläubiger müssten auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten. Diese Gläubiger sind nicht nur, aber primär griechische Milliardäre und Oligarchen.

Wie kann es sein, dass in den letzten Jahrzehnten einerseits die Vermögen der Reichen um Billionen gestiegen sind und andererseits die Staaten sich horrend verschuldet haben? Otte schlägt einen Schuldenschnitt vor und favorisiert klare Regeln und Gesetze, die auch eingehalten werden müssen, zwecks Beschneidung der Macht der Finanzoligarchie.

Reformen wurden bereits 2008 angedacht, aber nicht umgesetzt. Otte schlägt Reformen vor, die das Finanzsystem deutlich gerechter und stabiler gestalten würden. Er hatte 2006 den Crash vorhergesagt und gilt als unabhängiger Aufklärer. Auch dieses Werk wird sich zu einem Bestseller entwickeln, wenngleich ich hoffe, dass eine ausführliche Variante folgen wird.

Bewertung vom 11.06.2016
Der Mensch im Kosmos
Teilhard de Chardin, Pierre

Der Mensch im Kosmos


ausgezeichnet

Der Versuch einer ganzheitlichen Sicht

„Von denen, die versucht haben, diese Seiten bis ans Ende zu lesen, werden viele das Buch unbefriedigt und nachdenklich schließen und sich fragen, ob ich sie in einer Welt der Tatsachen, der Metaphysik oder des Traumes herumgeführt habe.“ (Teilhard de Chardin)

Bei diesem Buch handelt es sich um den Versuch einer zusammenfassenden Weltschau. Pierre Teilhard de Chardin (1881-1955) war gleichzeitig Naturwissenschaftler und Theologe, was auch sein Lebenswerk bestimmte. Er beschäftigte sich mit dem Ursprung des Kosmos, der stammesgeschichtlichen Entwicklung des Lebens und präsentierte eine ganzheitliche Darstellung des Universums. Der Preis für diese Synthese ist hoch. Seine Ausführungen stehen einerseits im Widerspruch zum biblischen Fundamentalismus und überschreiten andererseits den Rahmen der etablierten Naturwissenschaften. Er verknüpfte auf visionäre Weise Kausalität und Sinn miteinander, baute eine Brücke zwischen empirischen Forschungen und Offenbarungen und befand sich damit – bildlich gesprochen - zwischen allen Stühlen.

Zahlreiche Autoren haben Gedanken von Teilhard de Chardin in ihre Werke einfließen lassen. So beeinflusste er maßgeblich die New Age- Bewegung. Fritjof Capra beschreibt in „Wendezeit“ (S. 338) Ähnlichkeiten mit seiner Systemlehre. Nach Teilhard de Chardin verläuft die Evolution in Richtung zunehmender Komplexität, die wiederum von einem entsprechenden Aufstieg des Bewusstseins begleitet wird und ihren Höhepunkt in der menschlichen Spiritualität erreicht. Diese Auffassung einer Teleologie - muss man deutlich sagen - steht nicht im Einklang mit den Naturwissenschaften. Kritiker sehen in dem Buch daher eine Art Naturphilosophie. Kritik kam auch seitens der Kirche. Für die Kirche stellte seine evolutionäre Synthese eine Bedrohung traditioneller Theologie dar. Das führte dazu, dass viele seiner Werke zu seinen Lebzeiten nicht veröffentlicht werden durften.

Hoimar von Ditfurth schreibt in „Im Anfang war der Wasserstoff“ (S. 246), dass sich die Entwicklung der Welt in kosmischen Maßstäben abspielt und dass sie nicht zum Stillstand kommen würde, wenn die Menschheit eines Tages aus ihr ausschiede. Dies steht im Gegensatz zu Teilhard de Chardins Ausführungen (S. 285), dass Leben einmal und nur einmal fähig war, die Schwelle zum Ich-Bewusstsein zu überschreiten. Hoimar von Ditfurth bezeichnet diese Sicht als anthropozentrische Missdeutung, da sie davon ausgeht, dass sich Leben und Bewusstsein im ganzen Universum nur auf der Erde gebildet haben könnten.

Unabhängig davon, wie man persönlich zu Teilhard de Chardins Thesen steht, handelt es sich um ein zentrales Werk, mit dem sich an Ursprungsfragen interessierte Menschen auseinandersetzen können. Eine ganzheitliche Beschreibung, in die die Erkenntnisse der Evolution und auch der Glaube an einen transzendenten Endpunkt der Evolution einfließen, hat es meines Wissens in Kontinentaleuropa vor Teilhard de Chardin nicht gegeben. Wer mehr über die Wirkung von Teilhard de Chardins Thesen wissen möchte, findet Antworten in dem 1966 erschienenen Tagungsband „Perspektiven Teilhard de Chardins“, herausgegeben von Helmut de Terra.

Bewertung vom 10.06.2016
Erzählungen nach Shakespeare
Recheis, Käthe

Erzählungen nach Shakespeare


sehr gut

Eine verständliche Einführung in die Werke Shakespeares

William Shakespeare zählt zu den bedeutendsten Dichtern der Weltliteratur. Seine Werke sind auch heute noch aktuell und werden auf allen großen Bühnen aufgeführt. Autorin Käthe Recheis hat sich mit Shakespeares Werken intensiv auseinandergesetzt und einige davon auf verständliche Weise nacherzählt.

Interessierte Leser finden insgesamt zehn der bekannteren Komödien (Viel Lärm um nichts, Ein Sommernachtstraum, Was ihr wollt, Der Widerspenstigen Zähmung), Tragödien (Romeo und Julia, Macbeth, Hamlet, Othello) und Romanzen (Das Wintermärchen, Der Sturm) auf knapp 250 Seiten zusammengefasst.

Nach eigenen Aussagen der Autorin können diese Erzählungen nur ein schwaches und unvollkommenes Abbild von Shakespeares unvergleichlicher Dichtkunst sein, das den Leser hinführen soll zur Lektüre der Werke Shakespeares. Wann immer es möglich war, wurden Shakespeares eigene Worte verwendet.

Jedem, der einen unkomplizierten Einstieg in Shakespeares Werke haben möchte, kann ich dieses Buch sehr empfehlen.

Bewertung vom 10.06.2016
Tod eines Bodengutachters
Belke, Andreas

Tod eines Bodengutachters


ausgezeichnet

Krimi im Milieu einer Großbaustelle

Protagonist Adrian Beermann, von Beruf Bauingenieur, wird von seinem Gronauer Architekturbüro als Bauleiter auf einer Großbaustelle im Osten von Berlin eingesetzt. Was als Karrieresprung gedacht ist, entpuppt sich in menschlicher und fachlicher Hinsicht als außergewöhnliches Abenteuer. Ein Bodengutachter wird tot aufgefunden. Die Indizien sprechen für Mord.

Damit ist der Rahmen abgesteckt für einen Krimi in einem Milieu, welches in der Presse eher durch Schmiergeldzahlungen von sich Reden macht und weniger durch skrupellose Gewalt. Der Autor ist selbst Bauingenieur, insofern erwarten die Leser realistische Beschreibungen der Abläufe auf einer Großbaustelle.

Wenn es in einer Baugrube nach Mottenkugeln riecht, wird es gefährlich. „Ja, das sind polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe und die sind, … , sehr giftig.“ (10) An dieser Stelle stellt sich für die Leser die Frage, ob es sich um einen berechenbaren Krimi handelt, ohne Überraschungen und Wendungen. Die Frage kann, im Interesse potenzieller Leser, hier nicht direkt beantwortet werden.

Autor Andreas Belke versteht es, markante Charaktere zu entwickeln, die dem Roman Leben einhauchen. Das Beziehungsgeflecht zwischen Geldgebern, Planungsbüros, Baufirmen, Politik, Marketing und Behörden stellt er überzeugend dar. Er suggeriert, dass Geld viele Wege eröffnet und auch Hindernisse beseitigt. Lediglich das Verhältnis zur Kripo bzw. die Arbeit der Kripo fand ich schwach dargestellt.

Dagegen sind im persönlichen Umfeld der Baufachleute Überraschungen zu erwarten. Manchmal trügt der Schein und Beziehungen sind ganz anders als erwartet. Der Roman ist chronologisch aufgebaut und beschreibt einen Zeitraum von ca. 2 Monaten. Er spielt im Jahre 1994 und Hinterlassenschaften der ehemaligen DDR spielen eine Rolle. Insgesamt handelt es sich um einen unterhaltsamen Krimi, den man - einmal angelesen - nur ungern zur Seite legt.

Bewertung vom 10.06.2016
BLACKOUT - Morgen ist es zu spät
Elsberg, Marc

BLACKOUT - Morgen ist es zu spät


sehr gut

Fiktion mit realistischem Hintergrund

Autor Marc Elsberg beschreibt in seinem Roman eine realistische Gefahr. Was würde passieren, wenn die Stromversorgung europaweit zusammenbrechen würde? Die Infrastruktur würde wegen der vielen Abhängigkeiten vom Strom innerhalb weniger Tage kollabieren. Ohne Nahrung und medizinische Versorgung würden die Menschen verrohen.

Elsberg gelingt es, das Thema ergreifend aufzuarbeiten. Er entwickelt ein realistisches Krisenszenario von einer anfänglichen Unterschätzung der Gefahr hin zum totalen Chaos.

Sein Roman ist gegliedert in zahlreiche einzelne Handlungsfäden. Der Hauptstrang handelt von dem Italiener Piero Manzano, einem ehemaligen Hacker, der als erster Ursachen der Bedrohung erkennt. Die weiteren (zahlreichen) Handlungsfäden wirken wie weniger wichtige Begleitmusik.

Elsberg ist es nicht so gut wie Andreas Eschbach in „Ausgebrannt“, einem ähnlich strukturierten Krisenroman, gelungen, die Spannung in allen Handlungsfäden gleichermaßen hoch zu halten. Nach meiner Einschätzung wären daher 200 Seiten weniger ein Gewinn gewesen. Dennoch handelt es sich um einen lesenswerten Roman, in dem ein zeitgemäßes Thema wirkungsvoll verarbeitet wird.

Bewertung vom 09.06.2016
Albert Einstein
Bührke, Thomas

Albert Einstein


ausgezeichnet

Gott würfelt nicht

Albert Einstein war nicht nur ein großer Physiker, sondern auch Schöpfer raffinierter Gedankenexperimente. Er hat soviel Tiefsinniges produziert, dass sich ein Zitat von ihm immer gut platzieren lässt. Rein äußerlich verkörperte er den Prototyp eines zerstreuten Professors. Seine manchmal fehlenden Socken sind ebenso Legende wie seine zu kurzen Hosen. Sein Typ diente als Vorlage für zahlreiche Filme. Thomas Bührke hat sich mit Einsteins Lebenswerk auseinandergesetzt und eine lesenswerte Biografie dazu verfasst. Das Buch ist chronologisch aufgebaut. Eine Zeittafel dient der Übersicht.

Einsteins Charakterzüge behandelt der Autor ausführlich. So war Einstein Zeit seines Lebens misstrauisch gegen jede Art von Autorität. Als grüblerisches Naturell galt er eher als Außenseiter. In der Person Einstein vereinigten sich Intelligenz und Kreativität. Dies zeigte sich schon in seiner Jugend, wenn er zum Ärger seiner Lehrer eigene Lösungen präsentierte.

Auch die Familie und das familiäre Umfeld kommen nicht zu kurz. In Einsteins Familienleben war es nicht immer zum Besten bestellt. Seine erste Ehe ging in die Brüche und seine unehelich geborene erste Tochter wurde, so vermutet man, zur Adoption freigegeben. Ein Zitat seines Sohnes Hans Albert verdeutlicht die familiäre Situation: „Das einzige Projekt, das er jemals aufgegeben hat, bin ich.“

Mit der Spaltung des Urankerns in Berlin Ende der 1930er Jahre war der Weg zur Atombombe nur noch eine Frage der technischen Umsetzung. Die Büchse der Pandora war geöffnet. Einstein befürchtete, dass die Deutschen eine Atombombe bauen könnten und brachte seine Bedenken in einem Brief an den Präsidenten der USA zum Ausdruck. An dem Manhattan-Projekt war er nicht beteiligt.

Der Autor erwähnt wichtige Arbeiten von Einstein. Im Jahre 1905 entstanden gleich fünf wissenschaftliche Arbeiten für die Annalen der Physik. Für seinen Beitrag zur Quantentheorie (nicht für die Relativitätstheorie!) bekam er 1922 den Physik-Nobelpreis. Auch wenn er einen wichtigen Beitrag zur Quantentheorie geleistet hat, konnte er sich mit den weiteren Entwicklungen auf diesem Gebiet (Unschärferelation) nicht anfreunden. Hier hatte der Zufall Einzug in die Wissenschaft gehalten und aus dieser Zeit stammt sein bekannter Spruch: „Gott würfelt nicht“.

Mit der Speziellen Relativitätstheorie (1905) und der Allgemeine Relativitätstheorie (1915) kam er in die Boulevardblätter. Aber auch ohne diese beiden Werke wäre er bekannt geworden. Durch seine revolutionären Hypothesen wurde der absolute Raum und die absolute Zeit Newtons ersetzt durch das sogenannte vierdimensionale Raum-Zeit-Kontinuum. Die Prinzipien „Konstanz der Lichtgeschwindigkeit“ (streng genommen „Invarianz der Lichtgeschwindigkeit“) und „Spezielles Relativitätsprinzip“ führten zur Speziellen Relativitätstheorie. In späteren Jahren bezog Einstein die Schwerkraft in seine Überlegungen ein und entwickelte die Allgemeine Relativitätstheorie.

Spezielle und Allgemeine Relativitätstheorie gelten als allgemein anerkannte und experimentell verifizierte Theorien, trotzdem ist die Kritik bis heute nicht verstummt. Wie kommt es, dass die Relativitätstheorie nach 100 Jahren immer noch kritisiert wird? Erklärungsversuche hierfür liefert Bührke nicht.

Einstein hat das Thema „Verantwortung der Wissenschaft“ ins Gespräch gebracht, wie kein anderer Wissenschaftler vor ihm. Er hat sich selbst nicht als Genie betrachtet, sondern wurde durch sein Umfeld in diese Rolle gedrängt. Als selbstkritischer Mensch hatte er nie Probleme damit, Fehler einzugestehen. Mit Kritikern ist er fair umgegangen. Das Portrait von Thomas Bührke ist sachlich und verständlich. Das menschliche Profil Albert Einsteins hat er vortrefflich skizziert. Sein Lebensweg und seine markanten Charakterzüge werden ansprechend beschrieben. Wer Einsteins Theorien verstehen will, muss auf Fachbücher zurückgreifen.

Bewertung vom 09.06.2016
Daisy Sisters
Mankell, Henning

Daisy Sisters


weniger gut

Vergebliche Suche nach Freiheit und Unabhängigkeit

Henning Mankell beschreibt eine Familiengeschichte über einen Zeitraum von 40 Jahren, beginnend in der Kriegszeit 1941. Die Geschichte wird in mehreren Zeitsprüngen erzählt. Handlungsort ist Schweden. Die Hauptpersonen sind Elna und ihre Tochter Eivor. Es geht primär um ihre Beziehungen zu Männern, aber nicht nur. Gleichzeitig beinhaltet „Daisy Sisters“ eine Milieustudie über die Situation der Arbeiterfamilien in der Nachkriegszeit.

Das Schicksal durchkreuzt ständig die Pläne der jungen Damen. Meist geht es um ungewollte Schwangerschaften. Mankell bringt die Situation auf den Seiten 507 und 508 auf den Punkt: „Wie immer, wenn Eivor sich in einer Situation befindet, die eine Entscheidung fordert, vermag sie es nicht, sich selbst als Hauptperson zu sehen, von einer Anzahl von Satelliten umkreist. Es ist genau umgekehrt, es sind die Satelliten, die die Entscheidung treffen, und sie selbst ist nur eine Randfigur.“

Das Schicksalhafte ist in dem Roman so dominant, dass es schon nerven kann. Über mehrere Generationen hinweg machen Mutter, Tochter und Enkelin ähnliche Erfahrungen mit Männern. Wo bleibt das Unberechenbare, wo die Überraschung? Mankells spätere Werke sind weniger langatmig und gefallen mir besser.

Bewertung vom 09.06.2016
Attu
Evans, Allen Roy

Attu


ausgezeichnet

Begegnungen mit der Zivilisation

Allen Roy Evans schildert in seinem Roman ausführlich das Leben und die Kultur der Aleuten, einem Volk, das auf einem Inselbogen zwischen dem Beringmeer und dem Pazifischen Ozean lebt. Die Beschreibungen beginnen im 18. Jahrhundert auf der Insel Attu. Das Klima auf diesem vulkanischen Archipel ist rau und die Vegetation karg und ohne Baumbestand.

Der Roman beschreibt das Leben der Aleuten über mehrere Generationen, dabei werden keine Personen besonders herausgestellt. Phasenweise wechseln die Akteure, die im Mittelpunkt der Handlungen stehen. Wörtliche Rede, die es dem Leser leichter machen würde, eine Beziehung zu bestimmten Menschen aufzubauen, wird kurz gehalten.

Die Naturbeschreibungen und die Schilderungen der Jagdszenen wirken grandios. Die Aleuten beherrschen mit ihren Kajaks die gefährlichen Gewässer. Die Jagdszenen und die Verhaltensweisen der Seelöwen, Wale, Lachse und Seeotter werden lebensnah und eindringlich beschrieben, wie es nur einem hervorragenden Naturbeobachter möglich ist.

Eines Tages erhalten die Insulaner Besuch von russischen Pelzhändlern. Die Russen erkennen, welche Schätze hier zu holen sind und kommen regelmäßig zur Jagd auf Otter. Sie spannen die Ureinwohner für ihre Dienste ein und schlachten ganze Herden ab. Die Ureinwohner werden wie Sklaven behandelt. Nur in wenigen Fällen können die Aleuten sich erfolgreich wehren und die Pelzhändler vertreiben. Aber die Aleuten haben keine Chance, sich dauerhaft von Unterdrückern zu befreien. Den Russen folgen englische Pelzhändler, die noch kaltblütiger sind.

Erst als die USA 1867 Alaska und die Inseln der Aleuten von den Russen erwerben, erholen sich die Insulaner. Während des Zweiten Weltkrieges werden die Inseln von Japanern besetzt und es kommt erneut zur Unterdrückung der Ureinwohner. Die Amerikaner erobern die Inseln zurück.

Auch wenn die Amerikaner letztlich die Befreier der Inseln sind, gab es auch durch sie Umsiedlungen und Internierungen. Auch darf nicht vergessen werden, dass auf den Inseln 1969 Atombombentests durchgeführt wurden. Die Schattenseiten der Kolonialisierung werden in diesem Roman deutlich. Der Mensch mit seiner Gier nach Macht und Reichtum schreckt auch vor den letzten unwirtlichen Landstrichen der Erde nicht zurück.

Den Roman halte ich wegen der phantastischen Naturbeschreibungen, der historischen Elemente und der sozialkritischen Beschreibungen für ein besonders wertvolles literarisches Werk. Viele Menschen sollten diesen Roman lesen, auch weil er der Menschheit einen Spiegel vorhält.

Bewertung vom 08.06.2016
Hohe Wasser (eBook, ePUB)
Kain, Eugenie

Hohe Wasser (eBook, ePUB)


gut

Wendemarken

In sieben kleinen Erzählungen beschreibt Eugenie Kain Menschen, die an einem Wendepunkt angelangt sind und sich umorientieren. Sie überdenken ihre Lebensentwürfe und sind auf der Suche nach sich selbst. Das Wasser mit seinem unberechenbaren Verhalten liefert die notwendige Symbolik, um Beziehungen, Stimmungen und die Unwägbarkeiten des Lebens anschaulich darzustellen. Es handelt sich um Menschen, die von ihrem Alltag gefangen genommen werden und ihr Schicksal nicht wahrhaben wollen. Sie befinden sich im Sog von Strömungen und es wird deutlich, welche Kraftanstrengung erforderlich ist, dagegen anzuschwimmen und seinen eigenen Weg zu finden. Die Erzählungen sind einfühlsam und leicht verständlich geschrieben. Die Autorin wertet nicht; die Antworten bleiben offen.

Bewertung vom 08.06.2016
China in Gefahr
Engdahl, William

China in Gefahr


sehr gut

Die Strategien der Mächtigen

China hat in den letzten Jahrzehnten aufgeholt und steht heute wirtschaftlich gesehen weltweit an zweiter Stelle. Die USA, die sich unter Nixon Anfang der 1970er Jahre gegenüber China geöffnet haben, verändern seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion Ende der 1980er Jahre ihre Taktik. China wurde zunächst als Antagonist gegenüber der Sowjetunion aufgebaut und wird nach Zusammenbruch dieser nunmehr mit allen Mitteln wirtschaftlich und politisch bekämpft.

F. William Engdahl beleuchtet den Wandel im Verhältnis zwischen China und den USA. Das Ungewohnte gegenüber den Mainstream-Medien ist dabei seine positive Sicht auf China. Täter- und Opferrolle sind bei Engdahl klar zugeordnet. Es geht um die Verteidigung von Machtinteressen. „Dabei sind Sentimentalitäten oder Tagträumerei nicht gefragt“, zitiert der Autor zu Beginn seines Buches einen Mitarbeiter des US-Außenministeriums. Jedoch muss man sich als unbedarfter Leser fragen, ob es sich dabei nicht um eine systemimmanente Maxime aller wirtschaftlich, politisch oder militärisch Mächtigen dieser Welt handelt. Eine Einteilung in Gut und Böse ist ein menschliches Konstrukt, subjektiv gefärbt und wird der Wirklichkeit nicht gerecht.

Die Beispiele, die Engdahl vorstellt, sind haarsträubend. Der Kampf findet auf verschiedenen Ebenen statt. Es geht um Währungsmanipulationen, Kontrolle über das Öl, Nahrungskriege, Medienkriege, Handelskriege sowie um Gesundheit und Umwelt. Dabei bestehen keine Zweifel, dass auf allen diesen Gebieten ein Krieg zwischen den Mächtigen tobt. Jedoch geht es zu weit, bei Themen wie Fast Food, Impfung, Gentechnologie oder Fracking zu unterstellen, dass diese Mittel nur eingesetzt werden, um den Chinesen unmittelbar gesundheitlich zu schaden. Letztlich setzen die USA diese Mittel auch im eigenen Land ein.

Am Ende des Buches beschreibt Engdahl ein Szenario, welches für die USA wirklich gefährlich werden könnte, nämlich ein vereinigtes Eurasien. Diese Vision mag weit in der Zukunft liegen, dennoch sind in den letzten Jahrzehnten zwischen China und Westeuropa die Handelsbeziehungen extrem gewachsen. Gegen eine weitere Annäherung sprechen aus heutiger Sicht die großen politischen und kulturellen Unterschiede. Deutschland und Europa sind (auch historisch gesehen) enger mit den USA verwandt als mit Asien.

F. William Engdahl hat für sein Buch umfassend recherchiert, wenngleich seine Ausführungen nicht ausgewogen sind. Das trifft aber auch auf unsere Mainstream-Medien zu. Insofern eröffnet Engdahl den Lesern eine neue Perspektive und schafft ein Gegengewicht. Es liegt in der Verantwortung der Leser, sich vielschichtig zu informieren und sich eine eigene Meinung zu bilden.