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Lesezauber_Zeilenreise
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Eggenstein-Leopoldshafen
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Buchnerd durch und durch

Bewertungen

Insgesamt 780 Bewertungen
Bewertung vom 24.07.2020
Stratford, Sarah-Jane

Radio Girls


ausgezeichnet

Es ist wirklich super interessant, einen Einblick in die Anfänge der BBC zu erhalten. Ich mag Bücher, die auf echten Personen beruhen. Hilda Metheson z.B. war die erste Gesprächsleiterin und Hörfunkproduzentin bei der BBC und eine sehr interessante Frau. Die politische Verschwörung, die Hilda und Maisie aufdecken ist spannend (Stichwort: Siemens und Nestlé). Das Frauenbild damals war schon sehr „speziell“ und daher war es sicher auch etwas Herausragendes, dass Hilda so erfolgreich war in ihrem Job. Und nicht verwunderlich, dass sie mit ihren wirtschaftlichen und politischen Radiogesprächen nicht immer auf Verständnis (vor allem in der männerdominierten Welt) stieß.

Schön ist es auch, Maisie in ihrer Entwicklung vom verhuschten, grauen Mäuschen zu einer politisch engagierten, selbstbewussten Frau zu begleiten. Diese „Verwandlung“ ist der Autorin sehr gut geglückt – nicht übertrieben und unrealistisch, sondern nachvollziehbar. Ich mag Maisies Humor und ihre Schlagfertigkeit und ihr Mut beeindruckt.

Das Buch hatte für mich persönlich ein paar Längen und war – trotz der insgesamt spannenden und interessanten Themen – nicht richtig fesselnd (wobei ich nicht genau sagen kann, warum ich das so empfand), weswegen ich nicht die vollen 5 Punkte vergebe.

Dennoch für alle, die Bücher mit geschichtlichem Hintergrund mögen oder sich auch einfach für Radio/Rundfunk oder starke Frauen auf dem Weg zur Emanzipation interessieren, sehr zu empfehlen.

Bewertung vom 16.07.2020
Jonasson, Ragnar

DUNKEL / HULDA Bd.1


ausgezeichnet

Hulda Hermannsdóttir, 64-jährige Kommissarin bei der Polizei Reykjavík, wird von ihrem Chef von jetzt auf nachher in den Ruhestand geschickt und bekommt eine Frist von 14 Tagen, bis sie ihr Büro räumen muss. Um die Zeit zu überbrücken, darf sie sich einen cold case-Fall aussuchen und darin noch ein bisschen ermitteln. Sie entscheidet sich für den Todesfall der jungen Russin Elena, die in Island Asyl beantragt hat und in welchem nie so wirklich ernsthaft ermittelt wurde. Während ihrer neu augenommenen Ermittlungen stößt sie recht schnell auf neue Informationen und bringt auch sich selbst in höchste Gefahr.

Für die vollen 5 Sterne fehlte mir das letzte Fünkchen zu einem absolut fesselnden Pageturner. Die Story ist wendungsreich und interessant, die Charaktere toll beschrieben und ich mag es, wie immer mehr von Huldas Leben bekannt wird. Dinge, die ich so einfach nicht vermutet habe, die aber die Geschichte erst ausmachen. Hulda ist eine sehr ruhige, etwas unsichere, nicht impulsive Frau, die in ihrem Beruf immer top Leistungen erbracht hat, die aber sehr einzelgängerisch unterwegs ist und eher ein zurückgezogenes Leben führt mit nur wenigen Kontakten.

So wie Hulda sehr zurückgenommen ist, so verhält es sich auch mit dem ganzen Roman. Der Schreibstil ist ruhig und unaufgeregt, was mir sehr gut gefällt, weil es mal etwas anderes ist im Thrillerbereich. Mir fehlte lediglich dieses Gefühl, das Buch nicht mehr aus den Händen legen zu wollen. Dennoch stelle ich jetzt fest, dass die Geschichte mich im Nachhinein berührt. Eines dieser Bücher, die einem erst nach dem Lesen so richtig im Kopf herumspuken ohne dass man wirklich festmachen kann, woran das liegt.

Dunkel ist der 1. Teil der Hulda-Trilogie und ich schätze, dass ich mir die beiden anderen Teile auch noch holen werde. Interessant daran ist, dass es quasi ein Prequel ist, weil der 2. Teil 15 Jahre vor dem 1. spielt.

Bewertung vom 14.07.2020
Sands, Kevin

Das Vermächtnis des Alchemisten / Der Blackthorn Code Bd.1


ausgezeichnet

Also wow! Was für ein grandioses Kinderbuch! Es spielt in London Mitte des 17. Jahrhunderts (1665) und ist von vorne bis hinten einfach nur spannend und ein fesselndes Abenteuer. Morde, Geheimnisse, Rätsel, Explosionen spielen hier genau so eine große Rolle wie Freundschaft, Zusammenhalt, Vertrauen und Güte. Der Autor beschreibt alles so wunderbar lebendig, gibt seinen Charakteren genau die Tiefe, die so wichtig ist, um sich mit ihnen identifizieren zu können und bringt ganz viel wissenswerte Geschichte mit rein (interessant zu lesen, wie das damals war mit den Meistern und ihren Lehrlingen und den Gilden). Christopher, der „Hauptdarsteller“, ist ein sympathischer, aufgeweckter, liebenswerter Junge. Und Tom, sein bester Freund… hach, den habe ich echt in mein Herz geschlossen! So was von loyal und treu und liebenswürdig. Die beiden sind einfach ein super Team und ich bin durch die Seiten geflogen, teilweise mit angehaltenem Atem. Ganz große Klasse!

Muss ich erwähnen, dass Band 2 schon hier bei mir liegt und darauf wartet, gelesen zu werden? Und demnächst dann auch Band 3.

Bewertung vom 13.07.2020
Müller, Karin

Ein Schotte kommt selten allein


ausgezeichnet

Jannes Traum ist es, irgendwann mal mit dem Rucksack und ganz allein durch Schottland zu reisen. Wobei die Betonung auf ALLEIN liegt. Blöd nur, dass sie das keiner ihrer Freundinnen so explizit gesagt hat. Ergebnis: statt allein sitzt sie nun mit 44 anderen Reisenden in einem Bus auf einer Rundtour durch das Land der Dudelsäcke – ein gutgemeintes Geschenk der Freundinnen zu Jannes 40. Geburtstag. Unterwegs entdeckt Janne nicht nur alle möglichen Filmdrehorte (es handelt sich nämlich um eine Filmtour zum Thema Outlander und Diana Gabaldon), sondern lernt auch ein bisschen, mit diesem ganzen ihr verhassten Umstand zurecht zu kommen. Bis sie dann plötzlich vor lauter Hektik im falschen Reisebus landet. Neben Alex, einem waschechten Schotten.

Wie es mit dieser Reise voller Irrungen und Wirrungen weitergeht, verrate ich hier nicht. Nur so viel: ich habe oft und herzhaft gelacht! Karin Müller hat einen so lockeren, lustigen Schreibstil, Jannes Humor ist meinem ähnlich und so fand ich ihre Selbstgespräche wirklich zum Brüllen. Überhaupt konnte ich mich mit Janne super identifizieren. Denn auch ich habe zwei Katzen und bin ein bisschen – wie Janne – eine „Helicopter-Catmom“ und ich liebe Schottland. Es war so schön, die Beschreibungen der Orte und Landschaften zu lesen und alle wiederzuerkennen. Mein Mann und ich waren an fast allen Orten auch schon (ich sage nur: Busrundreise), zum Teil auch öfter und das war wirklich Urlaubsfeeling pur für mich. Auch super: die Beschreibung der Reisegruppe bzw. das Schildern der Bustour. Denn – man mag es kaum glauben, wenn man es nicht schon selbst mitgemacht hat – das läuft oft wirklich so ab! Immer im Zeitdruck, das Programm zu schaffen.

Für mich ein absolut bauchmuskeltrainierender, super lustiger und auch wunderschöner und romantischer Liebesroman. Nicht schnulzig triefend, sondern irre komisch und eben einfach schön.

Bewertung vom 12.07.2020
Múñez, Fernando J.

Auf Liebe und Tod / Die Köchin von Castamar Bd.2


ausgezeichnet

1721 in Spanien. Clara, ist zur Chefköchin am Hof von Castamar aufgestiegen und schwärmt schon lange für den Herzog Don Diego. Da Beziehungen außerhalb des eigenen Standes nahezu ausgeschlossen sind (der Ruf des Hauses Castamar muss schließlich gewahrt werden), kann sie kaum glauben, dass Don Diego ihre Gefühle erwidert. Doch der Herzog wirbt tatsächlich um Clara – gegen alle Konventionen zum Trotz. Dies spielt seinem Erzfeind Don Enrique in die Karten, der alles daransetzt, Don Diego und das Haus Castamar zu zerstören. Dabei ist ihm jede Intrige und jedes Mittel recht – sogar Mord, Folter und Vergewaltigung.

Band 2 setzt unmittelbar da an, wo Band 1 geendet hat. Wieder begleite ich Clara, Don Diego und die Bewohner, Gäste und Bediensteten von Castamar und wieder bin ich völlig gefangen von dieser nervenaufreibenden Geschichte. Ich habe mitgefiebert, mitgelitten, mich gefreut und gefürchtet. Ich war begeistert und unsagbar wütend. Die Geschichte hat mich schlicht mitgerissen und völlig gefesselt.

Der Autor beschreibt seine Charaktere so lebendig und vielschichtig, dass sie einfach Teil von einem werden, man fühlt sich wie mittendrin. Ich mag Clara und Don Diego. Don Gabriel ist ein herzensguter Mensch, Dona Ursula ist gefühlskalt, wofür man aber Verständnis entwickelt, Don Enriquo ist durch und durch grausam und ich habe ihn SO verachtet u.s.w.
Jeder einzelne ist ein wichtiger Teil dieser Geschichte und alle sind sie mir an Herz gewachsen bzw. haben in mir tiefste Verachtung ausgelöst. Es ist diese Art Buch, das man so schnell wie möglich lesen möchte um zu wissen, wie es weitergeht, von dem man aber andererseits hofft, es möge bitte nicht so schnell enden.

Ein absolut mitreißender, fesselnder und berührender historischer Roman.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.07.2020
Ruth, Alexander

Das Bee-Team


gut

Das Cover – bunt und fantasievoll – gefällt mir sehr gut. Schöne Farben, süße Bienchen. Auch die Botschaft des Buches ist toll! Der Schutz der Insekten und aller Tiere, der gesamten Natur und damit letztlich des Menschen. Auch ist wirklich schön erklärt, wie alles miteinander zusammenhängt: Landwirtschaft, Politik, Geldgier etc.
Damit regt die Geschichte natürlich an, über dieses Thema nachzudenken und vielleicht auch selbst tätig zu werden, um dem entgegenzuwirken. Beispiele, wie es sein sollte (Blumenwiesen, keine Steingärten, Insektenhotels, ökologische Landwirtschaft,…) gibt es genug im Buch. Insofern ist es ein wichtiges Kinderbuch, denn mit dem Natur- und Umweltschutz kann man m.M.n. nicht früh genug anfangen. Bis hierhin passt alles, dafür vergebe ich 2,5 Sterne.

Dennoch überzeugt mich das Buch aus anderen Gründen nicht. So richtig und wichtig und aktuell die Botschaft auch ist, für mich kommt sie nicht so rüber, wie es sein könnte. Die Protagonisten sind 4 und 6 Jahre alt und damit sehr jung. Das Buch richtet sich an Leser ab 8 Jahren und die können sich eher schlecht mit den jüngeren Kindern identifizieren, meine ich. Auch ist hier sehr viel Magie im Spiel – an sich gar nicht schlimm, doch hier verzerrt diese den Blick auf das Anliegen des Buchs, nämlich den Naturschutz. In echt gibt es eben keine Glühwürmchen, die in Zeitraffer Pflanzen wachsen lassen können, keine Schmetterlinge, die Menschen „hypnotisieren“ und plötzlich umweltfreundlich sein lassen können und vieles mehr. Das war wie ich finde zu viel des Guten. Oskar und Romy sind keine Helden, weil sie selbst eigentlich nichts gemacht haben außer das, was ihnen von den Tieren aufgetragen wurde.

Der Schreibstil ist teils dem Alter der Protagonisten angepasst. Es gibt viel umganssprachliche Ausdrücke („huiiii“, „hihi“, „boooah“, „puuuh“, „äiii“), was mich eher nervte, da sie sehr viel verwendet wurden. Teils waren die Themen dann aber wieder viel zu politisch (es wird z.B. das Verhältnis USA/Mexiko thematisiert – das interessiert kein Kind und hat in diesem Buch auch nichts verloren). Mir kam es ein bisschen so vor, dass beim Schreiben die endgültige Zielgruppe noch nicht klar war, daher ist der Schreibstil für mich eher verwirrend. Die vielen Wiederholungen der Namen der Protagonisten und Aufzählungen aller Tiere stören den Lesefluss.

Was ich mir gewünscht hätte ist, dass die Charaktere mehr Gewicht bekommen hätten. Sie haben mich allesamt nicht berührt, weil sie zu oberflächlich beschrieben sind. Eine Geschichte lebt davon, dass der Leser von den (Haupt-)Figuren berührt wird – das blieb hier völlig aus. Keiner hatte liebenswerte, schrullige, blöde, bemerkenswerte oder irgendwie geartete Eigenheiten/Charakterzüge bzw. diese wurden nicht ausgearbeitet.

Für Leser ab 8 vielleicht nicht geeignet, wegen der jüngeren Hauptfiguren, für jüngere Leser zu lange, ausschweifende Kapitel (da bleibt kein Erstleser bei der Stange) und als Vorlesebuch aus demselben Grund ungeeignet. Hierfür würden auch Bilder im Text fehlen, die für die jungen Leser einfach immer wichtig sind.

Fazit: eine super Grundidee, eine wichtige und tolle Botschaft, die in die aktuelle Zeit super passt - leider für meinen Geschmack zu „planlos“ bzw. unausgereift umgesetzt. Die Geschichte berührt mich nicht wirklich, was ich schade finde, da sie so viel Potenzial in sich birgt. Ich hätte mir eine lebendigere Geschichte gewünscht mit Charakteren, mit denen man sich identifizieren kann. Vielleicht mit weniger „Teilnehmern“, diese dafür detaillierter beschrieben und damit greifbarer.

Eigentlich nur 2,5 Sterne, aber halbe kann man hier leider nicht vergeben, daher aufgerundet, was für mich auch okay ist, das das Thema wie gesagt so toll ist.

Bewertung vom 04.07.2020
Hertweck, Patrick

Maggie und die Stadt der Diebe


ausgezeichnet

Eine Abenteuergeschichte voll von düsteren Geheimnissen und gemeinen Schurken.
Und das ist hier wirklich Programm! Ein Geheimnis jagt das nächste, eine gefährliche Situation nach der anderen und jede Menge Action und Abenteuer. Von Anfang bis Ende spannend, ohne Längen dafür mit vielen ausdrucksstarken, einmaligen Charakteren, die so bildlich beschrieben sind, dass ich feinstes Kopfkino genießen durfte. Das war nicht immer der reine Genuss, da 1870 die hygienischen Zustände ja nicht gerade die blumigsten waren, um es mal so auszudrücken. Aber gerade das macht dieses Buch aus. Nichts ist schöngeredet, sondern alles so benannt, wie es nun mal ist bzw. damals war. Aber auch nichts ist überzeichnet oder übertrieben dargestellt. Das Leben der Straßenkinder ist nicht einfach, hier geht es ums Überleben und fertig.

Freundschaft, Zusammenhalt, Mut sind hier genauso Themen wie Verrat, Überlebenskampf, Kriminalität. Das Setting ist einfach faszinierend, die Charaktere und die Geschichte ebenso. Mich konnte Maggie fesseln (wenn auch nicht so sehr faszinieren wie der 2. Roman von Patrick Hertweck, „Tara & Tahnee“, aber das ist glaube ich schwer, da dieser mein bisheriges diesjähriges Kinderbuchhighlight ist) und ich habe diese spannende, kurzweilige Lektüre sehr genossen.

Sicher ein Buch, das man aufgrund der oben geschilderten Umstände mit den etwas jüngeren Lesern gemeinsam lesen bzw. darüber sprechen sollte. Ich bin rundum zufrieden und empfehle es sehr gerne allen abenteuerlustigen jungen oder junggebliebenen Lesern, die sich vorübergehend in der Welt und Zeit von damals verlieren möchten.

Bewertung vom 03.07.2020
»Trindles & Read«, Laura Trinder und Benjamin Read

Emily und die geheime Nachtpost / Mitternachtsstunde Bd.1


ausgezeichnet

Emily ist nun wirklich nicht auf den Mund gefallen und sehr mutig obendrein. Ich mag es, wie anfangs ihr Probleme geschildert werden, die sie mit ihren Eltern hat (Mutter peinlich, Vater langweilig) und wie im Lauf der Geschichte sich dann ein ganz anderes Bild zeigt. Und ich mag ihre große Klappe. Dieses Buch sprüht nur so vor schönen Ideen und fantasievollen Gestalten. Das bunte Treiben in der Nachtpost, Vampire, Gestaltenwandler, böse Bären, fliegende Fahrräder, pfeifende Hunde, duftende Ghuls und noch vieles mehr. Es ist witzig, aber auch spannend und manchmal ein kleines bisschen gruselig und wie gesagt: sehr fantasievoll. Der Schreibstil ist super flüssig, man fliegt förmlich durch die Seiten. Die Kapitel sind nicht zu lang und nicht zu kurz – gerade richtig, um junge Leser bei der Stange zu halten.

Die Charaktere selbst sind mir nahezu sofort ans Herz gewachsen: Emilys Eltern, Kamelie von der Nachtpost, Tarquin (der besonders – er ist einfach ein netter Typ), Hoggins der süße Igel und alle anderen Beteiligten – und natürlich Emily, die sich im Lauf der Geschichte vom eher bockigen Mädchen im Hausarrest zur sympathischen Heldin entwickelt. Ich stelle mir gerade vor, das Buch würde verfilmt… fantastisch! Kopfkino durch und durch.

Die Botschaft ist klar: Familie, Freundschaft, Zusammenhalt, Mut, gemeinsam sind wir stark. Alles verpackt in aufregende, bunte Fantasy, die Lust auf mehr macht. Zum Glück ist Band 2 schon in Vorbereitung.

Das Cover ist der Hammer und macht sofort neugierig auf die Geschichte. Und: es leuchtet sogar im Dunkeln – wie cool!

Bewertung vom 02.07.2020
Gunnis, Emily

Die verlorene Frau


ausgezeichnet

Nachdem für mich der Debutroman von Emily Gunnis („Das Haus der Verlassenen“) im letzten Jahr mein Lesehighlight war, habe ich mich jetzt mit großen Erwartungen auf „Die verlorene Frau“ gestürzt – und wurde nicht enttäuscht!

Von der ersten bis zur letzten Seite war ich gefangen von dieser rätselhaften Geschichte, die mehrere Jahrzehnte umfasst. In den Kapiteln wird zwischen den Jahren hin und her gesprungen, es gibt viele Beteiligte und Handlungsstränge, was mir am Anfang die Orientierung ein wenig schwer machte und die eine oder andere Frage aufwarf. Doch mit der Zeit „entblätterte“ sich die Geschichte, öffnete sich, gab immer mehr von sich preis und die Zusammenhänge wurden deutlich. Nie war es vorhersehbar, die Wendungen sind einfach genial und wie sich am Ende alles zusammenfügt ist brillant.

Emily Gunnis Schreibstil ist schlicht grandios. Ich konnte das Buch nicht mehr aus der Hand legen, weil ich unbedingt wissen wollte, wie alles zusammenhängt, was damals wirklich passiert ist und was die Tagebucheinträge von Rebecca´s Mutter aus den 50er Jahren noch alles offenbaren und mit hineinspielen in die Gegenwart.

Ganz großes Kino, ein absolut fesselnder Aufbau und ein Buch, das den Namen Pageturner wirklich verdient hat.

Bewertung vom 29.06.2020
Brookner, Anita

Hotel du Lac


ausgezeichnet

Die Schriftstellerin Edith Hope wurde von ihren Freunden in Zwangsferien an den Genfer See geschickt. Sie finden nämlich, dass Edith sich zu Hause in England unmöglich gemacht hat, als sie, nicht mehr ganz jung und nicht übermäßig attraktiv, am Tag ihrer Hochzeit den Bräutigam sitzenließ. Wider Erwarten ist sie jedoch auch im gepflegt langweiligen Hotel du Lac verschiedenen Anfechtungen ausgesetzt – und gerät in Versuchung, sich erneut zu verloben.

Zunächst einmal ist zu sagen, dass in diesem Buch nichts passiert. Aber das auf eine sehr unterhaltsame Art und Weise. Edith Hope ist nun also in diesem Hotel du Lac mit einigen anderen Gästen, die alle mehr oder weniger normal sind – so wie Edith eben auch. Jeder von ihnen hat sein Päckchen zu tragen und jeder geht anders damit um. Edith lernt so nach und nach alle kennen, doch alles nur oberflächlich. Sie selbst möchte ja schließlich von sich auch nichts wirklich preisgeben. Bis sie auf den einzigen männlichen Hotelgast trifft, der sie zu durchschauen scheint. Doch wer nun denkt, es handelt sich hier um eine Liebesgeschichte – weit gefehlt. Es ist vielmehr eine Studie über das Menschsein.

Anita Brookner, die 1928 geborene und bereits 2016 verstorbene Autorin, hat einen Schreibstil, der schlicht fasziniert. Sie geht mit der Sprache derart kunstvoll um, dass die Geschichte nicht einfach nur eine Geschichte ist, sondern vielmehr ein Kunstwerk. Ich halte mich für recht belesen, doch hier habe ich zwei Begriffe gefunden, dir mir bislang unbekannt waren. Aber dennoch ist es keine schwere Literatur. Man schwebt durch das Buch, ist plötzlich am Ende angelangt und denkt sich „wow“. Dabei passiert wie gesagt eigentlich nichts. Großartig!

Ich empfehle dieses Buch jedem, der sich für Literatur abseits des Mainstreams und für grandiosen Sprachreichtum begeistern kann.