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hasirasi2
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Dresden

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Insgesamt 1229 Bewertungen
Bewertung vom 26.02.2020
Greaves, Abbie

Hör mir zu, auch wenn ich schweige


ausgezeichnet

Geständnisse

„… ich habe eine Weile nicht mehr mit ihr gesprochen … Inzwischen … fast sechs Monate.“ (S. 11)
Maggie und Frank sind seit 40 Jahren verheiratet, als er von einem auf den anderen Tag aufhört zu sprechen. Am Anfang rebelliert Maggie noch, heult, schreit, kämpft, doch bald hofft sie, dass Frank vielleicht nur Zeit braucht, um seine Stimme wiederzufinden und lässt ihm diese, denn Tisch und Bett teilen sie weiterhin.
Aber dann passiert etwas, das Frank aufrüttelt. Plötzlich rennt ihm die Zeit davon. Wenn er Maggie und sich, ihre Beziehung, retten will, muss er endlich wieder reden und ihr gestehen, was ihm die Sprache verschlagen hatte. „Ich weiß, dass ich Maggie im Stich gelassen habe. Ich weiß, dass sie in den vergangenen Monaten mehr als einen schweigenden Resonanzkörper gebraucht hätte.“ (S. 21)

Er beginnt am Anfang, erzählt von ihrem Kennenlernen, wie sie ihn sofort bezaubert und für sich eingenommen hat. Dass sie sich auch in ihn verliebte, kann er bis heute nicht fassen. Sie sind so verschieden. Er ist ruhig, zuverlässig, schüchtern – ein Fels in der Brandung, aber eher unscheinbar. Sie hingegen sehr impulsiv, weltoffen, freundlich und ein echter Wirbelwind, der überall auffällt. Zudem ist sie wunderschön. „… du warst wie das Licht eines Leuchtturms. Dein heller Schein richtete sich direkt auf mich, und ich konnte mich nur bemühen, in deinem Glanz, der alles erleuchtet, was du berührtest, nicht zu erblinden. (S. 67)
Er dachte, dass sie ein glückliches und erfülltes Leben führen würden. Zwar hatte Maggie schon immer dunkle Stunden, in denen er sie halten und ihr Trost spenden musste, aber auch diese Seite an ihr hat er geliebt. Und zusammen haben sie es immer wieder überwunden.
Doch dann passiert etwas, was beide sprachlos zurücklässt. Was sie nicht wissen, beide fühlen sich wegen der gleichen Sache schuldig, aber sie können es dem jeweils anderen nicht sagen, weil sie Angst haben, ihn zu verlieren.

„Hör mir zu, auch wenn ich schweige“ ist eine extrem berührende und intensive (Liebes-)Geschichte, die mich sehr nachdenklich zurückgelassen hat. Schnell zieht sie mich in einen Strudel voller Gefühle. Ich will unbedingt wissen: Was hat diese scheinbar perfekte Beziehung zerstört? Das Buch ist eine emotionale Achterbahnfahrt – man kann eigentlich nicht aufhören zu Lesen, weil es so spannend ist, andererseits kommen Dinge ans Tageslicht, die man erstmal sacken lassen muss und es dann eben doch kurz weglegt – wenn eine Befürchtung zur Gewissheit wird. Abbie Graeves erzählt sehr eindringlich von so viel Leid, dass man es fast nicht mehr erträgt. Ich bin erschüttert und es fließen sogar Tränen. Aber es lässt auch Platz für Hoffnung, schafft der Gewissheit Raum, dass ein Ende oft auch einen neuen Anfang in sich birgt. „Vierzig Jahre Höhen und Tiefen, die Kämpfe und die Freude und das Licht, auf dem sie ein Leben aufgebaut haben. Er sieht alles, was sie gewesen sind. Er sieht alles, was sie sind. Er sieht auch alles, was sie noch werden können.“ (S. 331)

„Hör mir zu, auch wenn ich schweige“ ist auf mein erstes emotionales Highlight für dieses Lesejahr.
#TheSilentTreatment

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 21.02.2020
Müller, Gregor

Völkerschau


ausgezeichnet

Mord im Charlottenhof

Leipziger Herbstmesse 1898: Die Stadt ist voller Fremder und Kriminalcommissar Joseph Kreiser darf endlich in seinem ersten Mordfall ermitteln. Einer der einflussreichsten Industriellen der Stadt, Carl August Georgi, wurde nach dem Sommerabschlusskonzert im Charlottenhof ermordet. Verdächtige gibt es viele, denn Georgi war ein unangenehmer Mensch, das sagt auch Kreisers Vermieterin Hannah Faber: „Georgi war ein sehr lauter Mensch, der wusste, dass er sich wegen seines Geldes alles erlauben konnte.“ (S. 40) Dabei verdrängt Kreiser fast, dass er ja auch den entflohenen „Wilden“ – einen Afrikaner der zum Ensemble der Völkerschau gehörte – suchen muss.

„Völkerschau“ ist der Auftakt einer neuen historischen Krimireihe, die in Leipzig um die Jahrhundertwende spielt.

Kriminalcommissar Joseph Kreiser ist ein Mann in den besten Jahren, der schon lange auf seine Beförderung hinarbeitet. Er ist intelligent und immer sehr korrekt. Seine Vermieterin Hannah wundert sich nur, dass er noch keine Frau gefunden und eine Familie gegründet hat. Allerdings kommt dadurch sie in den Genuss der abendlichen Zusammenfassungen seines Tages und an erste Informationen zu aktuellen Fällen. Da sie vor einiger Zeit erblindet ist und nicht mehr als Lehrerin arbeiten kann, hat sie viel Zeit zum Nachdenken und macht sich ihre eigenen Gedanken zu seinen Berichten.

Kreisers Ermittlungen gewähren einen interessanten Einblick in den Ablauf und die Organisation der damaligen Polizeiarbeit. So ist er als Ermittler nie allein unterwegs, sondern wird stets von Staatsanwalt Möbius begleitet, der die Untersuchungen und Verhaftungen rechtlich absichert bzw. anordnet.

Mit Mawuwe greift der Autor ein erschreckendes Thema auf. Mawuwe wird als Attraktion im Zoo im Rahmen der Völkerschau ausgestellt, muss sich gebärden wie und brüllen wie ein Löwe – ein „Schwarzer“ ist eben kein Mensch, sondern ein Tier. Dass er deutsch spricht, einen richtigen Vertrag hat und für seine „Arbeit“ bezahlt wird, interessiert die Zuschauer nicht. Ihnen geht es nur darum, sich zu gruseln und die „Wilden“ zu betrachten – eben sich unterhalten zu lassen.

Die Schilderungen von Hannahs Alltag, den sie mithilfe eines Hausmädchens ziemlich gut meistert, fand ich sehr interessant. Hannah beschäftigt sich u.a. mit der Frauenbewegung und Emanzipation, da sie auch als ehemalige Lehrerin immer noch dem Zölibat unterliegt und nicht heiraten darf, um ihre kleine Rente nicht zu verlieren. Das geforderte Frauenwahlrecht ist ihr dann aber doch zu modern.

Diese ganzen Informationen machen den Krimi sehr abwechslungsreich und unterhaltsam. Auch das alte Leipzig kann ich mir durch die Beschreibungen sehr gut vorstellen, das Flair, die vielen verschiedenen Menschen zur Messezeit und den dadurch herrschenden Trubel.

Georg Müller ist für mich die Entdeckung des Gmeiner Frühjahrsprogramms und ich hoffe, dass Joseph Kreiser bald wieder ermitteln darf.

Bewertung vom 19.02.2020
Preitler, Franz

Die schönen Mordschwestern


sehr gut

Wer war es?

„Ich habe es für Pokorny getan, und zwar aus Verzweiflung, weil ich ihn wahnsinnig liebe.“ (S. 111) sagt Gusti (Auguste Huber) 1906 zu ihrer Verteidigung im Mord-Prozeß gegen sie und ihre Schwester Fini (Josefine) aus. Joseph Pokorny ist ein selbsternannter Opernstar und Gusti ist ihm verfallen. Um ihn halten zu können braucht sie dringend Geld – immer mehr – und weiß sich am Ende nicht anders zu helfen, als eine reiche Bekannte zu ermorden, meint zumindest das Gericht. Verurteilt wird sie aufgrund von Indizien und weil sie sich in ihren Aussagen mehrfach widerspricht. Ob ihre Schwester Fini involviert oder vielleicht sogar die Täterin ist, kann nicht nachgewiesen werden. Trotzdem wird sie zu 5 Jahren wegen Beihilfe verurteilt und Gusti 20.

Nach der Verbüßung ihrer Haftstrafe geht Fini nach Wien zurück und begegnet Pokorny wieder, der bereits einen neuen Namen angenommen hat. Sie muss sich erneut damit auseinandersetzen, was damals passiert ist und will ihn dafür büßen lassen – aber wie?

In „Die schönen Mordschwestern“ verarbeitet Franz Preitler einen realen Kriminalfall, der nie richtig aufgeklärt werden konnte. Fest steht, dass die zwei Schwestern mit ihrer Bekannten einen Ausflug unternahmen und ohne sie zurückkamen. Die Bekannte wurde kurz darauf ermordet aufgefunden und alle Indizien verwiesen auf die Schwestern.

Gusti und Fini stammen aus einem winzigen Dorf und träumen wie so viele andere jungen Frauen von einer guten Anstellung in Wien, bei der sie ihren zukünftigen (vorzugsweise reichen) Ehemann kennenlernen. Mehr wollen sie nicht vom Leben. Für Gusti scheint sich dieser Traum zu erfüllen, als sie Pokorny begegnet. Er gibt sich reich und berühmt und verspricht ihr, sie als seine Ehefrau mit zu seinem nächsten Engagement nach Sankt Petersburg zu nehmen, wenn sie nur irgendwie das Geld für die Fahrkarten auftreiben kann.

Die beiden Schwestern sind sehr naiv und rennen sehenden Auges in ihr Unglück. Egal was Pokorny macht, sie nehmen ihn in Schutz. Selbst während des Prozesses, als die Sprache auf seine Vorstrafen wegen Betrug und Heiratsschwindel kommt, glauben sie es immer noch nicht.
Pokorny ist skrupellos und gierig, leidet an Größenwahn. Er sieht nicht besonders gut aus, aber er kann die Frauen um den kleinen Finger wickeln und ihnen die große Liebe vorspielen. Er sieht sich selber im Recht – schließlich zwingt er die Frauen nicht, sich in ihn zu verlieben und ihm Geld zu geben, er sieht es eher als Gegenleistung für seine Dienste und die Träume, die er ihnen schenkt.

Die Geschichte ist sehr spannend. Man weiß bis zuletzt nicht, was damals wirklich passiert ist und was Fini jetzt als Rache plant. Aber auch Pokorny ist so undurchsichtig, dass ihn zwischendurch als Täter im Verdacht hatte.

Die Beteiligten erzählen die Geschehnisse abwechselnd aus ihrer Sicht. Auch ein Zeitungsreporter und Auszüge aus dem Buch, dass dieser und Pokorny zusammen schreiben, kommen zu Wort. Dabei drücken sie sich so aus, wie es damals wahrscheinlich üblich war. Mir persönlich ist der Erzählstil dadurch zum Teil etwas weitschweifig und umständlich. Aber sowas ist ja Geschmackssache.

Zudem hätte ich mich gefreut, wenn ich am Ende noch ein paar Hintergrundinformationen bekommen hätte. Ob es den Reporter z.B. wirklich gab und die Zeitungsartikel echt sind und welche Teile der Handlung auf dem realen Fall beruhen.

Bewertung vom 18.02.2020
Kealey, Imogen

Die Spionin


ausgezeichnet

5 Millionen Franc

… Kopfgeld sind auf sie ausgesetzt, doch „Nancy wusste, dass sie sich vor den Deutschen und ihren französischen Handlangern fürchten und mit eingezogenem Kopf auf das Ende der Besatzungszeit warten sollte, aber dazu war sie nicht in der Lage. Geduld und den Kopf einziehen war ihr nicht gegeben.“ (S. 16)

Marseille 1943: Nancy ist gebürtige Australierin, ehemalige Journalistin, mit dem französischen Geschäftsmann Henri Fiocca verheiratet – ihrer großen Liebe – und arbeitet in der Résistance als Fluchthelferin. Henri unterstützt sie dabei mit Geld (sehr viel Geld). Weil Nancy den Nazis immer wieder entwischen kann, nennen diese sie bald „Weiße Maus“ – ohne zu wissen, dass sie eine Frau ist. „Ich bin eine Frau mit teurem Geschmack und reichem Ehemann. Niemand, der mich durch die Gegend flanieren sieht, kommt auf die Idee, dass ich die Weiße Maus sein könnte.“ (S. 29) Doch als die Gestapo Henri verhaftet, muss sich Nancy in Sicherheit bringen. In einer abenteuerlichen und gefährlichen Flucht gelangt sie nach England, lässt sich vom Geheimdienst anwerben und geht nach der Ausbildung zurück in die Auvergne, um mehrere tausend Partisanen anzuführen.

Imogen Kealey erzählt in „Die Spionin“ die Geschichte der fast vergessenen Topspionin Nancys Wake in Form eines biografischen Romans und orientiert sich dabei an deren Erlebnissen, auch wenn sie einige Dinge zu Gunsten der Handlung angepasst hat.

Kealey schreibt extrem fesselnd. Ich habe mit Nancy geliebt, gefühlt, gekämpft und gelitten. Sie wird als wunderschöne, leidenschaftliche, furchtlose, mutige und willensstarke Person geschildert – eine Frau mit Chuzpe. Mir hat gefallen, wie die Autorin den Zwiespalt schildert, in dem sich Nancy befindet. Sie tut alles, um die Nazis zu vertreiben aber sie sorgt sich auch die ganze Zeit um ihren Mann, weiß nicht, ob er noch am Leben ist. Dadurch gerät sie mehrfach in Versuchung, ihre Mission zu Gunsten seiner Rettung aus dem Gestapo-Gefängnis zu gefährden. Eine besondere Tragik bekommt dieser Handlungsstrang durch den deutsche Major Böhm, ihren fanatischen und sadistischen Gegenspieler. Er will sie um jeden Preis fassen und geht dafür über Leichen – auch über die Unschuldiger. Aber nicht nur Böhm, auch den Partisanen muss sie immer wieder beweisen, dass sie mindestens genauso gut ist wie ein Mann. Es fällt ihnen nicht leicht, sie als Anführerin zu akzeptieren, sie muss sich durchzusetzen. Zum Beispiel war sie berühmt dafür, dass sie ihren Gegner mit der Handkante töten konnte – dies hat man ihr weder angesehen noch zugetraut und das war ihr Vorteil. Sie setzte sich bis zur totalen Erschöpfung für die gemeinsame Sache ein und erbringt dabei fast übermenschliche Leistungen, ist sich aber auch der stets latent drohenden Gefahren bewusst. Unterstützt wird sie u.a. durch den englischen Funker Denden, ihren besten Freund. Er ist für den Kontakt nach England zu ständig, koordiniert die Nachschub-Lieferungen via Fallschirm (Waffen, Nahrung, Geld und Nachrichten) und deren Abwurfpunkte. Dass er schwul und von den anderen Männern deswegen diskriminiert wird, macht seinen Aufenthalt unter ihnen besonders brisant.
Interessant fand ich auch die Schilderungen, wie Nancy sich trotz der Kämpfe und dem Leben im Untergrund ihre Weiblichkeit bewahren konnte – sei es, indem sie Highheels aus dem Flugzeug springt, vor den Einsätzen einen roten Lippenstift namens „Victory“ aufträgt oder auf ihren Erkundungs- und Versorgungstouren immer wieder verschiedenen Tarnungen nutzt und die Besatzer so an der Nase herumführt.

Die Autorin beschönigt nichts. Das Grauen des Krieges, die Zermürbungskämpfe der Partisanen und brutalen Vergeltungsschläge der Deutschen werden sehr detailliert und aufwühlend geschildert. Sie erwähnt auch mehrfach die selbstlose Hilfe und Unterstützung der Bevölkerung, ohne welche die Kämpfer keine Chance gehabt hätten.

Mein Fazit: Eine sehr gelungene und extrem spannende Mischung aus Spionageroman und Biografie.

Bewertung vom 18.02.2020
Marly, Michelle

Die Diva / Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe Bd.12


ausgezeichnet

Der gefallene Engel

Als Maria Callas 1957 auf einer Party Aristoteles Onassis vorgestellt wird begreift sie sofort, warum er bei Frauen so beliebt ist: „… dieser Mann hatte etwas an sich, das ihn erstrahlen ließ wie einen Fixstern zwischen Sternenstaub.“ (S. 11). Und sie ist irritiert, dass er offen zugibt keine Opern zu mögen und sie trotzdem sofort auf eine Kreuzfahrt einlädt, denn sie sind beide verheiratet. Marie hat kein Interesse an ihm, steckt ihre ganze Kraft in ihre Karriere, obwohl sie gern eine längere Pause machen würde. Sie fühlt sich ausgebrannt, aber Meneghini, ihr Mann und Manager, will davon nichts hören. Er hat sie erschaffen, ihr den Weg geebnet, also hat sie alle Auftritte zu absolvieren, die er für sie aushandelt. Dass ihre Ehe keine wirkliche Liebesbeziehung ist, stört sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht. „Vielleicht würde sie ihn heute nicht noch einmal heiraten … aber er hatte ihr die Bühne zu Füßen gelegt und ihr Geborgenheit geschenkt, als sie beides mehr benötigte als alles andere.“ (S. 97)

11 Jahre später verlässt Maria wütend und zutiefst gekränkt Aristoteles‘ Schiff, ihr zweites Zuhause. Er ist die Liebe ihres Lebens, aber nachdem sie in den letzten Jahren über seinen diversen Affären hinweggesehen hat, fühlt sie sich dem Kampf gegen Jackie Kennedy nicht gewachsen. „Aristo wollte nicht nur der reichste Mann auf Erden sein, sondern auch jener, der am meisten bewundert wurde.“ (S. 28) Kurze Zeit später wird sie mit einer Überdosis Schlaftabletten ins Krankenhaus eingeliefert – wirklich nur ein Versehen?!

Michelle Marlys neuester Roman „Die Diva“ dreht sich um die sehr intensive, stürmische und aufregende Liebesbeziehung von Maria Callas und Aristoteles Onassis. Beide kommen aus armen Verhältnissen und haben sich ihren Reichtum bzw. ihre Berühmtheit hart erarbeitet. „Wir haben beide bei null angefangen und die Spitze erreicht, und das allein dank unserer Willenskraft und unseren Fähigkeiten.“ (S. 18/19)
Die Autorin zeichnet das Bild einer leidenschaftlichen, zerrissenen, aber auch konsequenten und sehr disziplinierten Frau. Maria arbeitet seit ihrer Kindheit hart für ihren Erfolg, hungert für ihre Figur und schluckt diverse Medikamentencocktails, um diese zu halten. Erst wurde sie von ihrer Mutter zu Höchstleistungen angetrieben, später von ihrem Mann – Erholung gönnt man ihr kaum.
Bei Aristoteles lernt sie erstmals die Liebe kennen und kommt zu Ruhe, er wird ihr Lebensmittelpunkt. „Es kam Maria so vor, als gäbe es kein Leben mehr für sie ohne diesen Mann.“ (S. 54) Doch die Beziehung ist ein einziges Auf und Ab. So emotional, wie sie früher auf der Bühne war, liebt sie jetzt – mit Haut und Haar. Dass er sie gegen eine Jüngere und Berühmtere austauschen will, kann sie nicht verwinden. „Warum hast Du Dir so viel Mühe gegeben, mich zu bekommen, wenn Du Dir jetzt so wenig Mühe gibst, mich zu halten?“ (S. 271)

„Die Diva“ hat mich ganz schnell in ihren Bann gezogen. Die Geschichte und die Frau dahinter haben mich gleichermaßen fasziniert. Mitreißend schildert Michelle Marly den Spagat zwischen harter Arbeit und Jet-Set-Leben, den Unterschied zwischen der privaten, schüchternen Maria und der öffentlichen Diva Callas – jederzeit perfekt und kontrolliert, bereit für den großen Auftritt. Ich habe wieder einmal die halbe Nacht durchgelesen, weil ich das Buch einfach nicht aus der Hand legen konnte.
Da ich kein Opernfan bin, hatte ich mich bisher noch nicht mit Maria Callas beschäftigt und sie vor dem Lesen auch nicht gegoogelt, sodass mich ihr Schicksal überraschen konnte. Und auch wen ich Onassis als nicht besonders nett empfindet, glaube ich doch zumindest zu verstehen, was Maria an ihm fand.

5 Sterne und meine Leseempfehlung nicht nur für Fans der Callas.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 17.02.2020
Mommsen, Janne

Wiedersehen in der kleinen Inselbuchhandlung / Inselbuchhandlung Bd.3


ausgezeichnet

Musikstück ohne Schlussakkord …

… so hat Wiebke vor 20 Jahren das plötzliche Ende ihrer Clique empfunden. Ihre ganze Kinder- und Jugendzeit haben Nicole, Kai, Hauke und Wiebke zusammen auf Föhr verbracht, waren beste Freunde und Bandkollegen. Aber nach dem Abi sind Nicole und Kai einfach weggegangen – ohne Ankündigung oder ein Wort des Abschieds. Hauke hat die Insel kurz nach ihnen verlassen und auch der Kontakt zu ihm ist bald eingeschlafen. Jetzt ist er ein Bestsellerautor und kommt für die Premiere seines neuesten Krimis, der auf Föhr spielt, in Gretas Inselbuchhandlung.
Hauke freut sich, als er Wiebke bei der Lesung unter den Zuhörern entdeckt, aber dass auch Kai und Nicole da sind, überrascht ihn – sie leben doch gar nicht mehr hier?! Sind die extra wegen ihm angereist? Gerade noch hat er zu seinem Publikum gesagt: „Die Arbeit an diesem Roman war für mich eine wunderbare Zeit. Es war, als wäre ich noch einmal in meine Jugend eingetaucht.“ (S. 59), da stürzen auch schon die Erinnerungen auf ihn ein. Warum ist ihre Gruppe damals eigentlich zerbrochen und gibt es nach so vielen Jahren vielleicht einen Neuanfang? Spontan verlängert er seinen Aufenthalt, auch weil ihm Wiebke noch viel besser gefällt als früher.

„Wiedersehen in der kleinen Inselbuchhandlung“ ist der dritte Teil der Reihe rund um Gretas Buchhandlung und die Insel Föhr. Greta bekommt natürlich mit, dass es zwischen den ehemaligen Freunden kriselt und versucht zu vermitteln.

Die Geschichte wird abwechselnd aus Haukes und Wiebkes Sicht erzählt, dadurch bekommt man einen guten Einblick in ihr Leben und ihre Gefühlswelt. Wiebke war schon damals in Hauke verliebt, aber der hatte nur Augen für Nicole. Auch jetzt gibt es einige Verwicklungen, wer für wen schwärmt.
Ich fand es sehr interessant zu lesen, wie sich die Freunde entwickelt haben, wer seine Jugendträume wie verwirklicht hat. Wiebke wollte eigentlich Musikerin werden, musste sich dann aber um ihren dementen Vater und den Hof kümmern. Inzwischen ist sie alleinerziehende Mutter von süßen Zwillingen und mit ihrem Leben ganz zufrieden. Aber der Hof rentiert sich nicht mehr und sie muss sich bald entscheiden, wie es weitergehen soll.
Hauke hatte nicht geplant, Schriftsteller zu werden und kann seinen Erfolg immer noch nicht fassen. Trotzdem ist er sehr bodenständig geblieben und fühlt sich auf der Insel sofort wieder heimisch. Aber möchte er auch wieder hier leben?

In seinem neuen Buch beschäftigt sich Janne Mommsen mit der Frage, wo man seine Heimat hat und wie die Dynamik innerhalb einer Gruppe von Freunden funktioniert. Ich fand es sehr spannend, das Wiedersehen und die daraus resultierenden Konflikte zu verfolgen. Auch das Inselfeeling hat der Autor wieder wunderbar rübergebracht, man will sofort die Koffer packen und ans Meer fahren.

5 Sterne für diesen unterhaltsamen und trotzdem nachdenklich machenden Wohlfühlroman.

Bewertung vom 13.02.2020
Stolzenburg, Silvia

Die Begine von Ulm


sehr gut

Mörder!

Ulm 1412: Das Ulmer Münster befindet sich noch mitten im Bau, doch jetzt schon haben die Menschen Angst, dass der Turm dereinst den Himmel berührt und damit Gott erzürnt. Bestimmt passieren darum auch so viele Unfälle auf der Baustelle.

Die junge Begine Anna Ehringer hat ihren ersten Arbeitstag im Heilig-Geist-Spital, als der Zimmermann Konrad mit einer schweren Kopfverletzung eingeliefert wird. Man geht wieder von einem Unfall auf der Baustelle aus, doch als Konrad kurz wach wird, flüstert er „Mörder.“ (S. 37) Anna gibt dem Siechenmeister Bruder Lazarus Bescheid, der es der Wache meldet, aber man glaubt ihnen nicht ...

Anna ist wehr wissbegierig und im Beginenkonvent für die Heilmittel und -tränke zuständig, außerdem hilft sie im Spital bei der Pflege und Behandlung der Kranken. Konrads Verletzung irritiert sie von Beginn an und schon bevor feststeht, dass er ermordet wurde beginnt sie mit eigenen Nachforschungen und bringt sich damit in Lebensgefahr. Unterstützt wird sie dabei von Bruder Lazarus.
Sie entstammt einer angesehenen Ratsfamilie und kann sich eine Ehe nicht vorstellen, aber Lazarus bringt ihr Herz zum Tanzen. Doch als Mönch ist er natürlich tabu. Ein weiteres Problem ist ihr Bruder Jakob. Er will im Rat aufsteigen und der schnellste Weg wäre eine Hochzeit Annas mit einem anderen Ratsherrn.

Im Rahmen der Handlung bekommt einen guten Einblick in den Alltag der Beginen und die Arbeit im Spital. Die ehemals unabhängigen Beginen waren zu dieser Zeit schon seit fast 100 Jahren verboten und mussten sich den Barfüßermönchen anschließen, um weiter bestehen zu können. Trotzdem wurden sie immer wieder angefeindet, dabei stammten sie aus einflussreichen Familien.

Das Buch ist recht spannend geschrieben, auch wenn erst am Ende so richtig Fahrt in den Kriminalfall kommt und alles in einem großen Showdown mündet. Dafür erfährt man viel über politische Intrigen innerhalb der Stadt und die gerade stattfindende Umwälzung der Gesellschaft. Die geistlichen Orden werden immer mehr in ihren Freiheiten beschnitten und das niedere Bürgertum drängt nach oben.

„Die Begine von Ulm“ ist der Auftakt einer neuen Reihe von Silvia Stolzenburg und mein Tipp für die Leser der Beginen-Reihen von z.B. Andrea Schacht und Petra Schier.

Bewertung vom 04.02.2020
Schier, Petra

Der Ring des Lombarden / Aleydis de Bruinker Bd.2


ausgezeichnet

Blutgold

Seit dem Tod ihres Mannes Nicolai sind 2 Monate vergangen und Aleydis hat ihren Mädchennamen wieder angenommen, um sich von seinen dunklen Geschäften zu distanzieren. Trotzdem wird sie weiterhin regelmäßig mit der Schattenseite ihres Erbes konfrontiert: Boten bringen Geld um Schulden abzuzahlen, über die sie keine Unterlagen hat, sie wird umschmeichelt und gefürchtet. „Ich werde das Gefühl nicht los, als würde ich von allen Menschen beobachtet. … Als würden irgendwo im Schatten Feinde lauern und nur auf eine gute Gelegenheit warten, mich anzugreifen.“ (S. 38)
Auch in ihrem Hauswesen kehrt keine Ruhe ein. Nicolai hat sie zum Vormund seiner Enkelinnen bestimmt, doch dessen Schwäger wollen die Mädchen in ihre Haushalte aufnehmen und jetzt schon verloben, um an deren Mitgiften zu kommen und Allianzen zu schmieden. Aleydis wird immer klarer, dass sie nicht ewig ohne Ehemann bleiben kann, wenn sie sich behaupten will. Aber muss es wirklich der Gewaltrichter Vinzenz van Cleve ein, der ihr sogar von dessen Vater angetragen wird? Seine Worte und Taten vermitteln ihr nicht unbedingt das Gefühl, dass er sie mag. Doch als ein Brandanschlag auf Nicolais Mörderin Cathrein ausgeübt wird, wirft sie alle Bedenken über Bord und bittet Vinzenz nochmals um Hilfe bei der Aufklärung.

„Der Ring des Lombarden“ schließt direkt an seinen Vorgänger „Das Gold des Lombarden“ an. Obwohl der erste Teil schon vor über 2 Jahren erschienen ist, bin ich sofort wieder in Aleydis Welt angekommen. Sie ist eine starke Persönlichkeit mit Durchsetzungsvermögen, doch da sie noch relativ jung ist und gut aussieht, nehmen Männer sie oft nicht ernst und unterschätzen sie. Dabei kennt sie sich inzwischen in der Wechselstube gut aus, nur Nicolais unlautere Geschäfte machen ihr zu schaffen. „Irgendwo da draußen lauern unzählige Schuldner meines Gemahls, die entweder glauben, ich sei so gewissenlos wie er, oder aber Pläne schmieden, um mir zu schaden.“ (S. 267) Sie findet immer mehr Details über seine Machenschaften heraus und kommt auch hinter die Bedeutung des speziellen Rings, den sie von ihm geerbt hat.
Die Ermittlungen zum Brandanschlag gestalten sich sehr verzwickt und sind nicht ungefährlich. Bald weiß Aleydis nicht mehr, wem sie noch trauen kann. Es gibt zu viele Menschen, die Cathrein den Tod wünschten. Oder wollte man sie selbst damit treffen und in Verruf bringen?

Petra Schier schreibt wieder sehr spannend und mitreißend (oder wie ich mal zu ihr gesagt habe: Das liest sich wie geschnitten Brot!). Geschickt lässt sie das mittelalterliche Köln lebendig werden und auch Figuren aus früheren Büchern auftreten. Ich liebe die Wortgefechte von Aleydis und Vinzenz und hoffe, dass der nächste Band bald erscheint und ihre (endlich gemeinsame???) Geschichte weitergeht – denn „Was sich neckt, das liebt sich“ – hoffentlich.

5 Sterne für den absolut hinreisenden Mittelalterschmöker, in dem man für Stunden abtauchen und verschwinden kann.

Bewertung vom 31.01.2020
Graves, Tracey Garvis

Annika Rose und die Logik der Liebe


ausgezeichnet

Ein Neuanfang

Als Jonathan Annika im Supermarkt wiedererkennt und anspricht hofft sie, dass sie da weitermachen können, wo ihre Beziehung vor 10 Jahren aufgrund eines Schicksalsschlages endete. „Ich dachte, wir könnten die Vergangenheit vergessen und neu beginnen.“ (S. 64) Schließlich war er ihre erste große Liebe, der erste Mann, der sie verstanden hat. Doch Jonathan bleibt reserviert, denn Annika ist anders - Autistin.

„Annika Rose und die Logik der Liebe“ ist eine sehr ungewöhnliche, bezaubernde und emotionale Liebesgeschichte, die nie kitschig wird, sondern sich immer sehr real anfühlt. Sie wird abwechselnd aus ihrer und seiner Sicht und auf 2 Zeitebenen erzählt. Dadurch hat man stets zwei unterschiedliche Blickwinkel auf das gleiche Geschehen. In Rückblicken erinnern sie sich an ihr Kennenlernen im Schachclub der Uni und ihre damalige Beziehung.

Annika und Jonathan waren mir sofort sympathisch. Sie hatten es in ihrer Kindheit und Jugend beide nicht leicht.
Jonathans Mutter war alleinerziehend und er musste sich alles hart erarbeiten.
Annika hingegen wuchs sehr behütet auf, wurde lange von ihrer Mutter zu Hause unterrichtet. Sie kann ihre Mitmenschen, deren Interaktionen und Mimik oft nicht verstehen. „Es ist, als hätten alle eine Anleitung zum Leben bekommen, nur dir hat man keine gegeben. Also tastest du dich blind voran und hoffst, irgendwie durchzukommen. Und meistens machst du es falsch.“ (S. 209) An der Uni fühlt sie sich fremd und auf das Leben allein nicht genug vorbereitet. Zum Glück ist ihre Mitbewohnerin Janice sehr rücksichtsvoll und hilft ihr, die Klippen des Alltags zu umschiffen.
Als Erwachsene meistert Annika ihr Leben mit Hilfe einer Therapeutin, zudem Janice ist nach wie vor ihre beste Freundin und immer für sie da, auch wenn sie nicht mehr in der Nähe wohnt.

Annikas ganz eigene Betrachtungsweise auf ihre Umwelt fand ich sehr spannend und interessant. Sie kann nicht lügen oder sich verstellen und sagt immer die Wahrheit. Aber sie hat auch Probleme, ihre Gefühle zu zeigen, woran sich Jonathan erst gewöhnen muss. Die erste Liebe ist schon für „normale“ Menschen nicht leicht, aber für Annika ist es noch viel schwerer. „Ich weiß nie, was andere Leute denken. Das ist, als wäre man in einem fremden Land, in dem eine fremde Sprache gesprochen wird … ganz gleich, wie oft man Saft bestellt, immer bringen sie Milch.“ (S. 187)

5 Sterne und meine Leseempfehlung für diese ganz besondere Liebesgeschichte.