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seschat
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Bewertungen

Insgesamt 939 Bewertungen
Bewertung vom 27.01.2017
Fierek, Wolfgang

Lob der Lederhose


ausgezeichnet

Der bayerische Schauspieler Wolfgang Fierek verkörpert nicht nur im TV den Urbayern schlechthin. Da mag es nicht verwundern, wenn er dem Homo Bavaricus ein Buch widmet.

Mit seiner kurzweiligen sowie informativen Bayern-Studie ist ihm eine überaus vergnügliche Lektüre gelungen, die sich einmal nicht ausschließlich um die bayerischen Vorzeigesymbole Lederhose, Wiesn, Franz-Joseph Strauß und Kini dreht.

Ausgehend vom Wappentier, dem bayerischen Löwen, geht Fierek zu den typischen bayerischen Charaktereigenschaften über (engstirnig, grantig, traditionsbewusst etc.). Die Bayern sind seit Anbeginn ein eigenwilliges Völkchen, das nicht jeden "Zugeroasten" auf Anhieb akzeptiert. Doch mithilfe von Tracht, Bier und Dialekt können Brücken geschlagen werden.

Darüber hinaus werden geografisch reizvolle und geschichtsträchtige Orte (Watzmann, Neuschwanstein...) näher betrachtet, wobei sogar auf Sagen eingegangen wird, was ich sehr lobenswert finde. Hierbei scheut sich der Autor auch nicht Kritik an bestimmten politischen Plänen (Stromtrasse, Atommüllendlager) zu üben.

Mein Highlight war die kleine sprachliche Einführung ins Bairische. Ob Aussprache, Verkleinerungsformen bzw. Flüche, hier kann der Laie noch einiges dazulernen. Als Fan von "Monaco Franze" fand ich besonders die Ausführungen zum Begriff "Stenz" recht spannend. Auch das Schimpfwort "Saupreiß" wird eingehend erörtet, was für Erheiterung sorgte.

Fiereks Darstellung überzeugt durch dessen charmant-authentische Art. Denn er lässt seine eigene Biografie dann und wann mit einfließen.

FAZIT
Ein kurzweiliger Bayern-Rundumschlag, der neben allerlei Bekannten auch Neues zu bieten hat und mit einem humorig-leichten Sprachstil aufwartet. Quintessenz: Bayern sind auch nur Menschen ;-)

Bewertung vom 26.01.2017
Leiss-Huber, Anton

Fastenopfer / Kommissar Max Kramer & Nonne Maria Evita Bd.2


ausgezeichnet

INHALT
In Altötting wird der Verwalter des "Tilly-Benefiziums" tot in seinem Büro aufgefunden und das ausgerechnet in der Fastenzeit. Kommissar Max Kramer versucht den Fall aufzuklären, doch wird dabei von zwei Frauen gehörig abgelenkt...

MEINUNG
Anton Leiss-Hubers Kriminalroman ist ein humoriger Lokalkrimi, bei dem mehr das bayrische Dorfleben als der Crime im Vordergrund steht. Zwar spielen Kunstfälscherei und Erpressung eine nicht unwesentliche Rolle, doch das dörfliche Miteinander bzw. die lang gepflegten Traditionen sind einfach spannender.

Max Kramer, der herzensgute Kommissar, hat es nicht leicht. Der Mordfall sowie die Damenwelt nehmen ihn gehörig in Anspruch. Staatsanwältin und Ex, eine Novizin, mischen sich nicht nur in sein Privatleben ein. Dem gewitzten Kommissar kann man einfach nichts übel nehmen.

Auch die Nebencharaktere (Geistliche als auch Polizisten etc.) wirken authentisch. Ihre Spleens sind teilweise zum Schreien komisch, aber für die bayrische Provinz nicht ungewöhnlich.

Der Autor konnte mich vor allem durch seine Dialektpassagen überzeugen - mehr Lokalkolorit geht einfach nicht. Auf diese Weise wähnt man sich der Leser schneller als ihm lieb ist im Herzen Bayerns.

Darüber hinaus empfand ich die häufigen szenischen Wechsel/Sprünge sehr stimmig, so blieb die Spannung bzw. der Unterhaltungswert hoch.

Einzig das Cover samt Titel wollen nicht so wirklich zum Inhalt passen, weil die Fastenzeit keine herausgehobene Rolle einnimmt.

FAZIT
Basst scho! Ein Bayernroman wie man ihn sich wünscht.

Bewertung vom 26.01.2017
Renk, Ulrike

Das Lied der Störche / Ostpreußensaga Bd.1


ausgezeichnet

INHALT
Ostpreußen um 1920: Die 11-jährige Frederike von Weidenfels und ihre Stiefgeschwister Fritz und Gerta von Fennhusen ziehen auf den Gutshof ihres Onkels und neuen Stiefvaters Erik.

Das Leben auf dem Land in der Nähe von Graudenz unterscheidet sich fundamental von dem in der Stadt. Gab es in Potsdam noch in allen Bereichen des Wohnhauses Elektrizität und fließend Wasser, so ist dies im Gutshaus eher Mangelware. Hier steht die Pferdezucht und die Bewirtschaftung der Felder im Vordergrund. Auch eine Schule gibt es nicht, doch dafür einen, in die Jahre gekommenen Hauslehrer.

Anfangs tun sich die Geschwister und vor allem Frederike noch schwer mit dem Hofleben, denn in Berlin pulsiert das Leben. Aber mit der Zeit lernt sie dessen Vorteile zu schätzen und will alles lernen, um eines Tages eine gute Gutsherrin zu werden. Da sie weder Mitgift noch Auskommen besitzt, ist eine wohlhabende Partie erstrebenswert. Der fünfzehn Jahre ältere Ax von Stieglitz hat nicht nur gute Manieren, sondern auch ein großes Gut. Doch ein Geheimnis umgibt ihn...

MEINUNG
Ulrike Renks neuester Wurf - Das Lied der Störche - basiert auf einer wahren Geschichte und überzeugt durch die realistische Abbildung der damaligen Lebensumstände. Die Gutsherren hatten es in den Zwanziger Jahren nicht leicht, da nach dem Ersten Weltkrieg in Deutschland politische Wirren herrschten und es die Menschen immer mehr in die Städte trieb, wo es Automobile, Elektrizität und allerhand kulturelle Amüsements gab.

In der ländlichen Provinz kämpfte man ums tägliche Überleben und arbeitete hart. Protagonistin Frederike muss dies erst noch lernen, doch sie liebt den dort herrschenden familiären Zusammenhalt. Hier kann sie unbeschwerte Tage mit den Geschwistern in der Natur verbringen und muss sich nicht um die neueste Mode kümmern. Auch Hunde, Pferde, Kaninchen etc. wollen versorgt werden.

Renks unverstellter, authentischer Einblick in das damalige Land- und Familienleben macht dieses Buch so lesenswert. Es geht um Rollenbilder, jugendliche Rebellion und Verwirklichung von Lebensträumen. Hierbei steht Frederikes Werdegang im Fokus. Letztere wandelt sich im Laufe der Handlung von der braven Stieftochter zur angesehenen Gutsherrin. Gern setzt sie sich über gängige Konventionen hinweg und handelt nach humanen Gesichtspunkten. Emotional nimmt sie ihre ungewisse Zukunft stark mit. Infolge hadert sich oft mit sich, weiß aber immer die rechten Entscheidungen zu treffen. Frederike sowie die Nebencharaktere (Geschwister, Tanten, Stiefvater, Mutter etc.) wurden passend zueinander ausgewählt, so dass ein wahres Familienidyll geschaffen wird.

Handlungstechnisch lebt der Roman von dem bunten Familien- und Gutsleben im Hause Fennhusen. Das offene Ende weckt des Lesers Neugier auf den zweiten Band. Man fragt sich: Wie wird es wohl mit Frederike weitergehen? Wie werden die politischen und privaten Ereignisse ihr Leben verändern?

Die Sprache der Autorin ist lebendig und sehr bildhaft. Zudem werden allerhand Redewendungen, Anreden sowie Dialekte der Zeit gewinnbringend mit eingeflochten. Auch bei der Namenswahl zeigt sich Renk sehr geschickt, indem zeitgenössische Namen für ihre Charaktere wählt.

FAZIT
Gelungener Auftakt zu einer neuen Familiensaga, deren Lektüre nicht nur gut unterhält, sondern ganz nebenbei viel Mentalitätsgeschichte vermittelt. Absolut lesenswert!

Bewertung vom 20.01.2017
Ober, Josiah

Das antike Griechenland


gut

Der amerikanische Althistoriker Josiah Ober hat ein umfangreiches Sachbuch über das antike Griechenland geschrieben.

Der ein oder andere wird wohl gedacht haben: Bitte nicht noch ein Buch über diese Epoche der griechischen Geschichte (Bronzezeit bis Hellenismus). Aber Obers Ansatz ist kein populärwissenschaftlicher, sondern ein politisch-wirtschaftlicher. Mithilfe allerhand Tabellen und Statistiken zu den griechischen Poleis versucht der Autor einen Gesamtüberblick über die wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse der damaligen Zeit zu schaffen. Letzterer ist aus Quellenmangel hingegen mit Vorsicht zu genießen. Ob die Vermögensverhältnisse der verschiedenen Bevölkerungsklassen oder der Ertrag der Landwirtschaft, Ober ist auf Vollständigkeit bedacht. Anfangs bedient er sich sogar evolutionsbiologischer Forschungen um Platons Bonmot "Wir sitzen wie Frösche/Ameisen um einen Teich" zu belegen. Danach wird die griechische Geschichte bis zur Diadochenzeit angeschnitten, wobei nur das Wesentliche in den Blick genommen wird.

Insgesamt hatte Obers Buch stark thereotischen Charakter und ist daher vor allem für ein Fachpublikum geeignet. Für den studierten Altertumswissenschaftler gab es nicht allzu viel Neues zu entdecken. Die Ausführungen zur Wirtschaft und Politik hatten mehr einschläfernden als Neugier weckenden Charakter, was vor allem am klinisch sachlichen Ton lag. Auch die Wahl der eingestreuten Karten und Pläne fand ich unzureichend und die Auflösung bzw. Darstellung der Tabellen war fehlerhaft (d.h. oftmals abgeschnitten).

FAZIT
Ein solides Sachbuch, das für meinen Geschmack zu theoretisch ausgefallen ist und keine wirklich neuen Erkenntnisse zur Geschichte der griechischen Antike liefert.

Bewertung vom 19.01.2017
Gailus, Christian

Glashaus (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Christian Gailus' verschriftlichtes Hörbuch "Glashaus: Jeder hat etwas zu verbergen" ist eine immens spannende Dystopie, die mich in Hinblick auf die Zukunft nachdenklich gestimmt hat.

Inhaltlich geht es um Cyberkriminalität in seiner radikalsten Ausprägung: Cyberterrorismus.

Ein Hacker besitzt die Fähigkeit, eine ganze Stadt, in Bezug auf die Handlung Berlin, lahm zu legen. Der ominöse Hacker Goodspeed verwischt seine Spuren gut. Nur Kenner des Darknets, also IT-Nerds, können ihm auf die Schliche kommen. Die Ermittlungserfolge der extra ins Leben gerufenen Sondereinheit "Glashaus", bestehend aus IT-Profis, Staatsanwältin und traumatisierten Afghanistan-Veteran, sind anfangs spärlich. Erste Attentate, u. a. auf die Bundeskanzlerin, können nicht verhindert werden...

Gailus' Zukunftsszenario ist düster. Jeder spioniert jeden aus und über allem schwebt die menschliche Ohnmacht gegenüber der Gefahr aus dem Netz. Die Grenze zwischen Freund und Fein ist dabei fließend oder etwa doch nicht? Vor allem die Tatsache, dass eine Großstadt wie Berlin innerhalb weniger Tage, gar Stunden handlungsunfähig gemacht werden kann, hat mich schockiert. So schön und entlastend der digitale Fortschritt auch sein mag, so unberechenbar gefährlich können die Folgen eines Missbrauchs sein.

Der Autor hat mit "Glashaus" eine temporeiche, höchst spannende Geschichte geschaffen, die fesselt und teilweise auch abschreckt. Ständig wechselnde Erzählperspektiven und Schauplätze machen die Lektüre lebendig. Zudem geht das Schicksal einzelner Protagonisten, allen voran das von Mark West, an die Nieren. Letzterem wurde ein Chip ins Hirn eingepflanzt, wodurch sein Denken und Handeln manipulierbar ist. Die in den Fließtext eingebauten Internetchats verleihen dem Ganzen noch eine verblüffend authentische Note.

FAZIT
Ein in sich stimmiger Thriller mit Suchtpotenzial, der dem Leser unruhige Lesestunden beschert.

Bewertung vom 12.01.2017
Zöbeli, Alexandra

Der Himmel über den Black Mountains (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

INHALT
Die Bankangestellte Emma, Ende zwanzig, lebt in London. Seit vier Jahren ist sie mit dem selbstverliebten Schauspieler Richard liiert und würde gern mit ihm zusammenziehen. Doch er genießt seine Freiheit und denkt nicht daran.

Kurzum, Emma ist mehr als unzufrieden. Da kommt ihr das Schicksal zu Hilfe und sie erbt eine Farm in den Black Mountains an der Grenze zu Wales. Wenn sie sich ein Jahr als Farmerin bewährt, winkt ihr nicht nur die Farm ihrer Tante Milly, sondern auch deren stattliches Vermögen. Daraufhin überlegt Emma nicht lang und zieht aufs Land, das sie schon immer mehr geliebt hat als die Stadt.

MEINUNG
Alexandra Zöbelis Roman konnte mich restlos von sich überzeugen. Die Geschichte fesselte mich bis zur letzten Zeile. Wer nach einer humorigen, emotionalen und sogar spannenden Erzählung sucht, ist hier bestens aufgehoben.

Zöbelis handelnde Personen, allen voran Hauptprotagonistin Emma, wuchsen mir auf Anhieb ans Herz. Emmas einnehmende und tierliebe Art fand ich klasse. Mutig und ohne Kompromisse hat sich ins Landabenteuer gestürzt und dabei nicht nur die tierischen Herzen erobert. Besonders der gutaussehende und allseits korrekte Polizist Jack ist ihrer gutherzigen und natürlichen Art sofort erlegen. Mit Humor und Geduld raufen sich diese beiden unterschiedlichen Charaktere zusammen und erleben die große Liebe. Doch Jack hat ein gefährliches Geheimnis...

Die anderen Charaktere, wie z.B. Jacks hilfsbereiter Bruder Ben oder Emmas Nachbar und Freund aus Kindertagen Gareth, waren mir im Vergleich zu Jack und Emma nicht minder sympathisch. Insgesamt schien dieses verschlafene Örtchen fast gänzlich aus herzensguten Menschen zu bestehen, für die Nachbarschaftshilfe etwas Selbstverständliches darstellt. Hier würde ich gern einmal Urlaub machen - am liebsten auf Emmas Farm. Denn Emma hat das Haus der Tante samt Land zu einem Gnadenhof für Tiere mit geselliger Teestube umfunktioniert. Egal ob Katze Ginger, Fuchs Watson, die drolligen Alpakas oder Pferd Chester, in diesem Heim für Tiere ist die Welt noch in Ordnung.

Sprachlich lieferte Zöbeli ein solides, leicht verständliches Werk, das sich formidabel zur schnellen Lektüre eignet und bildreich argumentiert. Die Dialoge verfügen über eine Menge Humor. Auch für Spannung ist gesorgt. Diese setzt die Autorin effektvoll und überzeugend am Ende der Story ein.

FAZIT
Ein idyllischer Frauenroman, der ein Lächeln aufs Gesicht zaubert und emotional mitreißt. Kurzweilige Unterhaltung in Bestform.

Bewertung vom 10.01.2017
Schweizer, Gerhard

Türkei verstehen


ausgezeichnet

Gerhard Schweizers Sachbuch "Türkei verstehen" liefert tiefgründige Einblicke in die Geschichte und Wirkmechanismen der Türkei.
Ausgehend von Atatürk bis hin zum heutigen Staatspräsidenten Erdoğan widmet sich der Autor eingehend der türkischen Politik. Mich haben die Reformen von Kemal Atatürk sehr überrascht. Zwar wusste ich, dass er die damalige Türkei grundlegend erneuerte, aber des ganzen Ausmaßes seiner Unternehmungen war ich mir nie bewusst. Man kann sagen, unter Atatürk war die Türkei wesentlich westlicher und damit europäischer als heute. Die Trennung von Religion und Staat war fundamentaler. Zudem wurden die staatlichen Institutionen nach französischem Vorbild ausgerichtet; von den sprachlichem Wandel ganz zu Schweigen.

Die Re-Islamisierung, die ungefähr ab 1950 einsetzte, muss mit Blick auf die erwähnten Reformen eindeutig als Rückschritt bewertet werden. In Bezug auf die Religion fand ich vor allem die Ausführungen über religiösen Minderheiten (Juden, Christen) sehr lehrreich. Auch der Islam als Staatsreligion wurde allumfassend betrachtet. Dabei fällt auf, dass längst nicht alle Türken streng religiös sind. Letzteres hängt von der Bildung, dem Wohnort, aber auch von der Zugehörigkeit zu bestimmten islamischen Glaubensrichtungen (Sunniten, Aleviten etc.) ab.

Gegen Ende des Buchs widmet sich Schweizer dem Phänomen Erdoğan. Ein Thema von tagesaktueller Brisanz. Kenntnisreich, kritisch und engmaschig fallen seine Ausführungen aus. Nicht nur hier, sondern im gesamten Buch erweist sich Schweizer als versierter Erzähler, der seine Leser fesseln kann. Das erreicht er auch gerade damit, dass er Türken aus verschiedenen Schichten der Gesellschaft im O-Ton zu Wort kommen lässt. So bekommt der Leser auch einen Eindruck davon, wie es im Volk unter der Regierung Erdoğan aussehen mag.

FAZIT
Ein überzeugendes Sachbuch, das viele neue Einblicke gewährt und damit das eigene Türkeibild bereichert. Nach der Lektüre kann man die heutige Türkei auf jeden Fall besser verstehen (s. Titel). Einfach ein Muss für alle Politik und Kultur interessierten Leser.

Bewertung vom 09.01.2017
Gregg, Stefanie

Mein schlimmster schönster Sommer


sehr gut

INHALT
Isabel lebt für ihre Arbeit als Consultant, genau wie ihr Lebensgefährte und Kollege Georg. Die Karriere steht an erster Stelle. Bis eines Tages Krebs bei Isabel diagnostiziert wird und sie beschließt, 14 Tage Urlaub von ihrem bisherigen, durchgeplanten Leben zu nehmen. Ohne Handy und Plan mietet sie einen gelben VW-Bus und das Road-Abenteuer beginnt; Hippie-Autobesitzer Rasso inklusive.

MEINUNG
Der Einstieg in Stefanie Greggs Geschichte fiel mir nicht so leicht, da sich mir ihre Umschreibungen von Isabels Krebserkrankung erst relativ spät erschlossen haben. Auch der Wechsel innerhalb der Erzählperspektiven und -zeiten musste erst einmal verstanden werden. Doch als ich den Dreh einmal raus hatte, machte ich Lektüre immer mehr Laune.

Isabel als krebskranke, aber abenteuerlustige Hauptprotagonistin wirkte authentisch und durch ihre unkomplizierte, neue Lebensauffassung ungeheuer sympathisch. Ihr Hippie-Reisegefährte Rasso ließ Isabel für eine gewisse Zeit ihre Krankheit vergessen und gemeinsam lebte man von Tag zu Tag. Ihre neu gewonnene Freiheit ohne die beruflichen Fesseln bzw. sozialen Konventionen ließ Isabel mehr und mehr aufblühen und Hemmnisse in ihrem Umfeld klar erkennen. Besonders die Beziehung zu Georg zweifelt sie an, denn Rassos Freund Piet ist das komplette Gegenteil vom Karrierehengst und Spießer Georg...

Greggs kurzer Roman ist eine schöne Hommage ans Leben. Freude und Leid treffen in der Figur Isabel gleichermaßen aufeinander, was die Autorin mitreißend emotional zu verpacken weiß. Isabels Urlaub von sich selbst lässt sie neue, oft auch ungewöhnliche Bekanntschaften machen, die sie auf normalem Wege wohl niemals eingegangen wäre. Ihre Erlebnisse sind alles andere als alltäglich. Ob Banküberfall, Yoga mit Naturisten oder Reisen mit einer Urne, Isabels bisher graues Leben bekommt endlich Farben (vgl. Cover). Der bewegende Schluss der Story ist mein persönliches Highlight gewesen.

FAZIT
Ein lebensbejahender Roman, dessen Titel den Inhalt und die Grundstimmung der Geschichte hundertprozentig trifft. Berührend-nachdenkliche Lektüre mit Witz und Verstand.

Bewertung vom 06.01.2017
Saxx, Sarah

King of Chicago


gut

Millionenschwerer Unternehmer und Womanizer trifft auf selbstbestimmte, unbescholtene Fotografin. Diese klischeebesetzte Szenerie ist nicht neu. Sarah Saxx' Zweipersonenstück, in dem sich die beiden Hauptprotagonisten Travis King und Ashley Crown die Rolle des Erzählers teilen, las sich flüssig und teils recht humorig; lässt man die flache Handlung einmal außen vor. Ashley als auch Travis spielen ihre vorgegebenen Rollen perfekt; inklusive Travis' Kindheitsprobleme, die ihn bis in die Gegenwart begleiten. Aufgrund des frühen Todes seiner Mutter kann er keine Frau wirklich an sich heran und in seine Seele blicken lassen; bis Ashley in sein Leben tritt. So weit, so gut. Die Story ist mehr als kurzweilig und das ständige Liebeswirrwarr wegen Travis' Verflossener und der reißerischen Presse machte es nicht besser. Im Gegenteil dadurch wirkt die Geschichte unnötig gelängt. Zudem wurde auf die erotischen Szenen ein zu großer Stellenwert gelegt. Wahre Liebe bzw. der Charakter der beiden Protagonisten offenbarte sich nur am Rande.

FAZIT
Ein seichter Frauenroman, mehr nicht.

Bewertung vom 06.01.2017
Zimmermann, Katja

Esst euer Eis auf, sonst gibt's keine Pommes


ausgezeichnet

Die Zahl der alleinerziehenden Frauen in Deutschland steigt jährlich. Im Moment sind es 1,6 Millionen. Die Westberlinerin Katja Zimmermann wurde ungeplant eine von ihnen. Als sie mit Ende zwanzig ihren Jugendfreund Jonas wieder traf, war sie bald darauf schwanger und noch dazu mit Zwillingen. Doch statt sich mitzufreuen, reiste Jonas zurück zu seiner australischen Ex-Freundin. Seitdem sind 12 Jahre vergangen und Katja Zimmermann hat sich entschlossen, über diese Zeit ein Buch zu schreiben.

Katja Zimmermanns Erfahrungsbericht las sich flüssig und spaßig. Mit viel Selbstironie betrachtet sie diese besondere Lebensphase, in der mehr
funktionieren als leben angesagt gewesen ist. Ihre beiden Kinder - Luis und Nele - verlangten seit deren Geburt Katjas vollkommene Aufmerksamkeit, obschon sie beruflich ganz andere Pläne hatte. Um die kleine Familie finanziell über Wasser zu halten, schrieb sie Seriendrehbücher oder unterrichtete als Vertretungslehrerin. Ohne die Hilfe von Freunden und Familie wäre ihr dieser Spagat zwischen Familie und Beruf/Karriere nicht gelungen.

Eigene Interessen und Bedürfnisse hatten bis zum Teenageralter der Zwillinge nur wenig Platz. Denn alltägliche Herausforderungen, wie Kitasuche oder Bespaßung der Kinder, standen an erster Stelle.
Von befreundeten Pärchen wurde sie stets bewundert, aber von Passanten nicht nur einmal scheel angesehen, weil sie ohne Mann leben und zurecht kommen musste. Was bewundernswert ist, Zimmermann gab nie auf, wenngleich die Suche nach einen Ersatzpapa für eine zweifache Singlemutti alles andere als einfach ist. Denn keiner der Auserwählten wollte auf lange Sicht Verantwortung für die Kleinen übernehmen.

Insgesamt fand ich die Lektüre gleichsam unterhaltsam und interessant. In grundehrlicher Weise schilderte Zimmermann ihre Erlebnisse und Erfahrungen und gab ganz nebenbei auch Einblicke ins Leben anderen Alleinerziehender. Dadurch konnte sich der Leser ein umfangreiches Bild von der heutigen Lebenssituation von Singles mit Kind machen. Und eines wird schnell klar: Kindererziehung ist heutzutage kein Pappenstiel. Aber Zimmermanns Galgenhumor ließ sie manch tiefes Tal behände durchschreiten. Am Ende bereut sie nichts und hofft darauf, mit Nele und Luis zwei gute Menschen herangezogen zu haben. Ihr Enthusiasmus und ihre Stärke wirkten ansteckend - Chapeau!

FAZIT
Ein Buch, das 100 Prozent Frauenpower transportiert und besonders Alleinerziehenden Mut und Freude bereiten wird.