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Juti
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Insgesamt 735 Bewertungen
Bewertung vom 13.02.2017
Fallada, Hans

Kleiner Mann - was nun?


ausgezeichnet

Ich habe mit der jetzigen Orginalausgabe zum ersten Mal den Roman gelesen. Und vieles aus dem heutigen Arbeitsleben wiederentdeckt. Mag sein, dass der Unterschied zwischen Arbeiter und Angestellten heute nicht mehr so groß ist, aber Solidarität unter den Arbeitnehmern- wo gibt es sie noch?
Nein, als der Junge in Ducherow entlassen wird, war da nicht klar, dass seine Kollegen nicht kündigen würde. Auch als er in Berlin noch die Verkaufsquoten erfüllen will und darum betet, ein Schauspieler kommt und sich Waren für 1.000 Mark zeigen lässt, dann aber nichts kauft. Erinnert das nicht an die Internetgeneration, die im Geschäft sich Waren ansieht und dann im Internet kauft.
Wohlgemerkt 1931 ist das Buch erschienen.
Groß, sehr groß ist auch die Liebesgeschichte zwischen Lämmchen und dem Jungen. Es kann dir noch so schlecht gehen, wenn du einen Menschen kennst, der zu Dir hält.
Auch die Nackt-Erzählung mit Herrn Heilbutt und der Ausflug ins Berliner Nachtleben lassen nichts zu wünschen übrig.
Den Anhang habe ich vor der Lektüre des Romans mit Interesse gelesen. Klingt plausibel. Bestnote.

Bewertung vom 06.02.2017
Ransmayr, Christoph

Cox


ausgezeichnet

Cox, ein Londoner Uhrmacher, reist mit drei Begleitern ans chinesische Kaiserhaus und erlebt die diktatorischen Untugenden, wo erst 26 Chinesen die Nase abgeschnitten wird und dann später auch die vier Engländer immer Angst um ihr Leben haben, wenn sie einen Fehler machen.
In der zweiten Ebene geht es um die Zeit, da die Europäer ja schließlich Uhren herstellen sollen. Neben Standardfabrikaten wird im zweiten Teil eine Uhr beschrieben, die den zu Tode verurteilten die Zeit anzeigen soll, die sie noch zum Leben haben. Dabei geht es auch um das subjektive Verhältnis der Zeit, denn eine Minute, obwohl sie objektiv immer gleich lang ist, verläuft doch mitunter langsam, bei den Todeskandidaten aber auch rasend schnell. Im letzten Teil des Buches wünscht sich der Kaiser eine Uhr, die einmal in Betrieb immer und von alleine weiterläuft. Dass sich hier die Uhrmacher an die Stelle des Kaisers als Herrscher über die Zeit setzen und damit ihr Leben gefährden wird wiederholt thematisiert und zu guter letzt soll der Kaisers selbst die Uhr in Betrieb nehmen, was er aber dann doch nicht macht.
In einer dritten Ebene ist die Chinareise für Cox eine Flucht aus seiner Ehe, denn seine fünfjährige Tochter ist gestorben und seitdem redet Cox Ehefrau nicht mehr. Cox denkt immer wieder an die beiden und wünscht sich An, die Hauptfrau des Kaisers, die er aber selbstverständlich nicht bekommt.
Ich gebe zu, dass ich China fast immer spannend finde, in diesem Buch auch und es gern und flüssig gelesen habe.

Bewertung vom 29.01.2017
Zwagerman, Joost

Duell


ausgezeichnet

Sollte ich immer Novellen lesen? Oder liegt es am Thema Kunst?
Klar ist, dass dieses Buch spannend war. Millionen für ein Kunstwerk. Wen juckt da schon, wenn ein Bild aus dem Depot verschwindet. Dem Museumsleiter offenbar schon. Und er wählt den diskreten Weg, das Meisterwerk zurückzuholen, ohne Polizei. Erst fragt er bei der Künstlerin, die ihm dann von einem Projekt erzählt, das er nicht wirklich ablehnt.
Statt mit Hilfe der Polizei holt er das Bild dank Computerhacker zurück und mit Hilfe dubioser Gestalten. Und da geschieht das Undenkbare:
Der Direktor selbst beschädigt das Millionenwerk. Nun geht es nur noch darum, wie man es schafft, dass den Schaden keiner bemerkt. Und das gelingt nur solange man selbst im Amt ist. Aber genau hier endet das Buch bereits.
Spannend und klar in der Handlung, ich finde nichts zu meckern, also Bestnote.

Bewertung vom 29.01.2017
Schaik, Carel van;Michel, Kai

Das Tagebuch der Menschheit


sehr gut

Die Bibel wird von einem Anthropologen gelesen.
So haben durch das Sesshaftwerden der Menschen Probleme mit Krankheiten zugenommen, was zu dem großen Gesetzeswerk der Thora geführt hat. Mal versteht der Autor die Bibel eher wörtlich, wie bei der Erschaffung des Menschen, der zweimal erschaffen wurde, weil, der Sage nach (steht nicht in der Bibel) Adams erste Frau Lillith ihm weggelaufen ist, mal merkt man schon, dass der Autor theologische Bücher gelesen hat.
Am wichtigsten sind dem Autor aber die 3 Naturen des Menschen.
Die erste Natur sind die angeborenen Gefühle, die zweite Natur sind Gewohnheiten und Konventionen, die der Mensch in früher Kindheit verinnerlicht, die dritte Natur ist die Vernunft.
Auch die Religion schwankt zwischen diesen Naturen, so gibt es eine intuitiv-individuelle Ebene der Religion, die im Alten Testament etwa durch die Psalme angesprochen wird.
Ein weiteres Problem der Bibel ist der, der ersten Natur widersprechende Monotheismus, der sich erst im Laufe des Alten Testaments entwickelt und im Neuen Testament durch Damönen und Engel wieder relativiert wird. Hinzu kommt, die erst im 2. Jh. v. Chr. Einsetzende Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod mit der die aus dem griechischen Kulturraum stammende Gerechtigkeit des einzigen Gottes erfüllt werden kann. Sonst müsste man immer erklären, wieso der eine, gute Gott soviel schlechtes zulassen kann. Im letzten Kapitel wird gezeigt, dass die Wissenschaft ursprünglich nicht im Widerspruch zur Religion stand, sondern durch die intellektuell-institutionelle Ebene der Religion, die die dritte Natur des Menschen anspricht, gefördert wurde.
Dieser intellektuelle Anspruch findet sich heute in der bestehenden Kirche mit ihren vielen Fachleuten, Bischöfen und Priester. Der Fall Gallilei wird als unterschiedliche Bibelexegese behandelt, erst im 19. Jh. liefen Wissenschaft und Religion wirklich auseinander.
Alles spannend, aber immer ein wenig langatmig und vor allem die sinnlosen Zusammenfassungen am Ende jeden Kapitels kosten aus meiner Sicht die Bestnote.

4 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 18.01.2017
Fante, John

1933 war ein schlimmes Jahr


ausgezeichnet

Ein schöner, kurzer Roman, wobei Roman ja kaum stimmt, da nur die Jugend des Hauptdarsteller gezeigt wird. Er will mit „dem Arm“ in der Baseballliga spielen, doch hindert sein Umfeld, das fehlende Geld seines Vaters, die gescheiterte Ehe seiner Eltern hindern ihn daran und selbst die Freundschaft mit der reichsten Familie der Stadt schaffen nicht die Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Also stimmt der Titel.
Beeindruckend ist der Gewissenskonflikt, wo der Betonmischer des Vaters vom 17 jährigen verkauft werden soll und dann doch nicht, auch seine Liebe zur angehimmelten Dorothy scheitern.
In allem Scheitern entsteht ein gelungenes Buch, das auch nicht länger sein muss.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 15.01.2017
Grossman, David

Kommt ein Pferd in die Bar


gut

Nach der Lektüre des Buches habe ich mir das Literarische Quartett angesehen und ich muss sagen, dass wirklich erstaunlich viele Möglichkeiten gibt, dieses Buch zu lesen.
Ich habe von einem Kabarettisten gelesen, der sein Leben erzählt und zwischendurch Witze fürs Publikum erzählt, darunter drei sehr gute. Dem größten Teil des Publikums reicht das nicht. Es verlässt den Saal.
Ob er vom zuhörende Richter ein Urteil erwartet, weiß ich nicht. Was soll er sagen? Eher eine Entschuldigung, dass er ihn nicht alleine aus dem Militärlager hätte ziehen lassen sollen.
Im Quartett war noch von einer dritten Ebene die Rede, die ich aber nicht bemerkt habe.
Vielleicht bin ich zu dumm für dieses Buch.

Bewertung vom 06.01.2017
Kirchhoff, Bodo

Widerfahrnis


weniger gut

Deutscher Buchpreis, was bist wert?
Es gibt so viele Bücher, die besser sind als dieses. Joachim Meyerhoff hätte ihn verdient.
Nur weil in diesem Flüchtlinge am Rande thematisiert werden. Oder was war die Begründung?
Eine unsäglich lange Reise nach Sizilien, dabei interessiert die Reiseroute, und ob man die Küste sieht oder nicht, doch niemanden.
Immerhin lässt sich dieses Buch schnell lesen und schnell wieder vergessen. Und gegen Ende mit dem Mädchen aus Catania wird es mitunter spannend, das echte Ende ist kitschig und misslungen.

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 05.01.2017
Schrott, Raoul

Erste Erde


gut

Braucht ein Buch eine Gebrauchsanweisung?
Dieses Buch vielleicht schon. Aber das würde das Vergnügen abnehmen dieses Buch so zu lesen, wie man will. Das Inhaltsverzeichnis ist bemerkenswert. Es enthält keine Kapitelüberschriften, sondern ganze Sätze, das Vorwort ist nichtssagend. Aber als ich entdeckte, dass auf S.685 ein Anhang beginnt, der wissenschaftlich erklärt, was Lyrik und Prosa im Buch meinen, verstand ich mehr. Dort ist auch die Absicht des Autor erklärt, in einem Zitat von Richard Feynman: „Unsere Dichter schreiben nicht über diese besondere Art religiöser Erfahrung, die Wissenschaftler machen; unsere Künstler versuchen nicht, deren staunenerregende Erkenntnisse anschaulich werden zu lassen. Ich frage mich, weshalb. Wird denn keiner von unserem heutigen Bild des Universums inspiriert? Der Wert der Wissenschaft bleibt ungesungen: Sie müssen sich jetzt also damit begnügen, anstatt ein Lied oder ein Gedicht darüber zu hören, ihren Wert in einer Abendvorlesung zu erklären. Dies ist noch keine wissenschaftlich Zeit.“
Ein hoher Anspruch. Gelingt er auch?
Ich will nicht verschweigend, dass ich vieles gelernt habe, etwa dass der Mond durch den Zusammenstoß von Theia mit der Urerde entstand und sich immer weiter von der Erde entfernt. Anfangs war er so nah, dass die Gezeiten kilometerhoch waren. Irgendwann merkte ich, dass meine Chemiekenntnisse nicht ausreichen. Dann habe den Anhang nur noch als Nachschlagewerk benutzt.
Andererseits ist der literarische Teil gerade dort schwach, wo er Wissenschaft und Dichtung vereinen will. Einen Satz zu zitieren, fällt schwer. Man kann gerade die Prosa-Texte auch so verstehen, auch als Bericht über Wissenschaftler aber verliert dadurch das Buch nicht seinen Reiz.
Die Sprache ist außergewöhnlich, mitunter schwierig. Ich habe nicht gezählt, wie oft das Wort „gleissend“ vorkommt. Erstaunlich, dass es trotz hohem Anspruch keine Fußnoten gibt. Ein Register aber fehlt mir doch ein wenig.
Die Aufmachung des Buches lädt zum Blättern ein, aber auch zum Lesen?
Vorher hatte ich die Biographie von Humboldt gelesen und bedauere noch nicht seine „ Ansichten der Natur“ gelesen zu haben. Humboldt hatte einen ähnlichen Anspruch wie Schrott. Zugegeben ist seitdem auch unser Wissen enorm gewachsen.
Ich kann mich den Lobeshymnen meiner Vorredner nicht anschließen, schlechter als gut ist „Erste Erde Epos“ aber auch nicht.

Bewertung vom 03.01.2017
Trojanow, Ilija

Meine Olympiade


sehr gut

Respekt, Respekt vor Sportarten, das ist es was dieses Buch vermitteln will. Dem Autor geht es, auch wenn er es in der Einleitung etwas anders sagt vorwiegend um das Lernen der Technik. Nur selten wird eine Sportart kritisiert, wie etwa Reiten, das der Natur der Pferde widerspricht.
Etwas schade ist, dass der Autor sein Vorhaben, halb so gut wie der Olympiasieger zu sein, viel zu wenig präzisiert. Am Ende einiger Kapitel steht zwar eine Zeit, aber nur manchmal ein Wort, warum sie nicht besser ist. Auch könnte man noch darüber schreiben, wie gut die Zeit des Olympiasiegers wirklich ist.
Dennoch gefällt mir allein schon die Idee des Buches sehr.