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Juti
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Insgesamt 748 Bewertungen
Bewertung vom 13.08.2017
Gaarder, Jostein

Ein treuer Freund


ausgezeichnet

Nein, die Nordistik hat mich nicht gestört. Im Gegenteil. Als ich in meiner Jugend „Sofies Welt“ gelesen hatte, war ich von Philosophie begeistert und habe die Geschichte des Buches vergessen.
Ja, wie Gaarder die „Erbwörter“ einführt, macht Lust auf mehr gemeinsame Wortstämme.
Und die Hauptfigur, ein „Beerdigungsjunkie“ (FAZ), war spannend, auch wenn ich anfangs dachte, die Beerdigungen müssen nicht so ausführlich erzählt werden. Doch da jeder Tote anders ist, geht es eben nicht nur um Nordistik, sondern auch um vergleichende Religionswissenschaft, Astronomie, Klimawandel und Theologie.
Aber bevor ich die Hauptfigur wieder vergesse, es geht um einen einsamen, geschiedenen Gymnasiallehrer, der seine Zeit auf Beerdigungen verbringt, von denen er zum Teil nur die Todesanzeige gelesen hat und sich dann mit Hilfe von Google eine Geschichte überlegt, wieso er den Toten kannte, was erst richtig auffliegt als er mit Grethe Cecile eine anstrengende Wanderung unternimmt, was diese aber nicht konnte, wobei ich den Grund nicht verraten möchte.
Danach lernen wir den treuen Freund kennen: Pelle, die Handpuppe des Gymnasiallehrers und der Scheidungsgrund. Pelle wird von Agnes geliebt, die Adressatin des Briefes ist.
Denn der Roman ist eigentlich ein Brief von Jakob Jacobsen an Agnes, aber erst auf den letzten Seiten erfahren wir, dass es wohl doch ein Buch ist, denn es erschließt sich nicht, warum Jakob auch das schreibt, was Agnes schon weiß, etwa die Biografie des Lehrers.
Im zweiten, deutlich kürzeren Teil des Buches treffen sich beide auf den Lofoten natürlich nach einer Beerdigung wieder und es entwickelt sich eine Liebesgeschichte zwischen den zweien oder dreien, wenn wir Pelle mitzählen.
Insgesamt ein sehr schönes Buch, am Anfang etwas mühsam, in der Form nicht ganz stimmig. Da ich aber keine 4,5 Sterne vergeben kann, runde ich auf.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.08.2017
Appadurai, Arjun;Bauman, Zygmunt;Porta, Donatella della

Die große Regression


ausgezeichnet

Brexit, dann Trumps Wahlsieg. Im Suhrkamp-Verlag denkt man, dass etwas zu tun ist.
Und man fragt große Denker von Indien bis Amerika, ob sie nicht einen Artikel schreiben wollen. 20 Seiten in etwa einer halben Stunde gut zu lesen.
Herauskommt ein Buch für Mehr Demokratie gegen den Populismus, gegen Austeritätspoltik, gegen Neoliberalismus superaktuell, bei Zizek schon veraltet, aber trotzdem sehr lesenswert.
Anfangs habe ich nicht bemerkt, dass die Autoren alphabetisch geordnet sind, sonst hätte ich vermutlich hinten angefangen.
Wir stehen an einer Zeitenwende. Selbst wenn Merkel in Deutschland wieder gewählt wird. Aber die letzte Bemerkung ist von mir und nicht im Buch. 5 Sterne.

Bewertung vom 02.08.2017
Borchmeyer, Dieter

Was ist deutsch?


weniger gut

„Zu spät“ gekommen (S.201). Dieses Zitat, das sich im Buch auf das Werden der deutschen Nation bezieht, möchte ich dem Autor zurufen. Denn: Es gibt ein besseres Buch und heißt „Die deutsche Seele“ von Thea Dorn und Richard Wagner.
Dort wird alles behandelt, was man mit deutsch in Verbindung bringt, auch Gartenzwerge und Fußball. Hier geht es nur um ein paar Literaten, aber was will man von einem Heidelberger Literaturprofessor auch anderes erwarten.
Selbstverständlich kennt er oben genanntes Buch, er hat zumindest das Inhaltsverzeichnis gelesen (S.317), aber er schafft es nicht sein Elfenbeinturmwissen auf andere Gebiete zu übertragen.
Sein Vorteil wäre, dass dieses Buch 6 Jahre jünger ist und Dorn und Wagner deswegen nicht zu Flüchtlingen und Willkommenskultur Stellung nehmen konnte, aber was Borchmeyer S.236ff ist so nichtssagend, dass jedes Zitat eines zu viel wäre.
In seiner Einleitung schreibt er „Was ist jetzt deutsch?“ (S.31) müsste es eigentlich heißen. Gut erkannt, aber nicht wirklich bearbeitet. Er bleibt lieber bei Goethe, Heine, Wagner, Nietzsche…
Was mir gut gefallen hat, ist das Kapitel über die Nationalhymne. Dort habe ich auch das ein oder andere Neue erfahren.
Dennoch tun mir die Heidelberger Studenten leid, die dieses Buch ausführlich bearbeiten müssen. Es ist nämlich zu allem Überfluss auch noch entsetzlich dick.

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 24.07.2017
Sanders, Bernie

Unsere Revolution


sehr gut

Im kürzeren ersten Teil erhalten wir eine Biographie von Bernie Sanders.
Den zweite Teil habe ich als eine Art Wahlprogramm gelesen. Dabei wurde ich überrascht, wie schlecht die Verhältnisse in den USA teilweise sind. Ich hätte nicht gewusst, ein Teil der Amerikaner ihre Studienkredite nicht zurückzahlen können und deswegen Rentenkürzungen bekommen. Auch der Niedergang der Autoindustrie in Flint war mir so nicht bekannt.
Andere Themen wusste ich sehr wohl. Manches ist so detailliert, dass es den europäischen Leser nicht interessieren muss, weswegen ich in der Bewertung einen * abziehe (obwohl das ja eigentlich das Problem des Lesers ist).
Dieses Buch inspiriert mich, ein Buch über die deutsche Politik zu lesen, denn eine Veränderung des Finanz- und Steuersystems kann auch in Deutschland erfolgen.

Bewertung vom 20.07.2017
Wolf, Julia

Walter Nowak bleibt liegen


gut

Dieses Buch hat zwei Noten verdient. 4 Sterne für den Anfang, 2 fürs Ende.
So witzig der Kurzsatzstil am Anfang wirkt, im Schwimmbad, so sehr zieht sich das zum Glück kurze Buch gegen Ende, das sich zwar als Roman bezeichnet, aber eher eine Novelle ist.
Irgendwann glaubt man den Herrn Nowak zu kennen, das er im Grunde genommen ein Arsch ist. Das hat auch sein Sohn Felix bemerkt, dessen Beziehung zu seinem Vater der von Altkanzler Kohl und seinen Söhnen gleich.Über die Frauengeschichten muss ich nichts mehr schreiben. Das haben die anderen Rezessionen schon getan.
Eigentlich müsste ich dieses Buch ein zweites Mal lesen, um zu sagen, ab welcher Seite das Buch wegzulegen ist. Aber dazu habe ich keine Lust.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 15.07.2017
Grjasnowa, Olga

Gott ist nicht schüchtern


ausgezeichnet

Auf dieses Buch habe ich gewartet.
Es erzählt von den Syrern Alma und Hammoudi, die beide auf unterschiedliche Weise Syrien unter Assad erleben. Alma lebt in Damaskus mit einem reichen Vater. Ihre Mutter ist Russin und lebt nach ihrer Scheidung auch wieder dort.
Hammoudi lebte in Paris, kommt nur nach Syrien, um seinen Pass zu verlängern, wird aber nicht mehr aus dem Land gelassen. Er wird als Arzt in Syrien gebraucht, nachdem seine Prüfungen dank Bestechung anerkannt werden. Dann bricht der Bürgerkrieg aus und die Freie Syrische Armee braucht ihn als einzigen Arzt ist Osten des Landes, wo er auch aufgewachsen ist.
Irgendwann erobern Terrormilizen die Stadt und Hammoudi muss Syrien verlassen und schlägt sich mit Hilfe von Schleppern über die Türkei, Griechenland und die Balkanroute nach Deutschland durch.
Alma hat sich an Demonstration gegen Assad in Damaskus beteiligt, kommt ins Gefängnis, wird dank Bestechung durch Gelder ihres Vaters freigelassen. Aber sie merkt, dass ihr Vater eine zweite Familie hat und ihr ohnehin schon erschüttertes Verhältnis zu ihrem Land erhält einen Bruch.
Sie flieht nach Beirut und muss dort eine Wohnung mit horrend hoher Miete bezahlen, was dazu führt, dass sie in der Türkei fliegt und nach einem Job als Schauspielerin hat sie genug Geld um von Izmir ein Schiff nach Italien zu bezahlen.
Das Schiff kentert kurz vor der italienischen Küche, dennoch gelangt sie mit ihrem Freund illegal nach Deutschland und trifft in Berlin auf Hammoudi, dem sie seinerzeit in Damaskus eine Wohnung vermietet hat.
Das Buch endet nicht glücklich, wie ich hier den Anschein erwecke. Es erzählt auch von den wirtschaftlichen Verhältnissen, von Liebe und Schmerz, was ich weggelassen habe.
Beide Flüchtlingsroute nach Deutschland werden beschrieben, ebenso die Motive und die Notlage der Flüchtlinge.
Schlechte Zeiten sind gute Zeiten der Literatur. Dieses Buch zeigt endlich, dass dies auch für Syrien stimmt.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 13.07.2017
Auster, Paul

4321


sehr gut

Ein Riesenwerk mit über 1250 Seiten, das furios beginnt.
Der osteuropäische Jude Ishak Rezikoff will in die USA reisen und überlegt sich auf Ellis Island, welchen Namen er haben will. Ein Mitreisender sagt ihm, er solle sich Rockefeller nennen.
Als er zwei Stunden später von der Behörde gefragt wird, antwortet er auf Jiddisch: „Ich hab fargessen.“ und wird zu Ichad Ferguson.
Leider wird dieser Anfangswitz auf S.1251 genauso wiederholt und man hat auch irgendwann das Gefühl, es reicht.
Die Idee des Buches ist großartig. Nach der Einleitung mit dem Immigrant als Großvater der Hauptperson werden 4 Geschichten erzählt, wie das Leben von Archie Ferguson hätte verlaufen können. Der Autor liebt dabei überraschende Wendungen und kann auch Details gut ausführen.
Für mich als Europäer wird er dabei manchmal zu ausführlich, etwa wenn es um Baseball geht oder die unzähligen Literaturtipps oder die amerikanische Politik der 60er Jahre.
Interessant dagegen, wie sich die wirtschaftliche Entwicklung der Familie immer unterschiedlich gestaltet und wie Archie immer wieder neue Frauen trifft, mit denen er Sex hat.
Ein wenig enttäuscht war ich schon, als ich auf der Wikipedia-Seite von Paul Auster gelesen habe, dass er immer die gleichen Themen in seinen Büchern behandelt. So steht dort quasi, warum die zweite der vier Geschichten so früh endet. 4 Sterne.

Bewertung vom 24.06.2017
Strunk, Heinz

Jürgen


sehr gut

Ein typisches Sommerbuch, ideal fürs Freibad.
In diesem Buch gibt der Hauptdarsteller Jürgen Dose allerlei Tipps, wie man mit Frauen flirten kann. Er arbeitet als Parkhausbetreuer und lebt zusammen mit seiner Mutter, die ein Pflegefall ist. Sein bester Freund Bernd sitzt im Rollstuhl. Nachdem Jürgen ein misslungenes Date mit der Alkoholikerin Manu hinter sich hat, machen die beiden beim Speed-Dating mit und werden enttäuscht. Daraufhin fahren sie mit einer Gruppe „Eurolove“ nach Breslau, um polnische Frauen kennenzulernen. Auch das geht natürlich schief und ohne zuviel zu verraten verkracht er sich ein wenig mit Bernd, woraufhin gegen Ende des Buches Jürgens Jugendlieben thematisiert werden.
Da die Rückfahrt aus Breslau den Höhepunkt des Buches darstellt ist das Ende ein wenig lang. Die Vielzahl an Sprüchen fand ich eher anregend als störend und empfehle diese Buch jedem, der sich mit Flirten beschäftigen will.

Bewertung vom 14.06.2017
Prantl, Heribert

Was ein einzelner vermag


weniger gut

Ein bekannter Journalist und ein vielversprechender Titel. Doch leider hält der Titel nicht, was er verspricht. Denn es geht meistens um Politiker und was sie getan haben. Selten sind es Typen wie Geißler, die auch gegen die Partei gearbeitet haben, auch Helmut Kohl kommt vor und was hat er als Einzelner geleistet? Und erfahren wir überhaupt etwas Neues?
Solche Portraits verkommen leider allzu häufig zu einer unerträglichen Lobhudelei, zu einem Nachruf auf lebende Personen. Später im Buch folgen tatsächliche Nachrufe.
Und bei einigen weniger bekannten Personen, wie Jürgen Miksch, dem Gründer von Pro Asyl und dem Karikaturist Hans Traxl wird klar, was dieses hätte leisten können, wenn der Titel ernst genommen worden wäre.

Bewertung vom 13.06.2017
Schmidt, Arno

Seelandschaft mit Pocahontas


weniger gut

Sagen wir, ich bin zu dumm für dieses Buch. Seinerzeit war es ein Skandalbuch.
Ich kann das nicht erkennen. Erotisches wird nur angedeutet und atheistisch mag es auch sein, aber nur milde.
Die größte Erkenntnis ist wohl, dass ich für Bücher Arno Schmidt nicht geeignet bin und lobe vor allem die Kürze dieses Buches.