Benutzer
Benutzername: 
Juti
Wohnort: 
HD

Bewertungen

Insgesamt 735 Bewertungen
Bewertung vom 07.05.2017
Burnside, John

Wie alle anderen


sehr gut

Nach Thomas Melle „Die Welt im Rücken“ wollte ich ein zweites Buch über psychisch Kranke lesen. So fängt auch Burnsides Buch in einer Irrenanstalt an. Als 1.Schlusswort.
Doch dann ändert sich das Buch. Der Autor beschreibt weit weniger seine Krankheit, als vielmehr der Versuch ins normale Leben zurückzukehren. Klar, geht das wie bei Melle auch mit viel Alkohol.
Aber trotzdem lesen wir die Beschreibung eines immer normaler werdenden Lebens. Vom Saufkumpan Greg, der ihn zum Mord an seiner Frau „Mühlstein“ auffordert, über die Freundin Gina, die ihren Kindern Valium gibt, damit sie abends ausgehen kann, der geträumten Beziehung mit Helen, bis hin zur wahrhaft romantischen Liebe mit Adele. Auch beruflich geht es aufwärts.
Doch als Adele ihn verlässt und er sich mit einer Schülerin und einer Mitsäuferin trifft, geht es auch beruflich nicht weiter voran. Er findet einen Zettel auf seinem Schreibtisch mit der herrlichen Beleidigung:„JESUS LIEBT DICH, ALLE ANDEREN HALTEN DICH FÜR EIN ARSCHLOCH.“
Seine eingebildeten Stimmen kommen zurück. Er wird zum Nachtmensch und erkennt, dass er nicht fürs bürgerliche Leben geschaffen ist. Genau wie die Aeronauten, die Flugpioniere, die wie z.B. Antoine de Saint-Exupéry  einfach verschollen sind. Das 2.Schlusswort. Ein neues Leben beginnt.
Alles interessant, mitunter, aber nicht immer spannend. 5 Sterne.

Bewertung vom 01.05.2017
Lüscher, Jonas

Kraft


sehr gut

Ich will hier keine Inhaltsangabe mehr geben. Die Stärke dieses Buches liegt im Scheitern. Im Scheitern der Liebesverhältnisse des Hauptdarstellers Richard Kraft. Gescheitert ist auch manch ein Lebensentwurf, etwa der seines Freundes Istvas, der als Hemdwäscher einer ungarischen Schachmannschaft im Hotel vergessen wurde und notgedrungen in den Westen flüchtet.
Gescheitert ist letztlich auch der Held selbst an der Millionenaufgabe, zu erklären, warum diese Welt die beste sei. Doch gerade hier liegt der kleine Schwachpunkt dieses Buches. Das Theodizee-Problem, das zu einem Oikodizee-Problem gewandelt wird enthält zu wenig Spannung.
Die Geschichte der Bonner Wende ist oft genug erzählt. Das Lambsdorff-Papier wurde erst unter dem Verräter Schröder umgesetzt, aber ist das neu?
Heute, 2017, könnte die Linkspartei mit dem Slogan „Wir wollen die Kohlzeit zurück!“ Werbung machen. Das steht nicht im Buch, muss es auch nicht, wir wissen es auch so.
Also die Hauptgeschichte leidet unter zu wenig Spannung, der Rest ist ohne Fehl und Tadel, grandios auch die Verbindung zwischen dem Provinzkaff Tübingen und der Weltstadt San Francisco.

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 20.04.2017
Can, Safiye

Kinder der verlorenen Gesellschaft


gut

Lyrik zu bewerten fällt schwer, da sie ziemlich subjektiv ist. Und ein gutes Gedicht entschädigt für drei schlechte. Mir gefiel dieses Buch erst ab Seite 60.
Dort gab es auch wirklich witzige Gedichte.
Den Rest habe ich gelesen und nicht behalten.

Bewertung vom 18.04.2017
Ahne, Petra

Wölfe


ausgezeichnet

Nettes Büchlein über Wölfe,wie sie zum Feindbild wurden und wie sie wieder zurückfinden nach Deutschland. Auch Rotkäppchen fehlt nicht. Am Ende werden einzelne Rassen vorgestellt, wobei selbst der Steppenwolf von Hermann Hesse nicht fehlt. In diesem Format kann es nur die Bestnote geben.

Bewertung vom 09.04.2017
Gomringer, Nora

Morbus, m. Audio-CD


ausgezeichnet

25 Gedichte über Krankheiten.
Wobei Gedichte, freie Gedichte, einzelne Wörter oder auch Sätze meint. Mit der CD hört man auch die wunderschöne Stimme Gomringers. Zu jedem Gedicht gibt es ein Bild oder eine Grafik. Kurzweilige Abendunterhaltung

Bewertung vom 09.04.2017
Binet, Laurent

Die siebte Sprachfunktion


sehr gut

„Das Leben ist kein Roman.“ So lautet der erste Satz. Und mit diesem Satz erhält das Buch eine Ebene, die erst gegen Ende wieder aufgenommen wird, als der Autor darüber schreibt, wie es mit der zweiten Hauptfigur Simon weiter läuft.
Die erste Ebene dieses Buches ist eigentlich ein Krimi. Der französische Philosoph Roland Barthes wird 1980 von einem LKW überfahren und stirbt an den Folgen eines Unfalls, später stellt sich raus es war Mord.
Ihm wurde ein Manuskript entwendet, in dem es um die siebte Sprachfunktion ging. Und nun wird es sehr philosophisch. Denn der russische Philosoph Jakobson hat ein Modell mit 6 Sprachfunktionen beschrieben. Es soll aber noch eine siebte geben, die durch Worte Tatsachen schafft, wie z.B. in der Bibel: „Es werde Licht und es ward Licht.“
Nahezu alle großen französischen Sprachphilosophen tauchen auf, ja z.B. Derrida wird sogar ermordet, obwohl er im Leben weiterlebte. Ein anderer Philosoph verliert seine Eier, weil er im Logos-Club, einem Debattierclub, den Meister herausfordert und verliert. Das Leben ist eben kein Roman.
Auch die Politik kommt nicht zu kurz. Es geht um den Wahlkampf zwischen Giscard und Mitterand. Nebenbei lernt man auch noch was über Tennis der 80er Jahre, wobei ich glaube, dass der Autor Connors und McEnroe verwechselt.
Gut gevögelt wird natürlich auch, vor allem in Bologna und Ithaca.
Ein vielschichtiges Buch, bei dem aber gewisse philosophische Vorkenntnisse nicht schaden. Mir fehlen sie teilweise, daher kann ich nur 5 Sterne vergeben.

Bewertung vom 02.04.2017
Heidenreich, Elke

Alles kein Zufall


ausgezeichnet

Kurze Geschichten, nur eine Seite lang oder ein wenig länger. Mal nachdenklich, mal bildend, mal lustig. Besonders gut gefallen haben mir Bankpost, Briefträger, Godot I, Godot II, Haus, Kindergarten, Konzert, Krähe, Küssen, Lupretta, Mitte, Navigiertes Gespräch, Onkel Hans, Osten, Paula, Pech, Perlen, Post, Schnee, Sehnse, Silvester, Steffi, Vogel, Wahrheit, Wert, Whisky, Wichtig II, Wohnwagen, Wunderkinder, Yannick, Zettel, Zu Unrecht und Zufall.
Einige Geschichten bestehen im Grunde genommen auch nur aus einem Zitat, wie etwa die Wirtshausgeschichte. Wer durch das Lesen dieses Buches keine gute Laune bekommt, der möge sich doch hier melden.

0 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 31.03.2017
Kronauer, Brigitte

Der Scheik von Aachen


gut

Ein Frauenbuch.
Eigentlich geht es im ganzen Roman um den Tod des 11jährigen Wolfgang, der vom Baum fällt und beim Sturz durch sein Fahrtenmesser getötet wird.
Seine Cousine Anita muss Wolfgang bei seiner Mutter Emmi ersetzen. Nebenbei erfährt man, dass Anitas Freund Mario im Kaukasus abstürzt (interessant ist, dass die Zeit-Kritikerin den Kaukasus mit den Karpaten verwechselt, weil Erdkunde für Frauen nicht wichtig ist, obwohl lang und breit über den Elburus geschrieben wird), weshalb Anita wieder von anderen Männer begehrt wird.
Das war die Handlung von 399 Seiten. Mir ist es beim Lesen immer wieder passiert, dass ich zwei Seiten gelesen haben und mich dann fragte, was stand eigentlich da? Dennoch hatte ich nie das Bedürfnis das Buch wegzulegen. Liegt an manch netter Liebesgeschichte. Frauenbuch eben.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 15.03.2017
Frankopan, Peter

Licht aus dem Osten


gut

Die größte Überraschung erlebte ich, als ich das Geburtsjahr des Autors sah: 1971.
Anfangs interessant, wirkte dieses Buch mehr und mehr wie die Geschichte eines alten Historikers, der noch einmal das erzählen will, was er immer schonmal schreiben wollte. Seidenstraße heißt das Buch im Orginal und ich will anerkennen, dass Buch Schwerpunkte im Osten setzt. Aber mit Kolumbus rückt dann doch der Westen in den Mittelpunkt und zwei Kapitel über den Zweiten Weltkrieg sind einfach.
Mir gefällt auch nicht, dass viele steile Thesen einfach mit einer Fußnote versehen sind und gar nicht weiter diskutiert wird. Das mag heutige Wissenschaft sein, aber wer will den 120 Seiten Fußnote kontrollieren? Nein, für ein Buch außerhalb der Uni reicht der Verweis für manch steile These nicht aus.
Positiv will ich sagen, dass ich viel über die Rolle Persiens im Laufe der Geschichte gelernt habe und auch mehr von Mongolen und Türke gehört habe, wobei sicher nicht alles neu war.
Vielleicht wären 2 Bände besser gewesen. Insgesamt 3 Sterne.

Bewertung vom 12.03.2017
Stermann, Dirk

Der Junge bekommt das Gute zuletzt


ausgezeichnet

Ein aus Deutschland stammender Österreicher schreibt in typisch Wienerischen Humor: „[Es] blieb ein Mann stehen und sagte, er wolle neben ihr beerdigt werden. In Wien ein passabler Anmachspruch.“ steht zum Beispiel auf S.101.
Und dazu eine trauige Geschichte, wie ein dreizehnjähriger erst von seinen Eltern, seine Verwanften verlassen wird und seine Freunde durch Unglücksfälle das Leben verlieren.
Wer diesen makaberen Grundton nicht mag, ist gut beraten das Buch nicht zu lesen. Ich dagegen habe es gerne gelesen und fand es zum Teil auch sehr witzig. Es hat Ähnlichkeit mit „Tschick“ und „Auerhaus“ und wird in den nächsten Jahren bestimmt noch verfilmt. Ich finde keinen Grund nicht die Bestnote zu erteilen.