Benutzer
Benutzername: 
Juti
Wohnort: 
HD

Bewertungen

Insgesamt 759 Bewertungen
Bewertung vom 16.12.2017
Morsbach, Petra

Justizpalast


ausgezeichnet

Ein echter Roman über eine Richterin und ihr Leben.

Der Ruhestand wäre der Richterin Thirza Zorniger, doch vergönnt gewesen. Stattdessen endet dieser Roman im Krankenhaus. Spannend ist es zu lesen, wieviel Kraft doch der Beruf als Richterin kostet und wie die Liebe im Leben doch nur einen Ausgleich leistet.
Überzeugend finde ich, wie ihr Freund und Mann als Anwalt noch eine andere Facette der Justiz zum Vorschein bringt, die von Thirzas Karriere nicht berührt wurde. Ein wenig zu ausführlich war mir das literarische Hobby von Max. Eine halbe Seite von Zitaten hätte nicht sein müssen.
Es überwiegen aber dennoch die Einblicke in den Richteralltag. Allein schon das Kammersystem an deutschen Gerichten mit drei verschiedenen Richtern war mir nicht bekannt. Mir gefällt auch, dass die Geschichte der Justiz, insbesondere Minister Radbruch, der in der Weimarer Republik Frauen als Richterin erlaubte.
Was ich mir schon immer dachte, hier aber erstmals lese, ist die Dynastie, die Juristenfamilie bilden.
Das Buch liegt zwischen 4 und 5 Sternen. Mein Urteil fällt in dubio pro reo.

Bewertung vom 10.12.2017
Palmer, Boris

Wir können nicht allen helfen


ausgezeichnet

Sehr gutes Buch eines klugen Politikers

Das Problem mit den Flüchtlingen beschäftigt Deutschland noch immer und entgegen dem wohl vor der Bundestagswahl fertig gestellten Buch sind die Wahlergebnisse für die AfD nicht wirklich gesunken.
Schön, dass sich ein Politiker vor Ort mit den Themen vor Ort zu Wort meldet und auch nach Lösungen sucht. Ein Höhepunkt ist, wie er beschreibt, wie schwierig es im deutschen Baurecht ist, Wohnungen schnell zu bauen.
Rundum gelungen ist auch die Betrachtung von Statistiken im Kapitel, das die Sicherheit von Afghanistan behandelt. Am allerbesten hat mir aber der Diskurs über Gesinnungsethik und Verantwortungsethik auf S.195ff gefallen, der dem Buch einen theoretischen Überbau liefert.

Wenn die FAZ schreibt, er zitiere keine anderen Bücher zum Thema Flüchtlinge, so finde ich das nicht schlimm, denn Demokratie lebt ja davon, dass man sich nicht erst zu Wort melden darf, wenn man sich wissenschaftlich auskennt und ist nicht auch einmal schön, ein Sachbuch ohne Fußnoten und Literaturverzeichnis zu lesen. Populismus möchte auch ich das nicht nennen, im Gegenteil, ich bewundere den Autor, der so klar den Unterschied der Facebook-Welt mit der realen Welt kennzeichnet.
Ob er es sich wirklich, wie die FAZ meint, mit fast allen in seiner Partei „verscherzt“ hat, glaube ich auch nicht.
Vor dem Jamaika-Aus habe ich ihn auf einer Veranstaltung der Grünen in Schwetzingen mit Klaus Töpfer gesehen. Zu seinen Klimathesen hat er viel Beifall bekommen. Ich möchte den Blickwinkel ändern: Boris Palmer ist auch ein Grund, warum die Grünen im Ländle deutlich mehr Stimmen bekommen als sonstwo in der Republik. Dieses Buch zeigt warum.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 05.12.2017
Whitehead, Colson

Underground Railroad


gut

Ich kann in den Jubel über dieses Buch nicht einstimmen.

Erwartet habe ich ein Buch über die Flucht einer Sklavin. Doch dann wird erst einmal auf 75 Seiten die Verhältnisse der Sklaven in Amerika beschrieben und ich frage mich, was daran neu ist.
Das Fluchtkapitel ist dann wirklich spannend und auch die Geschehnisse in South Carolina mit der Geburtenkontrolle für Schwarze hat mir gut gefallen. Der Aufenthalt in North Carolina unterm Dach ist ebenfalls bedrückend und spannend.

Doch gerade das zentrale Thema des Buch, die Underground Railroad, ist in der Form als wirkliche Eisenbahn rein fiktiv und kommt wie Harry Potters Hogwardexpress daher. Klar steht diese Railroad für alle Menschen, die gegen Sklaverei kämpfen und auch die moralische Frage, ob wer für den Kampf für die Freiheit einen Menschen erschlägt ein Mörder ist, wird behandelt, aber alles ohne Mehrwert für den Leser.

Da in den Buch auch die Unterschiede in den einzelnen Bundesstaaten behandelt werden, hätte eine Amerikakarte dem Buch gut getan. 3 Sterne.

Bewertung vom 28.11.2017
Mayer, Anna-Elisabeth

Am Himmel


ausgezeichnet

Sehr guter unbekannter Roman, ein Krimi.

„Dann schlaf auch du“ ist diesem Buch sehr ähnlich. Zunächst wird der Mord geschildert, wodurch aber keinesfalls die Spannung verloren geht. Hier ist das Opfer Baron von Sothen, ein vermeintlicher Wohltäter, der aber seine Angestellten ausbeutet.
Die Tat passierte tatsächlich so in Wien im 19. Jahrhundert und hier wurde der Tatort auch beibehalten. Dann wird beschrieben, wie es zu dem Mord kommen konnte und zum Schluss erfahren wir zusätzlich noch wie die Gerichtsverhandlung verlaufen ist.
Die sozialen Unterschiede werden in diesem Buch vordergründiger erkennbar. So wird etwa Berta von Sothen gut behandelt, weil er durch das Los ihres Vaters, der während des Gewinns gestorben ist, erst zu Reichtum gekommen ist, was Berta nicht wissen konnte. Aus Dankbarkeit behandelt Sothen Berta immer gut, was Sothens Frau Fanni nicht versteht.
Mehr will ich nicht verraten...

Bewertung vom 26.11.2017
Lüders, Michael

Die den Sturm ernten


gut

Wenn das nicht das erste Buch ist, das Sie über den Nahen Osten lesen, dann beginnen Sie dieses Buch auf S.61 und vertrauen Sie mir, denn im Inhaltsverzeichnis werden Sie diese Seite nicht finden.

Deutlich schwerer fällt mir die Bewertung, weil ich schlicht nicht weiß, was ich von diesem Sachbuch glauben darf. Auf der Wikipedia-Seite von Herrn Lüder lese ich, dass UN-Berichte nicht zu dem Ergebnis kommen, dass durch die Türkei Giftgas nach Syrien geliefert wurde.
Das Buch verdeutlicht, dass deutsche Medien vorwiegend die amerikanische Sicht der Dinge vermitteln, aber wer sich gegen UN-Berichte stellt, der muss auch sagen warum und genau das fehlt.

Wäre das Buch nicht in deutscher Sprache geschrieben, dann würde ich von einer schlechten Übersetzung sprechen. Ein Beispiel: [In Syrien] „erleben die USA die Grenzen ihrer Macht, weil Russland Syrien niemals aufgeben wird, ebenso wenig wie der Iran oder China.“ (S.75)
Ich musste etwas nachdenken, was der Iran und China nun machen und frage mich, was gegen den Satz spricht: „... weil weder Russland noch der Iran noch China Syrien aufgeben werden.“
Nebenbei bemerkt ist Chinas einzige Rolle im UN-Sicherheitsrat keiner Resolution gegen Syrien zuzustimmen.

Die Bemerkung zu den Rechtspopulisten auf S.129 kommt aus heiterem Himmel, ist völlig überflüssig und kann einfach weggelassen werden.

Klug gelesen führt das Buch zu einem Erkenntnisgewinn gegenüber herkömmlichen Medien, schlecht gelesen bekräftigt es den Vorwurf der Lügenpresse, diesmal aber von der linken Seite des politischen Spektrums. 3 Sterne.

Bewertung vom 21.11.2017
Giegold, Sven;Philipp, Udo;Schick, Gerhard

Finanzwende


sehr gut

Drei Politiker der Grünen stellen ihre Ideen zur Reform der Finanzwirtschaft vor.
Das Buch ist gut lesbar, nicht mit Fachworten überlastet. Die Ideen sind realistisch, etwas schade, dass sie nicht immer schreiben, woran sie gescheitert oder warum sie (noch) nicht umgesetzt sind. Einiges ist seit 2007 geändert worden, auch ist die Lobby der Finanzwirtschaft außergewöhnlich gut ausgestattet und vernetzt.
Ob die weibliche Form *in wirklich sein muss? Ich hätte das nicht gebraucht. Es wird dann auch nicht konsequent durchgehalten.
Der Leser wünscht sich immer noch eine Idee, was er tun kann, außer die Grünen zu wählen. 4 Sterne.

Bewertung vom 20.11.2017
Slimani, Leïla

Dann schlaf auch du


ausgezeichnet

Die 3sat Buchzeit hat mich auf dieses Buch aufmerksam gemacht. Zurecht.

Wenn es normalerweise ein Spoiler ist, zu verraten, wie es ausgeht, so lebt dieses Buch davon. „Das Baby ist tot.“ heißt der erste Satz. So lesen wir das Buch und sind geneigt, die Eltern vor der Nanny zu warnen, die ihre Kinder töten wird.
Erst habe ich gedacht, es ist eine Novelle, aber dann wird mehr und mehr klar, dass die Autorin sich die Mühe macht die gesamte Lebensgeschichte der Kinderfrau zu erzählen. Es wird klar, dass sie einsam ist und unter Geldsorgen leidet.
Dann dachte ich, es handele sich nur um ein Frauenbuch. Aber auch dieser Vorwurf kann entkräftet werden. Denn vor allem bei den Urlaubsreisen wird klar, dass der Mord auch als Rebellion einer aus der vernachlässigten Unterschicht stammenden Frau gegen die Verhältnisse in der Oberschicht gesehen werden kann. Dafür spricht auch, dass die Nanny noch Essen verwendet, dass die Mutter weggeschmissen hat. Die Arbeitsverhältnisse von Nannies sind nicht die besten.
Kurzzeitig überlegte ich auch, ob dieses Buch nicht auch für eine Aufwertung der Mutterrolle steht. Doch glaube ich nicht, dass die Mutter zu kritisieren ist, weil sie die Arbeit in der Kanzlei wieder aufnimmt. Die Frage, ob der wohl freischaffende Vater, in der Musikbranche tätig, mehr zu Erziehung beitragen soll, wird erst gar nicht diskutiert.
Eins der spannendsten Bücher, die ich 2017 gelesen habe. Nicht so lang und groß gedruckt. Viel besser für Erstleser geeignet als Robert Menasse. 5 Sterne.

Bewertung vom 17.11.2017
Menasse, Robert

Die Hauptstadt


ausgezeichnet

Bemerkenswertes Buch, das im Gegensatz zu „Widerfahrnis“ im letzten Jahr zurecht den Deutschen Buchpreis bekommen hat. Neben den nachdenklichen Kapitelüberschriften gefallen mir auch die jeweils kurzen ersten Sätze.
Ein wenig schwierig ist die große Personenanzahl, doch überzeugt mich die "Übrigens-Kultur". So besitzen die radfahrenden Mitarbeiter der EU Aufkleber, die sie Falschparker an die Scheibe kleben, wenn sie den Radweg blockieren (ich muss beim ADFC in Heidelberg mal nachfragen, ob es die auch in Heidelberg gibt.).
Besonders schön ist die Friedhofsgeschichte mit dem Satz: „Ich bin lieber mit dieser Frau geächtet als ohne sie geachtet!“ (S.90) Der Satz bezieht sich auf einen Brüsseler Baron, der eine „Negerin“ aus dem Kongo geheiratet hat und ein Museum der bedingungslosen Liebe für sie schuf.
Dann der Abgeordnete, der zur Gedenkfeier nach Ausschwitz muss: „Wir wollen auf keinen Fall, dass sie krank werden. […] Deutsche Unterwäsche ist das Beste für Ausschwitz!“ (S.101f, dass sie vor krank müsste eigentl. groß geschrieben werden…)
Menasse schreibt mit viel Witz, etwa bei der gedachten Szene mit dem Bier für den Kommissar, das nicht kommt, und dem Wirt, der die Polizei holen will oder der Interpretation von chin. Schriftzeichen: Aus „Alle Menschen sind Schweine“ wird „Alte Menschen sind schweigsam (S.384).
Was bei Satire immer schwierig ist und was auch hier nicht hundertprozentig gelingt, ist die Auflösung am Ende. Ich möchte festhalten, dass hier kein Krimi geschrieben wurde, dennoch der Mord aufgeklärt, selbst wenn der Täter nicht bestraft wird. Mehr will ich hier nicht verraten.

Am Rande wird noch das Drama der Flüchtlinge in Ungarn behandelt und auch der Europa quälende Terrorismus kommt nicht zu kurz. Und jetzt habe ich gar nichts über das Schwein gesagt.
In einem inhaltsreichen Buch muss nicht alles optimal sein, deswegen noch 5 Sterne.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 07.11.2017
Sygar, Michail

Endspiel


ausgezeichnet

18 Kapitel über 18 russische Weggefährten, aber eben auch eine chronologische Reise durch die Regierungszeit von Putin, in der als Freund des Westens startete, Blair und Bush bewunderte, dann aber durch die Nato- Osterweiterung und dem geplanten Assoziierungsabkommen der EU mit der Ukraine mehr und mehr vom Westen getäuscht und enttäuscht wurde.
Man empfindet Verständnis für ihn, dass er seine russischen Landsleute auf der Krim und in der Ostukraine nicht im Stich lassen wollte, ja es wird auch so dargestellt, dass er den Mord an Boris Niemzow verabscheut. Seine Liebe zu Schröder und seine Meinungsverschiedenheit mit Merkel kommen auch vor.
Ich habe vor einem Jahr Kasparow „Warum wir Putin stoppen müssen“ gelesen, was deutlich kritischer war als dieses Buch, das auch von einem kritischen Journalisten geschrieben wurde.
Ich habe viel Neues gelernt. Das einzige, was mir fehlt, ist ein Personenverzeichnis. Trotzdem 5 Sterne.

Bewertung vom 05.11.2017
Ford, Richard

Zwischen ihnen


ausgezeichnet

Jedes Buch macht etwas mit dem Leser. Mich macht dieses Buch traurig, nicht weil es ein trauriges Buch ist, sondern weil ich mich frage, was von mir nach dem Tod bleibt.
Niemand wird über mich ein Buch schreiben, so wie es Richard Ford über seine Eltern geschrieben hat. Und ja, es sind eigentlich zwei Geschichten, eine über seine Vater, eine über seine Mutter. Wiederholungen sind mir aufgefallen, Widersprüche nicht. Aber da der Autor sie im Nachwort begründet, kann ich deswegen keinen Stern abziehen.
Gut gefällt der Hinweis der SZ auf Tolstoi und sein Satz: „Alle glücklichen Familien sind einander ähnlich.“ Diese Familie ist glücklich und doch ist ein spannendes Buch entstanden. Nicht so lang wie Anna Karenina, aber das ist nur unser Glück. 140 Seiten, die ich schnell und gern gelesen habe.
5 Sterne.