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Lillith
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Berlin

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Insgesamt 72 Bewertungen
Bewertung vom 28.05.2022
Glanninger, Peter

Blutgrund


ausgezeichnet

Gier und Skrupellosigkeit - Gut erzählter und thematisch aktueller Wirtschaftskrimi

Ein rumänischer Wanderarbeiter wird auf dem Heimweg brutal zusammengeschlagen.
Ein ausländerfeindliches Motiv?
Wenig später wird ein junger Journalist erschossen. Ein Raubüberfall?
Zunächst scheinen die beiden Fälle nichts miteinander zu tun zu haben, doch führen die ersten Ermittlungen in beiden Fällen zu Klaus Winkler, der in einer linken Partei für soziale Gerechtigkeit eintritt, und mit beiden Opfern Kontakt hatte.
Inspektor Radek und sein Kollege beginnen zu ermitteln. Ihre Wege führen in die Ausländerquartiere, wo Radu mit anderen Rumänen unter menschenunwürdigen Umständen lebte und auch zu dem Bauunternehmer, der die Wanderarbeiter für einen Hungerlohn beschäftigt. Doch niemand fühlt sich schuldig.
Auch die Schwester des Ermordeten, ebenfalls Journalistin, beginnt
auf eigene Faust zu ermitteln, denn sie glaubt nicht an einen Raubüberfall.
Schwierig ist, dass niemand den anderen vertraut - weder die Polizei den Journalisten oder dem "Linken", noch diese umgekehrt den "Bullen". Und Radu, der verletzte Rumäne, traut eigentlich eh niemandem und verschwindet - zunächst spurlos - aus dem Krankenhaus.
Wie hängt das alles zusammen? Stück für Stück setzen die Ermittler aus den unterschiedlichen Lagern ihre Ergebnisse zusammen und erkennen, dass sie gemeinsam eher die Wahrheit ans Licht bringen werden.
Peter Glanninger erzählt diese Geschichte auf unaufgeregte Weise. Er schreibt in einem angenehmen Stil. Viele Perspektivwechsel und innere Monologe lassen den Leser an allem teilhaben. Die Protagonisten sind gut gezeichnet und haben ihren ganz persönlichen Background, die Guten wie die Bösen, der ihre Handlungsweise nachvollziehbar macht.
Recht bald ist klar wohin der Hase läuft, doch wie die Zusammenhänge im Einzelnen sind, und wo die Drahtzieher sitzen, wird erst in mühsamer Kleinarbeit herausgefunden. Dabei geraten auch die Ermittler in große Gefahr.
Die Spannung entsteht in diesem brillant erzählten Wirtschaftskrimi nicht unbedingt aus der Frage Wer? sondern befasst sich in erster Linie mit der Suche nach Beweisen für das Wie? und der Suche nach den Hintermännern, deren Spuren sich bis in die höchsten Kreise ziehen.
So ist die Aufklärung am Ende zwar keine Überraschung, jedoch hinterlässt sie beim Leser ein erleichtertes Aufatmen.
Die Hauptprotagonisten Radek und Sonja sind zudem so menschlich und sympathisch, dass ich gern noch mehr von ihnen lesen würde.
Man sollte nicht unbedingt einen actionreichen Thriller erwarten
sondern auch einmal bereit sein, längere Passagen zu lesen, die mehr der Erklärung von Zusammenhängen dienen. Wenn man sich aber auf einen spannenden und thematisch aktuellen Krimi einstellt, dann wird man an diesem Buch, welches das Lesen lohnt, seine Freude haben.

Daher 5* und eine Leseempfehlung von mir!

Bewertung vom 20.05.2022
Breton, Frédéric

Paris und die Mörder der Liebe


sehr gut

Big Data - is killing you??
Ungewöhnlicher und spannender Krimi über Dating-Apps, Kapitalismus und den Tod der Romantik

Ein Ausflugsdampfer kollidiert auf der Seine mit einem Brückenpfeiler, an Bord feiert ein Social Media - Konzern den Erfolg seiner Dating App. Als der "Unfall" untersucht wird stellt sich heraus - alle Fahrgäste wurden mit Liquid Extasy betäubt, eine Lobbystin an Bord stirbt.
Zufall oder eigentliches Opfer? Kommissar Lafargue und seine Kollegin JinJin ermitteln in alle Richtungen.

"Frédéric Breton" ist ein interessanter Krimi gelungen, der gekonnt die Möglichkeiten des Internets aufzeigt, im Guten wie im Schlechtesten. Die Protagonisten dieses Buches werden beide unsanft damit in Berührung gebracht und die Verdächtigen scheinen aus einem gegen "Big Data" protestierenden Künstlermilieu zu stammen.
Obwohl die LeserInnen durch die bewusst eingesetzte Ich-Erzählweise einiger Kapitel früh einen Verdächtigen haben, dauert es lange, bis sich alle Verschachtelungen offenbaren, und die Lösung des Falls sowie deren Begleiterscheinungen haben es in sich.

Dazwischen streifen wir durch die "Stadt der Liebe" und begleiten desillusionierte Liebespartner, denn die Liebe ist anscheinend längst gestorben, gemeuchelt in einer Zeit, in der die Sucht nach Kicks und Klicks immer größer wird.

Der Schreibstil ist flüssig und enthält häufig eine Spur beißenden Humors. Die Überlegungen zum Thema allüberall gegenwärtige Onlinepräsenz und freiwillige oder unfreiwillige Datenüberlassung an Online-Konzerne sind lesenswert und geben Denkanstöße.

Es macht Spaß, dieses Buch zu lesen und bei angenehm kurzen Kapiteln fliegt man nur so durch die Handlung.
Mit persönlich haben die surrealen Traumsequenzen, von denen es doch so einige gibt, ein wenig die schiere Lesefreude verdorben, obwohl sie als Metaphern gut eingebaut waren.

Daher nur 4 von 5 Sternen, aber eine klare Leseempfehlung für diesen ungewöhnlichen Krimi.

Bewertung vom 06.05.2022
Albich, Mina

Mexikoplatz


ausgezeichnet

Spannendes Krimidebüt mit Wiener Charme und Schmäh

Mitten in der Nacht auf dem Mexikoplatz in Wien. Psychologin Nicky Witt war überraschend in den Armen und der Wohnung eines Mannes gelandet, den sie noch nicht lange kannte, und ist auf dem Heimweg. Da stolpert sie über eine Tote! Vor Aufregung findet sie ihr Handy nicht und sucht ein Münztelefon, um die Polizei zu benachrichtigen. Als diese eintrifft, ist die Leiche verschwunden.

Spinnt sie? Die Beamten sind sich nicht ganz sicher. Nicky schon. "Glücklicherweise" ist eine junge Frau aus St. Gilgen verschwunden, auf die die Beschreibung passt. Wenig später wird sie tot aufgefunden...
Warum musste sie sterben, sie war doch ein absolut braves Mädchen, ein Landei, ein völlig unscheinbares Wesen... !? Wirklich??

Inspektor Felix Grohsmann und Kollegin Johanna "Joe" ermitteln lange Zeit ergebnislos, es gibt einfach zu viele Verdächtige, auch etliche Motive und doch keinen roten Faden. Merkwürdige Dinge passieren. Auch Nicky macht sich so ihre Gedanken - wem kann sie noch trauen?

Mina Albich ist mit ihrem Krimidebüt ein spannendes Verwirrspiel mit viel Lokalkolorit gelungen. Man merkt in jedem Satz, dass man sich in Wien befindet, ohne, dass der Dialekt "totgeritten" wurde, es ist ein wirklich charmant geschriebenes Buch. Der Stil ist spannend und lebendig, man sieht die Protagonisten vor sich, ermittelt unentwegt fast "zwanghaft" im Geiste mit und kommt doch zu keiner Lösung...

Die Hauptcharaktere sind liebenswert, die Ecken und Kanten nicht zu schrullig, der Plot undurchsichtig - und am Ende präsentiert sich eine völlig schlüssige Auflösung, mit der man so nicht rechnen konnte!

Ein spannender Krimi mit Wohlfühlmomenten - ich freue mich jetzt schon riesig auf den angekündigten 2.Band und vergebe gerne 5* und eine Lese-Empfehlung!

Bewertung vom 20.04.2022
Kasperski, Gabriela

Bretonisch mit Herz


ausgezeichnet

Ein Sommernachtstraum auf bretonisch - Federleichter Sommerkrimi
und furioses Ende der "Villa Wunderblau"-Trilogie
Ein Buch für alle Sinne

Natürlich hab ich geahnt, dass mir dies Buch gefallen könnte, habe ich doch in der zweiten Bücherreihe der Autorin bereits deren Schreibstil kennen und lieben gelernt. Aber meine Erwartungen wurden übertroffen.
Erwartet hatte ich einen netten Cosy Crime, in der Bretagne spielend, mit einer sympathischen Protagonistin und viel Lokalkolorit. Dies alles habe ich bekommen, aber noch viel mehr.
In diesem Buch dreht sich alles um Shakespeare, ein Literaturfestival wird stattfinden in dem kleinen Ort Camaret-sur-Mer in der Bretagne. Hier führt die Schweizerin Tereza einen Buchladen und lebt in der von ihrer Patentante geerbten "Villa Wunderblau". Die Organisation des Festivals allein ist schon Arbeit genug, aber plötzlich droht jemand Tereza per Anwaltsschreiben, ihr Erbe anzufechten, ein ominöses geheimes Shakespeare-Stück taucht auf, ein Freund von Tereza wird fast vergiftet - und dann drehen sich die Ereignisse in einem Wirbel, dass einem als LeserIn ganz schwindlig wird...
Dabei schmecken wir den Café au lait, spüren die Hitze, haben eine Ahnung von der kompletten Windstille (buchstäblich die Ruhe vor dem Sturm), hören die bretonische Musik ...es kommen Mythen ins Spiel, verwegene Pferderitte werden so geschildert, als säße man selbst im Sattel und die Handlung treibt immer voran , dem Höhepunkt entgegen, dem Abend des Festivals und - Tusch!
Wie Gabriela Kasperski viele lose Enden verknüpft, keine Fragen offenlässt, un tout petit peu d'amour mit einbezieht und dabei die Spannung, die Suche nach dem ominösen Kapuzenmann, aufrecht erhält bis fast ganz zum Schluss, das ist schon hohe schriftstellerische Kunst in meinen Augen.
Sie schrieb das Buch in einem wunderbar flüssigen und bildhaften Schreibstil, es hat gut herausgearbeitete Protagonisten bis in die kleinsten Nebenrollen und das Ganze mit einer Leichtigkeit, hingetupft die Pointen, niemals flach der Humor, man lacht und weint mit Tereza, während sich vor ihren Augen Stück für Stück die Geschichte der "Villa Wunderblau" und ihrer Patentante Annie enthüllt.
Eine Geschichte wie ein Stück von Shakespeare... oder wie ein luftiges Meringue.
Ich habe die zwei Vorgängerbände verpasst, konnte aber problemlos in die Geschichte einsteigen. Den Genuss dieser Bücher werde ich mir jedoch nicht entgehen lassen und diese auch noch lesen.
Von mir gibt es 5* und eine Leseempfehlung!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.04.2022
Scheunemann, Frauke

Der Tote im Netz / Mai und Lorenz ermitteln auf Usedom Bd.1


ausgezeichnet

Cosy Crime mit Charme und Witz - und Spannung

Normalerweise finde ich Regionalkrimis oft etwas dröge, etwas seicht und mäßig spannend. Ganz schlimm wird es, wenn der Autor noch versucht witzig zu sein... "Der Tote im Netz" jedoch ist anders. Regional auf Usedom spielend und vom Ambiente her eher in die Gattung Cosy Crime einzuordnen bietet dieser Krimi viel Spannung und sehr viel Witz, ohne dabei ins Platte und Seichte abzudriften.

Die Protagonisten könnten unterschiedlicher nicht sein, Franzi(ska) Mai, quirlige und manchmal nervig-nassforsche Lokalreporterin mit rheinischen Wurzeln, trifft auf Kay Lorenz, ruhiger und etwas spröder norddeutscher Kommissar, der sich gegen seine Überzeugung - von Franzis Charme und klugen Schlussfolgerungen überrumpelt - darauf einlässt, sie an seinen Ermittlungen teilhaben zu lassen.

Achso, ja, ein Mord ist geschehen, man findet den Fischer Maik Peters tot im Schleppnetz seines Kahns, mit dem er Angelfahrten für Touristen unternommen hat, da mit der Fischerei nicht mehr viel Geld zu machen ist.

Franzi kämpft derweil auch um das Überleben ihres Senders "Bäderland-Radio", vor allem aber um ihre persönliche Stellung imselben, wenn dieser demnächst von einem größeren Sender geschluckt wird. Gemeinsam mit ihrem Praktikanten Janis wirft sie sich für eine spannende Story in die Ermittlungen und stöbert ein Wespennest nach dem anderen auf. Verdächtige Umweltschützer, übermotivierte Fischereiaufseher und raffgierige Immobilienhaie kommen zum Vorschein und Franzi gerät in durchaus brenzlige Situationen...

Die Ermittlungen und Recherchen werden sehr amüsant und in einer frischen, frechen Sprache beschrieben, die glücklicherweise bei aller Schnoddrigkeit nie die Grenze zu "Brachialhumor" überschreitet. Die Figuren sind gut herausgearbeitet, ein wenig Platt wird ab und zu ebenfalls gesprochen und man wird beim Lesen bestens unterhalten.

Beim fulminanten Show-Down wurde ich was den Täter betrifft dann
auch tatsächlich noch überrascht und es wurde sehr spannend...

Ich habe dieses Buch sehr gern gelesen und vergebe 4,5, aufgerundet auf 5* und eine Leseempfehlung für entspannte Lesestunden, vielleicht in einem Strandkorb auf Usedom?? Gern werde ich Franzi und Kay in ihrem nächsten Fall wieder über die Schulter sehen!

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 07.04.2022
Raabe, Marc

Violas Versteck / Tom Babylon Bd.4


sehr gut

Spannender Page-Turner - wem kann man trauen?

Tom Babylon scheint seine Schwester Vi, an deren Tod er nie geglaubt hat, gefunden zu haben. Doch will sie überhaupt gefunden werden??

Schon lange wollte ich einmal ein Buch von Marc Raabe lesen, nun habe ich es endlich getan. Es mag nicht das Vernünftigste sein, mit dem letzten Band einer Serie zu beginnen, aber man kann dieses Buch ohne Weiteres als spannenden Thriller auch ohne Vorkenntnisse lesen.
Den vollen Lesegenuss wird man aber sicher erst haben, wenn man die unzähligen kleinen Details, auf die hier dem Verständnis dienend dankenswerter Weise in Rückblicken oder Traumsequenzen eingegangen wird, "miterlebt" hat.

Worum geht es? Ermittler Tom Babylon wacht ohne Gedächtnis in einer Londoner Klinik auf und erfährt, dass er nicht mehr bei der Polizei ist und seine Frau und sein Kind nicht mehr in der gemeinsamen Wohnung wohnen...was ist passiert?
Seine Kollegin Sita Johanns ermittelt derweil eigenmächtig in einer abgelegenen Psychiatrie in Bayern, wo sie Tom zuliebe mit einem gefährlichen Gegner zusammentrifft. Was sie dort erlebt entwickelt sich zu einem absoluten Albtraum.

Die Geschichte wird abwechselnd (gut kenntlich gemacht durch verschiedene Schrifttypen) aus der Perspektive der beiden Protagonisten, in unzähligen Zeitsprüngen, die aber gut nachzuvollziehen sind, erzählt. So nähert man sich als LeserIn quasi dem aktuellen Geschehen von zwei Seiten. Mir hat das als Stilmittel gut gefallen und es hat die Spannung erhöht.

Besonders die Kapitel um Sita haben mich sehr mitgerissen, sie als Person war für mich gut geschildert und als Protagonistin angenehm.
Tom dagegen ist - obwohl auch recht sympathisch geschildert - mal wieder so ein "Überheld". Natürlich entlässt er sich selbst aus der Klinik, muss körperlich einiges einstecken, was ihn aber nie komplett außer Gefecht setzt...

Raabe hat einen sehr gut zu lesenden, flüssigen Erzählstil und das Buch hat so ziemlich alles, was ich von einem guten Thriller erwarte: Überaschende Twists, Personen, von denen man lange nicht weiß, ob man ihnen trauen kann oder nicht, Cliffhanger und eine schlüssige Auflösung. Obwohl über 600 Seiten umfassend wurde mir das Buch nie langweilig und ich habe es sehr zügig ausgelesen.

Die Geschichte hinter Violas Verschwinden als zehnjähriges Mädchen, welches LeserInnen und den armen Tom schon vorher drei Bände lang in Atem gehalten hat fand ich dagegen etwas unglaubwürdig.
Möchte hier aber nicht spoilern.

Achso, zu erwähnen, und zwar durchaus positiv aus meiner Sicht, bleibt noch, dass Marc Raabe im Buch, was 2021 spielt, Corona durchaus stattfinden lässt, aber auf eine sehr angenehme, selbstverständliche Art.
So, wie man vielleicht irgendwann früher anfing, Handies zu benutzen in Romanen, so setzt man sich hier eben ab und zu eine Maske auf.
Er hat das prima gelöst!

Ich bin fast sicher, wenn ich alle Bände gelesen hätte, gäbe ich noch einen Stern mehr, so aber sind es solide 4 * für einen spannenden Thrill und eine absolute Leseempfehlung!

Bewertung vom 03.04.2022
Seel, Tina

Der Tod der dreckigen Anna


ausgezeichnet

Erschütternd und großartig erzählt. Nach einer wahren Begebenheit.
Kein Krimi, sondern das Psychogramm eines Mörders

Dieses Buch hat mich magisch angezogen und ich habe keine Zeile lang bereut, es gelesen zu haben.
Tina Seel nimmt in ihrem Debütroman Bezug auf ein tatsächlich stattgefundenes Verbrechen, begangen in einem kleinen pfälzischen Dorf in den 70er Jahren. Es passierte so oder sehr ähnlich im unmittelbaren Umfeld der Autorin, die damals ein Kind war.

Anna Hager, eine durch Sauerstoffmangel bei der Geburt geistig etwas zurückgebliebene Frau von Anfang 70, wird am Heiligabend 1974 bestialisch ermordet, ja man kann hier buchstäblich sagen "abgeschlachtet" und von ihrer Cousine gefunden. Schnell ist man sich im Dorf einig - das kann keiner von uns gewesen sein! Die Ermittler tappen lange im Dunkeln, denn: weil nicht sein kann was nicht sein darf - die Dörfler reden nicht über das, was sie gesehen haben, denn es könnte ja eventuell doch nicht stimmen und überhaupt! Was sollten denn die anderen Dorfbewohner denken, falls man sich geirrt hat!

Die Autorin schreibt immer abwechselnd in zwei Zeitebenen. So erleben wir zum Einen die Tat und die Ermittlungen, dazwischen schwenkt sie zurück in die 50er Jahre, beschreibt anschaulich und in einer sehr bildhaften Sprache alle Dorfbewohner, so dass man meint, sie vor sich zu sehen. So weiß der Leser recht früh, wer die grausame Tat begangen hat - durch die Erzählweise erfährt man jedoch auch, was diesem "Monster" selbst jahrzehntelang widerfährt und entwickelt, bei allem Abscheu, auch Mitgefühl für den Menschen hinter dem "Schlächter".
Jedenfalls ging es mir so.

Jede Person in diesem Dorf ist en Detail und nicht ohne eine gewisse Portion Humor gezeichnet und hat eine unverwechselbare Persönlichkeit. So erfährt man auch genau, warum sie etwas tun - oder eben leider auch nicht tun.

Der Fall wird am Ende geklärt, aber im Dorf wird nicht mehr alles so sein wie zuvor. Und auch als LeserIn bleibt man noch lange in Gedanken bei diesen Menschen, von denen etliche aus ihrem Standpunkt her "richtig" und dabei zum Teil doch gedankenlos handelten.

Es ist sicher kein Kriminalroman, was uns die Autorin hier auftischt, eher eine Tragödie mit Ankündigung.
Bei dem wunderbaren Schreibstil, über den Tina Seel verfügt, würde ich mich sehr freuen, wenn sie weiter schreibt!
Für dieses ungewöhnliche Buch vergebe ich begeisterte 5 Sterne und eine absolute Leseempfehlung für alle, die keinen "Null-Acht-Fünfzehn" Krimi lesen wollen.

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 13.03.2022
Dahl, Arne

Null gleich eins / Berger & Blom Bd.5


ausgezeichnet

Ende einer tollen Serie - Auftakt von etwas Neuem?

Puuuuh, endlich kann ich aufatmen. Hat mich der böse Cliffhanger im letzten Band doch zu lange um das Leben einer meiner Lieblingsprotagonistinnen bangen lassen...

Doch von vorn:
Es handelt sich um den letzten Band einer Reihe, und bei dieser Reihe bin ich tatsächlich der Meinung, man sollte die Vorgängerbände unbedingt kennen, sonst ist man sehr oft nicht im Thema.

Sam Berger und Molly Blom, beide ehemalige Polizisten, haben eine Detektei gegründet und wollen - schon um der gemeinsamen Tochter Myrina Willen - eigentlich etwas kürzer treten, was gefährliche Aufgaben angeht.
Doch es kommt anders. Polizeikommissarin Désiré Rosenquist, die bei einem Einsatz ihre Tochter Myrina gerettet, aber dafür beide Unterschenkel verloren hat, braucht ihre Hilfe. Sie wird von ihrem Chef "ausgebremst", weil sie einen Zusammenhang zwischen mehreren rätselhaften Todesfällen sieht und soll nicht weiter ermitteln...

Doch sie weiß nicht, dass ihr Chef ebenfalls Angst hat.
Und wie passen die sogenanten "Axtmorde" an ehemaligen Hells Angels Mitgliedern ins Bild? Gibt es einen Zusammenhang??

Ein hochintelligenter Serienmörder führt alle drei Ermittler an der Nase herum, gleichzeitig "spielt" er mit ihnen...will er enttarnt werden?

Das Thema ist lebensverlängernde Medizin. Was wie Science Fiction klingt ist zu einem Teil wohl tatsächlich bereits möglich... Wie weit gehen Menschen für den Traum vom "ewigen" Leben oder der ewigen Jugend?
Wie immer nimmt uns Arne Dahl mit auf eine Achterbahn. Spannende Ermittlungen, falsche Fährten und lebensgefährliche Einsätze halten die LeserInnen atemlos im Bann.

Dieser 5. Band war zwar nicht der Beste der Reihe, aber er schließt alle offenen Enden und lässt einen, wie schon erwähnt, zufrieden und erleichtert das Buch zuklappen.
Auf der letzten Seite treffen wir einen alten Bekannten wieder, was mich als Arne Dahl Fan sowohl gefreut hat als auch neugierig auf den nächsten "Dahl" macht.
(Nicht nur) für alle Arne Dahl-Fans, aber vor allem für die Fans von Molly Blom und Sam Berger - unbedingt lesen! 5* für diesen spannenden Thriller!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 08.03.2022
Eckert, Horst

Das Jahr der Gier / Melia und Vincent Bd.3


ausgezeichnet

Hochspannend - Brisant - Horst Eckert kann's einfach!

Und wieder hat der Meister des deutschen Politthrillers ein Glanzstück abgeliefert.
Spannend und hochaktuell schreibt er über den Wirecard-Skandal - äh, ich meine natürlich über den fiktiven Finanzdienstleister Worldcard.

Die beiden Hauptprotagonisten Melia und Vincent sind vielen Lesern aus den Vorgängerbänden bekannt. Auch unter den Nebenfiguren treffen wir auf einige wohlbekannte Figuren. Dennoch ist meiner Meinung nach auch dieses Buch problemlos ohne Vorkenntnisse zu lesen.

Melia hat ein persönliches Interesse an einem Überfall auf einen jungen farbigen Briten in Düsseldorf, denn dessen Vater ist ein Freund ihres Onkels. Gibt es einen rassistischen Hintergrund oder war er als Journalist einer brisanten Story auf der Spur?

Vincent hat einen Mord aufzuklären. Die tote Naomi war Trainee in einer renommierten Wirtschaftskanzlei.
Vor Monaten hat sich zudem ein anderer Wirtschaftsprüfer in Bayern auf grausame Weise das Leben genommen...oder hat man nachgeholfen?

Die Ermittlungen werden offensichtlich immer wieder sabotiert - wer will hier etwas vertuschen und wie kommen Details immer wieder in die falschen Hände?

Wie hängt das alles zusammen??
Es geht um Geld, viel Geld - und um Macht!

Wo alles letztendlich hinführt: München - Worldcard Zentrale

Undurchsichtige Personen aus dem In- und Ausland haben ein
Interesse daran, die Firma in positivem Licht dastehen zu lassen
und selbst einwandfrei nachweisbare Unregelmäßigkeiten zu vertuschen. Auch die Geheimdienste haben ihre Finger im Spiel und politische und wirtschaftliche Interessen sind eng miteinander verwoben.

Die interessanteste Figur ist dieses Mal für mich der ehemalige Zielfahnder Sebastian, der vor einiger Zeit zum "Bauernopfer" eines unaufgeklärten Giftmordes an einem Zeugen wurde. Dieser Sebastian ist nun bei der Security von Worldcard beschäftigt, aber bald sind ihm manche Vorkommnisse nicht ganz geheuer und er entdeckt Unglaubliches...

Doch wem kann er trauen?
Horst Eckert ist es wieder einmal gelungen, sich selbst zu übertreffen. Mit diesem internationalen Thriller - die Schauplätze rangieren von Düsseldorf und München über London bis nach Singapur - ist er meiner Meinung nach noch ein Stückchen weiter gegangen.

Die kurzen Kapitel lesen sich gut, der Wechsel der Schauplätze von einem zum anderen Kapitel machen es nahezu unmöglich, mit dem Lesen aufzuhören, und erhöhen beständig das Tempo. Mehr denn je hat sich beim Lesen vor meinen Augen permanent ein actionreicher Film abgespielt! Und der Showdown hat es in sich...
Bis jedoch am Ende alle Fäden zusammengeführt und die Todesfälle aufgeklärt werden sind wir Zeugen von unglaublichen und doch sehr wohl so vorstellbaren Ereignissen. Leider, und auch hier bleibt Horst Eckert realistisch, bleiben etliche der wahren Schuldigen unbehelligt...
Auch bei Melia und Vincent wird es spannend, mehr sei hier aber nicht verraten
Ich freue mich, dass Horst Eckert bereits einen weiteren Band angekündigt hat - aber bis dahin gilt:

Absolute Leseempfehlung und 5* für dieses Buch!

Bewertung vom 03.03.2022
Dunne, Ellen

Boom Town Blues


ausgezeichnet

Zunächst zum Buch:
Ich finde es sehr hübsch gestaltet. Mit seinen "runden Ecken" und dem kompakten Schriftbild ist es irgendwie handlich und angenehm. Auch das Cover ist schön - ich hätte hier jedoch niemals Dublin vermutet!
"Boom Town Blues" ist der dritte Teil einer Reihe mit der Ermittlerin Patsy Logan. Man kann dieses Buch auch ohne Vorkenntnisse lesen. Jedoch wird man wohl manche Handlungsweise der Protagonistin besser verstehen können, wenn man die Vorgängerbände kennt.
Ich kannte sie nicht und für mich ist Patsy nicht immer ganz greifbar.
Zum Inhalt:
Eine deutsche Praktikantin wird in der österreichischen Botschaft vergiftet. Um diplomatische Verwicklungen möglichst zu vermeiden muss schnell gehandelt werden und so wird Patsy, die eigentlich bei ihrer Cousine in Dublin eine Auszeit nehmen wollte, von ihrem deutschen Chef in die Botschaft geschickt. Eigentlich soll sie nur Flagge zeigen und nicht unbedingt ermitteln. Doch natürlich kann sie nicht die Füße still halten und ihr Instinkt, sowie die guten Ideen ihres österreichischen Kollegen Sam Feurstein, führen sie bald auf die richtige Spur.
Wir tauchen tief ein in die Welt der irischen Banken- und Immobilienkrise und deren Folgen und erleben ein düsteres Dublin, in feuchtkaltem Winterklima mit vielen desillusionierten Menschen.
Das ist schon kein "Blues" mehr, das nähert sich einer ausgewachsenen Depression.
Das Buch ist brillant und intelligent aus verschiedenen Blickwinkeln und in verschiedenen Zeitebenen geschrieben. Um die wirtschaftlichen Zusammenhänge zu erfassen benötigt man etwas Konzentration. Die Abschnitte aus Patsys Sicht sind in der Ich-Form geschreiben, die anderen Personen kommen meist in Rückblicken vor und es wird in der 3. Person erzählt.
Sehr gut gefallen hat mir der Schreibstil der Autorin. Sie benutzt knappe Sätze und dennoch entstehen anschauliche Bilder der Personen und der Szenerie. Außerdem benutzt sie sehr treffende, oft spitzzüngige Bemerkungen und Kommentare, wenn sie Patsy "reden" lässt. Hier kann man des öfteren schmunzeln und das Lesen macht Spaß.
Insgesamt war mir Patsy dennoch etwas zu negativ und die Grundstimmung des Buches zu düster. Dazu kam eine Szene kurz vor Ende des durchaus sehr spannenden Buchs, die mich etwas irritiert hat.
Das Buch hebt sich von der Menge ab und ist toll geschrieben.
Daher 4,5 von 5*.