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CK
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Insgesamt 205 Bewertungen
Bewertung vom 02.03.2025
Lohmann, Eva

Wie du mich ansiehst


ausgezeichnet

Mit welchem Blick wollen wir uns sehen (und gesehen werden)?


Ich habe schon einiges von Eva Lohmann gelesen, zuletzt begeisterte mich ihr wundervoller Roman „Das leise Platzen unserer Träume“. Umso mehr habe ich mich auf ihren neuen Roman „Wie du mich ansiehst“ gefreut.
Das Buch spricht auf sehr leichte und angenehm geschriebene Art mehrere wichtige Themen an: das Älterwerden, die „Schönheit“ (Schönheitsideale, Schönheitsindustrie, ...), Mutterschaft und anderes.
Johanna hat die Vierzig überschritten, ist Mutter einer fünfzehnjährigen Tochter. Und sie fühlt sich nicht mehr so wohl in ihrer Haut, fühlt sich nicht mehr attraktiv (genug), nicht mehr „gesehen“. Von ihrem Mann und von Männern im allgemeinen. Deshalb lässt sie sich in kleinen Dosen Botox und Hyaluron spritzen, doch dann lässt sie mehr machen und muss sich, als es (endlich) auch ihr Mann/andere sehen, rechtfertigen, weshalb sie dies tut. Am schwierigsten ist es, dies ihrer Tochter zu erklären, der sie doch immer sagte, das Aussehen sei nicht wichtig.
Zusätzlich muss Johanna noch den Tod ihres Vaters verkraften. Er hat ihr einen Garten hinterlassen, der nach einem Streit mit ihrem Mann zu ihrem Zufluchtsort wird.
Eva Lohmann ist eine sehr kluge Erzählerin, man findet sich in ihren Worten und Beschreibungen gut wieder. Es ist eher ein Buch der leisen Töne, aber ich fand es einfach wundervoll und klug geschrieben. Ein Aufruf, sich bedingungslos zu lieben und im Älterwerden auch etwas Positives zu sehen. Ganz klare Leseempfehlung von mir!

"Dann aber schärft sie ihren Blick und versucht, sich mit den Augen eines Fremden zu sehen. Mit den Augen eines Mannes. Sie betrachtet die kleinen Fältchen um ihre Augen. Die etwas größere Falte über der Nasenwurzel. Und dann ihr Gesicht im Ganzen.
Da ist etwas, dass ihr schon öfter aufgefallen ist in den letzten Monaten. An ihr selbst, an ihren Freundinnen, eigentlich grundsätzlich an Menschen, die die Vierzig überschritten haben. Sie sind immer noch dieselben, man altert nicht über Nacht, und trotzdem, da ist etwas in den Gesichtern, für das Johanna nur ein einziges Wort einfällt. Wir sind alle erschüttert, denkt sie."

„Schönsein ist absolut akzeptiert, Schönsein-wollen seltsamerweise nicht.“

"Diese ersten Zeichen der Alterung, die ihr Körper jetzt gerade aufzeigt, werden ihr in nicht allzu weiter Zukunft vollkommen belanglos vorkommen, mehr sogar: Es wird der Tag kommen, an dem sie sich wünschen wird, ihr einziges Problem wäre eine kleine Falte zwischen den Augen.
In diesem Moment, in diesem Wartezimmer wird es ihr bewusst: ihre Jugend rieselt ihr wie eine unwiederbringliche Ressource durch die Finger. Altern ist kein reversibler Zustand. Nicht wie ein Körper, der ab- und wieder zunimmt. Kein Glück, das mal mehr und mal weniger da ist. Keine Liebesgeschichte, die sich immer wieder erneuert. Beim Altern gibt es nur eine Richtung."

"Es macht sie wütend, dass Hendrik das nicht versteht. Dass er nicht weiß, wie es sich anfühlt, im Körper eines Mädchens aufzuwachsen. Diesen Körper beim Wachsen zuzusehen - und für diesen Körper beschämt zu werden, auf immer wieder neue Weise, von Männern jeglichen Alters. Beschämt, bewertet, beurteilt."

Bewertung vom 28.02.2025
Friese, Julia

delulu


ausgezeichnet

Sehr wirr ... Nach dem großartigen "MTTR" leider für mich eine absolute Enttäuschung


Es ist mir schon lange nicht mehr so schwer gefallen ein Buch zu bewerten.

Und ich muss vorab auch ausdrücklich betonen, dass ich den Debütroman "MTTR" von Julia Friese wirklich großartig fand, sprachlich wie inhaltlich. Das ist ein ganz besonderes Buch, außergewöhnlicher Schreibstil, wirklich eine Leseempfehlung (wenn auch nicht ganz einfach zu lesen).

Daher war ich umso erfreuter, als ich von ihrer Neuveröffentlichung von "delulu. Der Roman" erfuhr. Leider muss ich sagen, dass ich schon lange nicht mehr so enttäuscht von einem Buch war, auf dessen Erscheinen ich mich gefreut hatte.

Erstmal zum Inhalt (den Klappentext kann ja jeder selbst nachlesen):
Es geht hier um Res (und das ist dann auch schon das einzige, was ich hier verstanden habe in diesem Buch), die ihr Idol Frances Scott trifft. Oder auch nicht. Oder es nur träumt.... das weiß die/der Leser*in nicht so ganz (ich jedenfalls nicht).

Ja, der Inhalt laut Klappentext klingt schon von vorneherein "speziell" und eher wild. Aber DARAUF war ich dann wohl doch nicht vorbereitet. Ich dachte einfach nur: What????
Ja, Julia Friese kann schreiben, sprachlich waren da schon ein paar interessante Sätze dabei.
Aber insgesamt habe ich mich einfach die ganze Zeit gefragt: Was will die Autorin mir sagen???

Vielleicht war es einfach nicht das richtige Buch für mich.
Ich habe nichts verstanden.
Mir hat dieses Buch schlicht und ergreifend überhaupt nicht zugesagt.

Bewertung vom 28.02.2025
Friese, Julia

MTTR


sehr gut

Nicht einfach zu lesen, aber sehr lesenswert

Der Roman „MTTR“ von Julia Friese ist ein Buch, das zwangsläufig polarisieren muss. Es ist weder sprachlich noch inhaltlich leicht zu lesen – aber durchaus lesenswert. Doch hier gehen die Meinungen sicher auseinander; wie immer ist es Geschmackssache.
Der Roman erzählt Teresas Leben, vom Kinderwunsch über die Schwangerschaft bis hin zur Mutterschaft und der Rückkehr in den Beruf. Auf diese Weise hat das vorher noch niemand geschrieben. Der Schreibstil ist herausfordernd, aber außergewöhnlich (gut).
Sehr authentisch und glaubhaft wurden hier die Gedanken der Protagonistin übermittelt, ihre Zweifel und auch der gesellschaftliche Druck. Man begreift, wie eigene negative Erfahrungen in der Kindheit auch die eigene Mutterschaft und das spätere Leben beeinflussen.
Interesant fand ich auch die Wahl des Titels MTTR, was „Meantime to Recover/Repair“ bedeutet und sehr gut zum Thema Mutterwerden/Muttersein passt.
Schwangeren würde ich das Buch eher nicht empfehlen, aber allen mit Kinderwunsch oder allen, die schon Kinder haben und mal etwas ganz anders geartetes zu dem Thema lesen wollen.
Mein Fazit: eine anspruchsvolle, aber gleichzeitig sehr lesenswerte Lektüre!

"Nicht hochgucken. Auf das Kassenband. Schwangerschaftstests und Folsäure wie Rasierklingen und Schlaftabletten. Waffen.
Für Frauen die sich den Puls nicht auf-, sondern nur ein bisschen anritzen wollen. Die im eigenen Leben zurücktreten wollen Punkt hinter sich. Neben sich. Ganz langsam. Ausbluten und nie wieder wach sein Punkt bleiben, aber verschwinden. Holäutig. Rundwangig. Ein Hologramm mit zwei "m". Mama."

"Und ich war erleichtert. Jedes Mal erleichtert und am Boden zerstört. Ich verstand es nicht. Verstand nicht mal, was ich hier machte. Was war das? Etwas, über das ich nicht redete, das mit mir ausgeführt wurde. Ein Modus, der mit mir ablief. Warum weiß ich nicht. Auch Tage später, wenn ich zu bluten begann, wieder der Modus. Und mit ihm die innere Leere. Mein Blut schien mir zu bestätigen, was das Außen so häufig signalisierte: du nicht. Egal, ob sechs Tage früher oder später. Du bist unbewohnbar. Allein. Mit dir und in dir allein."

"Ich sagte, ich weiß es nicht, ob das so eine gute Idee ist. Ein Kind. Ist das nicht das Naivste, was man nur wollen kann? Ein Kind. Was will man eigentlich, wenn man sagt, man will ein Kind. Das ist überhaupt nichts Konkretes. Und man sagt doch bewusst ein Kind. Denn man kennt das Kind nicht. Kann es nicht kennen. Noch nicht. Falls man es je kennt. Erkennt. So oder so lässt man sich auf etwas Unbekanntes ein. Man sagt: ich will, dass etwas Unbekanntes mit mir passiert. Mit uns. Das ist der Anfang."

"Es ist doch das Schönste, sagt meine Mutter. Das Mutterglück, sagt sie. Und ich schaue sie an und weiß nicht, wer da durch sie spricht. Mutterglück. Ich - will ich sagen - bin deine Tochter. Ich weiß doch, dass du nie glücklich warst. Dass dich das überfordert hat. Das Muttersein. Dass du daran verzweifelt bist. Dass das überhaupt nichts für dich war. Wie kann das sein. Dass du sagst, Kinder kriegen ist das Schönste. Wie passt das."

"Wenn man etwas machen kann, ist es immer weniger attraktiv, als es schien, während man es nicht machen konnte. Im Nichtkönnen liegt Sehnsucht, im Alleskönnen nur Lethargie."

Bewertung vom 28.02.2025

Frei sein (Mängelexemplar)


ausgezeichnet

Wichtiges und kluges Buch:
„Die Freiheit, die Menschen zu sein, die wir sind.“


Die Anthologie „Frei sein! Das Ringen um unseren höchsten Wert“, herausgegeben von Tanja Raich, beinhaltet Texte von zwanzig Autor:innen rund um das Thema „Freiheit“. Diese Beiträge fallen ganz unterschiedlich aus, sind aber allesamt sehr interessant und lesenswert. Die Autor:innen beschäftigen sich mit Aspekten der Freiheit in Bezug auf Körper, Arbeit, Klasse, Liebe, Sex, Feminismus, Literatur, Konsum und so weiter.

"Freiheit entzündet etwas in uns, vielleicht das, was wir (auch) mit dem Menschsein verbinden oder uns zumindest vom Menschsein wünschen."

"Gerade deshalb ist es ein Begriff, der für jede neue Revolution, für jede neue Bewegung notwendig bleibt, nichts anderes steht immer noch so sinnbildlich für Selbstbestimmung und Gleichberechtigung. Wir wollen frei sein. Wir wollen in einer freien Gesellschaft leben, doch scheitert dieses Wort vor allem und gerade an diesem Wir. Wer spricht hier von Freiheit, und von welcher Freiheit ist überhaupt die Rede?"

"Was ist überhaupt eine "freie" Gesellschaft, und worin ist unsere ganz persönliche Freiheit begründet? Kurzum: Wie frei sind wir wirklich, und was braucht es, um frei zu sein?"

Mich persönlich haben ganz besonders die Beiträge von Elisabeth Wellershaus, Linus Giese, Luna Al-Mousli, Ninia LaGrande, Sophia Süßmilch, Şeyda Kurt, Marlene Engelhort, Madita Oeming, Jayrôme C. Robinet, Franziska Hauser und Alexandra Stanić bewegt und beührt.

Meiner Meinung nach ein wirklich sehr lesenswertes und kluges Buch, das viel Stoff zum Nachdenken bietet. Ganz klare Empfehlung von mir!

„Unfreie, die sich für frei halten, kämpfen nicht mehr.“ Madita Oeming

"Genau das steckt für mich in dem Satz "Leben und lesen lassen": Die Freiheit, die Menschen zu sein, die wir sind - ohne Angst ohne Scham und ohne dafür angefeindet oder bedroht zu werden." - Linus Giese

„Freiheit ist: das bisschen letzte Hoffnung, dass es anders werden kann, dass es besser werden kann.“ - Sophia Süßmilch

Bewertung vom 26.02.2025
Robinet, Jayrôme C.

Mein Weg von einer weißen Frau zu einem jungen Mann mit Migrationshintergrund


sehr gut

Sehr lesenswerte Biografie: Für mehr Diversität

Ich habe bereits mit großer Begeisterung verschiedene Beiträge in Anthologien sowie seinen Roman „Sonne in Scherben“ von Jayrôme C. Robinet gelesen, daher war ich auf neugierig auf seine Biografie namens "Mein Weg von einer weißen Frau zu einem jungen Mann mit Migrationshintergrund".
Jayrôme hat früher als weiße, französische Frau gelebt. Doch dann zieht er nach Berlin, so sein Leben als trans Mann beginnt.
Er nimmt Testosteron und erlebt eine Art zweite Pubertät, ihm wächst ein Bart und plötzlich wird er als „Mann mit Migrationshintergrund“ gesehen. Er bemerkt in verschiedenen Alltagssituationen, dass sich nicht nur seine Identität, sondern auch das Verhalten seiner Mitmenschen ihm gegenüber stark geändert hat.
Sein Vorteil ist, dass Jayrôme es vergleichen kann, wie er als Mann bzw. als Frau behandelt wurde/wird.
Das Buch ist sehr persönlich und unterhaltsam gleichermaßen geschrieben. Es geht hier nicht nur um die generellen Probleme queerer und trans Menschen, gesellschaftliche Wahrnehmungen und Zuordnungen, sondern auch das Thema Rassismus wird behandelt.
Ich finde das Buch sehr lesens- und empfehlenswert für alle, die sich mit dem Thema Diversität beschäftigen möchten.

Bewertung vom 26.02.2025
Novak, Genevieve

No Hard Feelings


sehr gut

Die liebenswert-chaotische Penny Moore auf dem Weg zu sich selbst

„No hard feelings“ von Genevieve Novak ist so ein Buch, bei dem ich vorher etwas skeptisch war, ob ich es mögen würde. Aber ich muss sagen: JA, ich mag es tatsächlich (mehr als ich dachte).
Zum Inhalt:
Die siebenundzwanzigjährige Penny hat so ihre Probleme. Sie kommt einfach nicht von ihrem Exfreund Max los, der zwar weiterhin Sex und Freundschaft will, aber keine Beziehung. Ihre Freundin Annie macht Karriere, ihre Freundin Bec verlobt sich und ihr Mitbewohner/Freund Leo macht Party ohne Ende. Penny selbst hasst ihren Job und ihre fiese Chefin Margot. Und sie hat einige Probleme mit sich selbst, mit ihrem Selbstwertgefühl, mit Panikattacken und Depressionen. Doch das soll jetzt alles anders werden, sie will ihre Beförderung kriegen und Max wieder als festen Freund gewinnen. Leider sind die schlechten Angewohnheiten und Gedanken sehr schwer loszuwerden …
Ich fand Penny gleichermaßen liebenswert wie chaotisch. Alle Charaktere waren sehr authentisch dargestellt, manchmal vielleicht etwas stereotyp, aber insgesamt passte es für mich. Man konnte die Gedanken und Gefühle von Penny meist gut nachvollziehen; manchmal hätte man sie schütteln wollen, damit sie nicht wieder dieselben Fehler macht!
Ich fühlte mich auf jeden Fall gut unterhalten, und gegen Ende des Romans bekommt die Geschichte dann auch noch einiges an Tiefgang. Ich fand es interessant, wie Penny den Weg zu sich selbst findet, ihren Selbstwert erkennt und somit auch glücklich werden kann.
Der Schreibstil von Genevieve Novak ist modern, scharfsinnig und witzig, ich bin ziemlich begeistert.
Ein Buch zum Lachen und Weinen und Mitfühlen, von mir bekommt es eine Leseempfehlung!

"Ich habe nur eine popelige Sukkulente umgebracht, aber ich schwöre, sie war schon lebensmüde, als m sie zu mir kam."

„Niemand ist glücklich", entgegne ich. "Das hier ist kein Nancy-Meyers-Film. Das Glück ist kein Flugzeug, in das man ein steigt und davonfliegt. Die Menschen erleben nur deshalb ab und zu schöne Momente, damit sie sich nicht auf die Gleise werfen."

"Mein mageres, kleines siebzehnjähriges Ich hatte etwas Besseres verdient als die Enttäuschung, die seine Zukunft darstellen sollte. Vielleicht hat mein siebenundzwanzigjähriges Ich auch etwas Besseres verdient. Vielleicht ist es an der Zeit, dass ich die Verantwortung für das Nervenbündel übernehme, das aus mir geworden ist."

Bewertung vom 24.02.2025
Marklund, Liza

Der Polarkreis


sehr gut

Spannender Auftakt zu einer Schweden-Krimi-Reihe

„Der Polarkreis: Kriminalroman (Die Polarkreis-Trilogie 1)“ von Liza Marklund ist der Auftakt zu einer neuen Krimireihe. Früher habe ich viele Schweden-Krimis gelesen, bisher aber noch nichts von Liza Marklund. Das düster-atmosphärische Cover hat mich jedoch neugierig gemacht.
Im ersten Band der Reihe wird im Jahr 2019 in einer schwedischen Kleinstadt eine kopflose Frauenleiche gefunden. Es wird schnell klar, dass es sich hier um Sofia handeln muss, die vor vierzig Jahren als 17jähriges Mädchen spurlos verschwand. Das Geheimnis um ihr Verschwinden wurde bis heute nie gelöst.
Damals trafen sich fünf Teenager-Mädchen regelmäßig in ihrem Buchklub namens „Der Polarkreis“. Nun treffen sich die vier übrigen Frauen zum ersten Mal seit damals wieder, um der Frage nachzugehen, was damals geschehen ist. Es wird immer klarer, dass der Auslöser für das Verbrechen auch mit dem Buchklub zu tun hat ...
Das Buch wechselt zwischen heute und der Vergangenheit in den 1980ern, was die Spannung natürlich immens erhöht. Der Schreibstil ist gut lesbar. Anfangs tat ich mir mit den zahlreichen Namen und Personen etwas schwer, kam dann aber doch recht schnell ins Buch.
Die Atmosphäre ist gut spürbar dargestellt und die Autorin hat die Charaktere und die Beziehungen der damaligen Clique sehr authentisch beschrieben.
Die Spannung konnte bis zum Schluss aufrechterhalten bzw. sogar noch gesteigert werden. Das Ende bringt eine überraschende Wende, aber ich möchte nicht spoilern.
Natürlich wird man auch neugierig auf den nächsten Band dieser Reihe. Ich denke, es lohnt sich, hier noch die weiteren Bände zu lesen. Von mir gibt es solide 4 von 5 Sternen.

Bewertung vom 24.02.2025

Sind Antisemitisten anwesend?


sehr gut

Wichtiges Thema: Ein kluges Buch, das zum Nachdenken anregt

Das Buch „Sind Antisemitisten anwesend?: Satiren, Geschichten und Cartoons gegen Judenhass“, herausgegeben von Lea Streisand, Heiko Werning und Michael Bittner behandelt ein sehr wichtiges Thema. Die Umsetzung des Themas Antisemitismus ist hier mal recht interessant gestaltet, nämlich in Form von ca. 80 Satiren, Essays, Gedichte, Geschichten und Cartoons. Die Beiträge stammen von Lea Streisand (dank ihr wurde ich zugegebenermaßen überhaupt auf das Buch aufmerksam, da ich ein großer Fan von ihr bin!), Ahne, Katja Berlin, Bov Bjerg, Franz Dobler, Danny Dziuk, Hartmut El Kurdi, Alexander Estis, Flix, Katharina Greve, Thomas Gsella, Rattelschneck, André Herzberg, Dmitrij Kapitelman, Charles Lewinsky, Julia Mateus, Til Mette, Susanne M. Riedel, Stefanie Sargnagel, Dana von Suffrin, Peter Wawerzinek, Bodo Wartke, Ella Carina Werner und anderen.
Die Beiträge der Autor*innen sind natürlich ganz unterschiedlich – zugegeben, nicht alle haben mich auf die gleiche Weise angesprochen, aber das empfindet ja jeder anders. Viele Texte sind sehr persönlich und sehr berührend, oft auch erschütternd.
Auf jeden Fall ist das ein sehr kluges und (leider!) notwendiges Buch, das stark zum Nachdenken anregt. Von mir bekommt es eine klare Leseempfehlung!

Bewertung vom 21.02.2025
Lindell, Elin

Der süßeste Bruder der Welt und andere Irrtümer


ausgezeichnet

Witzige & kluge Graphic Novel zum Thema Patchwork-Familien

„Der süßeste Bruder der Welt - und andere Irrtümer“ von Elin Lindell ist eine witzige Graphic Novel über eine besondere Patchwork-Familie. Es geht hier um Dani, die selbst durch eine Samenspende entstanden ist. Sie hätte unglaublich gerne ein Geschwisterchen. Doch ihre alleinstehende Mutter möchte das partout nicht. Aber als Dani heimlich in Mamas Dating-App herumschnüffelt, swiped sie bei einem peinlichen Typen versehentlich nach rechts! Kaum zu glauben, aber ihre Mutter verliebt sich tatsächlich und bringt mit dem neuen Mann auch gleich noch einen Bruder mit in die Familie. Der seltsame Typ entspricht so überhaupt nicht Danis Wunschvorstellung vom „süßen kleinen Brüderchen“. Also muss ein Plan B her ...

Ich hatte gar nicht erwartet, dass mir dieses Buch so gut gefallen würde. Dieser Comic-Roman ist nicht nur großartig illustriert, er ist witzig und unterhaltsam, hat aber auch wirklich Tiefgang und begegnet Kindern/Jugendlichen auf Augenhöhe.
Der Schreibstil von Elin Lindell ist sehr witzig und lebendig. Die Gestaltung des Buchs hat uns sehr gut gefallen, sehr witzige Illustrationen.

Das ist mal ein wirklich schönes und modernes Buch über Patchworkfamilien in der heutigen Zeit.
Ganz klare Leseempfehlung von uns!

Bewertung vom 21.02.2025
Gilmartin, Sarah

Service


ausgezeichnet

Hm, noch ein weiterer #metoo-Roman, brauchen wir den wirklich?
Im Fall von Sarah Gilmartins Roman „Service“ sage ich eindeutig: JA, brauchen wir!
Die Thematik ist zwar an sich nicht neu, hier ist das Setting aber mal in der Nobel-Restaurant-Szene angesiedelt, zudem ist die Umsetzung mit den drei Erzählperspektiven wirklich sehr gelungen. Dass nicht nur das Opfer, sondern auch der Täter und dessen Ehefrau zu Wort kommen, sorgt hier für ein besonderes Lesevergnügen. Insbesondere die Sicht und Gedankengänge von Julie, der Ehefrau, fand ich sehr interessant.

Der Titel „Service“ mutet recht harmlos an und zu Beginn des Buchs wird man auch erstmal in die Welt der Sterne-Restaurants und die stressigen Tagesabläufe eingeführt. Diese Beschreibungen fand ich sehr authentisch und glaubwürdig, besonders was die Situation der Frauen im Service und das Klientel im Restaurant angeht:

"Die ganze Atmosphäre. Das Anspruchsdenken. Bloß weil sie reich sind, können sie uns, das Personal, behandeln, wie sie wollen."

Und dann geht es richtig los: Hannah wird mit ihrer Vergangenheit konfrontiert, obwohl sie die Erinnerungen an ihre Zeit im Restaurant vor 10 Jahren lieber weiterhin verdrängen will. Sie möchte sich nicht mehr mit dem befassen, was damals passiert ist. Daher möchte sie nicht im Gerichtsverfahren gegen ihren früheren Chef Daniel aussagen. Dem berühmten Sternekoch werden sexuelle Übergriffe vorgeworfen, weswegen er gezwungen war, sein Restaurant zu schließen. Er kann das gar nicht fassen, da er selbst dem Vorfall, um den es bei der Anklage geht, kaum Bedeutung beimisst. Er sieht sich selbst als Opfer von Rufmord und einer ungerechtfertigten Anklage. Gleichzeitig muss sich seine Frau Julie neu sortieren, nicht nur die Belagerung durch die Presse setzen ihr zu, sondern auch die Frage, wie gut sie den Mann an ihrer Seite eigentlich wirklich kennt?

"Die Frage verfolgt mich überall hin: wie konnte ich nicht wissen, dass mein Mann mit anderen Frauen anwandelte? Und dahinter die Frage, die mir noch niemand gestellt hat: Wie konnte ich nicht wissen, dass mein Mann ein Triebtäter ist? Aus irgendeinem Grund habe ich darauf keine Antwort, lediglich den grausamen Gedanken, dass all die Jahre bedeutungslos waren, unsere Ehe eine Illusion."

Auf dem Weg bis zur Gerichtsverhandlung nimmt die Handlung ordentlich an Fahrt auf. Dabei gibt es immer wieder Rückblenden, die die Spannung ebenso aufrechterhalten.
Ich möchte hier nicht spoilern und sage daher nichts zum Ende der Geschichte - lest dieses Buch unbedingt selbst!
Wer „Prima facie“ von Suzie Miller mochte, dem wird sicher auch dieses Buch gefallen.
Für mich ist es auf jeden Fall ein echtes Highlight zu einem sehr wichtigen Thema!

"Dieser Sommer ruinierte tatsächlich mein letztes Studienjahr, aber nicht so, wie meine Eltern befürchtet hatten. Im September kehrte ich als anderer Mensch als Trinity College zurück, beschädigt und wachsam, konnte die Geschehnisse nicht hinter mir lassen und war zu verängstigt, um auf eine bessere Zukunft zu vertrauen. Tage, Wochen, Monate, die ich mit der Frage verschwendete, wieso es mir passiert war. Ich war wütend auf alles.
....
.... während meine eigentliche Frage lautete: könnt ihr mir helfen, nicht mehr kaputt zu sein?"

"Gelegentlich gelingt es einem, das Trauma auszublenden, doch die Nachwirkungen vergisst man nicht."

"Und danach, als sie sagte, man könne sich entscheiden, ob man Opfer oder Überlebende sein wolle, dachte ich: Schon, oder man kann sich entscheiden, beides zu sein."

„Auf einmal bin ich wutentbrannt, spüre denselben grenzenlosen Zorn wie nach jener Nacht: Ich war nicht diejenige, die das Problem verursacht hatte, musste es aber trotzdem beseitigen, da die Welt nie müde wird, Frauen mit Aufgaben zu überhäufen.“