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Bellis-Perennis
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Wien

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Insgesamt 1173 Bewertungen
Bewertung vom 02.09.2025
Flitner, Bettina

Meine Mutter (eBook, ePUB)


sehr gut

„Als Bettina Flitner für eine Lesung aus ihrem Buch »Meine Schwester« nach Celle zurückkehrt – dorthin, wo vor 40 Jahren ihre Mutter beerdigt wurde –, springen sie mit unerwarteter Heftigkeit Fragen an, die sie lange von sich fern gehalten hatte: Fragen nach dem großen Unglück im Leben ihrer Mutter und nach einer Familienkatastrophe in einer fernen Zeit und in einem fernen Land.“

Mit diesen Worten umreißt der Klappentext den Inhalt dieses aufwühlenden Buches.

Wenig später reist Bettina Flitner auf den Spuren ihrer Mutter Gisela, die vor 40 Jahren Selbstmord begangen hat, rückwärts in die Vergangenheit in den Luftkurort Wölfelsgrund im ehemaligen Niederschlesien, heute Polen, wo die Familie einst ein Sanatorium besessen hat. Mit im Gepäck hat Flitner Tagebücher sowie Notizen und Hunderte von Fragen. Denn die Selbstmorde von Mutter (1984) und Schwester (2017) reihen sich mehr oder weniger nahtlos in eine Reihe von Selbsttötungen ein.

„Sie hat nie etwas getaugt!“ Mit diesen verachtenden Worten beginnt Bettina Flitners Buch über ihre Mutter. Gesprochen hat diesen Satz der Vater der Toten.

Das Buch über ihre Mutter ist der Versuch einer Aufarbeitung der dramatischen Familiengeschichte, denn Großmutter Elisabeth war jüdischer Abstammung und Großvater Wilhelm Flitner, (Reform)Pädagoge und Gegner der Nationalsozialisten.

Meine Meinung:

Das im Klappentext erwähnte Buch „Meine Schwester“ habe ich noch schnell vorab gelesen. Bettina Flitner selbst ist mir nur im Zusammenhang mit Alice Schwarzer ein vager Begriff.

Flitners Schreibstil ist klar und schnörkellos, fesselt aber genau dadurch.

Fazit:

Für diese Aufarbeitung einer komplizierten Familiengeschichte, in der einige Mitglieder an Depressionen litten und Selbstmord verübt haben, gebe ich 4 Sterne.

Bewertung vom 01.09.2025
Feyerabend, Charlotte von

Liebesrausch


gut

Als die mit Hugh „Hugo“ Parker Guiler verheiratete Anaïs Nin (1903-1977) 1931 in Paris auf den amerikanischen Schriftsteller Henry Miller (1891-1980) trifft, entspinnt sich eine amour fou, die alle Konventionen sprengt.

„Etwas sagt mir, dass ich dich an ihn verlieren werde. Aber das werde ich nicht zulassen. Anaïs, du gehörst zu mir! Auch wenn ich weiß, dass du seinen Verstand anziehend findest.“ (S. 41)

Denn nicht nur, weil Anaïs Nin ihrem Eheman Hugo, der sie finanziell großzügig unterstützt, in einer konventionellen Ehe verbunden bleibt, sondern weil Henrys Ehefrau June zu dieser menage à trois als vierte dazukommt, auch wenn diese Konstellation nicht allzu lange bestehen bleibt.

Ob es an Anaïs‘ toxischer Beziehung zu ihrem Vater liegt, dass sie sich auf Henry Miller, der nimmt, was kommt (und ihm nützlich ist) einlässt?

Eine Antwort bietet dieser Roman nicht, zumal er im Jahr 1936 endet. Die Beziehung zu Henry Miller wird noch einige Jahre andauern.

Meine Meinung:

Autorin Charlotte von Feyerabend erzählt die Geschichte aus unterschiedlichen Perspektiven. Sowohl aus der Sicht von Anaïs als auch jener Henrys. So richtig kann ich mich mit den handelnden Personen nicht anfreunden. Vor allem Hugo bleibt für mich persönlich sehr blass. Warum lässt er sich das alles gefallen? IHenry und Anaïs leben in einer Blase von Sex, Drugs und Lügen, die der gute Hugo finanziert.

Der Tanz auf dem Vulkan, den vor allem Henry und Anaïs jahrelang zelebrieren, mag der Herkunft beider geschuldet sein.

Außerdem fehlt mit ein bisschen das historische Umfeld mit der politischen Entwicklung in Deutschland in der Erzählung. Okay, Hugo erwähnt, dass er ein Jobangebot in London hat und er dunkle Wolken heraufziehen zieht. Aber sonst?

Vor vielen Jahren habe ich Anaïs Nins Buch Das Delta der Venus gelesen. Vielleicht sollte ich dieses bzw. eines ihrer anderen Bücher lesen.

Fazit:

Leider hat mich dieser Roman der Person Anaïs Nin nicht wirklich näher gebracht, daher gibt es nur 3 Sterne.

Bewertung vom 01.09.2025
Paar, Tanja

Am Semmering


ausgezeichnet

Tanja Paar entführt ihre Leser in die Sommerfrische-Idylle am Zauberberg der Wiener, den Semmering. Man schreibt das Jahr 1928. Die Donaumonarchie und der Adel sind längst Geschichte. Das neue jüdische Bürgertum hat den Hausberg als Sommerfrische auserkoren. Bekannte Architekten bauen Villen für sie, damit sie, wenn sie mit Sack und Pack über den Sommer einziehen, die selbe Bequemlichkeiten haben, wie in der großen Stadt, nur mit sauberer Luft.

Doch es ist nicht die Herrschaft, die hier beschrieben wird, sondern die einfachen Leute wie das Postfräulein Negrelli, die Bauern, deren Kinder statt in die Schule zu gehen auf dem Hof schuften müssen, das Dienstpersonal der großen Hotels, die Holzknechte oder die Köchin Rahel, die für die jüdischen Gäste koscher kocht sowie der Pianist Szabo. Es ist auch eine Geschichte der Einheimischen und der Zugezogenen, wie dem Eisenbahner Bertl und seiner Frau Klara, die im Bahnwärterhaus an der Südbahn wohnen. Bertl bekleidet nun den Posten eines Fahrdienstleiters. Das Paar ist dankbar für sein kleines Glück, dem nur noch ein Kind fehlt, das sich partout nicht einstellen will.

Nach der Weltwirtschaftskrise 1929, die auch vor der Sommerfrischenidylle am Semmering nicht Halt macht, beginnen die politischen Spannungen spürbar zu werden. Bertl, als Eisenbahner ein Sozialist, kann mit den frömmelnden Einheimischen wenig anfangen, und umgekehrt. Und doch ist der Semmering eine winzige Insel der Seligen, in der Klara sogar Tennis spielen lernt und ihrerseits versucht, Szabo das Eislaufen beizubringen.

Als die Heimwehr sich immer stärker in Szene setzt, legt auch der republikanische Schutzbund nach, bis die Situation im Februar 1934 im Bürgerkrieg eskaliert. Niemand kann so recht glauben, dass illegale Nazis und Sozialisten gemeinsam im Anhaltelager Wöllersdorf in Haft sind.

Dann kommt das Jahr 1938 und die heile Welt am Semmering gerät vollends aus den Fugen. Zuerst verschwindet das Fräulein Negrelli und dann Rahel ...

Meine Meinung:

Dieser historische Roman, der auf den Erinnerungen ihre Großeltern Klara und Bertl, sowie dem mysteriösen Erbe einer Porzellanpuppe, in deren Reifrock ein Schaijtel, also jene Perücke, die orthodoxe Jüdinnen nach ihrer Heirat, tragen (müssen), basiert, zeichnet die Jahre zwischen 1928 und 1945 sehr feinfühlig nach.

Zwischen den einzelnen Episoden sind Gedanken des schlechten Gewissen sowohl von Klara als auch von Szabo zu lesen, der sich Vorwürfe macht, Rahel nicht besser unterstützt zu haben. Er steht stellvertretend für alle, die lange, zu lange gezögert haben, jüdischen Bekannten und Freunden zu helfen. Offen bleibt der Verbleib des Fräulein Negrelli, während das Schicksal von Rahel klar ist.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem Roman 5 Sterne.

Bewertung vom 30.08.2025
Wunnicke, Christine

Wachs


ausgezeichnet

Christine Wunnike entführt ihre Leserschaft in das vorrevolutionäre Paris des 18. Jahrhunderts. Noch herrscht Ludwig XV. (1710-1774) und seine Entourage, die dann von Ludwig XVI. (1754-1793) sowie von der Revolution 1789 und der Schreckensherrschaft abgelöst werden. Doch es ist nicht das Königshaus, das hier im Mittelpunkt steht, sondern zwei Frauen, die sich lange vor der politischen Revolution revolutionär verhalten: Marie Bihéron (1719-1795) und Madeleine Basseporte (1701-1780).

Die beiden Frauen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, begegnen einander bei einem Malkurs, den Bassporte für Mädchen gibt, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Während die meisten Schülerinnen sich mit zarten Blumenornamenten und Bordüren plagen, zeichnet jugendliche Marie Bihéron innere Organe, die sie zuvor gekauften Leichen entnommen hat. Marie will Anatom werden und zwar der beste.

Schnell erkennen beide, dass in den anatomischen Zeichnungen Maries wahre Begabung liegt. Dann verlegt sich Marie auf die Herstellung von anatomischen Wachsmodellen, sogenannte Moulagen. Das Mekka der Erzeugung dieser Modelle liegt in England, wohin Marie auch mehrmals reist. Während Marie ihre originalgetreue anatomische Moulagen an Wissenschaftler und an die Königin verkaufen kann, wird Madeleine Gartengestalterin bei den Bourbonen. Sie korrespondiert mit dem schwedischen Forscher und Botaniker Carl von Linné (1707-1778), der ihre detailgetreuen Abbildungen schätzt.

Aus der Lehrerin/Schülerin-Beziehung ist schon längst ein gleichgeschlechtlich liebendes Paar geworden, das mehr oder weniger unbehelligt zusammenlebt. Männer kommen in diesem historischen Roman selten vor. Und wenn, dann in Nebenrollen. So begegnen wir dem jugendlichen Dichter Denis Diderot (1713-1784) oder den Mitgliedern der Académie des sciences, die Frauen weder fördern noch in ihrer Mitte haben wollen.

Die Geschichte der beiden Frauen wird in zwei Ebenen erzählt. Neben der Zeit, die sie miteinander verbringen, erfahren wir auch einiges über das Leben der alternden Marie Bihéron in den Jahren nach Madeleine Basseportes Tod 1780, die durch die Revolution von 1789 die bisherige Ordnung über den Haufen wirft.

Hier wundert es mich doch ein wenig, dass Marie Bihéron die Jahre der Terrorherrschaft der Jakobiner, die erst mit der Hinrichtung von Maximilien Robespierre 1794 ihr Ende findet, überlebt hat.

Wer Moulagen in natura sehen will, so kann man die in zahlreichen Museen sehen. Darunter in der Berliner Charité oder rund 200 Stück im Josephinum im Wien, das von Kaiser Joseph II. als Ausbildungsstätte für Militärärzte gegründet worden ist.

Fazit:

Dieser historische Roman, der die wahrlich revolutionären Lebensgeschichten zweier Frauen im vorrevolutionären Frankreich beschreibt, hat mir sehr gut gefallen. Von mir aus hätte er gerne ausführlicher sein können, trotzdem erhält das Buch 5 Sterne.

Bewertung vom 29.08.2025
Grünig, Michaela

Zeitensturm / Blankenese - Zwei Familien Bd.3 (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Mit diesem dritten Teil der Blankeneser Familien-Saga, der in den 1970er-Jahren spielt, beendet Michaela Grünig ihre Trilogie.

Wie immer gelingt es Michaela Grünig mit ihren Charakteren wie Sabine, Ulrike, Sonja, Kurt und Fanni die Gegensätze der verzweigten Familie lebendig und authentisch zu zeichnen. Für die Darstellung der historischen Hintergründe hat sie penibel recherchiert. Einige von uns haben noch eine vage Erinnerung an ihre Kindheit und Jugend, die in dieses Jahrzehnt fallen. Am Beispiel Sabine zeigt die Autorin, wie leicht junge, unsichere Menschen in die Hände von Fanatikern fallen können.
Es ist die Zeit der Proteste, die 1968 begonnen haben, als Studenten unter anderem nach der Rolle ihrer Väter und Großväter im NS-Regime gefragt haben und teils falsche oder enttäuschende Antworten erhalten haben. Es ist aber auch die Zeit des Aufbruchs und des Wandels im Allgemeinen - langhaarige Männer, die Pille und Minirock.

Doch es sind auch die Jahre des Terroranschlags in München 1972, einiger Flugzeugentführungen sowie der RAF (also nicht der Royal Air Force, sondern der Roten Armee Fraktion) in Deutschland und der Brigate Rosse in Italien, die durch Entführungen eine blutige Spur durch Europa ziehen. Ich kann mich an diese Zeit recht gut erinnern, denn auch die Entführung des Wiener Industriellen Walter Michael Palmers im Jahr 1977 gehört zu diesen Verbrechen. Da einer der Entführer im Haus meiner Oma gewohnt hat, ist mir diese Entführung, die zur Geldbeschaffung gedient hat, besonders in Erinnerung.

Es gibt aber auch andere, wie Beate und Serge Klarsfeld, die mit ihrer Jagd auf NS-Verbrecher für Schlagzeilen gesorgt haben. Das wird hier im Buch von Michaela Grünig sehr gut in die Handlung eingebaut, genauso wie die Rücksichtslosigkeit mancher Öl-Konzerne, die, wie hier am Beispiel der Jacobson-Reederei, die um Gewinne zu maximieren auf Sicherheitsvorkehrungen bei Tankschiffen, bewusst verzichtet haben. Diese Unfälle mit Tankschiffen sind die Geburtsstunde des Umweltschutzes.

Gut gefällt mir, dass Michaela Grünig ihre Figuren weiterentwickelt, nicht immer zum deren Vorteil. In einem, für sie typischen Statement, enthüllt die harte Geschäftsfrau Sonja Casparius ihr höchst persönliches Geheimnis.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem fesselnden und an manchen Stellen durchaus brutalen Abschluss der Saga rund um die beiden Familien Jacobson und Casparius 5 Sterne und eine Leseempfehlung.

Bewertung vom 28.08.2025
Gablé, Rebecca

Rabenthron / Helmsby Bd.3 (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Das Buch spielt zwischen 1013 und 1066, also zeitlich VOR den beiden anderen Helmsby-Romanen (Das zweite Königreich und Hiobs Brüder).

Wie wir es von Rebecca Gablé gewohnt sind, ist auch dieser Wälzer penibel recherchiert. Mit ihrem profunden Wissen reiht die Autorin Schlacht an Schlacht und Intrige an Intrige.

Mitten drinnen als Bollwerk gegen fiktive und reale Fieslinge aller Art stehen die beiden fiktiven Helden, Ælfric of Helmsby und sein ehemaliger Gefangener Hakon Gunnarson, der ehrgeizigen Königin Emma zur Seite. Es ist die Zeit der Angelsachsen, der Dänischen Raubzüge, von schwachen Königen und mehrfachen Seitenwechseln der englischen Thanes und Eadormen sowie Söhnen aus verschiedenen Ehen des König Ethelred, der es ebenso wie Königin Emmas zweiter Gemahl Knud, verabsäumt hat, einen klaren Nachfolger zu bestimmen und dies auch schriftlich niederzulegen.

Daher beginnt nach Knuds frühen Tod (1035) ein Hauen und Stechen um Englands Thron beginnt ein Hauen und Stechen, dass dem Leser der Kopf raucht. Man muss schon sehr aufpassen, um sicher zu sein, wer nun gerade glaubt die besten Karten auf den Thron zu haben. Es tummeln sich zahlreiche gleichnamige Thronanwärter, die (Rebecca Gablé sei Dank) durch beschreibende Beinamen, unterschieden werden können. Söhne aus diversen ersten und zweiten legalen Ehen, Söhne aus Zweitfrauen oder überhaupt illegitime Söhne, die glauben, ein Anrecht auf den Thron zu haben etc.. Nun der eine oder andere wie Edward, den man als Edward der Bekenner kennen lernen wird oder William, der Bastard, warten im normannischen Exil auf ihre Chance.

Wer mitgezählt hat, wird sich vielleicht erinnern, dass von den insgesamt elf Prinzen zehn verbraucht worden sind, ehe 1042 ausgerechnet Edwards große Stunde schlägt, als er, nach dem Tod seines Halbbruder Hardeknut, der ihn als Nachfolger eingesetzt hat, 1043 zum König gekrönt wird. Es folgen 23 Jahre mehr oder weniger friedliche Jahre seiner Herrschaft.

Nach Edwards Tod im Jänner 1066 beginnt der Streit um den Thron erneut, den William der Bastard sofort nutzt und aus der Normandie übersetzt und angreift. Nach der Schlacht von Hastings im Oktober 1066 William traut sich vermutlich niemand mehr, in Bastatrd zu nennen. Jetzt heißt er William der Eroberer.

Alles klar? Einige mögliche Thronanwärter, die durch Unglücksfälle oder offensichtliche Attentate aus dem Weg geräumt worden sind, habe ich jetzt ausgelassen. Das könnt ihr ja genauer nachlesen.

Meine Meinung:

Rebecca Gablé zieht in diesem opulenten Mittelalterepos wieder alle Register. Als Leser kann man mit den Protagonisten in zugigen Burgen frieren, durch Moore stapfen, stürmische Überfahrten über den Kanal erleben und viele Feste feiern, vergiftete Speisen inklusive. Der Tod ist allerdings auch sonst nie weit entfernt. Kindbettfieber für die Frauen, eine hohe Kindersterblichkeit, Hungersnöte durch Plünderungen und allerlei Krankheiten sowie endlose Kriege, die Soldaten beider Seiten sterben lassen.

Der Thron der angelsächsischen Könige wackelt mehrmals und nicht immer sind Eindringlinge von außen, sondern immer wieder auch die eigenen Edelmänner, daran beteiligt.

Interessant auch die Rolle, die die Autorin, der Königin Emma zugedacht hat. Ich mag die intelligente, zielstrebige Emma, die wesentlich gebildeter und geeigneter als ihr erster Ehemann Ethelred der Unberatene, der diesen Beinamen nicht gänzlich zu Unrecht geraten hat, auftritt. Ihren zweiten Ehemann Knud erklärt sie, wie regieren in England funktioniert: Ohne die Kirche geht es einfach nicht.

Schmunzeln musste ich über den abenteuerlichen Eilmar, der mit seinen Flugversuchen in die Klosterannalen eingegangen ist.

Auf Grund der großen Anzahl von Mitwirkenden gibt es zu Beginn ein Personenverzeichnis, in dem die realen Persönlichkeiten mit einem Sternchen versehen sind.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem Mittelalterepos, das mich gut unterhalten und fesselt hat, 5 Sterne.

Bewertung vom 28.08.2025
Pittler, Andreas

In der Sache Apfelbaum


ausgezeichnet

Historiker und Autor Andreas Pittler lässt seinen Oberst David Bronstein ein letztes Mal in seiner aktiven Dienstzeit ermitteln bevor er im November 1948 in den Ruhestand übertritt.

Es sind nur mehr wenige Tage bis Bronsteins Ruhestandsversetzung, als der Mord an der Prostituierten Josefine Dangl die Wiener Polizei in Atem hält. Bronstein erhält den Auftrag im Milieu zu ermitteln, wohin er doch so gute Kontakte hätte, wie sein Chef Berner im Kommissariat Leopoldstadt süffisant bemerkt. Nahezu gleichzeitig meldet ein betagter Mann die Entführung eines offensichtlich jüdischen Mannes durch vier Personen auf der Praterstraße. Wenig später wird die Leiche jenes Mannes aus der Donau geborgen, den Bronstein und eine alte Frau als Herschel Apfelbaum identifizieren, der 1938 gerade noch emigrieren konnte. Was hat ihn veranlasst im Herbst 1948 in das zerstörte Wien zurückzukommen?

Bei seinen von Chef Berner nicht goutierten Recherchen deckt Bronstein ein abgrundtief hässliches Verbrechen aus dem Jahr 1938 auf. Die damaligen Täter sonnen sich in ihrem Bewusstsein, dass alle ihre Taten, die sie während des NS-Regimes begangen haben, nun amnestiert sind. Die aktuelle politische Lage, niemand will mit den Nazis etwas zu tun gehabt haben und man möge doch bitte endlich die Vergangenheit ruhen lassen, macht es ihnen leicht.

Doch sie haben die Rechnung ohne Oberst Bronstein gemacht, dessen Gerechtigkeitssinn schon fast fanatisch zu nennen ist und der noch mit den Nazis noch eine sehr persönliche Rechnung offen hat. Wie häufig ermittelt er auf eigene Faust und kümmert sich wenig um die Anordnungen seines Vorgesetzten. Kann er die Sache Apfelbaum zu einem Abschluss bringen und anschließend in den Ruhestand gehen?

Meine Meinung:

Dieser 9. Fall für Oberst David Bronstein spielt im Jahr 1948 und ist daher zeitlich vor dem 8. Fall „Goodbye“ angesiedelt, der im Jahr 1955, dem Jahr in dem Österreich den lang ersehnten Staatsvertrag erhält und die die vier Besatzungsmächte endlich das Land verlassen, spielt.

Wie wir es von Historiker und Autor Andreas Pittler kennen, erklärt die Zusammenhänge der Politik ohne den Eindruck zu erwecken, Geschichtsunterricht zu erteilen. Diese unterschwellige Art historische Zahlen, Daten und Fakten zu vermitteln, ist die große Kunst des Andreas Pittler. Er vermittelt Geschichtsunterricht, ohne dass die Leser dies merken. Seine „Unterrichtseinheiten“ sind in den fesselnden Krimi eingebettet. Er bringt uns die Stimmung in Wien näher, ohne zu werten. Wir erleben die antisemitischen Ansichten zahlreicher historischer Persönlichkeiten wie von SPÖ-Innenminister Oskar Helmer und abwärts bis hin zur kleinsten und fiktiven Hausmeisterin. Geschickt verknüpft der Autor Fakten mit Fiktion.

Die Versorgungslage drei Jahre nach Kriegsende ist in Wien nach wie vor trist. Es mangelt an allem und jenem. Selbst wenn man über die entsprechenden Lebensmittelkarten verfügt, heißt das noch lange nicht, die aufgerufenen Güter des täglichen Lebens zu erhalten. Auch Zigaretten sind nur auf Karte (oder im Schleichhandel) erhältlich. Hier muss ich mich (obwohl ich Nichtraucherin bin) ein wenig empören, hat man doch den Frauen anfangs nur 20 Zigaretten pro Monat zugestanden, während Männer 40 Stück erhalten haben. Erst als eine Frau zu Gericht gegangen ist, um die gleiche Menge zu erhalten, hat man dem nachgegeben. Nun, immerhin soll mit Beginn des Jahres 1949 die Rationierung für Zigaretten aufgehoben werden. Ein kleiner Lichtblick für den starken Raucher Oberst Bronstein.
Die gesamte Handlung erstreckt sich zwischen dem 26. Oktober und dem 5. November 1948. Bronstein ist getrieben, diesen letzten Fall aufzuklären und die Täter vor Gericht zu bringen.

Die Charaktere sind wie gewohnt, authentisch beschrieben. So kann ich David Bronsteins Gedanken nach einem über 41 Jahre dauernden Berufsleben nachvollziehen, wenn er nicht weiß, was er mit seiner Freizeit anfangen soll. Frühere Weggefährten sind entweder ermordet worden oder einfach so gestorben oder wie sein ehemaliger Kollege und Freund Andreas Cerny in die Tschechoslowakei ausgewandert und hat dort Karriere gemacht. Die Jahrzehnte im Polizeidienst und die Politik haben Oberst David Bronstein zu einem einsamen Mann gemacht. Immerhin trifft er sich mit Heinrich, einem ehemaligen Polizisten zum Schach spielen - auch wenn Bronstein immer verliert.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem Fall für Oberst David Bronstein wieder 5 Sterne und eine Leseempfehlung, die für die ganze Reihe gilt.

Bewertung vom 28.08.2025
Prange, Peter

Die Himmelsstürmer / Herrliche Zeiten Bd.1 (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Freundschaft fürs Leben

Peter Prange, Meister von detaillierten historischen Romanen, entführt uns diesmal in das Jahr 1871. Zunächst geht es einmal in den mondänen böhmischen Kurort Karlsbad (heute Karlovy Vary in Tschechien) an dem sich Kaiser, Könige und alle, die etwas auf sich halten, zur Badekur (und ähnlichem) treffen.

Hier begegnen einander die britische Erbin Vicky, der deutsche Bauingenieur Paul und der französische Koch Auguste. Obwohl aus verschiedenen, oft miteinander verfeindeten Reichen und unterschiedlicher Herkunft, freundet sich das junge Trio an. Dennoch habe sie Gemeinsamkeiten: Sie sind zielstrebig und wollen Großes erreichen. Paul will am Bau der Rotunde, dem Gebäude der nächsten Weltausstellung, die 1873 in Wien stattfinden wird, mitarbeiten. Später dann, in seiner Heimatstadt Berlin soll, so schwebt ihm eine Prachtstraße, die dem Vergleich mit der Avenue des Champs Élysées in Paris nicht zu scheuen braucht, vor. Der junge, ehrgeizige Koch Auguste will der berühmteste Koch Frankreichs werden. Er hat es satt, immer herumkommandiert zu werden und will in Zukunft Chef seines eigenes Restaurant sein. Und Vicky? Als Enkelin von Joseph Paxton, dem Botaniker und Erbauer des Glaspalastes der Weltausstellung von 1851 in London, und Emily Paxton, deren Geschichte Peter Prange bereits in Die Rebellin erzählt hat, hat sie ihren eigenen Kopf. Sie will ihren eigenen Weg zur Völkerverständigung gehen und ist fasziniert von der Vorstellung, England und Frankreich mit einem Tunnel zu verbinden. Heirat, Ehemann und Kinder stehen nicht wirklich auf ihrem Plan.

Jeder der drei lebt sein eigenes Leben und Träume. Immer wieder ergibt sich die Gelegenheit sich zu treffen und gegenseitig zu unterstützen. Werden alle drei ihre Träume gegen alle Widerstände und Widrigkeiten des Lebens verwirklichen können?

Meine Meinung:

Wie wir es von Peter Pranges penibel recherchierten und opulent erzählten historischen Romanen gewöhnt sind, ist auch dieser, der der erste einer Dilogie namens Herrliche Zeiten ist, sehr gut gelungen.

Wir erhalten Einblick in die Gesellschaft des 19. Jahrhunderts in England, Frankreich und dem Deutschen Reich, das eben durch Otto von Bismarcks Streben ein Kaiserreich geworden ist. Doch nicht nur der High Society gilt unsere Aufmerksamkeit, sondern auch dem Bürgertum und den Arbeitern, die den Prunk erst möglich machen.

Durch seine fesselnde und anschauliche Erzählweise erhalten wir Geschichtsunterricht, ohne uns dessen bewusst zu sein. Peter Prange gelingt es mühelos und subtil historische Persönlichkeiten sowie Fakten und Fiktion mit der Handlung zu verknüpfen.

Ich freue mich schon auf die Fortsetzung Dem Himmel so nah, der die nächste Generation begleiten wird. Das Buch erscheint im September 2025.

Fazit:

Diesem penibel recherchierten und gekonnt erzählten historischen Roman gebe ich gerne 5 Stern und eine Leseempfehlung.

Bewertung vom 28.08.2025
Poladjan, Katerina

Goldstrand (eBook, ePUB)


sehr gut

„Goldstrand“ ist ein fast poetisch anmutendes Protokoll zahlreicher Sitzungen von Eli, einem erfolgreichen Filmregisseur, bei seiner Analytikerin. Elis Vater Felix ist als Kind mit seinem Vater Lew und seiner Schwester Vera aus dem nachrevolutionären Russland geflohen. Auf dieser Flucht verschwindet Vera vom Schiff, das sie nach Istanbul bringen soll. Ist sie über Bord gesprungen oder gefallen oder wurde sie gar gestoßen? Jedenfalls belastet dieses Ereignis sowohl Vater und Sohn. Sie werden jahrelang in einer Hütte am, später Goldstrand genannten, Strand an der bulgarischen Küste hausen und darauf warten, dass Veras Überreste angespült werden. Felix macht seinen Weg und wird Architekt.

Das Trauma der verschwundenen Schwester wird er niemals verarbeiten und es an Eli weitervererben, dessen Gespräche mit der Analytikerin wir nun belauschen können. Doch stimmt alles, was er erzählt?

Dieser Roman beschäftigt sich mit epigenetischen Traumata. Sie werden von Generation zu Generation weitergegeben, wenn man sich keiner professionellen Hilfe bedient.

Katerina Poladjan erzählt diese Geschichte mit poetischen Worten und überrascht ihre Leser mit einem durchaus verblüffenden Ende. Was mich persönlich immer stört, sind die fehlenden Redezeichen in Gesprächen.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem Roman 4 Sterne.

Bewertung vom 28.08.2025
Rabe, Anne

Das M-Wort (eBook, ePUB)


sehr gut

Ein Plädoyer für die Moral

In ihrem Buch beschäftigt sich Anne Rabe mit dem M-Wort, das langsam aus dem Wortschatz vieler Menschen verschwindet. Es ist die Moral, die sich in den letzten Jahren still und leise zu verabschieden scheint.

An Hand von zahlreichen griffigen und aktuellen Beispielen zeigt sie auf, dass viele Menschen keinen Genierer mehr haben, und sich zum Beispiel aus allgemeinen Kassen bedienen, Steuern hinterziehen - ein Kavaliersdelikt oder zu Unrecht Sozialleistungen kassieren. Doch aus dem politischen Diskurs ist die Moral abhanden gekommen. Moralische Bedenken bei Regierenden nehmen ab, Autokraten und Diktatoren in erschreckendem Ausmaß zu.

Diejenigen, die moralisches Denken einfordern, werden häufig verächtlich gemacht.

Fazit:

Dieses Buch, das einen eindringlichen Appell an alle jene richtet, die es nicht zulassen wollen, das das M-Wort in Vergessenheit gerät, kommt gerade zur rechten Zeit. Gerne gebe ich diesem Buch 4 Sterne.