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Jo
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Hagen

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Insgesamt 74 Bewertungen
Bewertung vom 09.02.2023
Sinan, Marc

Gleißendes Licht


gut

Verwirrende Familiengeschichte

Marc Sinan erzählt in diesem Buch die Geschichte von Kaan, der eindeutig autobiografische Züge trägt. Beide sind Abkömmlinge einer deutsch-türkisch-armenischen Familie, beide sind Musiker und beide versuchen die Vergangenheit zu verarbeiten. Allerdings nutzt Sinan eine freie Form der Erzählung, die mit phantastischen und märchenhaften Elementen angereichert ist.
Das Buch spielt auf mehreren Zeitebenen und beginnt im Jahr 1913 mit Erlebnissen seines Großvaters. Glücklicherweise sind die einzelnen Kapitel mit Daten gekennzeichnet und man behält sehr gut den Überblick über die Handlung.
Sprachlich hat mir das Buch sehr gut gefallen, allerdings muss ich inhaltlich einige Abstriche machen. Es beschäftigt sich nur wenig real mit dem Völkermord an den Armeniern, da verspricht der Klappentext etwas anderes. Viel eher befasst sich Sinan mit den Traumata, die eine Familie über Generationen beherrschen und von denen auch seine Hauptperson Kaan betroffen ist.
Allerdings ist Kaan ein sehr unangenehmer Zeitgenosse. Wie er seine Freundin behandelt, wie egozentrisch er ist und in Selbstmitleid badet - unerträglich. Man kann ja viele Dinge auf die Traumata der Kindheit zurückführen, aber irgendwann ist man auch erwachsen und kann sich nicht mehr dahinter verstecken. Irgendwann war ich davon nur noch genervt.
Der Schluss des Buches ist eher eine Traumsequenz, damit konnte ich mich auch nicht anfreunden. Ich hatte eigentlich erwartet mehr über das Drama des Völkermords an den Armeniern zu erfahren, aber meine Erwartungen waren falsch.

Bewertung vom 23.01.2023
Köhlmeier, Michael

Frankie


gut

Zwiespältig

Die Geschichte des 14jährigen Frank aus Wien wird aus dessen Perspektive erzählt. Er führt mit seiner Mutter ein zurückgezogenes und gleichförmiges Leben. Das ändert sich plötzlich, als sein Großvater nach 18 Jahren aus dem Gefängnis entlassen wird. Die Mutter fühlt sich verpflichtet zu helfen, tut das aber nur widerwillig und sie möchte nicht, dass Frank intensiven Kontakt zu seinem Großvater aufnimmt. Doch Frank ist zugleich fasziniert und abgestoßen von dem alten Mann. Er bringt Franks Leben vollkommen aus dem Gleichgewicht.
Die Sprache des Buches ist gut an das Denken und Fühlen eines Jugendlichen angepasst, manchmal nachdenklich, manchmal etwas naiv.
Insgesamt habe ich mich allerdings eher bei diesem Buch gequält. Es ist nicht leicht zu lesen, denn Frank erzählt manchmal sprunghaft und man muss sich erst an seine Art gewöhnen. Man erfährt wenig über den Großvater, weder warum er so lange im Gefängnis war noch über seine verkorkste Beziehung zu seiner Tochter. Am Ende bleiben viel zu viele Fragen offen.
Leider nicht mein Buch!

Bewertung vom 06.01.2023
Geiger, Arno

Das glückliche Geheimnis


sehr gut

Einblick in die Schriftstellerseele

Arno Geiger war mir von seinen Romanen her bekannt und so interessierte ich mich auch für sein neues Buch, das kein Roman, sondern eine Art Autobiografie ist.
Viele Jahre seines Lebens fuhr er mindestens einmal wöchentlich mit dem Fahrrad die Altpapiertonnen in seiner Heimatstadt Wien ab, wühlte im Müll und rettete Briefe, Bücher und Tagebücher aus dem Abfall. Anfangs verkaufte er viele Bücher auf dem Flohmarkt, um seinen Lebensunterhalt aufzubessern, doch er entdeckte auch viele Anregungen für seine Bücher im weggeworfenen Leben der Anderen. Geiger berichtet, dass diese Lebenszeichen fremder Menschen sein Schreiben stark beeinflusst haben, denn er hätte nie so intensiv in die Gedankenwelt von ihm fremden Menschen eindringen können, wenn er diese Konvolute nicht gelesen und aufgearbeitet hätte. Anfangs schämt er sich noch für sein Tun, aber mit der Zeit wird es für ihn eine innere Notwendigkeit, die er über Jahre beibehält und nur mit seiner Freundin K. teilt.
Das Buch lässt die Leser tief in das Leben des Schriftstellers eintauchen, nicht nur in sein Arbeitsleben, sondern auch in sein Privatleben: die Sorgen um die kranken Eltern, der Streit mit seiner Freundin und späteren Ehefrau K., Ärger mit Verlegern und den Stress auf Lesereisen.
Man kommt Arno Geiger sehr nahe und folgt ihm gern zu seinem glücklichen Geheimnis.

Bewertung vom 30.11.2022
Lin, Tom

Die tausend Verbrechen des Ming Tsu


sehr gut

Western oder Fantasy?

Dies ist ein seltsames Buch. Man kann sich nicht entscheiden, ob es ein Western oder ein Fantasyroman ist, aber im Grunde ist das auch egal, denn es ist spannend und gut geschrieben.
Es geht um den Profikiller Ming Tsu, der als Waisenkind bei einem anderen Killer aufwuchs und von ihm das "Handwerk" gelernt hat. Als er sich in die junge Ada verliebt und sie heimlich heiratet, wird er von deren Vater gefangengenommen und zur Zwangsarbeit beim Bau der Eisenbahn durch den amerikanischen Westen gezwungen. Er kann fliehen und nimmt seinen Beruf wieder auf. Aber er will unbedingt zurück zu Ada nach Sacramento. Zusammen mit einer ominösen Wundertruppe und einem blinden Propheten macht er sich auf den Weg. Unterwegs geschehen unheimliche Dinge und er muss mehrfach zur Waffe greifen, um sich und die Truppe zu verteidigen.
Das Buch ist ganz hervorragend geschrieben und obwohl ich kein Fan von Esoterik und Fantasy bin, so hat es mich doch fasziniert und begeistert. Man taucht ein die harte Welt des damals noch Wilden Westens, ein Menschenleben zählt nicht und Hunger und Durst gehören zu den ständigen Begleitern der Menschen.
Das Buch ist zuerst fremd, aber dann liest man sich schnell ein und kann kaum aufhören.
Ein spannendes und lesenswertes Buch!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 16.11.2022
Jensen, Jens Henrik

EAST. Welt ohne Seele / Jan Jordi Kazanski Bd.1


gut

Verwirrend

Von Jensens "Oxen"-Reihe war ich sehr begeistert und deshalb war ich auch gespannt auf sein neues Buch.
Dies ist ein Einzelband, ob es eine Fortsetzung gibt, weiß ich nicht.
Im Mittelpunkt der Geschichte steht der Geheimagent Jan Jordi Kazanski. Nach einem schweren Schicksalsschlag ist er ständig alkoholisiert und wurde von der CIA beurlaubt. Doch dann wird er zurückbeordert, um in Krakau die "Witwe" aufzuspüren. Doch er sucht nicht allein nach der Frau, die eine große Verbrecherorganisation leitet und mit Autoschmuggel ein Vermögen verdient hat. Auch die Dänin Xenia Pizlo Larsen von Europol will die Frau unbedingt fassen. Aber schnell stellt sich heraus, dass im Hintergrund andere Kräfte lauern und die sind nicht zimperlich.
Spionagegeschichten sind eigentlich immer verwirrend, wer gehört zu welcher Seite, wer wurde umgedreht und spielt ein falsches Spiel? Das macht Spionagekrimis nicht leicht zu lesen. In diesem Buch ist das aber auf die Spitze getrieben, denn nicht nur die Vielzahl an Personen, sondern auch die ständigen zeitlichen und örtlichen Sprünge machen das Buch unübersichtlich und verwirrend. Zwar schreibt Jensen wie schon in seinen früheren Bücher gut und eloquent, aber die Verwirrung nahm bei mir mit jedem Abschnitt zu.
Am Ende wird zwar alles irgendwie aufgelöst, aber das Ende ließ mich unzufrieden zurück.
Leider hat das Buch mich enttäuscht.

Bewertung vom 23.10.2022
Weyer, Manuel

Weber's Wintergrillbibel


ausgezeichnet

Richtig, richtig gut!

Die "Weber Grillbibeln" sind uns schon ein Begriff und begeistern immer wieder aufs Neue, was also lag näher als sich die "Wintergrillbibel" einmal anzuschauen?

Das Buch kommt gewohnt wuchtig und edel daher und muss sich vor seinen Geschwistern nicht verstecken.

Bevor es mit dem Wintergrillen losgehen kann gibt's aber erst einmal einige Seiten "Grill Basics", Grilltechniken, Tipps zum Räuchern und besondere Hinweise zum Grillen im Winter. Sehr nützlich, denn einfach nur Feuer an und Fleisch reinlegen ist nicht.

Nach ein paar Seiten Gewürzmischungen, Soßen, Chutneys & Co geht's dann aber auch ans Grillen.
Und hier wird absolut jeder fündig, nicht nur Fleischfreunde - die aber auch. Von der weihnachtlichen Festtagsgans über den 'Riancecchio-Salat mit Spiegelei' zum 'Wilden Brokkolisalat mit Mandarinen'. Von der Suppe vorweg zum Fisch und allerlei Meeresgetier. Vieles davon natürlich winterlich deftig mit saisonalen Zutaten. Und wer nach den Leckereien noch Hunger hat, für den gibt's auch noch Desserts vom Grill.

Weber zeigt hier in gewohnt großartiger Qualität wieder einmal das "Grillen" so viel mehr sein kann als das vormarinierte Steak aus der Supermarkt-Plastikpackung.

Diese "Bibel" darf bei keinem Grillfan fehlen, von mir eine Empfehlung.

Bewertung vom 19.10.2022
McEwan, Ian

Lektionen


ausgezeichnet

Hervorragend!

"Du warst so ein rastloser Narr!", das sagt Rolands Ehefrau Daphne am Ende ihres Lebens zu ihrem Mann und fasst damit zusammen, wie Roland sein Leben verbracht hat.
Als Sohn eines Soldaten wuchs er in Libyen auf, kam mit elf auf ein englisches Internat und entpuppte sich als genialer Pianist. Doch statt einen Schulabschluss zu machen und ein Musikstudium in Angriff zu nehmen, reiste er rastlos durch die Welt, lebte von Gelegenheitsjobs. Als er die Deutsch-Engländerin Alissa kennenlernt, heiraten die beiden, doch Alissa verlässt ihn, als ihr kleiner Sohn vier Monate alt ist. Sie will unbedingt Schriftstellerin werden und glaubt das mit Kind nicht zu schaffen. Roland schlägt sich weiterhin irgendwie durch, sein Sohn Lawrence wächst bei ihm auf, da Alissa verschwunden bleibt.
Man begleitet Roland durch sein ganzes Leben, erfährt viel über seine Familie und die von Alissa und das ist so hervorragend geschrieben, dass es keinen Moment von den 700 Seiten langweilig ist. Immer wieder spielt die Weltgeschichte eine Rolle, die Kubakrise, Tschernobyl, Thatcher, und wird mit dem Leben von Roland verwoben.
Ich habe schon einige Bücher von McEwan gelesen, sie gefielen mir meist gut, aber dieses ist das beste seiner Werke. Seine Sprachmacht beeindruckt mich immer wieder, sein sensibler Umgang mit schwierigen Themen ist vorbildlich und man kennt Roland am Ende des Buches vermutlich besser als sich selbst.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 17.10.2022
Buchholz, Simone

Unsterblich sind nur die anderen


gut

Ein modernes Märchen?
Märchenhaft geht es zu bei Simone Buchholz. Zwei Freundinnen machen sich auf den Weg nach Island, um 3 Männer zu suchen, die ebenfalls nach Island gereist sind und von denen aber seit einiger Zeit keine Nachricht kam. Auf der Fähre MS Rjúkandi finden sie die drei Vermissten wieder. Aber auf dem Schiff geht es alles andere als normal zu.
Einen Krimi hat uns Buchholz diesmal nicht vorgelegt. Aber was ist es dann? Ein modernes Märchen? Aber dafür ist mir die Handlung zu überzogen. Nach einem recht märchenhaften Intro hatte ich den Eindruck, dass es auf dem Schiff vor allem um Rauchen, Saufen und Sex geht.
Buchholz beginnt am Anfang mit einer sehr schönen bildhaften Sprache. Das verliert sich aber leider im Laufe des Romans. Besonders die Stellen, die das Gespräch von Nixen, Nymphen, oder wie man die Unterwasserwesen nennen mag, wiedergeben, sind doch recht obskur.
Märchen fand ich jedenfalls bei den Gebrüdern Grimm gelungener.

Bewertung vom 11.09.2022
Henssler, Steffen

Hensslers schnelle Nummer Bd.2


sehr gut

Sehr gut, aber nicht "das Geilste".


Maximal fünf Zutaten, maximal 15 Minuten Zeit und am Ende was Leckeres gezaubert? Dazu auch noch gesund und ausgefallen? Klingt doch perfekt für nach der Arbeit, wenn's mal nicht die Tiefkühlpizza oder der Dönermensch sein soll.

Und auf den ersten Eindruck macht das Buch auch richtig was her - schwer, schöner Einband, modern. So muss das.
Die moderne Aufmachung setzt sich auch drin weiter fort - wie sollte es anders sein, kommt das Konzept doch von Hensslers Kurzvideos aus dem Internet. So findet sich auch hier statt eines Vorworts nur ein QR-Code zu einem Begrüßungsvideo und auch zu jedem Rezept gibt es passendes Video.

Das mit den "fünf Zutaten" stimmt natürlich nicht ganz, ein ‚paar‘ Grundzutaten (immerhin 32 Stück, von der Milch über diverse Gewürze bis zum trockenen Rotwein) sollten zusätzlich in jeder Vorratskammer vorhanden sein.
Das meiste davon dürfte jeder zuhause haben, einzig bei ‚Sriracha‘-Soße und dem ‚HSN-Gewürzmix‘ kam ich ins Schwimmen. Letzteres ist ein Henssler-Spezialmix, der sich separat erwerben lässt - Geschäftssinn hat er ja, der Henssler.

Und das Herzstück, die Rezepte? Rangieren von "ziemlich simpel" (z.B. "Grilled-Cheese-Sandwich", 2 Zutaten: Cheddar & Toast) zu "ziemlich ausgefallen" ("Barbecue-Gemüse mit Sauerkirschen", 5 Zutaten: Süßkartoffel, grüner Spargel, Minze, Cola(!), TK-Sauerkirschen) und ziemlich vielen weiteren zwischen diesen zwei Extremen.
Fündig werden dürfte hier jeder, auch wenn ich der Meinung bin, dass es für manche Dinge (das Sandwich...) dann doch keine Rezepte gebraucht hätte.
Einige Dinge habe ich jetzt ausprobieren können und an der Präsentation und den Arbeitsabläufen gibt es nichts auszusetzen:
Übersichtlich, alles gut verständlich, damit käme auch ein Laie klar. Und wenn’s doch hakt kann man sich immer noch kurz das Video aufrufen und es sich vom Meister persönlich zeigen lassen - Super!
Nur das Tempo, das habe ich noch nicht so drauf wie der Henssler, die 15 Minuten reiße ich regelmäßig... ;-)

Kleiner Wermutstropfen: Vorne im Inhalt werden noch "Lesezeichen, für eure Top-10-Rezepte" angekündigt... leider nirgendwo im Buch zu finden. Schade!

Alles in allem aber ein wirklich gelungenes Kochbuch, für mich aber nicht das „geilste Kochbuch der Welt“. Und mit dem Preis von immerhin 27 Euro auch nicht ganz billig.

Bewertung vom 01.09.2022
Poznanski, Ursula

Stille blutet / Mordgruppe Bd.1


sehr gut

Neue Reihe

Mit diesem Buch beginnt Ursula Poznanski eine neue Krimireihe um die Ermittlerin Fina Plank, die in Wien ermittelt und es als junge Frau nicht leicht hat in dem Team aus Mordermittlern.
In einem Fernsehsender kündigt Nadine Just den Tod einer Nachrichtenmoderatorin an - ihren eigenen. Wenig später findet ihr Ex-Freund Tibor Glaser sie erstochen in ihrer Garderobe. Damit wird er zum ersten Verdächtigen in diesem Mordfall und als zwei weitere Menschen getötet werden, finden sich immer mehr Indizien gegen ihn. Nur Fina glaubt nicht an diese Theorie, denn wo ist das Motiv?
Die Geschichte wird aus drei verschiedenen Perspektiven erzählt. Da ist einmal das Ermittlerteam, dann Geiger und als dritte Person schaltet sich immer wieder ein unbekannte Stimme ein, die selbst einen Mord plant. Diese Abschnitte sind mit Zeilen aus einem Gedicht von Georg Trakl überschrieben und dadurch gut kenntlich.
Poznanski hat den Plot gewohnt gekonnt aufgebaut und schreibt wie immer spannend und gut lesbar. Trotzdem gibt es von mir einen Punktabzug, denn ganz hat mich das Buch nicht überzeugt. Dafür ist es manchmal zu verwirrend. Ich hatte auch den Eindruck, dass sie sich noch nicht ganz mit ihren Figuren "angefreundet" hat.
Trotzdem werde ich es bei dem nächsten Band der Reihe noch einmal probieren...