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Azyria Sun

Bewertungen

Insgesamt 700 Bewertungen
Bewertung vom 28.11.2020
Reschke, Stephan

Wachzustand


sehr gut

Ein rasanter Thriller in dem nichts ist, wie es scheint!

„Sich fragen, ob die Welt wirklich ist, heißt selber nicht verstehen, was man sagt“ (Merleau-Ponty, S. 112)

Worum geht’s?
Felix wacht in einem Wald auf und kann sich nicht mehr an sein Leben erinnern. Der Zufall führt ihn nach Hamburg, wo er bei der Psychologin Katharina Hilfe sucht. Was hat seine Vergangenheit mit einem neuartigen Hypnoseverfahren zu tun? Und wie hängt der Mord an mehreren Wirtschaftspsychologinnen damit zusammen? Wird das Ergebnis seiner Suche in einem Alptraum enden?

Meine Meinung:
„Wachzustand“ ist das Debut von Stephan Reschke. Das Buch ist nicht nur ein Thriller, sondern gleichzeitig ein Krimi und Gesellschaftsroman, der nicht nur mir unvorhersehbarer Spannung aufwartet, sondern auch noch interessante Ausflüge in die Psychiatrie des Ist und des Seins und gesellschaftskritische Diskussionen zum Thema Hypnose und Wirtschaftscoaching mit sich bringt. Diese Abschnitte sind nicht immer leicht zu lesen, sondern haben durchaus einen intellektuell hohen Anspruch an die LeserInnen, sind aber sehr interessant und bringen dadurch den Verlauf der Geschichte in eine ganz andere Richtung, als man das von „üblichen“ Thrillern gewohnt ist. Der Spannungsbogen im Erzählverlauf hat immer neue, immer höhere Peaks.

Stephan Reschke schafft es gekonnt, seine LeserInnen immer wieder auf falsche Fährten zu führen. Bis zum Ende ist man sich nicht sicher: Was ist Wahrheit? Was nicht? Ist alles nur eine Scheinwelt? Wie viele Realitäten kann es geben? Manchmal mutet das Ganze fast ein bisschen surreal an, wird aber durch medizinische und psychologische Erklärungen immer wieder real und dadurch umso erschreckender! Und selbst am Ende ist man sich nicht sicher: Ist das jetzt die Realität?

Der Protagonist Felix, einer der Hauptprotagonisten, gefällt mir hierbei sehr gut. Das Erleben aus seiner Sicht ist ein ganz neuer Ansatz, der dazu führt, die LeserInnen immer wieder an sich selbst zweifeln zu lassen, ob es denn alles so ist, wie es scheint. Und selbst ganz am Ende kann man die Wahrheit noch nicht so recht glauben. Über ihn hätte ich mir am Ende gerne noch mehr Informationen gewünscht, das kam mir fast ein bisschen zu kurz. Hier sind für mich noch so viele Fragen offen, deren Beantwortung mich doch sehr interessiert hätte!

Auch das Ermittlerteam, allen voran Popescu, ist sympathisch. Popescu, die etwas andere Hauptkommissarin in Latzhose und Strickjacke, die trotz traumatischer Erlebnisse in der Vergangenheit ihr Leben souverän meistert und für die am Ende die Kollegen nicht nur Freunde sondern fast Familie werden. Ich hoffe, wir werden von ihr noch mehr lesen dürfen!

Nur der Monolog am Ende von Markwort empfand ich ein bisschen langatmig – wobei das vielleicht auch Absicht ist, da selbst Popescu das so empfindet. Ansonsten hat mich das Buch mehr als gut unterhalten und bis zum Ende habe ich verzweifelt versucht herauszufinden, welche Erlebnisse real sind und welche nicht.

Fazit:
Das Thriller-Debut „Wachzustand“ von Stephan Reschke ist ein rasanter Thriller, der mich bis zum Ende gefesselt und an der eigenen Wahrnehmung zweifeln lassen hat! Eine perfekte Mischung aus Spannung und Literatur. Besonders gut hat mir die Einbringung der psychiatrischen Aspekte, der Hypnose und bestimmter Krankheitsbilder (ich will nicht spoilern…) gefallen, mit denen Reschke einen fulminanten Thriller geschaffen hat, wie ich ihn zuvor noch nicht gelesen habe. Bis auf kleine Längen war der Spannungsbogen hoch und ich war als Leser immer am Rätseln und immer wieder auf einer falschen Fährte. Und selbst auf der letzten Seite, wenn man die Lösung kennt, drängt sich einem noch die Frage auf: Ist das wirklich die Lösung oder ist die Realität eine ganz andere und nicht das Sein, das sie zu sein scheint?

Ich hoffe sehr, künftig mehr von dem Autor lesen zu dürfen. Daher von mir eine ganz klare Leseempfehlung für alle Thriller-Fans, denen es auch gerne mal etwas „literarischer“ s

Bewertung vom 23.11.2020
Monti, Olivia

Sterbewohl (eBook, ePUB)


sehr gut

Ein grauenvolles Zukunftsszenario mit einer Scheindemokratie und Sterbeseminaren

Worum geht’s?
Deutschland ist nur noch eine Scheindemokratie, die Kassen sind leer und so wird versucht, den Menschen, die im Rentenalter sind, das Sterben schmackhaft zu machen. Auch Nadja und ihre Freunde sollen an einem sogenannten „Sterbeseminar“ teilnehmen, obwohl sie noch lange nicht mit dem Leben abgeschlossen haben. Ob sie aus dem Seminarhotel zurückkehren werden?

Meine Meinung:
„Sterbewohl“ von Olivia Monti ist ein Kriminalroman, der ein heikles Thema verarbeitet. Deutschland als Scheindemokratie, Menschen, die für die Gesellschaft nichts mehr wert sind, weil sie ihr kein Geld mehr einbringen, und deshalb „entsorgt“ werden müssen, um die Allgemeinheit zu entlasten. Menschen, die daher dazu angeregt werden, etwas für die Gesellschaft zu tun und freiwillige aus dem Leben zu scheiden. Ein sehr schwieriges Thema, das von der Autorin aber perfekt umgesetzt wurde.

Anfangs war ich irritiert von dem Schreibstil und der Erzählung aus der Ich-Form. Aber dann hat mir diese Sicht sehr gut gefallen. Als würde man im Tagebuch von Nadja, der Hauptprotagonistin, lesen. Man hat sich der Gruppe von Nadja, Anna, Max, Fred und Marwa zugehörig gefühlt, nicht nur wie ein außenstehender Leser. Und auch wenn das Buch aus der Sicht der Senioren erzählt wird, die alle mindestens ein viertel Jahrhundert älter sind als ich, war es einfach perfekt! Ich konnte mich in die einzelnen Protagonisten hineinversetzen, habe ihre Gedanken und Beweggründe verstanden. Wünscht sich nicht jeder vom Alter letztendlich dasselbe? Noch ein paar Jahre mit der Familie zu verbringen, vielleicht ein paar Reisen zu unternehmen und einfach nochmal richtig aufzuleben?

Obwohl der Schreibstil leicht zu lesen war, stieg dann auf den letzten Seiten im Showdown die Spannungskurve nochmal so richtig an und ich habe bis zum Ende mit den Protagonisten mitgefiebert. Lediglich am Ende der Teil mir Mortop war für mich nicht ganz passend, für die Geschichte jedoch notwendig. Das ist aber der einzige – klitzekleine – Kritikpunkt, den ich habe.

Und auch jetzt noch hält mich das Thema des Buches fest. Bzw. die Themen. Schwierige Themen, die hier wirklich gut umgesetzt und dargestellt sind. Und die mich sicher noch eine Weile am Denken halten werden!

Fazit:
„Sterbewohl“ von Olivia Monti ist ein Kriminalroman, der es schafft, schwierige politische und sozialkritische Themen in eine leichte Form zu bringen. Die Autorin fesselt einen mit einer Schreibweise an das Buch, bei der man sich nicht nur als Leser fühlt sondern direkt in die Gruppe um Nadja & Co. hineinversetzt. Das Buch hat mich nicht nur von Anfang bis Ende sehr gut unterhalten, sondern auch noch darüber hinaus zum Nachdenken angeregt. Zum Nachdenken, wie schnell aus Fiktion Realität werden kann, wenn wir nicht alle ein bisschen vorsichtig sind.

Für mich ein sehr gutes und unterhaltsames Buch, das ich allen empfehle, die gerne über den Tellerrand hinausschauen und vor schwierigeren Themenbereichen nicht zurückschrecken.

Bewertung vom 21.11.2020
Tremain, Rose

Die innersten Geheimnisse der Welt


sehr gut

Ein wundervoll bildhafter Roman über die Wege des Lebens

Worum geht’s?
Die Krankenschwester Jane verlobt sich mit Valentine, einem Arzt aus Bath. Doch eigentlich liebt sie die schöne Julietta. Um ihr nahe zu sein, führen sie ihre Wege nach London, wo sie vor einer schwierigen Entscheidung steht. Wird sie ihr eigenes Schicksal den richtigen Weg führen?

Meine Meinung:
„Die innersten Geheimnisse der Welt“ von Rose Tremain ist ein Roman, der im 19. Jahrhundert in Bath, London und auf Borneo spielt. Vom Schreibstil her und der blumigen Wortwahl der Autorin fühlt man sich direkt in dieses Jahrhundert hineinversetzt. Man erwartet immer, dass gleich Mr. Darsey aus einem der Romane von Jane Austen um die Ecke kommt. Die Autorin schafft es gekonnt, immer wieder Spannung aufzubauen, aber auch, die LeserInnen mit den Beschreibungen der Landschaften und der Natur in eine fast meditative Entspannung zu versetzen, die einem beim Lesen eine absolute Ruhe bringt.

Die Geschichte selbst besteht aus drei Teilen. Zum einen begleitet man Jane auf ihrem Weg nach London zu ihrer Tante, wo sie Julietta kennen und lieben lernt. Jane, die Krankenschwester aus Bath, die von allen der „Engel der Bäder“ genannt wird. Die am Anfang fast ein bisschen hochnäsig und überheblich wirkt, die dann aber in London zu sich selbst, zur Liebe und zum Leben findet und am Ende ein neues Kapitel in ihrem Leben beginnt, das zu ihr passt und sie erfüllt.

Dann die Geschichte von Clorinda, die die Hungersnot von Irland miterlebt hat und dann – gezwungen vom Schicksal – ihre Rubinkette, das Erbstück der Familie verkauft, um in Bath einen Teesalon zu eröffnen, der den Menschen im Ort Treffpunkt und Ruhestätte zugleich ist. Und wo sie den Vater von Jane, Sir William, kennenlernt, der ihr Leben nochmals komplett ändert.

Die dritte Geschichte spielt in Borneo und erzählt das Leben von Sir Ralph, der dort über ein kleines Reich herrscht und versucht, alle seine „Untertanen“ zu glücklicheren Menschen mit einem besseren Leben zu machen. Er lebt dort mit seinem Geliebten Leon, dem er hörig ist und der ihn total in seiner Macht hat. Und das auch versucht, zu seinen Gunsten auszunutzen.

Das Lesen selbst hat mir, nachdem ich in die etwas ungewöhnliche Sprachart hineingefunden habe, unheimlich Spaß gemacht. Die bildhaften Beschreibungen der Autorin waren einmalig. Z.B. die Beschreibung, wie die Ameisen durch den Jungle laufen. Man liest, sieht es vor sich und bekommt eine innere Ruhe. Dann wieder die hektischeren Erlebnisse in London, bei denen man am Mitfiebern war. Diese Mischung aus Ruhe und Spannung finde ich sehr gekonnt.

Lediglich der Zusammenhang der 3 Erzählstränge hat mir etwas gefehlt, hier hatte ich immer darauf gewartet, dass sich am Ende eine Verbindung der Personen ergeben wird, was dann aber leider nicht der Fall war. Hier hätte man m.E. noch viele weitere spannende Abenteuer einbringen können. Dennoch habe ich das lesen des Buches sehr genossen!

Fazit:
„Die innersten Geheimnisse der Welt“ von Rose Tremain ist ein Roman, der einem beim Lesen eine innere Ruhe durch die unglaublichen Beschreibungen der Natur nahebringt und auf der anderen Seite aber auch immer wieder Spannung aufbaut, wenn er einen ins turbulente Leben von London und Paris entführt. Der Sprachstil hat mich direkt ins England des 19. Jahrhunderts versetzt und ich habe mit den Protagonisten mitgefühlt und mitgefiebert. Einziger Kritikpunkt für mich ist, dass es eigentlich 3 Romane sind. 3 Erzählstränge, bei denen ich erwartet hätte, dass sie im Laufe des Buches zusammenführen, die aber m.E. bis zum Ende nichts oder nicht viel miteinander zu tun haben.

Dennoch ein Buch, das ich nur weiterempfehlen kann. Für alle, die Jane Austen und ihre Romane mögen, ist das Buch von Rose Tremain ein absolutes Lese-Muss!

Bewertung vom 10.11.2020
Maurer, Martin

Die Krieger / Nick Marzek ermittelt Bd.1


ausgezeichnet

Packend, faszinierend und mit ganz eigenem Humor – Ermittlungen in den 1980er Jahren

Worum geht’s?
Auf eine Diskothek in München wird ein Brandanschlag verübt. Die Ermittlungen führen den Nick Marzek von der Mordkommission 3 und die Putzfrau Graziella nach Italien. Dort finden sie heraus, dass hinter dem Brandanschlag noch viel mehr steckt, als zunächst vermutet. Der Fall hat politische Dimensionen mit Verbindungen hinein bis in die 1920er Jahre.

Meine Meinung:
„Die Krieger“ von Martin Maurer ist ein Kriminalroman, der auf der wahren Geschichte der Gruppe LUDWIG bzw. von Wolfgang Abel und Marco Furlan beruht. Auch die verübten Anschläge in München und in Italien entsprechen wahren Begebenheiten. Der Autor schafft es hierbei meisterhaft, Wahrheit und Fiktion zu verbinden und den Leser mit auf eine Reise durch München und Norditalien zu nehmen. Die Spannungskurve steigt stetig, der Autor hat aber auch einen ganz eigenen Humor, Dinge zu erzählen bzw. Protagonisten agieren zu lassen und Situationen darzustellen, die einen immer wieder schmunzeln lässt und die Spannung immer mal wieder ein bisschen auflockert - bis es am Ende dann zu einem richtig spannenden Showdown kommt.

Martin Maurer zieht den Leser in die Ermittlungen mit hinein und zeigt gleichzeitig das Leben Anfang der 1980er Jahre auf. Er beschreibt München, Verona, etc. so bildhaft, dass man meint, man steht dort. Nick, der etwas wortkarge Ermittler, ist einem gleich sympathisch. Pragmatisch, direkt aber dennoch auch bedacht und empathisch. Sein Kollege und Freund Aki hat ihn vor einigen Jahren aus einer schwierigen Situation in seinem Leben herausgeholt und von Berlin nach München gebracht. Und auch im Laufe der Ermittlungen setzt er sich immer wieder für Nick ein, steht hinter ihm und hält ihm den Rücken frei – ein Freund, auf den Verlass ist. Auch die Mordkommission 3 scheint ein lustiger Haufen zu sein. Mit einem Loch im Boden zu der darunterliegenden Dönerbude führt und aufgrund dessen es im Buch immer wieder zu lustigen Situationen kommt.

Besonders gut gefallen hat mir die Putzfrau Gabriella, die als Übersetzerin mit Nick gemeinsam nach Italien geht. Sie ist ein ganz eigener Charakter. Quirlig, lebensfroh und mit einer manchmal etwas eigenen Sicht auf die Dinge – ein herzlicher und emotionaler, manchmal etwas bunter Mensch, den man einfach ins Herz schließen muss! Ohne sie würde der Geschichte ein wichtiger Teil fehlen.

Fazit:
„Die Krieger“ von Martin Maurer basiert auf der wahren Geschichte von Wolfgang Abel und Marco Furlan, die für eine Mordserie bin in die 1980er hinein verantwortlich waren. Der Autor setzt diese wahren Begebenheiten perfekt mit fiktiven Personen und Situationen in Verbindung und schafft dadurch einen Kriminalroman, der einen packt und in das München und Italien der 1980er Jahre mit hineinzieht. Man begleitet den Ermittler Nick und die Putzfrau Gabriella bei ihren Nachforschungen, rätselt und bangt mit ihnen mit und ist von Anfang bis Ende gefesselt!

Ein „altes“ Thema, das aber derzeit wieder hochaktuell ist und welches von Marin Maurer perfekt umgesetzt wurde. Plus: Das Ende lässt darauf hoffen, dass es mindestens einen Fortsetzungsroman geben wird – mich würde das sehr freuen, denn ich möchte unbedingt mehr von Nick, Gabriella und der Mordkommission 3 lesen!!! Für alle, die Spannung suchen, Politthriller und Kriminalromane mögen ist dies das perfekte Buch! Eine ganz klare Leseempfehlung von mir.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 02.11.2020
Di Fulvio, Luca

Es war einmal in Italien


ausgezeichnet

Ein unglaublich packendes und emotionales Epos, das dich mit auf eine Reise ins Italien des Jahres 1870 nimmt

Worum geht’s?
In der Schlacht um die Befreiung Roms kreuzen sich die Wege von Nella, Pietro und Marta und verbinden das Schicksal der drei auf untrennbare Weise. Gemeinsam kämpfen sie nicht nur für ein vereintes Italien, sondern auch darum, sich selbst zu finden und ihre Vergangenheit und Ängste hinter sich zu lassen um einen Neuanfang wagen zu können.

Meine Meinung:
Mit seinem historischen Roman „Es war einmal in Italien“ hat Luca Di Fulvio ein absolut beeindruckendes Buch geschaffen – für mich bis jetzt das Buch des Jahres 2020! Die bildhafte Sprache des Autors katapultiert die LeserInnen mitten hinein in die Geschehnisse in und um Rom im Jahr 1870. Er versteht es meisterhaft, die LeserInnen so zu fesseln, dass man das Buch bis zum Ende nicht aus der Hand legen möchte. Man sieht Rom vor sich, fühlt mit den Personen und besonders beeindruckend auch die Schlacht am Ende des Buches. Die Gefühle der LeserInnen gehen von himmelhochjauchzend bis zu Tode betrübt und zurück. Man liest das Buch nicht nur, man fühlt das Buch!

Di Fulvio verknüpft gekonnt die historischen mit den fiktiven Begebenheiten. Er erschafft unglaublich authentische Personen, die man sofort ins Herz schließt. Nella, die Contessa, die aus dem nichts kommt, alle gewinnt und dann wieder alles verliert. Die dennoch nie aufgibt und stark ist und für sich und die Menschen, die ihr am Herzen liegen, alles gibt.

Pietro, den Waisenjungen, der seine große Leidenschaft in der Fotografie findet. Der tapfer und mutig an der Seite der Contessa steht, die ihn als Sohn aufgenommen hat und in der er eine Mutter findet, die ihn unterstützt und ihm vertraut. Pietro, der trotz seinem jungen Alter seinen Kopf durchsetzt, die Wahrheit zeigen möchte und für die Wahrheit kämpft. Marta, das kleine Zirkusmädchen, das in Pietro ihre große Liebe und in der Politik ihre große Leidenschaft findet, die sich im Laufe des Romans vom Mädchen zur Frau entwickelt. Und nicht zuletzt Melo, Martas Ziehvater. Der augenscheinlich einfache Pferdemann des Zirkus, der aber so viel mehr ist, als er zu sein scheint.

Auch Albanese, der am Anfang ein dunkler, unsympathischer Zeitgenosse zu sein scheint, schließt man dann doch noch ins Herz.

Und zugleich ist es eine Geschichte darüber, wie viel Einfluss die Vergangenheit hat. Darüber, wie die Personen sich selbst in der Vergangenheit finden müssen um zu erkennen, wer sie sind und was sie sind und um ihren Weg im Leben zu finden und gehen zu können.

Fazit:
„Es war einmal in Italien“ von Luca Di Fulvio ist für mich der historische Roman des Jahres 2020! Ich habe selten ein so beeindruckendes, bildhaftes, mitreißendes und emotionales Buch gelesen! Man fühlt sich hineinversetzt in die Geschehnisse in Rom im Jahr 1870, erlebt die Geschichte aus der Sicht der Protagonisten mit, freut sich mit ihnen, leidet mit ihnen, hofft mit ihnen. Ich war gefesselt von der ersten bis zur letzten Seite und noch darüber hinaus!

Von mir eine ganz klare Leseempfehlung – dieses Buch MUSS man gelesen haben!

Bewertung vom 01.11.2020
Bernstein, Lilly

Trümmermädchen - Annas Traum vom Glück


ausgezeichnet

Eine mitreißende Geschichte über Glück, Träume und Zusammenhalt in den Wirren des 2. Weltkriegs

Worum geht’s?
Anna wächst in einer Backstube in Köln bei Marie und Matthias auf. Trotz des Krieges verlebt sie zunächst eine glückliche Kindheit. Als jedoch Matthias eingezogen wird, droht alles um sie herum zu zerbrechen. Und das in einem der härtesten Winter, die Köln jemals erlebt hat. Doch Anna und Marie kämpfen für ihren Traum und das Versprechen, das sie Matthias gegeben haben.

Meine Meinung:
In ihrem Buch „Trümmermädchen“ erzählt Lilly Bernstein die Geschichte von Anna und ihrer Familie, wobei die politischen Aktivitäten zum großen Teil außen vor gelassen werden und sie sich auf das Schicksal dieser Familie sowie am Rande derer Freunde und Bekannten konzentriert. Dabei bringt sie viele Geschichten ein, die sie von ihren Eltern, Groß- und Urgroßeltern, die allesamt Bäcker waren, gehört hat. Und das merkt man. Ich glaube, ohne Hintergrundwissen wäre es nicht möglich, einen so lebendigen, bildhaften Roman zu schreiben, wie es der Autorin gelungen ist.

Ihre Erzählungen von den Entbehrungen, dem Kampf ums Überleben – alles wirkt so real. Die eisige Kälte des Winters, die Menschen, die teilweise ohne Schuhe und kaum Kleider am Leib ums Überleben kämpfen mussten. Eine grausame Zeit! Die Freude der Kinder über ein Stück Brot oder neue Stiefel. Karl, Annas kleiner Bruder, der sich schon als 4jähriger überschwänglich darüber freut, wenn eine Nachricht an der Hauswand verkündet, dass ein verlorengeglaubter Mensch – den er nicht mal selbst kennt – da oder dort wartet. Die Autorin bringt die Emotionen so real in ihre Geschichte ein, dass man sie beim Lesen selbst empfindet. Man fühlt die Kälte, den Hunger, fühlt aber genauso die Freude über jene noch so kleinen Dinge. Es ist unglaublich, was die Menschen damals für innere und äußere Kämpfe hatten. Man kennt vieles aus Geschichtsbüchern, aber das alles mit Anna, Marie und den anderen mitzuerleben, macht alles um ein vielfaches grausamer.

Besonders nahe ging mir die Stelle, als Marie von der Arbeit heimkommt, und Anna und Karl aus einem an den Bettpfosten gebundenen Besenstiel und selbstgebastelten Strohsternen einen Weihnachtsbaum für sie hergestellt haben, unter dem sie gemeinsam Weihnachten gefeiert haben. Überhaupt – der Zusammenhalt der Menschen, wie Matthias den Kohns geholfen hat, Marie ihrer Freundin Agnes, Anna den Straßenkindern.

Anna, Marie, Matthias und auch Karl sind einem sofort sympathisch. Man fühlt sich beim Lesen fast als Teil der Familie und hofft mit ihnen. Es ist unglaublich, wie viel Kraft die Frauen in der Nachkriegszeit trotz des Mangels noch aufbringen konnten, um die Stadt Köln, bzw. ganz Deutschland wieder aufzubauen! Und wie sie dennoch nie die Hoffnung verloren haben. Umso mehr habe ich mich gefreut, dass das Buch gut geendet hat!

Fazit:
„Trümmermädchen“ von Lilly Bernstein ist ein bemerkenswertes Buch, das einen ins Köln in der Nachkriegszeit führt. Man fühlt sich beim Lesen als Teil der Familie von Anna und Marie. Fühlt mit ihnen, kämpft mit ihnen, hofft mit ihnen und freut sich mit ihnen. Die Autorin hat dieses schwierige Thema perfekt umgesetzt. Sie schafft es, einen zu packen und mitten ins Köln der 1940er Jahre zu versetzen. Es zeigt nicht nur die Schrecken des Krieges, sondern auch die kleinen Dinge, über die die Menschen sich freuen konnten. Ich konnte nicht aufhören zu lesen!

Jeder, der historische Romane mag, wird dieses Buch ebenso lieben, wie ich. Von mir eine ganz klare Leseempfehlung!

Bewertung vom 29.10.2020
Carrisi, Donato

Enigmas Schweigen


sehr gut

Ein spannender, packender Thriller, der digitale und reale Welt gekonnt miteinander verbindet

Worum geht’s?
Eine Familie wird ermordet, doch die Leichen sind verschwunden. Ein Verdächtiger wird festgenommen, aber er spricht nicht. Die ehemalige Polizistin Mila Vasquez wird in die Ermittlungen hineingezogen. Als ihre Tochter entführt wird, beginnt ein Wettlauf mit der Zeit, der sie in ein dunkles Internetspiel aus dem letzten Jahrtausend führt. Ist sie schneller, als die Schatten, die sie jagt?

Meine Meinung:
Der Thriller „Enigmas Schweigen“ von Donato Carrisi ist ein Buch, das mich von Anfang an gefesselt hat. Bereits das Cover lässt auf einen dunklen und mystischen Inhalt schließen. Die Idee einen Teil der Ereignisse in ein Internetspiel zu bringen, finde ich außergewöhnlich und dieser Teil hat durchaus dazu beigetragen, dass die Spannungskurve jedes Mal, wenn die Protagonisten in die Welt des Internet eingetaucht sind, nochmals ausschlagen zu lassen. Auch der Schreibstil hat mir sehr gut gefallen. Der Autor hat definitiv ein Händchen dafür, grausame Details mehr als bildhaft darzustellen. Bis auf ein paar Ungereimtheiten bzw. Unstimmigkeiten hat mich das Buch perfekt unterhalten, auch wenn das Ende dann doch etwas schnell war.

Gut gefallen hat mir auch, dass man bis zum Ende am Rätseln war, wer Enigma ist, wer hinter allem Steckt und mehrmals während des Lesens erfolgreich vom Autor in die Irre geführt wurde. Manchmal ist nichts, wie es zu sein scheint. Das hat auf jeden Fall für einen hohen Unterhaltungswert gesorgt und das Buch nochmals spannender gemacht.

Ich bin mir noch nicht sicher, ob mir Mila, die ehemalige Polizistin und Hauptprotagonistin, sympathisch ist oder nicht. Außergewöhnlich ist sie auf jeden Fall, als Hauptperson mit Alexithymie handelt, also mit einer Art emotionalem Analphabetismus. Ich hatte zuvor noch nicht von diesem Krankheitsbild gehört. Daher war es umso spannender, wurde nur leider m.E. oft nicht durchgezogen, sodass das Buch hier an einigen Stellen etwas uneinheitlich war.

Am Ende blieben dann noch einige Fragen offen, die man zu gerne geklärt haben möchte und die die Phantasie auch nach dem Lesen des Buches noch am Arbeiten halten. Man will wissen, wie es mit Alice, der Tochter von Mila, weitergeht. Mit Enigma. Dem Internetspiel. Von daher ein sehr gelungenes Buch, das durchaus ein gewisses Suchtpotenzial aufzuweisen hat und mit eigenen, spannenden Ansätzen aufwarten kann, die ich so noch nicht aus Thrillern kannte!

Fazit:
„Enigmas Schweigen“ von Donato Carrisi ist ein etwas anderer Thriller, der mich mit Ansätzen, die ich so noch nicht kannte, am Miträtseln und Mitdenken gehalten hat und der durch viele aufeinanderfolgende Ereignisse die Spannung fast durchweg hoch gehalten hat! Besonders mitgerissen hat mich das Internetspiel, in welches die Hauptprotagonistin Mila auf der Suche nach Alice immer wieder hineingezogen wurde. Die Darstellung war so plastisch und bildhaft – ich konnte nicht genug davon bekommen! Ein geniales, spannendes Buch, das mit absolut gefesselt hat. Zwischendurch gab es nur ein paar kleine Ungereimtheiten und das Ende kam etwas abrupt.

Dennoch eine absolute Leseempfehlung von mir für alle, die starke Nerven für Tatortbeschreibungen haben und einmal ein etwas anderes Grauen erleben möchten!

Bewertung vom 20.10.2020
Nikolai, Maria

Die Schokoladenvilla - Zeit des Schicksals / Schokoladen-Saga Bd.3


ausgezeichnet

Eine perfekte Mischung aus Emotionen, Spannung, Schicksalsschlägen und Neuanfängen – ein Buch zum Mitfühlen!

„Es hilft nicht am Gestern festzuhalten. Gestalten kann man nur das Morgen“ (Seite 442)

Worum geht’s?
In den Wirren des zweiten Weltkriegs kämpft Judith um den Erhalt der Schokoladenfabrik Rothmann. Viktoria kommt aus Frankreich zurück, um Ihre Mutter zu unterstützen, bevor der Amerikaner Andrew in das Leben der Familie tritt und sich hierdurch nicht nur für Viktoria ganz neue Aspekte einer hoffnungsvollen Zukunft ergeben. Wird es ihnen gelingen, die Schokoladenfabrik zu retten und in eine bessere Zukunft zu starten?

Meine Meinung:
„Die Schokoladenvilla – Zeit des Schicksals“ von Maria Nikolai ist der dritte und – leider – letzte Teil der Trilogie. Auch hier beschreibt die Autorin das Leben, die Personen, die Schauplätze, die Gefühle und die Geschehnisse wieder unvergleichlich bildhaft. Man liest das Buch nicht nur, sondern man lebt in dem Buch. Fühlt, was die Protagonisten fühlen. Neben den Wirren des Krieges und dem spannenden Kampf um die Firma sind auch wieder jede Menge Emotionen enthalten. Man lacht und weint, bangt und freut sich mit den Personen.

Besonders gelungen finde ich wieder die Vermischung der realen historischen Gegebenheiten mit den fiktiven Teilen des Buches. Das Zusammenspiel der realen und fiktiven Protagonisten. In diesem Buch wird einmal mehr klar, mit welchen Mitteln im zweiten Weltkrieg gekämpft wurde. Was die Menschen zu erleiden hatten und wie viel Macht – vor allem auch willkürliche Macht – die Partei hatte. Dieser historische Teil im Hintergrund des Kampfes um den Erhalt der Schokoladenfabrik, den Einsatz für die Mitmenschen, die Reise von Viktoria nach New York – und den fast kriminalistischen Showdown in New York – ein absolut meisterhafte Vermischung, die den Leser bis zum Ende fesselt!

Besonders gut gefallen hat mir die Entwicklung von Viktoria, die im 2. Teil noch ein kleines Kind war du jetzt als starke Frau – wie auch ihre Mutter Judith – ihren eigenen Weg geht. Es schafft, zu einer erfolgreichen, sympathischen Frau zu werden, die man gerne zur Freundin hätte. Vickys Geschichte steht in diesem Teil zwar im Vordergrund, aber auch die Entwicklung der anderen Protagonisten, der Zwillinge Anton und Karl mit ihren Frauen, von Martin und seiner Frau Mathilde – es ist einfach ein schönes Gefühl, nach den ersten beiden Teilen alle „wiederzusehen“. Und auch der Epilog am Ende des Buches hat mir sehr gefallen, in dem der weitere Werdegang der Menschen im Buch nochmals aufgezeigt wird.

Unbeschreiblich, wie die Autorin es schafft, das Buch und die Personen so lebendig werden zu lassen. Man liest nicht nur über sie sondern man lebt mit ihnen, schließt die Protagonisten richtiggehend ins Herz. Es ist, als kommt man nach langer Zeit zurück nach Hause!

Fazit:
„Die Schokoladenvilla – Zeit des Schicksals“ von Maria Nikolai ist leider schon der letzte Teil der Trilogie. Ich habe das Buch verschlungen, habe mich von der Autorin in die Wirren des Krieges entführen lassen, die Gefühle der Protagonisten miterlebt, mich mit ihnen gefreut und mit ihnen geweint. Ein absolutes Meisterwerk, das Historie und Fiktion meisterhaft miteinander verknüpft. Ein Buch, das man nicht nur liest, sondern erlebt!

Herzlichen Dank für dieses Buch! Von mir ein absolutes Lese-Muss!

Bewertung vom 14.10.2020
Benecken, Burkhard

Clan-Land


ausgezeichnet

Eine erschreckende realistische Vision einer möglichen Zukunft – ein fesselndes Buch!

„Geduld ist, wenn dein Herz brennt, aber dein Mund schweigt“ (Bahar, S. 180)

Meine Meinung:
„Clan-Land“ von Burkhard Benecken ist ein Buch, das die aktuellen Geschehnisse in Deutschland, China und US gekonnt zusammenfasst, weiterentwickelt und daraus eine erschreckend reale Zukunftsvision von einem Deutschland der Zukunft erschafft. Man merkt, dass der Autor als Rechtsanwalt mit der Clan-Szene zu tun hat und diese Erlebnisse und Erfahrungen werden hier meisterhaft integriert. Der Autor schafft es gekonnt, mit Worten Bilder zu erzeugen, welche die Spannungskurve hoch hält. Das Buch ist eine Mischung aus Vision, Politthriller und Zukunftswissenschaft. Man ist von Anfang bis Ende gefesselt!

Nicht nur ein mögliches Deutschland wird dargestellt, bei dem – wie in den 1930er-Jahren Ghettos entstehen. Sondern der Autor führt einen durch dieses neue Deutschland, die Politik ein Medienspektakel und lässt einen durch Lorenz van Bergen, einen Strafverteidiger und Medienliebling, das neue Deutschland erleben. Man sieht durch seine Augen die positiven Dinge, aber auch die Schattenseiten. Und nebenbei schafft der Autor Spannung, indem man die Justiz – verändert in ein kommerzialisiertes Showformat, bei welchem der Zuschauer das Urteil bestimmt – miterlebt. Es erinnert ein bisschen an die Spiele im alten Rom!

Lorenz von Bergen war mir ganz am Anfang nicht so sympathisch, da er sehr auf sein Äußeres bedacht war, darauf, wie er in der Öffentlichkeit wirkt. Aber im Laufe des Buches verändert er sich zu einem sympathischen Menschen. Er sieht die Welt mit anderen Augen. Wird empathischer und lebt die wahren Werte wie Freundschaft und Vertrauen.

Auch Abed ist mir sympathisch. Ein Mann mit einer Vision, der viel dafür tut, um diese wahr werden zu lassen. Der alles gibt und alles verliert.

Ich bin mir nicht sicher, ob diese Vision von Deutschland eine Vision ist, die man sich wünscht. Vor allem, wenn man nicht zu den „Biodeutschen“ zählen sollte… aber der Autor schafft ein bildhaftes Werk, das einen den Wandel nachvollziehen und sogar verstehen lässt und man kann sich durchaus vorstellen, dass dies nicht nur ein Roman ist, sondern eine mögliche Zukunft sein kann.

Fazit:
„Clan-Land“ von Burkhard Benecken hat mich von Anfang an gefesselt! Die im Buch geschilderte Zukunft erscheint mehr als möglich! Sowohl politisch als auch menschlich und wissenschaftlich.

Sehr gut hat mir auch gefallen, dass es nicht nur ein Roman ist, sondern zusätzlich Spannung wie bei einem Politthriller enthalten ist. Dass man mit Lorenz von Bergen dieses neue Deutschland miterlebt, mitfühlt, aber sich am Ende gemeinsam mit ihm auch wieder auf die Menschlichkeit und das, worauf es ankommt, Zusammenhalt und Vertrauen besinnt. Der Autor hat ein Werk geschaffen, das locker mit Politthrillern von Autoren wie Veit Etzold und oder Marc Elsberg mithalten kann!

Von mir eine absolute Leseempfehlung! Wer Politthriller und Zukunftsromane mag, in denen die Vision zur Realität wird, der kommt an diesem Buch nicht vorbei!