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mimitatis_buecherkiste
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Krefeld

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Insgesamt 695 Bewertungen
Bewertung vom 08.01.2021
Ballard, James Gr.

High-Rise


gut

Ein Luxushochhaus, 40 Etagen mit Apartments, Wohnungen und Penthouse. Mittelschicht, gehobene Mittel- und die Oberschicht, aufgeteilt in Stockwerke. Je höher, umso reicher, umso snobistischer, umso privilegierter. Es gibt ein Einkaufszentrum, eine Schule, Friseure und Swimmingpools. Sogar an einen Kinderspielplatz wurde gedacht. Als alle Wohnungen bezogen sind, wird gefeiert. Gleichzeitig häufen sich die Probleme; die Müllschlucker verstopfen, die Klimaanlage streikt, immer öfter fällt der Strom aus, funktionieren die Aufzüge nicht. Es bilden sich Gemeinschaften, die noch funktionierenden Aufzüge werden blockiert, die Zugänge zu den einzelnen Etagen verbarrikadiert, irgendwann kämpft jeder gegen jeden.

„Später, als er auf seinem Balkon saß und den Hund aß, dachte Dr. Robert Laing über die außergewöhnlichen Ereignisse nach, die sich während der vergangenen drei Monate in diesem riesigen Apartmentgebäude zugetragen hatten.“ (Seite5)

So genial der Plot klingt, so enttäuscht bin ich von der Umsetzung. Seltsam langweilig fand ich die Story, immer wieder dachte ich, dass es nun endlich losgeht, um festzustellen, dass dann doch nichts passiert. Mir fehlte irgendwie der rote Faden; welchen Grund hatte das Ganze, welchen Zweck verfolgten die Einwohner? Wieso wurden die Etagen abgesperrt, damit andere nicht hinkommen konnten, während man gleichzeitig aber selbst alles demoliert hat. Auch das Ende lässt mich ratlos und unbefriedigt zurück. Vielleicht war es für das Buch und mich nicht der richtige Zeitpunkt. Für mich reicht es leider nur für 3 Sterne und das hauptsächlich für die Idee.

Bewertung vom 06.01.2021
Hammesfahr, Petra

Nach dem Feuer


ausgezeichnet

Ein LKW-Fahrer meldet Feuer auf einer Deponie. Als die Polizei dort ankommt, stellt sich heraus, dass ein Wohnmobil brennt. Ein Junge steht davor und versucht verzweifelt, wieder ins Wohnmobil zu kommen. Nur mit Mühe und Not kann eine Polizistin verhindern, dass der Jugendliche sich ins Feuer wirft.

„Sind da wirklich noch Freunde von dir drin?“, fragte Jasmin. Zweifel an seinen Worten hatte sie keine. Niemand versuchte wieder und wieder in die Hölle zu steigen, wenn er nicht etwas herausholen wollte, was ihm wichtiger war als die eigene Haut.“ (Seite 20)

Der Junge wird ins Krankenhaus gefahren und weigert sich, seinen Namen zu sagen. Was verschweigt er? Gehörte das Wohnmobil wirklich seinem Großvater, wie er sagt, und wo ist dieser? Und warum findet man seine drei Freunde nicht, die er zu retten versucht hat? Haben die ihn etwa im brennenden Auto alleine zurückgelassen?

Am Anfang tat ich mich schwer damit, der Story zu folgen. Das Buch springt zwischen Tagen, Monaten und Jahren, die Personen konnte ich nicht sofort zuordnen und musste mich sehr konzentrieren. Erst nach und nach kristallisierte sich heraus, wie das ein oder andere einzuordnen ist. Dann aber hat das Buch mich gepackt! Wer einen Thriller erwartet, wird enttäuscht sein. Es ist nicht mal ein Krimi, eher ein Kriminalroman. Es gibt zwar eine Ermittlung, die durch die Autorin regelrecht seziert wird, die Ermittler werden teilweise vorgeführt, aber es geht im Hauptteil mehr um die Familiengeschichte des Jungen. Warum er ist wie er ist, wie es dazu kam, dass er tat, was er verschweigt. Das Psychogramm einer Familie. Je mehr ich erfahren habe, umso fassungsloser war ich. Beklemmend und entsetzlich sind die Hintergründe und mehr als einmal habe ich das Buch zur Seite legen müssen. Im letzten Drittel überwiegt wieder die Ermittlung, die letzten Unklarheiten werden beseitigt. Es geht um Narzissmus, um Egoismus, aber auch im Kindesmissbrauch und Kindesvernachlässigung. Wer in diesen Bereichen empfindlich ist, sollte nicht zugreifen.

Ein unglaublich gutes Buch, eine vielschichtige Geschichte, eine Erzählung, die mich noch nicht loslässt. Von mir gibt es 5 Sterne und eine unbedingte Leseempfehlung!

Bewertung vom 01.01.2021
Mathieu, Nicolas

Rose Royal


ausgezeichnet

Rose ist fast fünfzig, geschieden, hat zwei erwachsene Kinder, einen Job und hat sich ein jugendliches Aussehen bewahrt. Sie hat kein Problem mit ihrem Alter, ist sich ihrer Vorzüge bewusst und achtet auf sich. Eigentlich ist alles toll, zumindest nach außen hin.

„Sie hatte jenes schwierige Alter erreicht, in dem sich die verbliebene Frische, das Funkeln im Alltag aufzulösen schien. Manchmal erwischte sie sich bei einem Meeting oder im Bus dabei, wie sie ihre Hände versteckte, die ihr fremd geworden waren“ (Seite 11)

Rose lebt allein, hat die Kerle satt und einen Revolver in der Handtasche. Sie hat sich geschworen, dass ihr niemand, schon gar kein Mann, mehr wehtun wird. Kein Mann wird sie ins Elend stürzen, diesmal will sie sich wehren.

„Die Angst sollte die Seiten wechseln.“ (Seite 19)

Nach Feierabend geht Rose gerne ins Royal, ist dem Alkohol zugetan. Dort lernt sie eines Abends Luc kennen, der ihr ein ganz neues Leben zeigt. Eine späte Liebe, ein Paar, das so gegensätzlich ist und doch zusammen findet.

Dieses dünne Büchlein ist ein Schatz. Auf wenigen Seiten schafft der Autor es, dass ich das Gefühl habe, ich kenne Rose schon länger. Das Kennenlernen von Rose und Luc, ihre Annäherung, der einkehrende Alltag, all das wird eindringlich beschrieben, mit Worten, die sitzen, mit Sätzen, die treffen. Und mehr sollte nicht verraten werden. Nur so viel: ich werde das Buch jetzt noch einmal lesen. Wegen der Wörter, wegen der Sätze, wegen Rose. Verdiente 5 Sterne.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 29.12.2020
Jackson, David

Der Bewohner


ausgezeichnet

Auf der Suche nach einem Versteck entdeckt der junge Serienkiller Brogan vier nebeneinander stehende Reihenhäuser und steigt in das leerstehende erste Haus ein. Dort entdeckt er, dass die Wand am Ende des Dachbodens, die diesen vom Nachbarhaus trennt, nicht zum Dachfirst hochgezogen wurde, sodass man durch die Lücke auf den Boden nebenan sehen und klettern kann. Diese Gelegenheit lässt er sich natürlich nicht entgehen und geht auf Erkundungs- und Abhörtour, um nach neuen Opfern Ausschau zu halten, mit denen er „spielen“ kann.

Thomas Brogan ist ein Serienkiller und hat, so muss man das einfach sagen, einen neben sich laufen. Es gibt natürlich einen medizinischen Ausdruck für sein Leiden; vereinfacht ausgedrückt ist er plemplem und dazu sehr gefährlich. Seine skurrilen, teils schon sehr bizarren Selbstgespräche, in denen es um solche banalen Dinge wie trinken, essen oder schlafen geht, aber auch darum, wann und wie das nächste Opfer getötet werden kann und soll, sind gewollt, manchmal aber auch ungewollt komisch.
✖️
„Wo willst du hin?“
Ich will es sehen.
„Was sehen?“
Na, ich werde wohl kaum eine Besichtigungstour durchs Haus machen. Ich will Colette sehen.
„Bist du bekloppt?“
Wahrscheinlich, ja.
(Seite 218)
✖️
Dieses Buch war anders, es war skurril, es war witzig, aber auch spannend und erschreckend. Die Seiten flogen nur so, ich hätte weiterlesen können, so gut hat mir die Story gefallen. Das Ende kam etwas plötzlich, hier hätte ich mir mehr gewünscht. Aber das ist jammern auf hohem Niveau. Absolut verdiente 5 Sterne.

Bewertung vom 27.12.2020
Fitzek, Sebastian

Der Heimweg


gut

Klara ist unterwegs, als ihr Telefon sich mit dem Begleittelefon verbindet. Am Hörer ist Jules, der den Dienst für seinen besten Freund übernommen hat. Klara verrät ihm im Laufe des Gesprächs, dass ihr ein Psychopath das Datum ihres Todes verraten und angedroht hat, sie umzubringen. Nun hat Klara resigniert und möchte sich umbringen, da sie vor ihrem Mann genauso viel Angst hat wie vor dem Killer. Kann Jules sie davon abbringen? Möchte er das überhaupt? Sagt Klara die Wahrheit? Und warum geht sie nicht zur Polizei?

Abwechselnd folgen wir mal Klara, mal Jules durch die Story. Nach und nach erfahren wir, was passiert ist, wie es dazu kam und worauf es hinausläuft - oder auch nicht. Natürlich gibt es falsche Fährten und nicht immer ist etwas wirklich so, wie es scheint. Und hier liegt für mich das Problem. Das Buch ist für mich persönlich die Enttäuschung des Jahres. Dies nicht deswegen, weil es einige Logikfehler gibt im Buch, was bei einem Thriller ärgerlich ist. Auch nicht, weil der Autor hier so aufdreht, dass ich manchmal das Gefühl hatte, dass es darum geht, den Plot noch abgedrehter, noch verrückter, noch perverser werden zu lassen als sonst. Dass am Ende Fragen offen bleiben, ist unschön, kann aber mal passieren. Nein, was mich gestört hat, ist der Umstand, dass es so vorhersehbar war. Der Ablauf ist in den letzten Büchern immer der gleiche; aus verschiedenen Sichten setzt sich nach und nach die Geschichte zusammen, wir werden an der Nase herumgeführt und dann kommt im großen Finale heraus, dass es ganz anders war; wahlweise weil eine der Personen psychisch krank ist oder so intelligent, dass sie im Vorfeld schon alle Eventualitäten bedacht und vorgesorgt hat, dass nichts schief geht. Dies war beim ersten Mal genial und spannend, die Überraschung groß. Beim nächsten Mal fehlte das Überraschungsmoment, wenn auch die Spannung noch groß war. Diesmal wusste ich nach wenigen Seiten, was mich erwartet; das fand ich erst schade, dann ärgerlich und im Endeffekt enttäuschend. Ich wusste schon früh, was mich erwartet, ohne das tatsächliche Ende zu kennen.

Es ist ein unterhaltsames Buch, ein gutes Buch. Wer noch kein Buch des Autors gelesen hat, kommt auf seine Kosten. Für Fans ist es sowieso ein Muss. Für mich reicht es für 3 1/2 Sterne ⭐️

Bewertung vom 22.12.2020
Grandl, Peter

Turmschatten / Turm-Reihe Bd.1


ausgezeichnet

Als die Errichtung der Synagoge an der Finanzierung zu scheitern droht, bietet Ephraim Zamir dem Rabbi an, den Bau privat zu finanzieren. Die Gemeinde zögert noch, denn keiner weiß, wo Ephraim Zamir herkommt und woher er so viel Geld hat. Als die örtliche NPD davon erfährt, setzt sie alles daran, den Namen des Mannes zu erfahren, um ihm einen Schlägertrupp auf den Hals zu hetzen, der ihn davon überzeugen soll, die Finanzierung zu überdenken. Als die Neonazis bei Zamir eindringen, ist dieser nicht da, lediglich seine junge Haushälterin treffen sie an. Die ganze Sache gerät außer Kontrolle, als diese sich wehrt, die Situation eskaliert und findet schließlich ihren vorläufigen Höhepunkt darin, dass Zamir die Männer überwältigt, als Geiseln nimmt und die Öffentlichkeit dazu auffordert, in einem Online-Voting darüber abzustimmen, ob die Männer leben oder sterben sollen.

Der Klappentext verrät lediglich, dass es sich um einen spannenden Thriller handelt, dieses Buch ist aber so viel mehr! Neben einer Chronik der Entwicklung der rechtsradikalen Szene in den Jahren seit dem Zweiten Weltkrieg bis 2010 schafft der Autor es, die Figuren so unglaublich fein zu zeichnen, dass es weh tut. Er zeigt auf, dass nichts jemals nur schwarzweiß ist, es im Gegenteil immer viele Stufen von Grautönen dazwischen gibt. Wie wird jemand rechtsradikal? Welchen Anteil nehmen Familie, Freunde, das Umfeld auf die politische Gesinnung einer Person? Diese und viele andere Fragen tun sich auf. In Zeitsprüngen führt uns der Autor in die Kindheit, die Jugend oder jüngere Vergangenheit der Beteiligten; sei es einer der Neonazis, der Polizisten oder aber des Juden Ephraim Zamir selbst. Die Geiselnahme, die Berichterstattung, die Befreiungsversuche, alles wird von allen Seiten begutachtet und schonungslos skizziert. Jede Aktion führt zu einer Reaktion, kleinste Fehler werden zu Katastrophen.

In der ein oder anderen fiktiven Figur habe ich reale Personen erkannt, wenn diese auch verfremdet wurden. Das sind geniale Feinheiten, die dem Buch das gewisse Etwas verleihen. Und auch ich habe mir die Frage gestellt; wie würde ich entscheiden? Würde ich zuschauen, abstimmen und über Leben und Tod entscheiden wollen? Dies kann wohl nur jeder für sich selbst entscheiden. Ich vergebe 5 Sterne ⭐️ und eine unbedingte Leseempfehlung. Dieses Buch ist für mich mein diesjähriges Lesehighlight!

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 17.12.2020
Wilpert, Bettina

Nichts, was uns passiert


ausgezeichnet

Anna lernt Jonas im Mai kennen. Jonas sagt, es war im Juni. Beide finden sich sympathisch, diskutieren gerne miteinander und landen auch mal zusammen im Bett. Auf der Geburtstagsfeier von Hannes, einem gemeinsamen Freund, trinken beide zu viel Alkohol und verbringen die Nacht in Jonas Zimmer. Zwei Monate später zeigt Anna Jonas bei der Polizei wegen Vergewaltigung an. Jonas sagt, es war einverständlich. Es steht Aussage gegen Aussage.

Aus der Sicht des Interviewers, bei dem es unklar ist, ob es ein/e Reporter*in, Polizist*in oder Sozialarbeiter*in ist, wird die Geschichte erzählt. Diese*r hat Anna und Jonas befragt, deren Freunde, Eltern und andere Beteiligte und Unbeteiligte. Hieraus ergibt sich, was passiert sein soll, nicht aber, was passiert ist. Es bleibt uns überlassen, sich eine eigene Meinung beim lesen zu bilden.

„Wenn es ein Opfer gab, musste es auch einen Täter geben. War Jonas ein Täter? Oder war alles nur ein Missverständnis? Vielleicht hatte sie etwas falsch verstanden. Waren ihre Erinnerungen real? Was war während ihres Filmrisses passiert?“ (Seite 66)

Es ist erschreckend, wie wenig einem Opfer geglaubt wird. Es ist aber auch erschreckend, wie schnell jemand als Täter abgestempelt wird. Wer sagt die Wahrheit, wer lügt? Muss man als Freund*in Stellung beziehen? Sich auf eine Seite stellen? Woran machen wir fest, was wahr ist? Viele Fragen werden gestellt, nicht alle können beantwortet werden. Beim lesen musste ich oft mit dem Kopf schütteln, teilweise war ich entsetzt, welche Auswirkungen der Vorwurf, unabhängig davon, ob wahr oder unwahr, auf die Beteiligten hat. Welche Hürden ein mögliches Opfer nehmen muss, welchen Unannehmlichkeiten ein möglicher Täter ausgesetzt wird.

Ein wahnsinnig wichtiges Buch, das zum nachdenken anregt, zum diskutieren einlädt. Ein Buch, das nachklingt. Von mir gibt es 5 Sterne.

Bewertung vom 17.12.2020
Monti, Olivia

Sterbewohl (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Nadja ist fünfundsechzig und pensioniert. In ihrem Beruf als Grundschullehrerin war sie nicht glücklich, teilweise eher depressiv, aber nun hat sie sich vorgenommen, körperlich und seelisch in Form zu kommen. Sie ist in ein Haus gezogen, in dem vier Parteien wohnen; man ist miteinander befreundet und führt so etwas wie eine Alters-WG. Da kommt ein Brief vom Staat, in dem sie eingeladen wird, an einem Sterbeseminar teilzunehmen. Diese Einladung erfolgt normalerweise erst ab fünfundsiebzig; man fährt für zwei Wochen in ein Hotel, lässt sich verwöhnen und darüber aufklären, dass man der Gesellschaft einen unschätzbaren Dienst erweist, indem man „Sterbewohl“ schluckt.

„Im Fernsehen betonten sie, wie schön es war, rechtzeitig Abschied zu nehmen, bevor Demenz und Inkontinenz einsetzten, bevor wir unsere Angehörigen nicht mehr erkannten und ihnen und der Gemeinschaft unsere Hilflosigkeit und unser langsames Dahinsiechen aufbürdeten.“ (Seite 9)

Ihre Mitbewohner, obwohl fast gleichaltrig, haben ebenfalls einen Brief bekommen. Das Ganze ist absolut freiwillig und wer nicht sterben möchte, fährt nach zwei Wochen oder früher wieder nach Hause. Aber warum sollen alle vier vor der Fahrt einen Sachwalter benennen, der sich um die Auflösung des Haushalts kümmern soll? Und wieso besteht man darauf, dass die vier ihr Testament machen?

Als ich die Dystopie gesehen habe, war mir klar, dass ich dieses Buch lesen muss! Es erinnert mich ein wenig an „Die Entbehrlichen“, in dem es ebenfalls darum ging, dass alte Menschen aussortiert werden sollen, und ich war neugierig, wie die Autorin dieses Thema umsetzt. Und ich kann euch sagen, sie hat es wahnsinnig gut gemacht! Ein Deutschland in der Zukunft, der Euro ist pleite, die EU gescheitert. Um Geld zu sparen sollen alte Menschen, bitte schön, freiwillig aus dem Leben scheiden, da der Staat Geld sparen will, indem er keine Rente zahlen muss. Wie perfide ist das denn? Aber ist es auch weit hergeholt? Ist es nicht oft so, dass die Jungen denken, die Alten haben ihr Leben gelebt und sollen gefälligst Platz machen? Ist es nicht erschreckend, dass in Zeiten von Corona viele junge Menschen keine Rücksicht nehmen, um die Alten zu schützen, weil es ihnen schlicht egal ist? Es sind Parallelen, die mich erschaudern lassen!

Es interessantes, ein spannendes und ein wichtiges Buch über die Frage, wann ein Leben lebenswert ist und wann nicht mehr. Ich vergebe 5 Sterne und eine Leseempfehlung.

Bewertung vom 12.12.2020
Katzenbach, John

Der Bruder


sehr gut

Die Mutter von Sloane, einer Architekturstudentin kurz vor dem Abschluss, verschwindet spurlos, alles deutet auf Selbstmord hin. Sie hinterlässt merkwürdige Nachrichten, ein Testament und eine Waffe. In einer der Nachrichten steht „Verkaufe alles. Behalte die Waffe. Lerne, damit umzugehen. Lauf weg. Sofort.“ Als Sloane kurze Zeit später von einem anonym bleibenden Mäzen das Angebot bekommt, ein Denkmal für sechs Verstorbene zu planen, ist dies eine gute Gelegenheit für sie, sich davon abzulenken. Die mehr als fürstliche Bezahlung, ein komplett eingerichtetes Architekturbüro sowie eine frei verfügbare Kreditkarte spielen natürlich auch eine Rolle neben der einmaligen Chance, sich mit diesem Auftrag einen Namen zu machen. Sloane nimmt an. Schon bei den Recherchen zu den sechs Namen auf der Liste ist ihr klar, dass etwas nichts stimmt. Nicht nur sind die Personen auf der Liste so gar nicht ehrenwert, auch scheint keiner von ihnen einen natürlichen Todes gestorben zu sein. Und was hat der Anwalt des Auftraggebers damit zu tun; steckt er selbst dahinter oder ist er lediglich ein Mittler zwischen Sloane und dem unbekannten Gönner?

Der Prolog verspricht, was die ersten Seiten nicht halten können. Etwas zäh gestaltet sich der Anfang bis es endlich losgeht. Man erfährt einiges über Sloane und ihre Mutter, wobei ich immer das Gefühl hatte, Sloane hält einiges zurück und sagt nicht immer die Wahrheit. Die Spannung baut sich langsam auf, steigert sich und irgendwann konnte ich das Buch nicht mehr weglegen. Als man endlich etwas über Sloanes Vergangenheit bzw. die ihrer Mutter erfuhr, war alles um mich herum vergessen. Im dritten und letzten Teil kam ein Finale, das ich mir ganz anders vorgestellt hätte, das aber letztendlich passt und einen guten Abschluss darstellt.

Alles in allem ist es ein solider und spannender Psychothriller, für den ich 4 Sterne vergebe.

Bewertung vom 02.12.2020
Jackson, Tiffany D.

Monday, wo bist du?


ausgezeichnet

Claudia ist schüchtern, zurückhaltend und ihre einzige Freundin ist Monday, die mit ihrer Mutter und den Geschwistern im schlimmsten Viertel der Stadt lebt. Monday, die schlau und klug ist, ist Claudias beste Freundin, fast eine Schwester. Jede freie Minute verbringen die zwei zusammen und das nicht nur in der Schule. Ohne Monday ist die Schule kein schöner Ort für Claudia, da sie nur mit Mondays Hilfe ihr großes Geheimnis bewahren kann. Nur in den Sommerferien, wenn Claudia zwei Monate bei ihrer Oma ist, können die zwei sich nicht sehen, aber sie schreiben sich. Diesen Sommer aber kommen keine Briefe, kein Lebenszeichen gibt es von Monday. Als Claudia aus den Ferien zurückkommt, versucht sie sofort, ihre Freundin zu erreichen, aber das Telefon ist abgemeldet und zur Schule kommt weder Monday, noch ihre Geschwister. Claudia sucht, sie fragt und fragt, aber niemand weiß etwas.
Warum kümmert sich niemand? Warum ist keinem aufgefallen, dass Monday fehlt? War ihre Freundschaft nichts wert? Kannte Claudia ihre Freundin doch nicht so gut wie sie dachte?

„Einen Moment lang stand sie nur da und starrte mich an, überlegte. Selbst nach jahrelanger Freundschaft musste sie abwägen, wie vertrauenswürdig ich war.“ (Seite 138)

Das Buch ist in verschiedene Abschnitte eingeteilt und springt zwischen den Zeiten; davor, danach, mal dieser, mal jener Monat, ein, zwei Jahre früher; erst nach und nach erfahren wir mehr über die Mädchen und insbesondere über Monday. Claudia erzählt ihre Eindrücke, ohne zu ahnen, was sie da beobachtet hat. Aus kindlicher Sicht ergibt sich nach und nach eine erschütternde Geschichte. Umso grausamer, da Claudia überhaupt nicht versteht, was passiert ist, und sich im Stich gelassen fühlt.

„Es spielte keine Rolle mehr, wo ich hingehen wollte. Es war immer Mondays Plan gewesen und nun war sie nicht mehr da, um mir zu helfen. Oder auf mich aufzupassen. Wie konnte sie mich bloß so im Stich lassen? Was hatte ich ihr denn getan?“ (Seite 151)

Aus jeder Zeile ist Claudias wachsende Verzweiflung herauszulesen, ihre Angst, ihre Ratlosigkeit. Ich habe förmlich ihre Not gespürt, habe mitgefühlt und mitgefiebert. Die unglaubliche Hilflosigkeit nahm mich mit und am liebsten hätte ich sie in den Arm genommen und gedrückt. Im Buch werden viele Themen behandelt; Freundschaft, Familie, Mobbing, Missbrauch, Vernachlässigung und auch Rassismus. Wieder einmal hat die Autorin es geschafft, mich auf eine sehr emotionale Achterbahnfahrt mitzunehmen. Von mir gibts 5 Sterne und eine Leseempfehlung!