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Igelmanu
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Mülheim

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Insgesamt 1033 Bewertungen
Bewertung vom 05.11.2016
Möller, Günter-Christian

Altdrachenstein


sehr gut

»Seit über 400 Jahren treffen sich die Magier des Ordens der Portalmaurer und die Magier der Zauberstabzunft jeden Monat einmal, um über die Zukunft unserer Enklave Cerninia zu beraten. Morgen wird nun er, den wir erwarten, hier erscheinen: Ein junger Magier aus der Enklave Altdrachenstein wird auf Einladung unserer Universität hier bei uns nach magischen Geheimnissen forschen. Er ist ein Bote des Lichts, dazu befähigt magische Tore zu öffnen, die sonst kein anderer Magier öffnen kann. Leider kommt er nicht allein, was für uns und unsere Pläne besser wäre. Eine Elfe wird ihn begleiten. Ich frage deshalb …: Was gedenken Sie in dieser Angelegenheit zu unternehmen?«

Nach dieser Einleitung ahnt der Leser schon, dass auf den jungen Boten des Lichts gewaltige Probleme zukommen werden. Zum Glück muss er diesen nicht allein begegnen, denn zu seinen Freunden zählen eine junge Elfe und ein Drache, alle bestens ausgestattet mit magischen Fähigkeiten.

Eine interessante Welt voller Magier, Elfen, Drachen und anderer magischer Geschöpfe begegnet dem Leser hier. Bei einigen witzigen Stellen konnte ich herzhaft lachen, mich an anderen über interessante Einfälle und spannende Entwicklungen freuen.
Gut und Böse sind klassisch verteilt und sehr schön wird deutlich, dass es erstrebenswert ist, sich nicht von Vorurteilen leiten zu lassen und die eigene Art nicht als anderen überlegen anzusehen.

Leider blieb mir der Hauptcharakter ziemlich fremd. Der Grund dafür ist vermutlich, dass ich die Vorgängerbände nicht gelesen habe. Ich wollte einfach mehr über diesen Jungen wissen und hätte mich über ein paar Rückblenden sehr gefreut.

Das Buch liest sich leicht und schnell, auch junge Leser sollten damit keine Schwierigkeiten haben. Mir persönlich hat aber der Stil an manchen Stellen nicht gefallen – auch das ist, wie mein voriger Kritikpunkt – eine höchst subjektive Angelegenheit.

Fazit: Ich hätte besser zunächst die Vorgängerbände gelesen. Genau das wäre somit meine Empfehlung für Neu-Altdrachensteiner. Denn die magische Welt dort hat zweifellos viel Interessantes zu bieten.

Bewertung vom 05.11.2016
Felenda, Angelika

Wintergewitter / Kommissär Reitmeyer Bd.2


ausgezeichnet

»Dann wäre es also … Mord gewesen?«
Caroline blickte zu Riedl hinüber, bevor sie antwortete. »Zu dem Schluss muss man wahrscheinlich kommen.«
Reitmeyer starrte einen Moment zu Boden. Er sah die Szenerie in der Brennnessel wieder vor sich. »Ich hab Angst«, hatte sie gesagt. Und er hatte sie abgewehrt und ihr geraten, Anzeige zu machen, wenn sie sich bedroht fühle. Ein Brennen stieg in ihm auf und breitete sich wie eine ätzende Flüssigkeit aus.

München, 1920. Kommissär Reitmeyer ist aus dem Krieg zurück. Im Gegensatz zu diversen seiner Kollegen wurde er nicht schwer verwundet, leidet aber aufgrund erlittener Traumata unter Panikattacken, die er verzweifelt versucht, vor seiner Umgebung zu verbergen. Über mangelnde Arbeit kann er sich auch nicht beklagen, denn die allgemeine Not der Bevölkerung hat zu einer wahren „Diebstahlseuche“ geführt. Und nun noch kurz hintereinander zwei ermordete junge Frauen! Die Ermittlungen führen Reitmeyer quer durch das boomende Filmmilieu, in illegale Spielclubs und ebensolche Bordelle. Dabei kreuzen sich immer wieder seine Wege mit denen der jungen Gerti Blumfeld, die nach ihrer verschwundenen Schwester sucht und dabei selbst in Lebensgefahr gerät…

Seit ich vor zwei Jahren „Der eiserne Sommer“, Reitmeyers ersten Fall, gelesen hatte, wartete ich auf den Folgeband. Was soll ich sagen? Das Warten hat sich gelohnt!
Spannend und fesselnd geschrieben bettet die Autorin die Krimihandlung in den nicht weniger spannenden zeitgeschichtlichen Rahmen ein. Deutlich werden gegenübergestellt die große Not der Bevölkerung auf der einen Seite und das Luxusleben der Bessergestellten und Privilegierten auf der anderen. Die Hoffnung auf eine bessere Zukunft nach den furchtbaren Kriegsjahren und die immer stärker werdende Macht von rechts…

Sebastian Reitmeyer ist ein Charakter, mit dem ich gerne mitfiebre. Es ist nicht alles perfekt an ihm, er hat menschliche Schwächen und seine psychischen Probleme können durchaus mal zum Problem für andere werden. Aber in einer Welt, die immer mehr nach rechts rückt, schlägt sein Herz links und in einer Behörde, die immer mehr nach politischen Richtlinien agiert, versucht er im Rahmen seiner Möglichkeiten für das Recht zu kämpfen. Dass es bei dieser Ausgangssituation schwerlich ein gutes Ende geben kann, liegt auf der Hand – alles andere wäre unrealistisch. Und genau so wirkt das Buch nicht, im Gegenteil erscheint es mir von vorne bis hinten sehr wirklichkeitsnah.
Im Anhang finden sich Anmerkungen, die höchst interessant im Buch vorkommende Ereignisse und Personen geschichtlich einordnen. Reitmeyer ist eine fiktive Gestalt, doch hoffe ich sehr, dass es Polizisten wie ihn gegeben hat.

Fazit: Der zeitgeschichtliche Rahmen wird immer brisanter, trotzdem hoffe ich auf noch mindestens einen weiteren Fall für Kommissär Reitmeyer.

»Reitmeyer lagen durchaus ein paar Ausdrücke auf der Zunge. Aber er beherrschte sich … Dieser Anwalt Gadmann war ihm natürlich nicht unbekannt. Der trat seit Längerem auf den Plan, wenn es galt, Verdächtige aus dem rechten Spektrum rauszuhauen. Und dabei stieß er kaum auf Widerstand, dank seiner ausgezeichneten Vernetzung mit »vaterländischen« Kreisen, denen auch der Polizeipräsident, der Staatsanwalt und der Justizminister angehörten. … Wenn sich ein Polizeikommissär hier einmischte, hätte er schlechte Karten. Sehr schlechte.«

Bewertung vom 30.10.2016
Belt, Paul M.

Geschichten aus Nian - Lindenreiter


ausgezeichnet

»Ach Papa, denk doch nur, wie man auf einem solchen Blatt über das Meer fahren oder es an einem Mast als Segel benutzen könnte! Einen Sonnenschirm könnte man daraus bauen oder … ja, man könnte sich daran festhalten, wenn es abfällt, und mit ihm wie ein Winddrachen durch die Lüfte fliegen!«

Nian – ein Land, in dem Menschen und Tiere winzig klein sind, Pflanzen und Bäume aber ihre normale Größe haben und dadurch zwangsläufig riesig erscheinen. Ein Land, in dem eine vom Baum fallende Eichel eine tödliche Bedrohung darstellt und man den Kindern daher beibringt, zu Bäumen einen gehörigen Sicherheitsabstand einzuhalten. Ein Land, in dem die Küstenbewohner sich nur mit größter Vorsicht dem Meer nähern, kann doch eine einzige Welle ihr Ende bedeuten. Und trotzdem auch ein Land, das große Träumer hervorbringt – und was die bewirken können, wird in den hier vorliegenden ersten Geschichten aus Nian wunderschön beschrieben.

Die drei Geschichten sind in sich abgeschlossen und fügen sich doch zu einer großen Geschichte zusammen. In jeder durfte ich junge Träumer und Träumerinnen kennenlernen, die es schaffen, in ihnen verborgene besondere Begabungen zu entdecken und zu nutzen.
Von der ersten Seite her zog mich das Buch in seinen Bann. Fasziniert las ich von dem Jungen, der davon träumte, auf einem Blatt zu fliegen. Das war so schön, so intensiv beschrieben, dass ich mir sicher war: Hätte ich das Buch als junges Mädchen gelesen, ich hätte sehnsüchtig auf den nächsten Baum und seine Blätter gestarrt ;-)
Aber nicht nur die phantastischen Schilderungen sind es, die den besonderen Reiz des Buchs ausmachen. Da ist diese große Verbundenheit mit der Natur, die sich durch die ganze Handlung zieht. Der Respekt vor dem „Anderssein“, denn alle Träumer im Buch sind vor dem Entdecken ihrer jeweiligen Begabungen zunächst dadurch aufgefallen, dass sie in irgendeiner Art „anders“ sind als die Masse. Und nicht zuletzt wird es auch spannend, denn eine gewaltige Macht bedroht Nian, die Lage scheint aussichtslos. Ob die Träumer ihr Land retten können?

Der Stil gefiel mir sehr, alles ließ sich leicht lesen. Auch witzige Elemente fehlten nicht, beispielsweise habe ich mich über die verschiedenen Arten, in denen Bäume, Pflanzen oder Elemente sprechen, sehr amüsiert. Meiner Meinung nach eignet sich das Buch für alle Altersklassen, dafür spricht auch die Widmung:
»Für alle großen und kleinen, inneren und äußeren Kinder, Träumer und all diejenigen, die hierin einen Teil von sich wiederentdecken.«

Fazit: Ein wunderschönes Buch über eine faszinierende Welt, von der ich noch viel mehr lesen möchte!

10 von 11 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 25.10.2016
Townsend, Tim

Letzte Begegnungen unter dem Galgen


sehr gut

In den ersten Stunden des 16. Oktober 1946 wurden in Nürnberg elf Menschen hingerichtet, deren Namen sich durch unzählige begangene Gräueltaten einen festen Platz in den Geschichtsbüchern gesichert und sich ins kollektive Gedächtnis eingebrannt hatten.
Henry Gerecke, ein amerikanischer Militärgeistlicher, betreute die Hauptverantwortlichen des Dritten Reichs während der Dauer der Nürnberger Prozesse seelsorgerlich – bis zu ihrer Hinrichtung.

Dieses Buch verhalf mir zu einigen neuen und interessanten Denkansätzen. Natürlich kannte ich die zugrundeliegenden Verbrechen (wer nicht?), aber die Hauptverantwortlichen dafür waren für mich schlichtweg Monster, die sich teils selber töteten, teils – zum Beispiel in den Nürnberger Prozessen – für ihre Taten zur Rechenschaft gezogen wurden. Und nun begegnet mir hier ein Geistlicher, der auch um all die furchtbaren Verbrechen weiß. Der vor Antritt seiner Aufgabe das Lager in Dachau besucht hatte, sich fassungslos gefragt hatte, wie Menschen zu so etwas in der Lage sein konnten. Und der trotzdem bereit war, den Menschen in Göring, Hess, Keitel usw. zu suchen, weil er es als seine Aufgabe ansah, ihnen ihre Schuld bewusst zu machen, Reue zu erwecken. Weil er hoffte, dass sie zu Gott fänden, ihre Seelen vielleicht gerettet werden könnten.

Vergebung der Sünden ist ein wesentlicher Punkt des christlichen Glaubens. Aber kann es auch Vergebung geben für Menschen, die eine solch große Schuld auf sich geladen haben? Kann millionenfacher Mord vergeben werden? Mit dieser Frage im Hinterkopf begann ich die Lektüre des Buchs. Der Autor widmet sich recht neutral dem Thema. Er stellt zunächst die Person des Henry Gerecke näher vor, berichtet über seine Herkunft, seinen Werdegang. Dabei wird deutlich, dass Gerecke die Mission als seine spezielle Aufgabe ansah. Dass er ein Mensch war, der – obwohl er Familie hatte – seinem Glauben und seiner Berufung folgend eine sichere Pfarrstelle aufgab zugunsten einer unsicheren und schlecht bezahlten Missionstätigkeit. Gerecke nahm daher auch seinen Auftrag als Seelsorger von Göring, Hess usw. sehr ernst.
Ich habe mich gefragt, ob er wohl ernsthaft an einen Erfolg seiner Mission geglaubt hat, schließlich wusste er genau um die begangenen Verbrechen seiner „Schäfchen“. Auch dem Leser werden diese in einigen Rückblicken noch mal vor Augen geführt, wobei speziell auf die Beteiligungen der jeweiligen Angeklagten eingegangen wird. Nichts wird beschönigt oder versuchsweise entschuldigt und wenn eine Nazigröße zum Gebet niedersinkt, wird das zwar sachlich beschrieben, wie ehrlich dieses Gebet aber gemeint war, kann lediglich der beurteilen, an den es gerichtet war.

Für dieses Sachbuch hat der Autor umfangreiche Recherchen betrieben, vielfältige historische Aufzeichnungen zugrunde gelegt, unter anderem solche von Gerecke selbst und Interviews geführt, beispielsweise mit Gereckes Sohn. Er wollte ein umfassendes Bild von Gerecke und von dem ebenfalls in Nürnberg aktiven katholischen Geistlichen zeigen, die bekannten Sachverhalte um eine neue menschliche Dimension erweitern. Das ist absolut gelungen. Ich war fasziniert von dem, was ich las und habe wirklich sehr viel nachgedacht. Ob es göttliche Vergebung für einige der Verurteilten geben kann, weiß ich allerdings nicht. Und ich bin auch froh, dass ich es nicht entscheiden muss ;-)

Einen Kritikpunkt habe ich vorzubringen, der mich zum Punktabzug veranlasst hat. Meines Erachtens neigt der Autor zu Ausschweifungen, zum Beispiel, wenn es um Gereckes Herkunft geht. Da hätte man einiges kürzen können, ohne dass Inhalt oder Zusammenhänge gelitten hätten.

Fazit: Hochinteressantes Thema aus einem neuen Blickwinkel beleuchtet. Ein Buch, das nachdenklich macht.

Bewertung vom 16.10.2016
Weiss, K. J.

In ohnmächtiger Wut


sehr gut

»Sie können das nicht verstehen. … Früher dachte ich ähnlich wie Sie. Gegenseitige Achtung, ein geordnetes Miteinander, keine Gewalt, das waren meine Ziele, die ich durchsetzen wollte. Doch ich wurde eines Besseren belehrt.«

Jens Baumgard, Lehrer an einer Gesamtschule, kann es nicht fassen: Einige seiner Schüler zeigen sich offen aggressiv, aber keinem seiner Kollegen scheint das aufzufallen. Eines Tages wird ein ausländischer Schüler brutal zusammengeschlagen und Jens kann die einzige Zeugin der Tat zu einer Aussage überreden.
Bei seinem Gang zur Polizei ist Jens überzeugt, das Richtige zu tun. Tatsächlich erkennt er erst nach und nach, worauf er sich da eingelassen hat. Denn seine Gegner gehören zu einer Gruppe von Neonazis und schon bald müssen er und seine Familie erfahren, dass es in ihrem Leben keine Sicherheit mehr gibt…

Die hier erzählte Geschichte dürfte niemanden kalt lassen. Themen wie das dargestellte gehen leider immer wieder durch die Medien, manch einer kennt sie sogar aus eigener Erfahrung oder durch Betroffene im Bekanntenkreis.
Die Autorin schafft es von der ersten Seite an, den Leser zu fesseln. Ich jedenfalls mochte das Buch nicht aus der Hand legen, so intensiv waren die Schilderungen, so brennend der Wunsch zu lesen, wie es weitergeht. Beim Lesen kochten immer wieder die Gefühle hoch. Fassungslosigkeit, Wut, Angst – emotional keine leichte Lektüre. Durch wechselnde Erzählperspektiven wird die Handlung mal aus der Sicht des Lehrers, mal aus der seiner Frau oder seiner Kinder erlebt. Diese vier weisen zudem verschiedene Charaktere und Ansichten auf, was den Leser stetig zum Nachdenken anregt. Was würde ich tun? Ein Gedanke, der mich durch das ganze Buch begleitet hat.

Bei dem Wort Neonazis denkt man zunächst an Ausländerhass, aber in diesem Buch stehen im Grunde andere Themen im Vordergrund. Da geht es um Zivilcourage, um Gerechtigkeit, um die Sorge um die eigene Familie und um die Frage, wie weit man bereit ist, sich für Dinge oder Menschen, die einem wichtig sind, einzusetzen. Deutlich (und meines Erachtens nach zu recht) wird angeprangert, wie sehr der Staat leider immer wieder versagt, was den Schutz seiner Bürger angeht. Wie sehr sich so mancher dadurch im Stich gelassen und auf sich selbst gestellt fühlt!
Hier setzt mein Kritikpunkt an. Denn eben diese Aussagen sind doch auch die Argumente derer, die „Flüchtlinge raus!“ brüllen. Auch die fühlen sich im Stich gelassen, glauben, dass der Staat sich nicht um sie kümmert und dass dies ihre Gewalt als reinen Selbstschutz legitimiert. In keiner Weise will ich das in Schutz nehmen, jegliche rechte Ansichten sind mir zuwider. Aber ich fürchte, dass ein Leser, der ohnehin schon „besorgt“ ist, sich durch die Deutlichkeit, in der die Ohnmacht des Staates und der Polizei dargestellt wird, bestärkt fühlen könnte.

Eine Woche nach Beenden des Buchs weiß ich immer noch nicht, was ich an der Stelle des Protagonisten Jens tun würde. Aber ich weiß, dass ich mir wünsche, dass in dieser Welt mehr und gründlicher nachgedacht wird. Dazu regt das Buch an. Ich wünsche mir allerdings auch mehr Mut zur Zivilcourage und ein stärkeres Verurteilen von gewalttätigen Lösungen. Und was das angeht, könnte das Buch womöglich den gegenteiligen Effekt haben.

Fazit: Viel Stoff zum Nachdenken. Schwierige Themen, für die es keine einfachen Lösungen gibt.

»Sie wissen, auf was Sie sich einlassen, nehme ich an?«

Bewertung vom 16.10.2016
Twain, Mark

Die schreckliche deutsche Sprache /The Awful German Language


ausgezeichnet

»Some German words are so long that they have a perspective.«

Schon häufig habe ich mir überlegt, wie schwer es sein müsste, die deutsche Sprache zu erlernen, wenn man sie nicht ganz kinderleicht als Muttersprache aufnehmen konnte.
Mark Twain schildert in diesem Buch seinen Kampf mit dem Erlernen der deutschen Sprache. Zusammengesetzte Hauptwörter, trennbare Verben, „der, die, das“ statt einfach „the“ – die Liste von Dingen, über die er stolpert, ist lang. Und höchst amüsant ist die Art und Weise, in der er dies darbringt.
Zum Beispiel überträgt er einige dieser sprachlichen/grammatikalischen Besonderheiten auf die englische Sprache, baut sie in englische Texte ein. Das Ergebnis ist herrlich unterhaltsam und ich vermute, dass er beim Schreiben selbst ziemlich viel Spaß hatte.

In diesem Buch findet sich übrigens sowohl das englische Original als auch eine deutsche Übersetzung. Man sollte aber unbedingt das Original lesen, denn nur so kann man wirklich wahrnehmen und genießen, wie skurril ein englischer Text wirkt, in den man deutsche Grammatik eingebaut hat.
Als Krönung findet sich im Anschluss die Rede Twains, die er bei einem Bankett des Anglo-Amerikanischen Studentenclubs in annähernd deutscher Sprache gehalten hat. Ein unglaubliches Deutsch-Englisch-Konstrukt, bei dessen Vortrag vermutlich kein Auge trocken blieb.

Überzeugte Fans der deutschen Sprache brauchen meines Erachtens nach keine Kränkung zu fürchten. Twain übertreibt so stark, dass auch einem Sprachpuristen (so er Humor hat) dieses Buch gefallen sollte.

Fazit: Augenzwinkernde Abrechnung mit der deutschen Sprache. Sehr unterhaltsam!

»My philological studies have satisfied me that a gifted person ought to learn English (barring spelling and pronouncing) in thirty hours, French in thirty days, and German in thirty years. … If it is to remain as it is, it ought to be gently and reverently set aside among the dead languages, for only the dead have time to learn it.«

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 08.10.2016
Burger, Wolfgang

Echo einer Nacht / Kripochef Alexander Gerlach Bd.5


sehr gut

»Auf einmal gab es in meinem Kopf nur noch einen Gedanken, ein Wort: Serientäter. Jetzt ließ es sich nicht mehr länger leugnen. Zwei Jungen ähnlichen Alters waren im Abstand von nicht einmal zwei Monaten verschwunden. Ihre Elternhäuser lagen gerade mal zehn Kilometer voneinander entfernt. Und alle Erfahrung sprach dafür, dass es nicht dabei bleiben würde.«

Wenn ein Kind verschwindet, durchleben seine Eltern den schlimmsten Alptraum, den man sich vorstellen kann. Wer selber Kinder hat, fürchtet sich schon vor der bloßen Vorstellung, dass ihm so etwas widerfahren könnte. Kriminalrat Alexander Gerlach hat Kinder und der Fall des seit über zwei Monaten verschwundenen Sechsjährigen belastet ihn nicht nur beruflich schwer. Als dann auch noch der vierjährige Tim verschwindet, müssen Gerlach und sein Team sich mit dem Gedanken an einen Serientäter befassen. Ein Gedanke, der schon bald neues Futter bekommt. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt…

Auch dieser Heidelberg-Krimi gehörte zu der Sorte von Büchern, die man nicht aus der Hand legen mag. Absolut gefesselt verfolgte ich das gesamte Spektrum an Ermittlungen, das im Falle eines verschwundenen Kindes angesetzt wird. Kein Aspekt, kein mögliches Verdachtsmoment wurde ausgelassen und auch die Rolle der Medien trat immer wieder deutlich hervor. Die Spannung blieb dabei hoch und gipfelte in einer überraschenden Auflösung, die ich trotzdem als logisch und schlüssig empfand.

Die kleinen Zwischenepisoden, die von Alexanders häuslichen Problemen (Stichwort: pubertierende Zwillingstöchter) berichten, erheiterten mich wie immer und bildeten so ein willkommenes Pendant zu der ansonsten für mich als Mutter emotional sehr stressigen Krimihandlung.

Fazit: Nach dem fünften Fall für Alexander Gerlach steht mein Urteil fest: Wo Burger draufsteht, ist ein toller und unterhaltsamer Krimi drin.

»Es ist gar nicht so einfach, zwei Vegetarier zu ernähren, die weder Salat noch Gemüse mögen.«

Bewertung vom 08.10.2016
Klüpfel, Volker;Kobr, Michael

Grimmbart / Kommissar Kluftinger Bd.8


sehr gut

»Kluftinger schritt an einer Reihe düsterer Portraits vorbei, vermutlich Ahnen des Schlossherrn, die einst in diesen Mauern gehaust hatten. Sie waren in massive Holzrahmen gefasst, deren goldene Farbe zum Teil abgeplatzt war und ... Er hielt inne. Ein Bild fehlte. Stattdessen hatte jemand etwas an die Wand gepinnt. Einen Zettel, oder ... »Können Sie mal mit dem Kerzenleuchter kommen?«
Rothenstein stellte sich neben ihn, und jetzt konnte der Kommissar endlich ein bisschen mehr sehen. Es war kein Zettel, der da an der Wand hingt, es war ein Foto. Ein Polaroid.
»Darf ich?«, fragte er und zeigte auf die Kerzen. Der Mann nickte, und der Kommissar nahm den Leuchter in die rechte Hand. Er machte noch einen weiteren Schritt auf das Foto zu, dann stieß er die Luft aus. Denn in diesem Augenblick wurde ihm klar, dass es noch eine lange Nacht werden würde.«

Ein altes Schloss, das aussieht, wie aus einem Horrorstreifen entnommen, wird zur Kulisse für ein reales Verbrechen, dem grausamen Mord an der adligen Schlossherrin. Kluftinger hat ein Rätsel zu lösen, zu dessen Bestandteilen eine bizarr drapierte Leiche, ein verschwundenes Gemälde und eine alte Adelsfamilie gehören. Gleichzeitig weht mit der neuen Polizeipräsidentin ein völlig neuer Wind durch seine Abteilung. Plötzlich stehen Dinge wie Fortbildungen, Medienkompetenz und Schiesstraining im Raum – und das ausgerechnet zu einer Zeit, in der Kluftis Privatleben ihm kaum Gelegenheit zum Entspannen gibt. Denn der große Tag ist nahe, sein Sohn Markus heiratet in Kürze seine Yumiko. Ehefrau Erika rotiert, Lieblingsfeind Dr. Langhammer ist ständig mit Rat und Tat zur Stelle und zu allem Überfluss muss Klufti auch noch tagelang Yumikos aus Japan angereiste Eltern beherbergen…

Wer einen Krimi sucht, bei dem man zwischendurch ordentlich lachen kann, der liegt mit einem Klufti-Krimi genau richtig. Der Kultkommissar aus dem Allgäu, dessen Vornamen wir vermutlich nie erfahren werden, ist für mich mit und trotz all seiner Eigenarten ein herrlich skurriles und liebenswertes Original, das mich auch in seinem achten Fall bestens unterhalten hat. Als Ermittler sollte ihn aber niemand unterschätzen, denn der „Columbo des Allgäu“, wie er gelegentlich genannt wird, hat einen glasklaren Verstand und löst den kniffligsten Fall. Zumindest, solange er dabei nicht englisch sprechen muss ;-)
Der Fall selber gestaltet sich ungewöhnlich und spannend und bietet darüber hinaus Gelegenheit zum Mitraten. Ich freu mich auf den nächsten Band!

Fazit: Auch der achte Fall für Klufti ist ein Volltreffer. Bitte mehr davon!

»Ja, halt ein japanisches Rezept«, brummte der Kommissar, riss das Paket auf und bot Miyako die Reiskekse an.
»It is Puffreis«, erklärte er. »Also ... Paff... zefix ... I mean, where se Geishas are. Freudenhaus...Fun-House-Rice.«

Bewertung vom 08.10.2016
Klüpfel, Volker;Kobr, Michael

Herzblut / Kommissar Kluftinger Bd.7


ausgezeichnet

»Aber wenn du es mit deinen Maschinen da …«, Kluftinger zeigte vage in den Raum, »… also verarbeitest oder so, dann müsstest du doch noch mehr hören, oder?« …
Zint nickte. »Also, von mir aus. … Gib mir mal dein Sync-Kabel.«
»Hm?«
Zint stieß hörbar die Luft aus. »Dann mail mir das Audiofile.«
»Hm?«
»Hättest du dann die Güte, es mir als Datei per MMS zu schicken?«
Die beiden taxierten sich ein paar Sekunden, dann sagte Kluftinger: »Was hältst du davon, wenn ich’s dir einfach in die Hand gebe?«

Anfangs ist Kluftinger der einzige, der davon überzeugt ist, dass die Aufzeichnung dieses eigenartigen, anonymen Anrufs nicht weniger hören lässt, als einen soeben begangenen Mord. Aber als er kurz darauf vor den Beweisen seiner Annahme steht, wünscht er sich, er hätte sich geirrt. Zumal es nicht bei einem Mord bleibt und Klufti und seine Kollegen erkennen müssen, dass sie es mit einem Serienmörder zu tun haben, dessen Taten überaus grausam und blutig sind. Dieser Fall erfordert vollen Einsatz – nur leider erfreut sich Klufti nicht wie sonst bester Gesundheit. Viele Jahre voller Kässpatzen rächen sich nun und der von Herzbeschwerden geplagte Kommissar muss sein Leben umstellen: Gesundes Essen, kein Alkohol, weniger Geschimpfe – und Yoga…

Was hatte ich einen Spaß beim Lesen! Wobei man den Krimi nicht unterschätzen darf, dieser Klufti-Krimi wird richtig blutig. Außerdem bleibt es spannend bis zum Schluss, die chronische Leichenunverträglichkeit unseres Protagonisten wird immer wieder herausgefordert. Es gibt reichlich Stoff zum Mitermitteln und am Ende löste sich alles logisch und von der Motivlage her nachvollziehbar auf.

Bei einem Klufti-Krimi hat die Nebenhandlung regelmäßig einen hohen Stellenwert. Diesmal muss Kluftinger versuchen, sein Leben umzustellen. Wer ihn kennt, der ahnt, dass dies kein leichtes Unterfangen wird. Zumal wenn Lieblingsfeind Dr. Langhammer nicht nur als sein Arzt, sondern auch noch als sein Yogalehrer auftritt.

Daneben erfreut Kluftinger den Leser mit seinem absolut perfekten Unverständnis moderner Technik und Medien und mit der Zielgenauigkeit, mit der er von einem Fettnapf in den nächsten springt, beispielsweise im Gespräch mit dem Vater seiner angehenden japanischen Schwiegertochter. Großartig auch seine Yogaeinheit auf der Bürotoilette! Und sein Mantra erst… ;-)

Fazit: Was hatte ich wieder einen Spaß! Klufti ist einfach einmalig, das stellt er hier erneut unter Beweis.

»Verstehe. Und wer sind dann Sie?« …
»Ich bin sein Freund. Marius Kreißler.«
»Ach so. War [er] denn nicht verheiratet?«
Die Augen des Mannes funkelten ihn feindselig an: »Wie gesagt: Ich bin … war … sein Freund.«
»Ja, ist ja gut, ich hab’s verstanden. Dann wissen Sie doch bestimmt, ob [er] eine Frau … Freundin oder so…«
»Ich war seine Freundin.«
Erstaunt blickte Kluftinger zu Maier, der ihn bereits viesagend angrinste. Dann verstand auch er. »Ach … so. Jetzat, ja freilich. Mei, dann…«

0 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 22.09.2016

Jetzt bin ich hier


ausgezeichnet

»Da sah ich afrikanische Leute und habe sie über Dortmund gefragt und ganz plötzlich habe ich angefangen zu weinen. Sie haben mich beruhigt und haben mir geholfen. Ich wollte sterben. Alles war fremd und viel zu viel. Ich werde diesen Tag nie vergessen.«

Warum verlassen Menschen ihre Heimat? Dafür gibt es viele mögliche Gründe, manchmal sogar gute, weil einen z.B. die Liebe in die Fremde zieht. Meist jedoch geht es ganz simpel um Fragen des Überlebens, meist ist das Verlassen der Heimat nichts anderes als eine Flucht vor Krieg, Folter, Unterdrückung und/oder Hunger.

In dieser Anthologie kommen Menschen zu Wort, die aus den verschiedensten Ländern nach Deutschland kamen. Ursprünglich sollten nur Texte von Flüchtlingen aufgenommen werden, es kamen dann aber noch weitere von MigrantInnen und Menschen mit Migrationshintergrund hinzu. Alles zusammen bildet eine beeindruckende Sammlung, die sowohl inhaltlich als auch von der Art der Texte her eine große Vielfalt aufweist.

So finden sich neben sehr persönlichen Erfahrungsberichten Geschichten zu verschiedenen Themen, es findet sich ein umfangreicher Sachtext und einiges an Lyrik. Die Lektüre des Buchs ist entsprechend abwechslungsreich und kurzweilig. Zwar machen manche Texte sehr betroffen, andere hingegen sind einfach unterhaltsam zu lesen oder strahlen puren Optimismus aus. Beeindruckt haben mich in diesem Zusammenhang die positiven Gefühle, die in nicht wenigen Texten herauskommen, die Liebe zur alten Heimat, selbst wenn sie einem übel mitgespielt hat und die Verbundenheit mit der neuen Heimat, selbst wenn man sich dort noch fremd fühlt.

Neben den Texten enthält die Anthologie auch einige sehr ausdrucksstarke und thematisch passende Bilder des Künstlers Bernard Bieling. Genau wie die Autorinnen und Autoren hat er auf sein Honorar verzichtet. Dieses geht, wie auch ein großer Teil der Erlöse aus dem Buchverkauf, an den Verein Exil e.V. in Osnabrück. Mit dem Kauf erwirbt man also nicht nur ein hochinteressantes Buch, sondern tut auch noch etwas Gutes.

Fait: Ein Buch, das einen bleibenden Eindruck hinterlässt. Ich kann diese Anthologie jedem interessierten Leser wärmstens empfehlen.

»Ich habe gelernt, dass Heimat nicht nur ein Ort ist, wo wir geboren sind, sondern es ist das Gefühl, das wir von Menschen bekommen, das Gefühl der Akzeptanz, der Zugehörigkeit und Liebe, und um dieses Gefühl zu entwickeln, müssen wir die Menschen zuerst akzeptieren. Wir müssen sie akzeptieren und lieben und langsam werden sie anfangen, uns zurückzulieben.«