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hasirasi2
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Dresden

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Insgesamt 1229 Bewertungen
Bewertung vom 07.06.2020
Pötzsch, Oliver

Die Henkerstochter und der Fluch der Pest / Die Henkerstochter-Saga Bd.8


ausgezeichnet

Wenn sich Geschichte wiederholt

„Der … schwarze Reiter kommt in die Stadt … Er holt die Sünder, einen nach dem anderen … gib acht auf seine Pfeife!“ (S. 105) sind die letzten Worte, welche der Kaufbeurener Henker Conrad Näher Jakob Kuisl zuflüstert, bevor er zusammenbricht und kurz darauf an der Pest stirbt. Dabei feiern die Kuisls gerade ein großes Wiedersehen, Magdalena und Barbara sind mit ihren Familien aus München nach Schongau gekommen, weil Magdalenas zweiter Sohn Paul – ihr Sorgenkind – beim Großvater in die Lehre gehen soll. Nur sein großer Bruder Peter fehlt noch. Der musste den zukünftigen Kurfürst Max Emanuel trotz der Pestepidemie nach Wien begleiten, soll aber jeden Tag in Kaufbeuren eintreffen. Als Peter auch Tage später immer nicht angekommen ist, machen sich Jakob Kuisl, Magdalena und Simon auf die Suche nach ihm. Dabei stolpern über weitere ungewöhnliche Pestopfer – irgendetwas stimmt da nicht. Es sind immer nur einzelne Personen, die Krankheit verläuft untypisch. Nutzt eventuell ein perfider Mörder die Pestwelle, um unauffällig zu töten?

Der achte Band der Saga um die Henkersfamilie Kuisl von Oliver Pötzsch ist aktueller denn je. Während wir heute gegen Corona kämpfen, ängstigen sich seine Protagonisten vor der Pest. Die letzte Welle ist gerade mal 50 Jahre her und es gibt Überlebende, die sich mit Grauen daran erinnern. Genau wie heute gibt es abgeriegelte Städte, Menschen werden isoliert, Feste abgesagt. Und es gibt Ungläubige, welche die Situation ignorieren, negieren oder schamlos ausnutzen. Die Menschen suchen ihr Heil im Glauben und obskuren Heilmethoden, nur wenige schwören auf Sauberkeit und Hygiene. Dazu gehören die Kuisls, allen voran Magdalenas Mann Simon. Er ist Arzt und wird vom Kaufbeurener Stadtrat damit beauftragt, eine Ausweitung der Pest zu vermeiden – man will das in wenigen Tagen stattfindende Tänzelfest auf keinen Fall absagen, auch nicht nach weiteren Todesfällen ...

Was als gemeinsame Suche von Magdalena, Simon und Kuisl nach der Ursache der Pesterkrankungen beginnt, wird schon bald zu einem Wettlauf gegeneinander und gegen die Zeit. Sie scheinen es mit einem mächtigen Gegner zu tun zu haben und geraten selbst in Lebensgefahr.
Innerhalb des Familienverbandes gibt es viele Spannungen. Magdalena fühlt sich seit langem von Simon vernachlässigt, der anscheinend nur noch für seine Arbeit lebt, ihr Sohn Paul macht ihnen große Sorgen. Er neigt seit frühester Kindheit zu Brutalität und will – wie Magdalenas Bruder Georg – die Henkerstradition der Familie fortführen. Georg ist seit Jahren Kuisls Geselle und wartet darauf, dass der Vater ihm endlich wie versprochen das Amt als Henker übergibt.

Oliver Pötzsch schreibt unglaublich spannend und mitreißend. Er lockt mit diversen Spuren, Verdächtigen und Verschwörungstheorien. Außerdem spickt er die Handlung mit vielen historischen und medizinischen Details. Besonders gefallen haben mir die immer wieder versteckt oder offen auftauchenden Hinweise zum Rattenfänger von Hameln und die Überlegungen, inwieweit man damals schon die Pest als biologische Waffe genutzt hat.

5 Sterne und meine Leseempfehlung nicht nur für Histo-Fans.

Bewertung vom 04.06.2020
Ruckser, Elisabeth

Bäuerinnen, Brot und Sehnsucht


ausgezeichnet

Brote wie von früher

Ich backe schon seit mehreren Jahren Brot, meist auf der Basis von Sauerteig, aber auch mit Hefe. Mein Sauerteig heißt übrigens Herrmann - wie der Kuchen früher - und ich habe festgestellt, dass er mit dem Alter immer besser wird.

Die Autorin stellt 9 Bäckerinnen (eigentlich sogar 12, denn zu einem Hof gehören 3 Frauen) und ihre wirklich vielfältigen Rezepte vor. Die Frauen haben sich alle auf etwas spezialisiert, backen z.B. noch nach uralten Familienrezepten und in alten Öfen, verwenden nur eigenes Getreide oder wilde Kräuter. Ich fand es sehr spannend und interessant, diese Geschichten zu lesen.

Nach einer Einführung zu Mehlsorten, Anstellgut, Gewürzen, Vor- und Zubereitung und das richtige Backen – bei der auch ich „alter Hase“ noch Neues lernen konnte – werden die Bäuerinnen kurz vorgestellt, bevor zu jeder ein eigenes Kapitel mit den jeweiligen Rezepten kommt.

Inzwischen habe ich schon einige Rezepte probiert, habe mich endlich auch mal an Brote mit Quell- und Kochstücken getraut und bin begeistert, wie einfach die eigentlich sind und wie gut sie funktionieren. Besonders gut geschmeckt haben uns das Karotte-Walnuss-Brot und Margits Bauernbrot. Außerdem habe ich zum ersten Mal Roggenbrötchen gebacken, die aussahen und geschmeckt haben wie von unserem Lieblingsbäcker.

Die Rezepte haben verschieden Schwierigkeitsstufen und sind sehr verständlich mit Schritt-für-Schritt-Anleitungen beschrieben, so dass sie auch ein Anfänger nachbacken kann.

Uns hat das Buch überzeugt. Es bietet das passende Backwerk für jeden Geschmack und jede Gelegenheit und ich werde es weiter regelmäßig nutzen.

Bewertung vom 03.06.2020
Reet, Hanna

Ein Mordsgeschenk für Agathe


ausgezeichnet

Agathe kann`s nicht lassen

Was schenkt man eine 90jährigen am besten zum Geburtstag? Das hat sich auch Familie Christiansen gefragt und für die begeisterten Krimileserin und Kreuzworträtsellöserin kurzerhand selbst ein Krimiwochenende auf einer Ostseeinsel organisiert. Vielleicht hätten sie das aber doch lieber einem Profi überlassen sollen, denn ihr Plan verselbständigt sich bald, die (viel zu vielen) Eingeweihten verstricken sich in Widersprüche und die Situation eskaliert. „Fehler sind was für Anfänger, Könner produzieren Katastrophen.“ (S. 148)

Mit viel Humor erzählt Hanna Reed, wie der geplante „harmonische Familienurlaub“ langsam jeder Kontrolle entgleitet. Nicht nur, dass Agathe anders reagiert und handelt, als ihre Familie es erwartet hätte, den schönen Plan damit ad absurdum führt und ihnen das Leben schwer macht, nach und nach kommen auch noch diverse langgehütete Geheimnisse ans Licht. Außerdem wird ordentlich gezankt und sich sogar geprügelt – wie es bei solchen Feiern eben gern mal passiert.

Die Autorin schreibt sehr unterhaltsam und kurzweilig und die Dynamik innerhalb der Gruppe funktioniert toll. Die Gegenstücke ihrer Protagonisten meint man zum Teil aus der eigenen Familie zu kennen. Da gibt es z.B. den ewigen Single, der dazu verdonnert wird, sich um die immer noch sehr rüstige Agathe zu kümmern, und die vorlauten, mit allen Wassern gewaschenen Urenkel, welche die Situation ihrer kopflosen Eltern schamlos ausnutzen. Mein Highlight aber war der Bombenentschärfer, den nur die eigene Mutter zur Explosion bringt.

Mit 186 Seiten ist das Büchlein perfekt für einen gemütlichen und spannenden Tag am Strand oder um sich einen Sonntag lang auf eine Ostseeinsel zu träumen.

Bewertung vom 01.06.2020
Stern, Anne

Schatten und Licht / Fräulein Gold Bd.1


ausgezeichnet

Starker Auftakt

Berlin 1922: Hulda Gold ist schon 26, unverheiratet und Hebamme im Bülowbogen im Stadtteil Schöneberg. Eine ihrer Schwangeren sorgt sich, weil ihre Nachbarin Rita (eine Säuferin und Hure) tot im Landwehrkanal gefunden wurde für die Polizei schon feststeht, dass es Selbstmord war. Hulda wiegelt ab, aber als sie den zuständigen Kriminalkommissar Karl North kennenlernt und hat sie auch das Gefühl, dass der in dem Fall gar nicht ermitteln will. Als sie erfährt, dass Rita Streit mit ihrem Zuhälter und ihm mit seiner Vergangenheit gedroht hatte, begibt sie sich selber in die Berliner Unterwelt und damit in Gefahr …

„Fräulein Gold: Schatten und Licht“ ist der Auftakt der Trilogie um die Hebamme Hulda Gold und den Kriminalkommissar Karl North und hat mich von Beginn an gefesselt. Es ist eine Symbiose der Hebammensaga von Linda Winterberg und der Gereon-Rath-Reihe von Volker Kutscher. Man erfährt viel über die Arbeitsweise der Hebammen, bekommt man einen guten Einblick in die Polizeiarbeit, die politischen Entwicklungen und das Erstarken der Nationalsozialisten.
Autorin Anne Stern lässt das Berlin der 20er Jahre lebendig werden. Sie zeigt einerseits die Wunden, die der Krieg in die Stadt und ihre Bevölkerung gerissen hat, den täglichen Kampf ums Überleben, Frauen, die arbeiten gehen oder sich prostituieren müssen, hungernde Waisenkinder und andererseits das wilde Nachtleben mit Jazz, Alkohol, Koks und schnellen Sex mit Fremden – die vielen Varianten, wenigstens kurz den Krieg, Alltag, Hunger und die Sehnsüchte zu vergessen. Die Zeit ist schnelllebig und gefährlich. „Berlin war ein einziger Reigen aus Vergnügungen, Champagner und Zügellosigkeit, aus irrlichterndem Glitzern, Drogen, körperlicher Liebe, so viel man wollte. Doch am Ende bezahlte man immer dafür.“ (S. 317)

Anne Sterns Protagonisten haben Ecken und Kanten, eine Vergangenheit.
Rita hat in einem Irrenhaus vor den Toren Berlins gearbeitet. Lange war sie überzeugt, dass die Ärzte den Patienten mit den zum Teil sehr ungewöhnlichen Behandlungsmethoden helfen wollen, aber der Krieg und der Umgang mit den Versehrten und Kriegszitterern hat ihr die Augen geöffnet.
Hilda ist mutig, dabei manchmal etwas leichtsinnig, hilfsbereit, durchsetzungsfähig und lässt sich nichts verbieten. Sie liebt ihre Arbeit und ist trotzdem oft unzufrieden, weil gern mehr für ihre Patientinnen tun würde, aber nicht darf. „Ich kann schlecht wegsehen, bin mit meinen Gefühlen immer gleich dabei. Vielleicht hoffe ich, dass ich mich dadurch selbst erlösen kann.“ (S. 197) Sie hat eine gescheiterte Beziehung hinter sich, kann den Mann aber immer noch nicht loslassen. Außerdem quälen sie nächtliche Albträume – ihre Mutter war psychisch krank und sie hat Angst, wie sie zu werden.
Karl ist ein Einzelgänger und hat Angst, dass jemand von seiner Herkunft erfährt, darum lässt er erst niemanden an sich heran. Er wird die Dämonen seiner grausamen Kindheit im Waisenhaus nicht los. Die Frage, warum seine Mutter ihn weggeben hat, ihn nicht lieben konnte, beschäftigt ihn sehr, er fühlt sich in seinem Leben fremd. „Er würde sich, egal wie hoch er die Karriereleiter noch emporsteigen würde, doch immer wie der kleine Waisenjunge fühlen, während sein Assistent schon jetzt so selbstverständlich auftrat, als gehöre ihm die ganze Welt.“ (S. 171) In Ritas Wohnung entdeckt er etwas, was ihn erschrickt und vielleicht seiner Herkunft näherbringen könnte – aber will er es wirklich wissen?

Hulda und Karl geraten bei der Aufklärung des Falls immer wieder aneinander. Sie hält ihn für unfähig und bequem, er sie für vorlaut, zickig und streitsüchtig. Und obwohl sie ihre Nachforschungen getrennt anstellen, kommen sie letztendlich zum gleichen Ergebnis. Zudem finden sie sich, geben das aber natürlich nicht zu.

Anne Stern schreibt sehr spannend, farbenprächtig, mitreißend – einfach grandios. Ich bin begeistert und will unbedingt wissen, wie es mit Hulda und Karl weitergeht, welche Fälle sie in Zukunft auf

3 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 27.05.2020
Holenstein, Alexandra

Auszeit bei den Abendrots


ausgezeichnet

Szenen einer Ehe

„Mein Mann hat mich hier sitzen lassen. Keine Ahnung, was ich jetzt tun soll.“ (S. 7) Helen ist irritiert. Eigentlich waren Josef und sie unterwegs nach Venedig zum Urlaub mit Freunden, doch dann ist Josef an einer Autobahnmautstelle ohne ein Wort aus dem Auto gestiegen, hat seine Tasche genommen und ist gegangen. Am nächsten Tag schreibt er ihr eine Mail, dass er eine Auszeit von der Ehe bräuchte, sich auf sich selbst besinnen will und das Studio im Haus eines Freundes mieten wird. Für 2-3 Monate vielleicht. Dass die Auszeit Nathalie heißt, Josefs Assistenzärztin und so alt wie ihr gemeinsamer Sohn Tobi ist, zieht Helene dann endgültig den Boden unter den Füßen weg. 26 Jahre sind sie jetzt verheiratet. Sie hat ihm die ganze Zeit den Rücken frei- und die Familie zusammengehalten. Und dass soll es jetzt gewesen sein?!
Ihre Freundin Adrienne beruhigt sie. Josef hat sicher nur eine Midlifecrisis und sie kann abwarten, bis er sich wieder fängt und ihn dann zurücknehmen oder sich überlegen, ob sie das überhaupt will. „Was wünschst du dir denn?“ (S. 170)

„Auszeit bei den Abendrots“ von Alexandra Holenstein ist ein sehr unterhaltsamer und überraschender Selbstfindungsroman mit bitterbösem Humor. Erstens kommt es nämlich anders und zweitens, als man denkt. Während sich Josef nach der Entdeckung ganz auf sein junges Glück konzentriert, sucht Helene nach einer neuen Aufgabe für ihr weiteres Leben. Sie wollte schon immer einen Kurs in Aquarellmalerei, ein Wein- und ein Schreibseminar besuchen. Das alles macht sie jetzt auf Josefs Kosten. Natürlich nicht an der VHS, sondern in der Toskana, Österreich und der Provence. Dabei lernt sie neben neuen Dingen und Orten auch ein paar sehr interessante neue Männer kennen die ihr zu verstehen geben, dass sie durchaus noch attraktiv ist. Helene findet zu neuem Selbstvertrauen und verdient sich ihren (und meinen) Respekt. Ihre beste Freundin Adrienne steht ihr dabei die ganze Zeit zur Seite, gibt Tipps und Ratschläge und rückt ihr den Kopf zurecht., wenn sie sich mal wieder verrennt. So eine Freundin braucht jede Frau!

Wie schon in „Das Heinrich-Problem“ lebt die Geschichte von den skurrilen, mitten aus dem Leben gegriffenen Protagonisten und ihren alltäglichen Problemen. Mit spitzer Feder zeigt die Autorin, wie schnell und amüsant Träumen können. Da ist die jüngere Geliebte nämlich nicht das naive Schäfchen und die Ehefrau wartet geduldig, bis der Herr seine Krise überwunden hat – so wie er es sich erträumt, sondern die Frauen haben selber Wünsche und Vorstellungen, wie ihr Leben verlaufen soll. Mein besonderes Highlight war das Pärchen, mit denen Helene und Josef eigentlich den Venedig-Urlaub verbringen wollten. Ein selbstgefälliges und besserwisserisches, ach so romantisches und harmonisches Pärchen, dass mich stark an Hedwig und Hellmuth aus „Papa ante Portas“ erinnert hat – ein (Alb)Traum!

5 Sterne und meine Leseempfehlung!

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 22.05.2020
Benedict, Sophie

Grace und die Anmut der Liebe / Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe Bd.13


sehr gut

Die Herzensbrecherin

„… was gibt es denn Schöneres, als jemand anderen zu spielen, jemand anderes zu sein, auch wenn es nur für ein paar Stunden ist?“ (S. 7) Seit ihrer frühesten Kindheit weiß Grace Kelly, dass sie nur eins werden will – Schauspielerin. Doch ihre Eltern sind dagegen. Die Vorfahren ihrer Mutter sind aus Deutschland nach Amerika eingewandert, die ihres Vaters aus Irland. Mit viel Disziplin und Durchsetzungskraft haben die Kellys ein Millionenimperium aufgebaut und waren nebenher erfolgreiche Sportler, da passt ein musisch begabtes und interessiertes Kind so gar nicht ins Konzept. Man erwartet Höchstleistungen von Grace und ihren 3 Geschwistern, oder wenigstens eine passende Ehe! Trotzdem setzt sich Grace durch, studiert in New York Schauspiel und modelt nebenher sehr erfolgreich. Grace wird immer wieder von ihren Lehrern und Kritiker gelobt – nur ihre Eltern sind stets unzufrieden. „Irgendwann wird dieser Zirkus ja vorbei sein. Dann kommst du wieder heim und heiratest.“ (S. 182) Selbst als sie den Oscar gewinnt, sind sie nicht stolz, sondern nur überrascht – sie hatten es ihr schlichtweg nicht zugetraut. Zudem sind sie nie mit ihren Freunden bzw. Liebhabern einverstanden. Diese sind fast immer älter, oft ihre Lehrer oder Kollegen. Obwohl Grace mehrfach verlobt war, ist es durch den Einfluss ihrer Eltern nie zu einer Hochzeit gekommen. Erst Fürst Rainier von Monaco ist ihnen recht.

„Grace bewegte sich mit natürlicher Anmut und Eleganz, sie war eine junge Frau, die wusste, dass das Leben vor ihr lag, und die fest entschlossen schien, ihren Weg durch diese Welt zu finden.“ (S. 31)
Sophie Benedict hat hier einen sehr interessanten biografischen Roman geschrieben, bei dem die Liebe leider zu kurz kommt (für die diese Reihe so berühmt ist). Sie schreibt unterhaltsam, flüssig, liefert viele Fakten und zeigt Grace` Verbindungen mit berühmten Künstlern auf, lässt den Leser aber leider nicht in ihr Herz schauen. Grace bleibt unnahbar - scheint trotz der Affären unberührbar. Überhaupt könnte man den Eindruck gewinnen, dass sie ihre Partner danach auswählte, ob sie sie in ihrer Karriere voranbringen oder ihr den unnahbaren Vater ersetzen.
Zudem hört das Buch ausgerechnet da auf, wo es spannend wird – als sie Fürst Rainier kennenlernt und ziemlich schnell heiratet, nach nur einem gemeinsam verbrachten Nachmittag wegen eines Fotoshootings. Ich hatte das Gefühl, dass sie ihn nicht aus Liebe nimmt – auf die sie vorher immer so viel Wert gelegt hat, sondern aus Berechnung und Pflichtgefühl. Ihre Karriere ist auf dem Höhepunkt, sie hat Angst, bald aussortiert zu werden, und einen besseren Zeitpunkt zum Abtreten gibt es bekanntlich nicht. Außerdem sind ihre Eltern endlich stolz auf sie.

Obwohl mir bei diesem Buch das Gefühl fehlt, hat es mich sehr gut unterhalten und ich habe viel Wissenswertes über Grace Kelly erfahren.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 20.05.2020
Konnerth, Silvia

Heidesommerträume


ausgezeichnet

Ein echter Wohlfühlroman über beste Freundinnen, Schwestern und Familie

„Kinderlos, in schwierigen Familienverhältnissen, Single, mit bröckelnder Karriere.“ (S. 77) – so beschreibt sich die Liebesroman-Bestsellerautorin Carolin selbst, weil ihr Leben gerade den Bach runtergeht. Eigentlich soll sie in wenigen Wochen das endgültige Manuskript ihres nächsten Romans abgeben, aber seid ihr Freund sie vor 3 Monaten verlassen hat, hat sie eine Schreibblockade. Ihre beste Freundin Moni ist Frisörin, verpasst ihr erst mal eine neue Frisur und schlägt ihr dann vor, dass sie doch etwas Abstand gewinnen und endlich mal wieder ihre Schwester Lola in der Lüneburger Heide besuchen soll. Die betreibt dort zusammen mit ihrem Mann Paul ein schnuckeliges Romantikhotel. Carolin ist inzwischen verzweifelt genug, um Monis Vorschlag anzunehmen. „Sie musste unbedingt den Knoten in ihrem Hirn lösen und gleichzeitig, mit etwas Glück, vielleicht sogar den in ihrem Herzen.“ (S. 67) Doch bei Lola läuft alles anders als geplant. Das Hotel sieht verwahrlost aus, die Gäste sind unzufrieden und bei Lola und Paul hängt der Haussegen schief. Die Situation eskaliert, als Lola einfach abhaut. Plötzlich müssen Carolin und Paul allein mit allem klarkommen. Und dann sind da noch der Porschefahrer, der ihr Herz zum Stolpern bringt, die Angst, dass ein Hoteltester unter den nörgelnden Gästen ist und ein Familiengeheimnis, von dem Carolin keine Ahnung hatte und das zu einem riesigen Missverständnis führt ...

Ich habe Carolin und ihre beste Freundin Moni sofort gemocht. Die beiden sind mitten aus dem Leben gegriffen und herrlich normal. Carolin zweifelt an ihrer Kreativität, ob sie überhaupt je wieder ein Buch schreiben und über ihren Ex hinwegkommen können wird, der sich leider immer noch á la „Lass uns Freunde bleiben“ in ihr Leben einmischt. Moni verzweifelt, weil sie mit ihrer Teenagertochter überhaupt nicht mehr klarkommt, da hilft auch das Wörterbuch der Jugendsprache nicht wirklich weiter (danke für die Lachflashs diesbezüglich). So eine Freundin wie Moni wünscht man jeder Frau – lustig, etwas fordernd und immer für einen da, wenn man sie braucht.
Auch in Lola und Paul konnte ich mich gut einfühlen. Lola ist mit dem Hotel überfordert und erhofft sich mehr Unterstützung von Paul, der eigentlich Tierarzt ist, gleichzeitig kann er ihr aber nichts recht machen. Paul ist verzweifelt, weil er gern die entspannte Lola wiederhätte, in die er sich mal verliebt hat. Er ist es auch, der beiden Schwestern wirklich zuhört und so das Problem klären kann, dass schon Jahre zwischen ihnen steht – ein toller Mann.
Der heimliche Star des Buches aber ist Hannibal – mehr wird hier nicht verraten.

„Heidesommerträume“ von Silvia Konnerth ist ein echter Wohlfühlroman über beste Freundinnen, Schwestern, Familie und natürlich Männer ;-). Perfekt zum Abtauchen, Lachen, Entspannen und Mitfiebern. Die Handlung ist überraschend, spritzig, leicht und sehr unterhaltsam. Ich habe mich beim Lesen mehrfach gefragt, inwieweit Carolin Silvias Alter Ego ist – nicht wegen der Männerprobleme, sondern den Selbstzweifel und Schwierigkeiten während des Schreibprozesses. Sie gewährt hier nämlich einen ganz wunderbaren Einblick in den Alltag einer Schriftstellerin und räumt dabei mit so manchem Klischee auf. Ich bilde mir ein, sogar eine kleine Hommage an Bridget Jones entdeckt zu haben.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 18.05.2020
Werkmeister, Meike

Über dem Meer tanzt das Licht


sehr gut

Alltagssorgen auf der Urlaubsinsel

„Sterne sieht man nur im Dunkeln“ von Meike Werkmeister war letztes Jahr eines meiner Überraschungs-Highlights. Darin ging es um Anni, die auf Norderney zu sich selbst findet und zurück zu ihrer Freundin Maria, mit der sie sich vor Jahren wegen eines Mannes zerstritten hatte.
Jetzt erzählt sie in „Über dem Meer tanzt das Licht“ Marias Geschichte. Die betreibt das Café Strandmuschel auf Norderney, hat 2 Töchter und einen jüngeren Lebensgefährten, den Surflehrer Simon. Sie ist nach vielen Jahren als Reiseleiterin endlich angekommen. „Heute fühlte ich mich hier freier, als ich mich je zuvor irgendwo gefühlt hatte.“ (S. 14) Leider kommt ihre ältere Tochter Morlen langsam in die Pubertät und rebelliert gegen sie. Simon vermittelt immer wieder zwischen ihnen und dient als Puffer – obwohl er nicht Morlens Vater ist.

Marias heile Welt stürzt ein, als Simon ihr eröffnet, dass er mit ihrer gemeinsamen Tochter Hannah, die erst 10 Monate alt ist, für einigen Wochen campen fahren wird. „Niemand reist immer wieder an neue Orte, wenn er nicht vor irgendetwas davonläuft.“ (S. 53) Er braucht die Zeit für sich, will allein für Hannah sorgen und ihr seine Art zu leben zeigen. Maria soll die Zeit nutzen, um sich wieder mit Morlen zusammenzuraufen und zu überlegen, was sie mit dem Haus ihre Mutter machen will. Ab da geht alles schief. Simon ist weg, Morlen verbringt den Sommer lieber mit ihrem Vater und Maria stellt fest, dass ihr Café nicht genug Gewinn abwirft. Dann tauchen auch noch zwei Männer in ihrem Laden und in ihrem Leben auf und wollen sie erobern. Außerdem bewegt sie die Frage, wer ihr Vater ist – daraus hat ihre Mutter immer ein großes Geheimnis gemacht. Ob sie in deren alten Tagebüchern die Antwort findet?!

Leider hat mich Meike Werkmeister diesmal nicht ganz so begeistern können. Das Buch ist ein schöner Sommer-Sonne-Strand-Roman mit einem wunderbaren Setting, tollen Beschreibungen der Insel und der Produkte, die Maria nach den Rezepten ihrer Mutter herstellt und im Café verkauft, um mehr Geld einzunehmen. Das Inselleben wird sehr farbefroh mit all seinen Vor- und Nachteilen beschrieben und macht richtig Lust auf Sommerurlaub. Aber mir wurden diesmal zu viele Probleme auf einmal gewälzt. Nicht nur Maria, auch ihre alte Freundin Toni, die sie überraschend besucht, und die beiden Männer, die um Maria werben, haben ernsthafte Probleme und Sorgen. Zudem muss sie feststellen, dass Simon in ihrer Beziehung gar nicht so glücklich ist, wie sie immer gedacht hat. Dazu kommt die Sorge, ob er ihr auf seiner Reise treu bleibt.
Die Gefühlsachterbahn, die mir im ersten Buch der Autorin so gefallen hat, wurde hier schnell zum Schleudergang. Es waren mir zu viele parallele Baustellen, da wäre weniger eindeutig mehr gewesen und ich hätte mich vielleicht auch in einzelne Ereignisse besser einfühlen können.

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 13.05.2020
Simon, Teresa

Die Lilienbraut


ausgezeichnet

Farina

Farina steht nicht nur für eine berühmte Kölner Parfum-Firma und deren Duft, sondern ist auch das italienische Wort für Familie. Und um Familien und deren Geschichten geht es auch in Teresa Simons neuem Buch „Die Lilienbraut“. Sie hat es wieder geschafft, dass mich die Schicksale der beiden Frauen sofort in ihren Bann gezogen haben. Ich habe mit ihnen mitgefiebert, gebangt und gehofft und gleichzeitig wieder viel Neues über die Entwicklung von Düften und über Köln und seine Vergangenheit im Nationalsozialismus gelernt.

Nellie und ihr Bruder Martin haben es als Katholiken in der damaligen Zeit besonders schwer. Köln ist eine Nazi-Hochburg, alles Andersartige soll ausgemerzt oder gleichgeschaltet werden. Die katholische Jugendbewegung als Gegenstück zur Hitlerjugend ist der Obrigkeit ein Dorn im Auge. Die Jugendlichen werden immer wieder überfallen und brutal misshandelt. Viele schließen sich aus Protest den Edelweißpiraten an. Auch Martin sucht deren Nähe, Nellie und ihre Mutter wissen kaum wohin mit ihrer Angst um ihn. Außerdem unterstützen sie heimlich ihre jüdischen Nachbarn und versuchen, wenigstens deren Kinder vor den Transporten in die Ungewissheit zu retten. Es ist diese Hilfe, der Widerstand im Kleinen, mit denen sie sich in Gefahr bringen, der mich besonders beeindruckt hat. Sie bleiben bei dem ganzen Wahnsinn ringsum mitfühlende, hilfsbereite Menschen.
Besonders bewegt hat mich auch das Schicksal von Nellies Freundin Greta. Ihre Familie stammt ursprünglich aus Italien und obwohl sie schon seit Generationen in Deutschland leben, werden sie immer noch als Ausländer angesehen. Um die Firma zu retten, fügt sich Greta pflichtbewusst in die Ehe mit einem ungeliebten Nazi-Funktionär. Die Beziehung droht sie zu zerbrechen, kann sie sich retten? Wenn ja, um welchen Preis?

In der heutigen Zeit kämpft die junge Muslima Nouria, Livs Freundin und Angestellte, um ein freies und selbstbestimmtes Leben. Sie will sich von ihrer Familie abnabeln, ohne deren Rückhalt und die Bindung zu verlieren – eine sehr interessante Persönlichkeit.

Neben den starken Frauenfiguren, die Theresa Simons Romane für mich immer so interessant und spannend machen, hat es mir diesmal auch eine männliche Nebenfigur angetan. David ist ein Sinto mit berühmten Vorfahren und Familienmitgliedern. Über die Geschichte seiner Familie hätte ich gern noch mehr erfahren – vielleicht spielt ja im nächsten Buch der Autorin die Hauptrolle?!

Leider habe ich auch die „Lilienbraut“ wieder viel zu schnell ausgelesen. Es war ein Wechselbad der Gefühle, sehr emotional, und hat mich gleichzeitig traurig und froh zurückgelassen. Traurig, weil einige meiner Lieblingsfiguren nicht überlebt haben und froh, weil Teresa Simon in ihren Büchern auch zeigt, dass man die Hoffnung und seine Menschlichkeit nie verlieren soll. Ein Lesehighlight und besonderes Herzensbuch. #gegendasvergessen