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hasirasi2
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Dresden

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Insgesamt 1229 Bewertungen
Bewertung vom 09.07.2020
Jensen, Merle

Nordfriesenzauber


sehr gut

Silverager

Inken, Nele und Wiete sind beste Freundinnen, sogenannte „Silverager“. Sie singen gemeinsam im Husumer Shanty-Chor, wohnen zusammen und arbeiten in Inkens Restaurant „Wattparadies“.
Inkens Mann ist vor kurzem gestorben und hat vorher das ganze Geld durchgebracht - das traut sie sich aber weder ihren Freundinnen, noch ihrer Tochter zu sagen, um sein Andenken nicht zu beschmutzen, denn bis dahin haben sie eine perfekte Ehe geführt. Sie versucht um jeden Preis und gegen den Willen der Bank, ihr Restaurant zu halten.
Neles Mann ist nach einem Konkurs mit einer Jüngeren durchgebrannt und Wietes große Liebe schon vor Jahrzehnten heimlich über Nacht nach Brasilien ausgewandert. Auch Nele und Wiete haben jeweils ein Geheimnis, für das sie sich schämen und dass sie vor den anderen unbedingt verbergen möchten. Dabei wäre es so viel einfacher und vor allem befreiender, die Sorgen zu teilen. Es muss allerhand Dramatisches und Amüsantes passieren, bis endlich alle Fakten auf dem Tisch liegen und sie neu durchstarten können.

„Nordfriesenzauber“ von Merle Jensen ist ein netter Sommer, Sonne, Nordseeroman mit viel Flair und sympathischen Protagonistinnen in den besten Jahren. Die Handlung ist zwar an einigen Stellen vorhersehbar, hat aber auch ein paar Überraschungen auf Lager. Alles in allem ein gelungener Mix aus Liebe, Freundschaft, Geheimnissen und hoffnungsvollem Neubeginn. 3,5 Sterne

Bewertung vom 08.07.2020
Kalpenstein, Friedrich

Prost, auf die Wirtin


sehr gut

Die T-U-F-Methode

„Immer wenn es am ungünstigsten ist …“ (S. 9) denkt Kommissar Constantin Tischler, als er am Sonntagmorgen zu einem Mord gerufen wird. Dabei ist er gerade erst nach Brunngries gezogen, lebt noch aus Umzugskartons und sein Dienst beginnt eigentlich erst am Montag, aber darauf hat der Mörder leider keine Rücksicht genommen.

Doch zum Fall. Franziska, die Wirtin des Dorfes, liegt erschossen im Wald und da ihr Mann ein Säufer, extrem eifersüchtig, aufbrausend, gewalttätig und ein Waffennarr ist, gilt er als Hauptverdächtiger. Leider kann Tischler ihm die Tat nicht nachweisen. Ist der Wirt besonders geschickt vorgegangen oder war es jemand anderes?!

„Prost auf die Wirtin“ ist der Auftakt einer humorvollen Krimireihe von Friedrich Kalpenstein. Kommissar Constantin Tischler ist Anfang 30 und hat sich aus München in die Chiemgauer Alpen versetzen lassen, weil man auf dem Land schneller Karriere machen kann und er seine Jugend auf einem Internat in der Nähe verbracht hat. Daher kennt er auch die Gegend und Bewohner noch etwas. Er ist Single, sehr auf seinen Oldtimer, einen Jaguar E-Type 1969, und seine Hightech-Kaffeemaschine fixiert.
Zu Tischlers Mitarbeitern gehört der übereifrige Polizeiobermeister Fink. Fink ist ungefähr gleichalt, immer etwas übereifrig, mit einem Faible für Trachtenjanker und bespricht leider alles mit seiner Mutter – auch aktuelle Ermittlungsstände. Er wird von den Kollegen gemobbt, auch Tischler muss ihn sich erst „zurechtstoßen“. (In dem Zusammenhang fand ich es übrigens sehr witzig, dass Tischler für das kollegiale DU ist, beim Anschnauzen aber siezt.) Doch nicht nur Fink, auch Sachbearbeiterin Luise Brandt treibt Tischler durch ihre eigenmächtigen Aktionen an den Rand der Verzweiflung. Überhaupt scheinen in Brunngries immer alles über alles Bescheid zu wissen und jeden zu kennen – wie das auf dem Dorf eben so ist.

Man merkt dem Krimi an, dass Friedrich Kalpenstein ein großer Fan der Eberhofer-Reihe von Rita Falk ist – schon wegen der Kneipe und dem Metzger mit seinen Leberkäs-Semmeln als Ortsmittelpunkt. Aber für mich hätte es noch etwas mehr Spannung und bayrischer Lokalkolorit sein können und dafür etwas weniger Privatleben des Ermittlers.

Ach ja, wenn ihr wissen wollt, was die T-U-F-Methode ist, müsst ihr das Buch schon selbst lesen ;-).

Mein Fazit: Ein schöner Urlaubskrimi und ambitionierter Auftakt einer neuen Reihe mit etwas Luft nach oben.

Bewertung vom 07.07.2020
Steinborn, Margit

Ein neuer Himmel


gut

Ein wichtiges Buch #gegendasvergessen, auch wenn der Erzählstil nicht meins war

Berlin 1938: „Die Zeit mit Dir war die schönste in meinem Leben.“ (S. 78) sagt Peter zum Abschied zu seiner großen Liebe Hannah, denn er wird eine andere heiraten.
Peter ist ein aufstrebender Jurist im Reichsinnenministerium, Hannah Musiklehrerin und Jüdin. Die beiden verbindet eine große Liebe, aber seine Karriere und Familie gehen mit einer jüdischen Ehefrau nicht konform. Hannah versteht und schweigt, sagt ihm nicht, dass sie schwanger ist und zieht die gemeinsame Tochter Melina allein auf. Aber vergessen können sich die beiden nie.
Als Hannah Anfang der 40er Jahre ihre Arbeit als Lehrerin und ihre Wohnung verliert, will sie in die Schweiz emigrieren, schafft es allerdings nur bis in die Nähe von Würzburg auf ein einsames Gehöft, den Sandnerhof. Die Familie Sandner nimmt sie bereitwillig auf und versteckt sie viele Jahre, sie gehören quasi zur Familie, aber es wird immer gefährlicher für alle …
In der gleichen Zeit macht Peter Karriere. Er ist für die „Judenfrage“ zuständig, organisiert die „Umsiedlungen“ und denkt lange, dass die Juden nur dazu gebracht werden sollen, das deutsche Gebiet zu verlassen. Er entwickelt das Ghetto Theresienstadt als Vorzeigeobjekt und verschließt seine Augen vor dem, was wirklich geschieht. Erst, als es fast zu spät ist, begreift er was die Nazis planen, und versucht den Wahnsinn zu stoppen ...

Autorin Margit Steinborn erzählt in „Ein neuer Himmel“ die Geschichte des 2. Weltkrieges anhand fiktiver Protagonisten. Sie beschreibt Hannahs Leben im Untergrund, die ständige Angst vor Entdeckung und wie ihre Tochter Melina damit aufwächst. Parallel dazu erlebt man Peters Aufstieg, seine Gewissensbisse und Sorgen wegen Hannah – er denkt, sie sei emigriert – und wie er langsam begreift, was in den Ghettos und Lagern wirklich passiert. Außerdem kommen auch zwei Pfarrer, die über Jahre Juden aus dem Land schmuggeln, und die Sandners selber regelmäßig zu Wort. Diese häufigen Perspektivwechsel sollen die Schrecken der Nazis und den Widerstand der Bevölkerung aus verschiedenen Blickwinkeln zeigen, mir allerdings wechseln sie in zu kurzen Abständen und bremsen dadurch immer wieder meinen Lesefluss. Zudem bindet die Autorin sehr viele geschichtliche Fakten und Daten in die Handlung ein, ich hatte an einigen Stellen das Gefühl, eher ein Geschichtslehrbuch zu lesen. Und obwohl mich die Geschehnisse an sich sehr bewegen, mir Hannah und Melina extrem leidtaten, konnte das Buch durch seinen etwas emotionslosen und hölzernen Erzählstil keine echten Gefühle bei mir wecken. Trotzdem ist es ein sehr wichtiges Buch #gegendasvergessen.

Ein wichtiges Buch #gegendasvergessen, auch wenn der Erzählstil nicht meins war.

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Bewertung vom 25.06.2020
Williams, Laura Jane

Dein Lächeln um halb acht


ausgezeichnet

e-m@il für Dich meets Was ihr wollt

Welche Singlefrau träumt nicht vom letzten ersten Date? Dem Date, bei dem alles passt und man den Partner fürs Leben findet? In „Dein Lächeln auf halb acht“ von Laura Jane Williams ist es allerdings ein Mann, Daniel, der unbedingt Nadia dazu einladen möchte. Das Problem ist nur, dass er sie bisher nur vom Sehen kennt. Jeden Montag stürmt sie in allerletzter Sekunde in die 7.30-Uhr-U-Bahn, in der er bereits sitzt und nie traut er sich, sie anzusprechen. Dann bringt sein Mitbewohner ihn auf die Idee, eine Anzeige in „Missed Connections“ zu schalten – einer Rubrik der Metro-Zeitung für Annoncen, wenn man jemanden in der U-Bahn gesehen hat und kennenlernen will.
Nadia ist süchtig nach diesen Annoncen und liest auch die für sie bestimmte, kann sich aber nicht vorstellen, dass sie wirklich gemeint ist. Ihr letzter Freund hat ihr Selbstvertrauen stark beschädigt und erst als eine Freundin sie bestärkt, antwortet sie ebenfalls mit einer Annonce. Ein amüsanter Schlagabtausch via Anzeigen beginnt, dem bald viele Menschen auf Twitter folgen – aber trauen sich die beiden auch irgendwann zu einem richtigen Treffen?

Das Buch kam als Überraschungspost vom Verlag und hat mir sehr gut gefallen. Ich bin eigentlich kein Fan von Liebesgeschichten, die meisten sind mir zu romantisch oder vorhersehbar oder es werden zu viele Dramen eingebaut, aber bei „Dein Lächeln um halb acht“ passte einfach alles. Die Geschichte ist eine Kombination aus „e-m@il für Dich“ und „Was ihr wollt“ und wird abwechselnd aus Nadias und Daniels Sicht erzählt. Beide haben schon andere Beziehungen und erste Verluste hinter sich und sind jetzt bereit für DEN Partner für den Rest ihres Lebens, aber den gilt es erst mal zu finden. Unbewusst laufen sie sich nach der ersten Anzeige immer mal wieder über den Weg, das Schicksal scheint sie also unbedingt zusammenführen zu wollen, aber irgendwas geht immer schief. Und obwohl man sich natürlich von Anfang denken kann, wie die Sache letztlich ausgeht, ist doch der Weg dahin sehr amüsant, unterhaltsam und abwechslungsreich und wird durch die geschickten Wendungen in der Handlung nie langweilig. Das Ende hat mir besonders gut gefallen und war für mich extrem romantisch.

Bewertung vom 24.06.2020
Conrad, Carolina

Tödliche Algarve / Anabela Silva ermittelt Bd.3


ausgezeichnet

Kein Wort von Mord

… ist die Anweisung des Staatsanwaltes an Chef-Inspektor João Almeida, als auf dem Pilgerweg Via Algarviana in kurzer Zeit 3 Wanderer verschwinden und bald darauf eine verweste, von Wildschweinen angefressene, Leiche gefunden wird. War es ein Unfall oder Mord? Da einer der Vermissten ein Deutscher ist, kann João seine Freundin, die Übersetzerin Anabela anfordern. Dass die beiden ein Paar sind, weiß bisher nur sein Kollege – Privates und Berufliches wird streng getrennt. Auch, dass eine der anderen Vermissten Almeidas Halbschwester ist, soll nach Möglichkeit niemand erfahren ...

„Tödliche Algarve“ ist bereits der dritte Teil der Reihe um die deutsche Journalistin Anabela Silva und Chef-Inspektor João Almeida. Als Anabelas Vater an Alzheimer erkrankte, ist sie nach Portugal zurückgekehrt, um ihre Mutter bei der Pflege und Betreuung des Vaters zu unterstützen. Da sie zeitlich unabhängig sein will, arbeitet sie nicht mehr als Journalistin, sondern als freie Übersetzerin. Mir gefällt, wie Carolina Conrad den Familienzusammenhalt der Silvas zeigt und dabei weder die Erkrankung noch die Belastung für die Angehörigen beschönigt oder überdramatisiert. Es ist toll, wie liebevoll sie trotz allem mit ihrem dementen Vater umgehen, das zieht sich als roter Faden durch die Reihe.
Mit João ist sie seit dem ersten Fall zusammen und wenn es nach ihrer Mutter geht, könnten die Hochzeitglocken bald läuten, aber Anabela hält sich ihr gegenüber sehr bedeckt – sie und João scheinen mit der bisherigen Situation sehr zufrieden zu sein.

Ich bin schon nach wenigen Seiten wieder an der Algarve und in Anabelas Leben angekommen. Man merkt dem Buch an, dass die Autorin in der Gegend lebt. Sie beschreibt die örtlichen Gegebenheiten sehr anschaulich und macht Lust auf eine Pilgertour auf der relativ unbekannten Via Algarviana.
Der Fall der entwickelt sich nur langsam, bleibt dafür aber bis zum Ende sehr spannend. Fieberhaft suchen die Ermittler nach Gemeinsamkeiten oder Berührungspunkten der Vermissten, um hinter die Beweggründe des Täters zu kommen, immer mit dem Staatsanwalt und der Presse im Nacken.
Joâo bittet Anabela, sich wegen der verschwundenen Wanderer umzuhören, was ihrer natürlichen Neugier entgegenkommt. Sie ist sehr geschickt, wenn es um die Beschaffung von Informationen geht, da merkt man, dass sie Journalistin war. Und obwohl die bei den Verhören nur übersetzen soll, stellt sie oft die richtigen Fragen. Sie scheint den Polizisten bald einen Schritt voraus zu sein und gerät selbst in Gefahr.

Mich hat „Tödliche Algarve“ wieder sehr gut unterhalten – spannend und mit viel portugiesischem Flair ist er der perfekte (Urlaubs-) Krimi.

Bewertung vom 21.06.2020
Ribeiro, Gil

Schwarzer August / Leander Lost Bd.4 (2 MP3-CDs)


ausgezeichnet

Angekommen

„Wir sind nicht nur verantwortlich für das was wir tun, sondern auch für das, was wir nicht tun.“ Moliére.

Leander und Soraia genießen den Sonntag in der Villa Elias, als ein Anruf kommt. Eine kleine Bankfiliale im Hinterland der Algarve wurde mittels Autobombe gesprengt, der Attentäter hatte es auf Schließfächer abgesehen. Aber warum hat er die 40.000 Dollar aus einem der Fächer nicht mitgenommen? Wurde er bei der Tat gestört? Leanders Kollege Miguel Duarte vermutet sofort einen islamistischen Hintergrund des Anschlages.
Am nächsten Tag geht ausgerechnet bei dem Journalisten, der die Polizei über die Explosion informiert hatte, ein ungewöhnlich verschlüsseltes Bekennerschreiben ein. Leander (Asperger-Autist) versteht den Inhalt sofort, aber der Attentäter stellt (noch) keine Forderung. Wenige Tage später sprengt er 3 japanische Thunfischtrawler im Hafen von Olhão und macht klar, dass er auf den Tier- und Umweltschutz hinweisen will. Ist der Täter wirklich ein Idealist, wie Leander vermutet? Wieviel Zeit haben er und seine Kollegen, eh der Bombenleger Personenschäden in Kauf nimmt oder sogar forciert?

„Schwarzer August“ ist bereits der vierte Band der Krimireihe um den deutschen Kommissar Leander Lost, der im Rahmen eines Austauschprogramms nach Portugal gekommen und wegen Land und Leuten geblieben ist. Inzwischen ist er mit Soraia, der Schwester seiner Kollegin Graciana, zusammen und scheint damit endlich auch in seinem Leben angekommen zu sein. Der Autor Gil Ribeiro vermittelt die Unterschiede zwischen „normalen“ Menschen und Autisten sehr anschaulich und zeigt, was es für Leander bedeutet, sich auf andere Menschen einzulassen, seine Gewohnheiten zu ändern und die Komfortzone zu verlassen. Dabei sorgt Leander nicht nur einmal für Erheiterung. Allerdings ist er durch sein fotografisches Gedächtnis, seinen analytischen Verstand und die Fähigkeit, die Lügen seines Gegenübers zu erkennen, inzwischen auch ein unverzichtbarer Bestandteil des Teams. Besonders interessant fand ich seine Überlegung, dass er durch seine Krankheit weniger wert wäre als seine Kollegen und seine Begründung dieser These.

Die Ermittlungen gestalten sich schwierig und damit für den Hörer sehr spannend. Carlos hat früh einen Verdacht, aber die Person passt nicht ganz in das Raster, das Leander und seine Kollegen entwickelt haben. Sie geben bei den Ermittlungen alles, liefern sich rasante Verfolgungsjagden und Schusswechsel und agieren immer als Team, auch wenn sich Miguel in einer Situation (wieder mal) als Einzelkämpfer und Held darstellt. Gil Ribeiro erzählt sehr anschaulich, man merkt, dass er sonst Drehbücher schreibt.
Auch dieser Teil der Reihe lebt neben dem interessanten Fall vom Zwischenmenschlichen der Protagonisten (Leander und Graciana sind nicht das Einzige Liebespaar) und dem Lebensgefühl und Flair der Algarve.

Andreas Pietschmann hat das Hörbuch toll eingelesen. Er bringt Leanders sperrige Persönlichkeit durch seine Art ihn zu sprechen sehr gut rüber.

„Schwarzer August“ war wieder ein tolles Hörerlebnis und ich hoffe, dass die Reihe auch nächstes Jahr weitergeht.

Bewertung vom 18.06.2020
Isaac, Catherine

Für einen Sommer


gut

Spannende Grundidee, aber zu verzettelte und überfrachtete Handlung

Als die Biologin Allie im Schrank ihrer Grandma Peggy einen Pullover sucht, weil sie ihr zum Geburtstag einen ähnlichen schenken will, findet sie einen Brief aus dem Jahr 1983. Wenn stimmt, was darinsteht, ist ihr ganzes Leben auf einer Lüge aufgebaut. Sie stellt Peggy zur Rede, aber die verbietet ihr kategorisch, irgendjemanden aus der Familie darauf anzusprechen, schon gar nicht ihren Vater, der sie nach dem frühen Tod der Mutter allein aufgezogen hat. „Ich werde Dir nie verzeihen, wenn Du es doch tust.“ (S. 42) Doch Allie will wissen, was damals passiert. Ein Hinweis im Brief führt nach Italien an den Gardasee. Sie weiht nur ihren besten Freund Ed in ihre Pläne ein, der sie kurzerhand begleitet, weil es in seiner Bilderbuchehe kriselt.

Allie ist eine sehr zielstrebige und zielorientierte Frau. Sie arbeitet in der medizinischen Forschung an einem Heilmittel gegen Mukoviszidose und will immer alles genau wissen. Sie liebt Fakten, hat sich dabei aber ihre Menschlichkeit bewahrt und geht sehr liebevoll mit ihren Patienten um. Ed kennt sie seit frühester Schulzeit, beide waren Außenseiter, inzwischen ist er ein extrem erfolgreicher Geschäftsmann. Allie hatte sich gefreut, als er mit Julia endlich im Leben angekommen schien und versteht nicht, dass die Ehe jetzt kriselt. Sie ist ein analytischer Typ und hat es nicht so mit Gefühlen, darum will sie auch lange nicht wissen, warum er überlegt seine Frau zu verlassen.

Durch Rückblicke und Allies Erkundungen während der Reise kommt man dem Geheimnis immer mehr auf die Spur. Ich dachte schon früh, es entschlüsselt zu haben und wurde am Ende aber dann doch überrascht.

Wie in ihrem ersten Roman „Was in unseren Sternen steht“ thematisiert Catherine Isaacs auch hier wieder eine dramatische Krankheit und die Folgen für Betroffene und Angehörige. Doch leider konnte sie mich diesmal nicht fesseln. Die Handlung braucht viel zu lange, bis sie endlich Fahrt aufnimmt, erst ab der zweiten Hälfte wurde es endlich interessant. Dann gibt es einen Nebenstrang (am Ende sogar zwei), die ich extrem spannend fand. Mir hätte es besser gefallen, wenn sie sich auf einen davon konzentriert hätte.

Mein Fazit: Die Grundidee des Romans ist spannend, aber die Autorin hat sich in den vielen Handlungssträngen zu sehr verzettelt und das Buch damit überfrachtet. Leider fand ich auch die Nebenhandlung deutlich spannender als Allies Geschichte

Bewertung vom 14.06.2020
Winter, Claudia

Wie sagt man ich liebe dich


ausgezeichnet

Mitten ins Herz

Eduardo ist wegen Weihnachtseinkäufen in Paris, als ihm plötzlich eine junge Frau im senfgelben Mantel auffällt – sie portraitiert Touristen und sieht genauso aus wie seine große Liebe, die er vor 50 Jahren hier kennengelernt und verloren hat. Wieder zu Hause in Lissabon angekommen, setzt er seinen Enkel António auf sie an: „Ich möchte, dass du jemanden für mich suchst. Eine Frau.“ (S. 23)

Die junge Frau heißt Maelys, stammt aus der Bretagne und studiert Kunst. Als sich ihre Tante Valérie den Arm bricht und nicht mehr arbeiten gehen kann, vernachlässigt Maelys ihr Studium, um Geld für die Miete und anfallenden Rechnungen zu verdienen. Antónios Einladung nach Lissabon und der damit verbundene Auftrag, ein Portrait von seinem Großvater zu malen, kommen ihr sehr entgegen, denn er bezahlt außerordentlich gut und sie mag ihn. Maelys stellt nur eine Bedingung: ihre Tante Valérie wird sie begleiten. Dass ausgerechnet dieser Wunsch alte Wunden aufbricht und lang gehütete Geheimnisse ans Licht holt, hätte niemand geahnt. „Man kann nie sicher sein, wer wann plötzlich im Leben auftaucht und es durcheinanderbringt …“ (S. 187)

„Wie sagt man ich liebe Dich“ von Claudia Winter hat mich von der ersten Zeile an bezaubert. 1966 bricht Valérie in der Bretagne mit den Konventionen, als sie ihren Eltern erklärt, dass sie nach Paris gehen wird. „Ich möchte nicht heiraten. Nicht heute, nicht morgen und auch nicht übermorgen. … Ich will ein bisschen mehr vom Leben. Mehr als das hier.“ (S. 61) Sie nimmt nur einem kleinen Koffer und wenige Kleidungsstücke mit in ihre ungewisse Zukunft, darunter ein senfgelber Mantel. Valerie hat Glück, findet eine Arbeit als Zimmermädchen in einem Hotel und schnell neue Freunde. Doch: „Das Glück ist ein Fisch, den man nur mit einem Netz aus Blut und Schweiß fängt.“ (S. 186)
50 Jahre später wagt auch ihre Nichte Maelys den Schritt nach Paris. Sie ist ein ganz besonderer Mensch und eine gute Beobachterin. Da sie nichts hören kann, kommt sie mit viel weniger Worten aus als hörende Menschen doch was sie sagt, trifft ihr Gegenüber oft mitten ins Herz.
So unterschiedlich Valérie und Maelys auch sind, haben sie doch etwas gemeinsam. Sie verfallen dem Charme portugiesischer Männer und Lissabons.

Claudia Winter lässt neben Paris vor allem Lissabon vor dem Auge des Lesers lebendig werden – ich kann den Fado förmlich hören, den Rhythmus der Stadt im Blut spüren und die Vanilletörtchen auf der Zunge schmecken. Zudem erzählt sie zwei sehr unterschiedliche Liebesgeschichten – eine leidenschaftliche und eine ganz zarte. Sie schreibt dabei wunderbar poetisch und berührt mich mit einer der bezauberndsten Liebeserklärung, die ich je gehört bzw. gelesen habe: „Ich verspreche dir nicht, dass Du den Rest deines Lebens glücklich sein wirst … Aber ich könnte deine Hand halten, wenn du traurig bist.“ (S. 195)

2 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 12.06.2020
Freytag, Anne

Das Gegenteil von Hasen


ausgezeichnet

Mit dem Rücken zur Wand

„Jeder von uns ist in der Geschichte eines anderen der Böse.“ (S. 403)
Julia, Marlene und Leonard sind befreundet und die beliebten Schüler ihrer Schule, wobei Julia immer ein bisschen im Schatten der anderen beiden steht. Das Trio hat jahrelang andere gemobbt und obwohl ihr „Hauptopfer“ heute da darübersteht, hat es die seelischen und körperlichen Verletzungen natürlich nicht vergessen.
Vor ihren Mitschülern, Freunden und der Familie ist Julia stets nett, höflich und ausgeglichen. Ihre Mutter ist stolz auf sie und dankbar, weil sie bei der Erziehung und Versorgung ihrer jüngeren Geschwister hilft. Doch alles, was Julia stört oder sie sich nicht zu sagen traut, vertraut sie ihrem Wordpress-Blog an. Sie hat Angst, sonst an den ungesagten Worten zu ersticken. „Jeder Eintrag ein Schwall aus erbrochenen Worten.“ (S. 35) Der Blog ist nicht öffentlich, nur für sie bestimmt, und auf ihrem Laptop gespeichert. Doch eines Tages ist der Laptop weg und ihre Posts werden nach und nach veröffentlicht. „Sie denkt an die vielen Wahrheiten, die oft nur in dem Moment gestimmt haben. … Worte als Ventile, die nun zu Waffen werden.“ (S. 160) Jeder Tag in der Schule wird zum Spießrutenlaufen. „Normalerweise wird Julia gesehen, heute wird sie angestarrt.“ (S. 139)
Plötzlich kennen alle ihr innersten Gedanken und Gefühle und hassen sie dafür – denn sie hält ihnen einen Spiegel vor. „Mich durch ihre Augen zu sehen, war, als würde meine Realität zum ersten Mal vollkommen scharf. Als wäre ich davor immer ein bisschen kurzsichtig durchs Leben gegangen.“ (S. 121) Was sie geschrieben hat, ist oft die Wahrheit und verletzt die Betreffenden.

Anne Freytags neuestes Jugendbuch „Das Gegenteil von Hasen“ hat mich 30 Jahre zurück in meine Schulzeit katapultiert, denn auch ich wurde gemobbt. Ich fand es interessant, die Beweggründe der Mobber zu lesen – lieber andere niedermachen und damit von sich ablenken, als selbst in die Schusslinie geraten. Und genau wie die Rektorin habe auch ich überlegt, ob ich mich so an meinen Peinigern gerächt hätte, wenn sich mir die Chance geboten hätte.

Die verschiedenen Betroffenen erzählen ihre Geschichte, Erlebnisse, Gedanken und Gefühle abwechselnd selbst, unterbrochen von den veröffentlichten Posts und dem Protokoll der Schulleitung. Dadurch ist der Erzählstil zum Teil sehr rau und hart, aber auch ehrlich, aufwühlend, erschütternd und extrem emotional. Die Hauptthemen sind Freundschaft, Vertrauen, Liebe, Sexualität und natürlich Geheimnisse.

Das Buch entwickelt schnell eine unglaubliche Dynamik, zieht den Leser in einen Sog, spielt mit Erwartungen und Gefühlen. Wann kommt der nächste Post und wen trifft es? Kommt auch Julias größtes Geheimnis ans Licht? Wo zieht der Verursacher die (moralische) Grenze? Die Suche nach ihm liest sich so spannend wie ein Krimi. Ich war mir mehrfach sicher, sie oder ihn enttarnt zu haben, und lag dann doch wieder falsch.

Und obwohl ich die Situation aus eigenem Erleben kenne, haben mir nicht nur die Schüler leidgetan, über die Julia geschrieben hat und deren Geheimnisse jetzt plötzlich keine mehr sind, sondern auch sie selbst. Sie ist eine normale Jugendliche, mit den üblichen Problemen und Sorgen, die ihren Platz im Leben noch finden muss und beliebt sein will. Und ihre Post waren ja auch nur für sie bestimmt – sie wollte niemanden absichtlich verletzen, das will nur derjenige, der sie jetzt veröffentlicht

Ich finde es gut, dass die Autorin auch auf die Auslöser fürs Mobbing eingeht – z.B. Religion, Aussehen oder sozialer Hintergrund. Damit macht sie klar, dass es jeden von uns erwischen kann. Denn wer mobben will, findet einen Grund.

Meiner Meinung nach sollte das Buch an allen Schulen als Pflichtlektüre gelesen werden.

Bewertung vom 09.06.2020
Gunnis, Emily

Die verlorene Frau


ausgezeichnet

Ein Wettlauf gegen die Zeit

1960: Die 13jährige Rebecca ruft mitten in der Nacht die Polizei an – ihre Eltern liegen beide tot im Wohnzimmer, sie selber ist blutverschmiert. Rebecca erzählt dem zuständigen Polizisten mehrfach, dass sie vor dem Schuss ein Klopfen an der Haustür und eine dritte Stimme gehört hat, aber es finden sich keine weiteren Hinweise auf diese Person. Da ihr Vater gewalttätig war und ihre Mutter die Polizei schon oft erfolglos um Hilfe gebeten hatte, geht man von einem eskalierten Streit aus.

2014: Jessie liegt zwei Tage in den Wehen, bis sie ihre Tochter Elizabeth endlich entbinden kann. Als Folge davon ist Jessie sehr geschwächt und leidet an einer Psychose. Ihre Tochter hat eine Infektion und braucht dringend Medikamente. Trotzdem verschwinden Mutter und Kind am nächsten Tag unbemerkt aus dem Krankenhaus. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt. Wenn Elizabeth nicht in spätestens 12 Stunden die nächste Infusion bekommt, wird sie nicht überleben.

Die Journalistin Iris wird auf den Fall angesetzt. Was ihr Chef nicht weiß – sie ist Jessies Halbschwester und beide sind Rebeccas Töchter. Iris merkt sofort, dass sich Rebeccas Geschichte zu widerholen scheint. Auch die hatte nach Jessis Geburt eine Wochenbettdepression. Alles scheint mit dem Mord an ihren Eltern vor über 50 Jahren zusammenzuhängen und nur wenn Rebecca endlich alles erzählt, was damals passiert ist, können sie Jessie hoffentlich rechtzeitig finden.

Wie schon in „Das Haus der Verlassenen“ hat Autorin Emily Gunnis auch hier wieder ein dunkles Stück englischer Geschichte geschickt mit einer fiktiven Handlung verbunden. Es um traumatisierte Kriegsheimkehrer, Gewalt in der Familie und darum, wie wenig Rechte Frauen noch in den 60er Jahren hatten, und um Wochenbettdepressionen und die verschiedenen Behandlungsmethoden damals und heute.

Mit viel Tempo und Spannung zieht sie alle Beteiligten und auch den Leser in einen Sog, dem man sich kaum entziehen kann. Was ist damals wirklich passiert und warum? Was ist in der Zwischenzeit geschehen und wie hängen die verschiedenen Personen und Erlebnisse zusammen und vor allem – können Jessie und Elizabeth gerettet werden?
Die Geschichte wird über mehrere Zeitstränge und aus der Sicht der verschiedenen Beteiligten erzählt, zusätzlich gibt es alte Tagebuchauszüge. Damit konnte ich mich jederzeit in die Protagonisten und Situationen einfühlen und mitleiden oder mitfiebern. Und obwohl ich mir schon beim Lesen einige Zusammenhänge zusammenreimen konnte, hat Emily Gunnis auch für Überraschungsmomente gesorgt.

Kurzum: Eine sehr spannende, tragische und trotzdem hoffnungsvolle Geschichte über Familie, Freundschaft und Vertrauen, Wahrheit und Lüge, Schuld und dunkle Geheimnisse. 5 Sterne und meine Leseempfehlung.