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Christina P.
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Hamburg

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Insgesamt 1119 Bewertungen
Bewertung vom 29.06.2020
Gruber, Andreas

Der Judas-Schrein


ausgezeichnet

Eine Hommage an H. P. Lovecraft: Krimi meets Horror
Lässt sich ein Krimi mit Grusel-Horror im Stile von H. P. Lovecraft verbinden? Das zumindest verspricht Andreas Gruber mit seinem Roman „Der Judas-Schrein“ aus dem Jahr 2005, welcher nun in überarbeiteter Version vorliegt. Als Fan von H. P. Lovecrafts Cthulhu-Fiktionen ebenso wie von Andreas Grubers genialen Krimis konnte ich bei diesem Buch natürlich nicht widerstehen.

„Es ist nicht tot, was ewig liegt, bis dass der Tod die Zeit besiegt.“ (Zitat H. P. Lovecraft, Vorwort)

Wir befinden uns im fiktiven Dorf Grein, irgendwo in Österreich. In dem ehemaligen Bergwerksort wird ein Mädchen gefunden, brutal ermordet und aussergewöhnlich verstümmelt. Die einzige Zeugin der Tat ist nicht ansprechbar. Kommissar Alex Körner bekommt den Fall aufgebrummt, obwohl ihn eine negative Vergangenheit mit diesem Ort verbindet. Zunächst scheinen die Ermittlungsergebnisse etwas unklar, doch als das Team durch ein starkes Unwetter in dem Ort festsitzt, offenbart sich ihnen nach und nach ein grauenhaftes Geheimnis, welches in den Tiefen des Ortes schlummert.

„Mir fällt auf, dass niemand den unheiligen Ort verlässt. Wie Süchtige bleiben sie hier.“ (Zitat S. 401)

Mir gefällt der Roman, sowohl vom Aufbau wie auch inhaltlich. Startet das Ganze zunächst als harmloser Kriminalfall, schleicht sich so nach und nach durch geschickt platzierte Details ein subtiler Grusel in die spannende Handlung ein. Die Story geht in angenehmer Geschwindigkeit voran, während sich der Horror langsam aufbaut. Dies gelingt vor allem durch die Rückblicke in Greins Vergangenheit, welche frühere, entscheidende Ereignisse offenbaren. Die Charaktere sind abwechslungsreich gestaltet und mir fiel positiv auf, dass auch starke Frauen im Roman vertreten sind. Der Schreibstil ist wie erwartet abwechslungsreich, unterhaltsam und zieht den Leser in seinen Sog wie das Grauen sein Opfer in die Tiefe.

Wenn jemand einen Krimi in Horror-Manier von H. P. Lovecraft schreiben kann, dann gehört Andreas Gruber eindeutig dazu. Ein sehr gelunge Hommage an den Altmeister des Grauens, welche man sich nicht entgehen lassen sollte!

Bewertung vom 29.06.2020
Beer, Alex

Der dunkle Bote / August Emmerich Bd.3 (6 Audio-CDs)


sehr gut

Brutale Mordserie in der Wiener Nachkriegszeit
Wien 1920: Kriminalinspektor August Emmerich und sein Assistent Winter ermitteln in einer brutalen Mordserie, bei welcher den Opfern die Zungen herausgeschnitten und einer Journalistin zugesendet werden. Zugleich versucht Emmerich, seine Lebensgefährtin und ihre Kinder aus den Fängen ihres brutalen Ehemannes Xaver Koch zu befreien, der seit Kriegsende in hochkriminelle Machenschaften verwickelt ist.
„Der dunkle Bote“ ist der dritte Band der historischen Krimi-Reihe um Emmerich und Winter, kann jedoch auch ohne Vorkenntnisse gelesen werden. Das damalige Wien ist düster, Arbeitslosigkeit und Hunger bestimmen den Alltag. Diese Atmosphäre ist im Roman sehr gut spürbar. Emmerich und Winter sind ein sehr ungleiches, aber dennoch erfolgreiches Ermittlerteam: Der ruppige und unkonventionelle Bulle mit seinem bedächtigen, charmanten Kollegen. Beide wissen ihre Stärken erfolgreich einzusetzen und ergänzen sich wunderbar.
Der Fall gestaltet sich als spannend und undurchsichtig, während man parallel die Pläne von Xaver Koch mitverfolgen kann. Dass dieser mit Emmerich noch eine Rechnung offen hat, verleiht dem Roman einige recht bedrohliche Szenen. Beide Handlungsstränge haben mir sehr gut gefallen, wobei die Story für meinen Geschmack allerdings zunächst etwas schleppend in die Gänge kam, bevor sie mich so richtig fesseln konnte.
Das Hörbuch wird von Cornelius Obonya gelesen, der mit seinem Wiener Akzent auf sehr geniale Art dem Kriminalfall die richtige Wiener Note verleiht und die verschiedenen Charaktere sehr gut interpretiert.

Bewertung vom 29.06.2020
Adams, Douglas;Carwardine, Mark

Die Letzten ihrer Art. Eine Reise zu den aussterbenden Tieren unserer Erde


ausgezeichnet

Mit britischem Humor auf Entdeckungsreise zu bedrohten Tierarten
Ende der 1980er war Fantasy-Autor Douglas Adams mit dem Zoologen Mark Carwardine unterwegs, um für die BBC verschiedene, vom Aussterben bedrohte Tiere zu finden. Dabei war jeder der beiden Spezialist auf seinem Gebiet: Mark war der Fachmann für Tiere, während Douglas Profi darin war, keine Ahnung von Tieren zu haben. Mit einer ordentlichen Portion britischen Humors versehen erzählt er in diesem Buch von ihren Reisen in die verschiedensten Ecken des Erdballs, von Problemen mit Behördenwillkür und Sprachbarrieren, von Erlebnissen und Missverständnissen mit Einheimischen und weiteren Fachleuten und natürlich Wissenswertes über die Tiere, welche sie jeweils suchten. Aber auch darüber hinaus plaudert Mark gern aus dem Nähkästchen und gibt jede Menge Interessantes über andere Tiere und Pflanzen preis. Ein sehr geniales Buch zum Miterleben, Schmunzeln und vielleicht auch ein wenig Nachdenken. Eines meiner Lieblingsbücher von Douglas Adams.
Das ungekürzte Hörbuch wird gesprochen von Stefan Kaminski. Seine Stimme ist klar und verständlich, auch wenn sie mir manchmal etwas zu neutral blieb. Im Booklet sind diverse Bilder ihrer Reisen vorhanden, welche sich auch in der Printversion wiederfinden.

Bewertung vom 28.06.2020
Lim, Elizabeth

Ein Kleid aus Seide und Sternen Bd.1


sehr gut

Märchenhafte Erzählung um eine mutige junge Frau
Als Tochter des Schneidermeisters Tamarin träumt Maia davon, die beste Schneiderin des Reiches A'landi zu werden. Leider bleibt den Frauen dieser Gesellschaft diese Möglichkeit verwehrt. Als ihr betagter Vater an den Hof den Kaisers beordert wird, um am Wettbewerb für die neue Stelle des kaiserlichen Hofschneiders anzutreten, sieht Maia ihre Chance und stellt sich als Mann verkleidet den Prüfungen. Ein gefährliches Spiel, denn sollte sie enttarnt werden, wäre dies Hochverrat am Kaiser - und sie des Todes. Die Konkurrenz ist hart, die Aufgaben schwer und wider Erwarten ist zudem Magie im Spiel. Unerwartete Hilfe bekommt sie von Edan, Magier des Kaisers und auf den ersten Blick ebenso undurchschaubar wie von sich selbst überzeugt. Als sie die drei magischen Kleider einer alten Legende schneidern soll, ist sie jedoch auf seine Hilfe angewiesen - und lernt die menschliche Seite Edans kennen und lieben.

"Werde nicht der Drache, der niemals fliegt." (Zitat Kapitel 14)

Das Reich A'landi ist angelehnt an die alte chinesische Kultur, wobei der Roman wie ein Crossover aus Mulan, Aladdin und einigen weiteren Märchen und Legenden wirkt. Die Ich-Erzählerin Maia ist eine mutige und selbstbewusste junge Frau, deren Familie hinter ihr steht und die mir von Beginn an sympathisch war. Leider ist der Roman, bedingt durch die Erzählperspektive, stark auf Maias Abenteuer sowie auf Edan als späteren Love Interest beschränkt, was mich zunächst weniger störte, insgesamt jedoch die wichtigen Personen am Kaiserhof recht zweidimensional wirken lässt, da man kaum etwas über sie erfährt.
Maias Abenteuer, denen sie sich stellen muss, sind von der Idee her wunderschön, jedoch hatte ich beim Lesen das Gefühl, dass es sich die Autorin stellenweise zu leicht machte und über Probleme einfach hinwegschrieb oder diese mit Magie löste. Dadurch lief es mir oftmals zu glatt, um wirklich Spannung zu erzeugen. Gut und Böse sind auf ihrem Weg zu eindeutig gezeichnet, um wirkliche Überraschungen zu bieten und die Lovestory driftet zum Schluss ein wenig in Naivität ab. Die Energie, welche die Autorin in das Wirken von Material und Farben der Kleider steckte, fehlt im Worldbuilding leider größtenteils. Das ist umso mehr schade, da es zum Buch eine wunderschön gezeichnete Karte gibt, welche zwar nicht im e-book, jedoch im Print zu finden ist.
Eine wunderschöne, leicht märchenhafte Idee um eine starke junge Frau, die für sich und ihre Lieben kämpft, deren Erzählung jedoch in den Bereichen Worldbuilding, Konfliktbewältigung und Ausbau weiterer Charaktere relativ schwach bleibt.

Bewertung vom 18.06.2020
Reed, Ava

Truly / In Love Bd.1


gut

Liebesgeschichte, bei der die Nebencharaktere interessanter waren
Manchmal läuft es im Leben anders als geplant. Diese Erfahrung muss Andie machen, als sie ein Semester später als ihre beste Freundin June ihr Studium beginnen kann. Kein Geld, kein Job, keine Wohnung – zum Glück hat sie June als Wundermittel gegen Sorgen und Zweifel. So verschafft diese ihr auch auf recht ausgefallene Weise einen Job im Szeneclub Mason’s, was den Startpunkt dieser Lovestory bildet. Im Club lernt Andie Barkeeper Cooper kennen, der es ihr sofort angetan hat, sie aber aus unverständlichen Gründen immer wieder ablehnend behandelt. Denn auch Cooper hat ein Päckchen aus der Vergangenheit zu tragen.
Die ist mein erstes Buch von Ava Reed. Da ich schon viel Lobenswertes über ihren emotional bewegenden Schreibstil gehört habe, war ich natürlich neugierig. Und es stimmt, emotional hat die Autorin ein Händchen, den Leser mitzureissen und ermöglicht es, in die Gefühlswelt der Protagonisten einzutauchen. Wirklich wunderschön, das hat mir sehr gefallen.
Auch Andie mochte ich, sie hat ein gutes Herz, ist ein wenig spleenig und manchmal etwas unsicher. Ganz das Gegenteil ist da June, die kein Blatt vor den Mund nimmt und mir manchmal in ihrem Verhalten schon etwas zu extravagant war. Ihr ist übrigens auch „Madly“ gewidmet, Band 2 der „In Love“-Reihe. Wer mir leider zu unglaubwürdig wirkte war Cooper, dessen gefühlsarmes Verhalten mich zunächst vermuten ließ, er hätte das Asperger Syndrom. Stattdessen verhält er absichtlich ablehnend gegenüber Andie, was in den aus seiner Sicht geschriebenen Kapiteln schnell deutlich wird. Dass Andie dennoch auf ihn abfährt war mir dann aber too much – dieses Schwärmen von Männern mit Bad Boy Verhalten kann ich in solchen Fällen einfach nicht nachvollziehen, egal, wie schön dessen Augen sind. Warum Cooper sich so grenzwertig verhält, lässt sich anhand diverser Triggermomente schnell erahnen. Ebenso empfand ich es als recht klischeehaft, dass Andie ausgerechnet in die Situation kommt, welche bereits im Prolog angedeutet wird, damit Cooper und Andie mal zu Potte kommen und miteinander reden statt dass sie gegenseitig ständig falsche Schlüsse zu ziehen und einander umkreisen wie zwei, die selbst nicht wissen, was sie wollen. Wohl, weil sie es tatsächlich nicht wissen.
Auch wenn sich das Buch wirklich schön lesen lässt und mir Andie sympathisch ist, konnte mich diese Liebesgeschichte nicht vom Hocker reißen. Stattdessen machte die ganze Zeit June mir Appetit auf den zweiten Band, weil in ihrer sich anbahnenden Liebesgeschichte deutlich mehr Feuer steckt.

Bewertung vom 17.06.2020
Tack, Stella

Spiel um dein Schicksal / Night of Crowns Bd.1 (2 MP3-CDs)


sehr gut

Tödlicher Fluch
Cheerleaderin Alice muss die Sommerkurse an einem der beiden örtlichen Elite-Internate belegen, um den schulischen Anschluss nicht zu verlieren. Was sie nicht weiß: Über den Internaten, welche durch einen Wald miteinander verbunden sind, liegt ein schrecklicher Fluch, welcher die Schüler, einem Schachspiel gleich, auf Leben und Tod gegeneinander antreten lässt. Und Alice ist ein Teil dieses Fluchs.
Der Beginn des Romans gefiel mir. Die 17-jährige Alice besucht mit ihrer besten Freundin eine Geheimparty der Internatsschüler, welche ansonsten unter sich bleiben und einen entsprechend versnobten Ruf unter den Schülern der nächstgelegenen Highschool haben. Nach der Party ist jedoch für Alice nichts mehr wie zuvor, sie sieht Dinge, die andere nicht sehen, und wird dadurch unkonzentriert und fahrig, was ihre schulischen Leistungen dramatisch verschlechtert. Die Sommerkurse im Internat sollen ihr da aus der Patsche helfen. Von dem Moment an, in dem sie ins Internat einzieht, ist sie von der Aussenwelt wie abgeschnitten und wird in einen tödlichen Fluch hineingezogen, welcher auf den Internaten Chesterfield und St. Barrington lastet.
Grad der Beginn, bis Alice ins Internat kommt, ist recht abwechslungsreich. Ihre Visionen, welche die anderen eben nicht sehen, ist schon auf eine gewisse Weise gruselig und ich konnte mit Alice regelrecht mitfühlen. Als sie ins Internat kommt lässt sie sich leider gleich vom ersten Typen um den Finger wickeln. Dieser entpuppt sich als der weiße König im blutigen Kampf Chesterfield gegen St. Barrington, und Alice will nicht wahrhaben, dass sie auch nur als Spielerin benutzt wird. Stattdessen ist sie viel zu sehr aufs Anhimmeln ihres neuen Schwarms konzentriert, was sie ziemlich naiv wirken lässt. Ihr einziger Vertrauer ist Curse, der, einigen Anspielungen zufolge, eine nicht unwichtige Rolle spielt und insgeheim mein Favorit der Story ist.
Der Fluch, welcher auf den Internaten lastet, geht auf die früheren Familien St. Barrington und Chesterfield zurück, welche die Namensgeber der Internate sind. Zwar werden die teilnehmenden Schüler des Spiels als Schachfiguren bezeichnet, das Spiel selbst erinnerte mich jedoch vielmehr an das gegenseitige Jagen im Wald im Stile von Tribute von Panem, mit Strategie hatte das nur wenig zu tun. Interessant sind die besonderen Fähigkeiten, welche die einzelnen Spieler entwickeln. Leider lernt man je Spielfarbe nur eine handvoll Spieler kennen, dem Rest scheint Alice überhaupt nicht zu begegnen. Oder sie ist viel zu sehr darauf konzentriert, die Spielkönige anzuhimmeln, ich weiß es nicht. Dadurch, dass alles aus Alices Sicht erzählt wird, weiß der Leser eben nur das, was auch Alice weiß, was aber genaugenommen eine sehr gute Wahl für das Buch ist. Dadurch tastet man sich langsam an Geheimnisse heran und kann sich von Wendungen überraschen lassen. Was mich leider stark gestört hat: Kaum ist der eine König weg vom Fenster, geistert ihr der nächste durch den Kopf. Dadurch rutscht die Story stark ins gängige YA-Klischee einer Dreiecksgeschichte ab.
Insgesamt hat mir das Buch recht gut gefallen, der Stil ist abwechslungsreich und unterhaltsam, es gibt einige Wendungen und vor allem zu Beginn konnte ich mich wunderbar in Alice hineinversetzen. Auch das Herantasten an die Hintergründe des Fluches empfand ich als sehr gelungen. Schwachstelle der Story ist das Klischee, wie Alice abwechselnd die beiden Könige anhimmelt und dadurch manchmal recht verblendet ist. Dies scheint sich jedoch zum Ende hin zu legen, zumindest lässt der Cliffhanger dies vermuten.
Das Hörbuch wird gelesen von Madiha Kelling Bergner. Sie hat eine angenehme, deutliche Stimme und kann dem Roman auch die passende Atmosphäre verleihen. Besonders Curse war da wohl eine Herausforderung, welche sie gut gemeistert hat. Da das Hörbuch ungekürzt gelesen wird, kann ich es auf jeden Fall empfehlen.

Bewertung vom 16.06.2020
Kurbjuweit, Dirk

Haarmann


sehr gut

Der Werwolf von Hannover, realistisch und nüchtern
Von dem Serienmörder Fritz Haarmann, der als Werwolf von Hannover in den 1920er Jahren über 20 Jungen ermordete, hatte ich bisher noch nichts gehört. Umso neugieriger war ich da, einen Kriminalroman zu lesen, der auf einem echten Kriminalfall basiert. In diesem Roman ist Polizist Robert Lahnstein dafür verantwortlich, den Fall um die vielen verschwundenen Jungen aufzuklären. Eine Mischung aus nicht immer regelkonformem Verhalten der Kollegen, wirtschaftlicher sowie politischer Unruhen und Lahnsteins Erinnerungen an seine Zeit im ersten Weltkrieg führt zu einer düsteren Atmosphäre, welche sich durch den kompletten Roman zieht. Einige Szenen aus der Sicht des Täters sowie eines seiner Opfer runden das Ganze gekonnt ab.
Die Schilderung der wirtschaftlichen sowie politischen Lage empfand ich als sehr gut greifbar, nichts wurde geschönt. Lahnsteins Erinnerungen an die Kriegszeit waren zwar ebenso erschütternd, dienten jedoch eher dazu, ihn als Charakter vielschichtiger darzustellen.
Was mir weniger gefiel, war der starke Schwerpunkt auf den homophilen Handlungen sowie der gleichzeitig im Roman immens vertretenen Homophobie. Gut, es gehört zum Fall Haarmann mit dazu, jedoch wirkte es durch seine hohe Gewichtung stellenweise so, als würde dieses Thema zu den Hauptinteressen der damaligen Bevölkerung zählen, was ich bezweifle.
Ebenfalls wurde ich mit dem Schreibstil nicht warm. Oftmals wirkt das Geschriebene aufzählend und regelrecht nüchtern, als hätte Polizist Lahnstein einen Bericht für die Akten geschrieben. Besonders die Personen wirkten dadurch stark distanziert, eher wie Darsteller. Wäre ich nicht am Fall selbst interessiert gewesen, hätte ich das Buch aufgrund dessen längst zur Seite gelegt. Entsprechend gebe ich dem Buch 3,5 von 5 Sternen.

Bewertung vom 16.06.2020
Bold, Emily

Verwoben in Liebe / Stolen Bd.1


weniger gut

Zähe Dreiecksgeschichte
Die Vollwaise Abby kommt nach Darkenhall, ein Internat für schwererziehbare Jugendliche. Der störrischen Kleptomanin soll dort geholfen werden, nicht endgültig in die Kriminalität abzurutschen. Sofort zeigen die Söhne der Schulleitung Interesse an ihr, was jedoch hauptsächlich an Abbys Seelenweben liegt, welche sie wie eine Aura umgeben und die nur von wenigen Auserwählten gesehen werden können. So wie von Tristan und Bastian Tremblay. Während Tristan den Ruf als Womanizer auslebt und kaum ein Mädchen auslässt, um an deren Seelenweben zu kommen, ist Bastian eher der zurückgezogene Typ und lebt seinen Drang nach den Weben auf andere Weise aus.
In dieser Welt ist jeder Mensch von sogenannten Weben umgeben, wobei Herz- und Erinnerungsweben gut sind, während die düsteren Seelenweben sich in zu hoher Zahl negativ auf die Menschen auswirken. Ein Punkt, der in meinen Augen Klischee pur ist. Denn wer zuviele düstere Seelenweben mit sich herumträgt, also eine zu belastete Seele hat, wird laut Definition im Buch später Straftaten begehen. Schon klar. Und Bastian, selbst kaum älter als die Jugendlichen im Internat, spielt hier den Hobbypsychologen und „behandelt“ die Jugendlichen mit seinem Pseudotraining, wonach sich die Jugendlichen zwar besser fühlen, aber nicht, weil ihnen fürs Leben geholfen wurde, sondern weil er sich einfach an ihren Seelenweben bereichert hat, um seine magischen Batterien aufzuladen. Was sein Bruder Tristan übrigens durch das Küssen der vielen Mitschülerinnen schafft.
Da Abby mit einem immensen Paket an diesen Seelenweben im Internat ankommt, übt sie einen entsprechenden Reiz auf die Brüder aus. Ehrlich gesagt schon traurig, dass die beiden nicht an ihr als Person, sondern nur an ihrer Energie interessiert sind wie Vampire an Blut. Wobei Abby aber auch kaum Eigenschaften hat, die sie mir als Leser liebenswert machen. Sie ist zickig, anstrengend, naiv und hält sich für cool. Vor allem die Abschnitte aus ihrer Sicht sind voller Gedankenkarussells und nervigen Diskussionen, wer wen warum geküsst hat und was das bedeutet – oder nicht. Sie tendiert dazu, alles Mögliche falsch zu verstehen, anderen die Worte im Mund umzudrehen und nebenbei ihren Kaugummi um den Finger zu wickeln. Wobei die Abschnitte aus Bastians Sicht fairerweise ebenfalls viele Gedankenkreisel enthalten, wenn auch nicht so stark übertrieben.
Das Abenteuer, in welches die drei geraten und in dem auch Abbys Familie eine Rolle spielt, klingt von der Idee her gut, allerdings ist der Weg dorthin ziemlich zäh und die vielen, nervigen Diskussionen mit Abby zu anstregend, um die Story als wirklich spannend bezeichnen zu können.

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Bewertung vom 07.06.2020
Musso, Guillaume

Ein Wort, um dich zu retten


sehr gut

Geheimnisse, die aufgedeckt werden wollen
Knapp 20 Jahre ist es nun her, dass sich der berühmte Schriftsteller Nathan Fawles aus der Öffentlichkeit auf die kleine französische Insel Île Beaumont zurückzog. Über die Gründe ranken sich die wildesten Vermutungen, auch wenn Fawles durch seinen Agenten ausrichten ließ, dass es keine zu ergründenden Geheimnisse rund um seinen Rückzug gäbe. Doch nun haben gleich zwei Personen stärkeres Interesse, seine Bekanntschaft zu machen: Ein junger Autor, der sich von Fawles hilfreiche Tipps erhofft sowie eine Journalistin, deren Beweggründe zunächst im Dunkeln liegen. Als ein Mordfall die Insulaner erschüttert und die Insel vom Festland abgeriegelt wird, stellt sich schon bald heraus, dass die Vergangenheit der Journalistin und die von Fawles miteinander verknüpft sind. Und mit ihnen ein grausames Verbrechen.
Das Buch ist angenehm vielseitig gestaltet mit Interviews und Perspektivenwechseln sowie vielen Zitaten aus dem Bereich der Literatur. Über allem schwebt natürlich die Frage, warum sich Nathan Fawles einst aus der Öffentlichkeit zurückzog und keine weiteren Bücher mehr verfasste. Nach und nach werden vereinzelte Puzzleteile im Roman zu einem Bild zusammengefügt, wobei es diesmal nicht allzu vielen Wendungen gibt. Zwar hatte ich beim Lesen immer mal so meine Vermutungen, wie es auch bei Krimis der Fall ist, die Wahrheit hinter dem Ganzen blieb jedoch bis zum Schluss verborgen, öffnete sich nur nach und nach wie die Blätter einer Blüte und strahlte zum Schluss mit einem Schlag die ganze Wahrheit dem Leser entgegen. Geheimnisse, sie seit rund zwanzig Jahren darauf warteten, aufgedeckt zu werden.
Ein wenig schade war, dass mir die Charaktere nie so richtig vertraut wurden. Bei Fawles war die Distanz und Unnahbarkeit, welche er im Buch zu den Menschen aufgebaut hatte, ebenso spürbar wie bei den anderen Charakteren. Zwar waren die Personen jede für sich vielschichtig gestaltet, eine Vertrautheit konnte ich jedoch zu keiner so wirklich ausmachen. Schade vor allem deswegen, weil der Autor im Roman selbst noch darauf hinweist, den Lesern die Charaktere eines Buches nahe zu bringen, um das Leseerlebnis zu intensivieren und die Emotionen des Lesers anzusprechen.
Ein gut geschriebener, abwechslungsreicher Roman mit einer stringenten Handlung und gleichbleibender Spannung, bei welchem mit leider die Charaktere etwas zu distanziert blieben.