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Raumzeitreisender
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Buchwurm, der sich durch den multidimensionalen Wissenschafts- und Literaturkosmos frisst

Bewertungen

Insgesamt 765 Bewertungen
Bewertung vom 07.07.2016

Guinness World Records 2016


sehr gut

Rekorde und ihre Geschichten

Wie viele Telefonbücher hat Rekordhalterin Tina Shelton in drei Minuten zerrissen? Wer besitzt die am weitesten vorstehenden Augäpfel? Wie lang ist das längste jemals gebaute Fahrrad? Wer ist der bestverdienende Musiker aller Zeiten? Das sind Beispiele für Weltrekorde, die in dem Buch vorgestellt werden. Leser sollten ein Faible für das Extreme besitzen.

Das Buch ist thematisch strukturiert und enthält zahlreiche Bilder. Zu den Themen zählen die Erde, Tiere, Menschen sowie menschliche Rekorde. Letztere umfassen sportliche Leistungen einschließlich sportlicher Abenteuer, Rekorde aus Wissenschaft und Technik, Kunst und Medien sowie imposante Bauwerke und machen den größten Teil des Buches aus.

Die Seiten sind collagenartig aufgebaut, das heißt sie bestehen aus Fotos, farblich abgetrennten textlichen Beschreibungen und statistischen Angaben. Die Aufmachung ist ansprechend, die Beschreibungen sind pointiert und informativ. Die Erläuterungen sind verständlich. Auf den letzten Seiten sind die Mitwirkenden aufgeführt.

Es handelt sich um ein Buch, welches man nicht von der ersten bis zur letzten Seite lesen muss, sondern in dem man blättern und je nach Neugier an beliebiger Stelle anfangen zu lesen kann. Der Einstieg ist auch abhängig von der Interessenlage gezielt über einen Suchbegriff möglich. Potenziellen Lesern empfehle ich, vorab einen Blick ins Buch zu werfen, bevor man sich dafür entscheidet.

Bewertung vom 07.07.2016
Singer, Wolf

Ein neues Menschenbild?


sehr gut

Hirnforschung und das Selbstverständnis des Menschen

„Wir sind gespalten zwischen dem, was wir aus der Erste-Person-Perspektive über uns wahrnehmen, und dem, was uns wissenschaftliche Analyse aus der Dritte-Person-Perspektive über uns lehrt“. Diese Aussage von Wolf Singer, Direktor am Max-Planck-Institut für Hirnforschung in Frankfurt am Main, bringt das Dilemma auf den Punkt. Die Ergebnisse der Hirnforschung harmonieren nicht mit dem Selbstverständnis des Menschen. Brauchen wir ein neues Menschenbild?

Das Buch enthält exemplarische Streitgespräche und Interviews aus den letzten Jahren zur kulturellen Bedeutung der Ergebnisse der Hirnforschung. „Freier Wille“, „Bewusstsein“, „Wahrnehmung“ und „Dualismus“, sind nur einige der Begriffe, die durch die Naturwissenschaften neu interpretiert wurden und daher gesellschaftlich reflektiert werden müssen.

Die Gesprächsform wirkt sich positiv auf das Verständnis der Problematik aus, hat aber auch zur Folge, dass sich Inhalte wiederholen. Die Frageform im Titel ist bezeichnend für den derzeitigen Stand der Diskussion. Die Inhalte sind zwar nicht neu, aber hoch brisant. Das durchweg lesenswerte Buch provoziert zur Gegenthese: Gibt es (naturwissenschaftliche) Erkenntnisse über uns selbst, die wir in unser Selbstmodell nicht integrieren können?

Bewertung vom 06.07.2016
Fischer, Thomas

Im Recht


ausgezeichnet

Reflexionen über Strafrecht und Gesellschaft

Thomas Fischer stellt in seinem Buch Facetten des Strafrechts vor und erläutert, wie der Rechtsstaat im Inneren funktioniert. Dabei steht die „Vermittlung von Sachkenntnis“ (8) im Fokus und nicht die Aufarbeitung von Justizskandalen. Es handelt sich um ein aufklärendes aber auch kritisches Buch.

Im Vorwort setzt er sich ausführlich mit der Frage auseinander, ob er als Bundesrichter ein Buch über die „praktische Verwirklichung des Rechts“ (9) schreiben darf. Genau diese Perspektive macht das Buch interessant.

Fischer relativiert die Gefahren des islamisch geprägten Terrorismus. Damit setzt er einen Kontrapunkt gegenüber der in Deutschland gefühlten Gefahr durch islamistische Terroristen. Zudem sieht er den Auslöser für Konflikte nicht in den unterschiedlichen Religionen, sondern primär in der Verteilungsungerechtigkeit. (41)

Beim Thema Flüchtlingspolitik fordert der Autor die Leser heraus. Der Beitrag ist provozierend und extrem zynisch. Fischer geht mit der Realpolitik hart ins Gericht, mit seiner Zynik spiegelt er diese. Im Mittelmeer ertrinken jedes Jahr tausende von Flüchtlingen und die berechtigte Frage lautet, wer trägt die Verantwortung?

Fischer begründet, auch anhand der historischen Entwicklung, warum Blasphemie im Zeitalter der Aufklärung kein Straftatbestand sein kann. „Im irdischen Strafrecht geht es nicht um Gott, sondern um die Menschen.“ (104)

Auch hinsichtlich der Bewertung von Verletzungen der Ehre gilt heute ein anderer Maßstab. „Lange Zeit galt die Ehre als das neben dem Leben wichtigste Gut, ihre Verletzung infamer als Raub, Betrug, Diebstahl oder Körperverletzung.“ (117) Heute wird der Anzeigeerstatter von genervten Polizeibeamten nach Hause geschickt.

Fischer geht mit seiner eigenen Zunft, im Hinblick auf die NS-Zeit, hart ins Gericht. „Die deutsche Justiz, bis zum Bundesgerichtshof durchseucht von Nazis, hielt das Strafrecht aus der Aufarbeitung heraus, indem sie die überwältigende Anzahl der eigenhändigen Mörder kurzerhand zu Gehilfen der Haupttäter erklärte.“ (136)

Der Autor beschreibt im Zusammenhang mit Diebstahl und Raub einen gesetzlichen Wirrwarr, der zu unauflösbaren Widersprüchen führt und damit eine Entscheidungsfindung erschwert. Aufschlussreich ist, wie die Justiz mit derartigen Fallkonstellationen umgeht. Sie kommen einfach nicht mehr vor. (182)

Wie entsteht der Wirrwarr in den Gesetzen? Fischer erläutert theoretische Grundlagen der Gesetzgebung und der Anwendung von Gesetzen („Keine Strafe ohne Gesetz“ (195)) und erklärt das schwierige Verhältnis von Ministerialbeamten und Politikern.

Am Beispiel des Sexualstrafrechts erläutert Fischer, wie die Anhörung von Sachverständigen praktisch funktioniert. „Eine Sachverständigen-Anhörung in einem Ausschuss des Deutschen Bundestags hat mit kritischem Sachverstand bloß am Rande und mit objektiver Wissenschaft fast nichts zu tun.“ (204)

Wie wird man Jurist? Fischer plaudert aus dem Nähkästchen über das Studium, über „Erste Prüfung“ und „Zweite Staatsprüfung“ und warum Gespräche zwischen Juristen und anderen Berufsgruppen so schwierig sind. Dabei gilt, anders als in Philosophie und Physik, „Jura ist nicht ein Fach der Welt-Erkenntnis, sondern eines der Lebenswelt-Beherrschung.“ (243)

Thomas Fischer klärt nicht nur über juristische Fragestellungen auf, sondern er klärt weise auf. Der Leser muss nicht seine Meinung vertreten, es bedarf aber intensiver Auseinandersetzung mit den behandelten Themen, seinen Stellungnahmen etwas entgegen zu setzen. Es ist kein staubtrockenes dogmatisches Lehrbuch, sondern ein Buch, welches zu differenziertem Denken anregt. Im Fokus steht nicht das Strafrecht im engeren Sinne, sondern eher die Eingliederung des Rechts in Gesellschaft und Politik.

Bewertung vom 06.07.2016
Geier, Manfred

Kants Welt


sehr gut

Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was darf ich hoffen? Was ist der Mensch?

Immanuel Kant gilt als einer der am meisten diskutierten Philosophen der Menschheitsgeschichte. Wer als Philosoph ernst genommen werden will, muss seine eigenen Thesen in Beziehung setzen zum systematisch aufgebauten Gedankengebäude von Kant. Das Gesamtwerk von Kant umfasst ca. fünftausend Seiten und ist eine Herausforderung für seine Nachfolger. Nietzsche nannte Kant den „großen Chinesen aus Königsberg“.

Manfred Geier setzt sich in „Kants Welt“ primär mit dessen Lebensgeschichte auseinander. Der Fokus liegt nicht auf dem Inhalt seiner Theorien. Das Buch ist chronologisch aufgebaut. Im Anhang befinden sich ein tabellarischer Lebenslauf, Fußnoten zum Inhalt, Literaturangaben, ein Bildnachweis sowie ein Index über Personen, die mit Kant in Verbindung gebracht werden.

Autor Geier beschreibt Kant als wahren Aufklärer, der sich in jungen Jahren trotz magerer Kenntnisse in Mathematik und Naturwissenschaft nicht scheute, sich mit geistigen Größen wie Newton und Leibniz anzulegen, in späteren Jahren ein neues philosophisches Gedankengebäude errichtete und im fortgeschrittenen Alter mit dem von Friedrich Wilhelm II protegierten Johann Christoph Wöllner, Verwalter der Zensurbehörde, aneinandergeriet.

In der Biographie wird deutlich, dass Kant, der seine Eltern früh verloren hat, in ärmlichen Verhältnissen lebte, ein politisch orientierter Mensch und insbesondere ein kritischer Denker und Aufklärer war. Seine großen Werke entstanden im fortgeschrittenen Alter. Zum Inhalt seiner Werke hätte ich gern mehr gelesen und auf dreihundert Seiten wäre das auch möglich gewesen. Dennoch zeichnet Manfred Geier in seinem durchweg verständlichen Buch ein Bild von Kant, welches der Leser nach der Lektüre plastisch vor Augen hat.

Bewertung vom 06.07.2016
Coelho, Paulo

Veronika beschließt zu sterben


weniger gut

Finde deinen eigenen Weg und lebe dein Leben

Die Botschaft, die Paulo Coelho mit dem Buch „Veronika beschließt zu sterben“ vermitteln will, ist einfach: Finde deinen eigenen Weg und lebe dein Leben!

Paulo Coelho erzählt die Geschichte der jungen Slowenin Veronika, die sich des Lebens überdrüssig, mit einer Überdosis Schlaftabletten umbringen will. Sie wird gerettet und in eine psychiatrische Klinik eingewiesen. Sie erfährt, dass sie nicht mehr lange zu leben hat. Im Angesicht des Todes entdeckt sie, dass das Leben schön ist. Der Aufenthalt in der psychiatrischen Klinik und der Umgang mit anderen Patienten eröffnen ihr neue Perspektiven. Sie geht Risiken ein, sucht und findet ihren eigenen Weg.

Die Charaktere sind einfach (zu einfach) gestrickt und die Weisheit siegt. Die Geschichte ist schwarz/weiß gehalten und die Graustufen, die das reale Leben ausmachen, fehlen.

Bewertung vom 05.07.2016
Schmidt, Lothar

Zitatenschatz für Führungskräfte


sehr gut

Gebündelte Weisheiten

Zitate sind gebündelte Weisheiten und wer wollte einem widersprechen, wenn man sich auf Goethe oder Einstein beruft.

Der „Zitatenschatz für Führungskräfte“ enthält 4500 Zitate und Aphorismen von nahezu 1000 Autoren. Die Zitate sind nach Schlagwörtern sortiert, womit die Suche nach einem geeigneten Zitat, für welchen Anlass auch immer, erheblich erleichtert wird.

Warum es sich bei diesem Buch um einen „Zitatenschatz für Führungskräfte“, handelt und nicht um einen „Zitatenschatz für jedermann“, ist mir ein Rätsel. Vielleicht liegt es am Preis.

Ich halte diese Zitatensammlung sowohl für ein praktisches Nachschlagewerk als auch für ein Buch, in dem man einfach mal ein paar Seiten lesen kann. Die Weisheiten kluger Menschen sind zeitlos und regen immer wieder zum Denken an.

Bewertung vom 05.07.2016
Hill, Martina;Musienko, Marco

Was mach ich hier eigentlich?


gut

„Alle Kinder fahren Moped, nur nicht Martina, die fährt Dreirad in China.“ (144)

Knallerfrau Martina Hill ist dank youtube auch in China bekannt und erhält eine Einladung aus China, in einer Comedyserie mitzuspielen. Trotz Flugangst macht sie sich auf die Reise nach Fernost. Das Buch handelt von ihren Erlebnissen in China.

Die Geschichte ist in der Ich-Form geschrieben und enthält zahlreiche Fotos. Martina Hill schildert nicht nur ihre persönlichen Reiseeindrücke, sondern lässt auch Erinnerungen aus ihrer Kindheit einfließen. Die Tour steht unter dem Motto: „Was mach ich hier eigentlich?“

Der Fokus liegt auf den Kulturunterschieden zwischen Deutschen und Chinesen im Alltag, beim Essen, im Straßenverkehr, in den Geschäften und im Hotel, die Autorin Hill satirisch untermalt. Für ihre Sketche in China muss sie sich ein paar Sätze in Chinesisch aneignen.

Martina Hill ist eine tolle Komikerin und in ihren Sketchen ziemlich abgedreht. Sie lebt nicht, wie z.B. ein Dieter Nuhr, vom Wort allein. Ihre Situationskomik lässt sich nicht ohne Verluste in ein Buch transformieren. Insofern können die Leser nur eine Facette ihrer Unterhaltungskunst wahrnehmen. Man muss sie in ihren Sketchen als Knallerfrau erleben.

Bewertung vom 05.07.2016
Katze, Tobi

Morgen ist leider auch noch ein Tag


sehr gut

Innenansichten einer schwerwiegenden Krankheit

Kennzeichen von Depressionen sind Antriebslosigkeit, Gleichgültigkeit, Hoffnungslosigkeit, Niedergeschlagenheit und innere Leere. Aber es gilt auch, jede Depression ist anders, wird anders von außen wahrgenommen und anders innerlich empfunden. Die Diagnose erfasst nicht die Wirklichkeit eines Menschen, sondern liefert ein Modell für die Beschreibung einer psychisch-körperlich-sozialen Auffälligkeit. Insofern handelt es sich bei diesem Buch nicht um die Beschreibung der Krankheit, sondern um einen individuellen Erfahrungsbericht, der die (subjektive) Wirklichkeit des Ich-Erzählers wiedergibt.

Folglich kann das Ziel des Autors primär nicht darin bestehen, ein unterhaltsames, humorvolles Buch abzuliefern, sondern eher darin, den Lesern die Gefühlswelt eines depressiven Menschen plausibel zu vermitteln. Das ist dem Autor auch gelungen und zwar auf eine Art und Weise, die neben destruktiven Gedanken auch noch Platz lässt für ein wenig Komik.

Auf der Handlungsebene passiert überwiegend nicht viel. Es gibt Gespräche mit Freunden, Selbstgespräche des Ich-Erzählers, Kneipenbesuche und Besuche beim Therapeuten. Und doch gibt es einschneidende Ereignisse, die den Protagonisten umhauen „Mir ist die Kraft aus den Beinen gewichen“ (180) und letztlich in Beziehung stehen zum Thema des Buches.

Der Wert des Buches liegt in der Offenlegung des Innenlebens des Protagonisten. Diese Sicht mag fremd wirken und die Leser nerven, zeigt aber auf, dass es mit ein wenig Zusammenreißen nach dem Motto „Stell dich nicht so an“ nicht getan ist, wenn es um Depressionen geht. Die Krankheit ist weit verbreitet, hat aber gesellschaftliche Akzeptanzprobleme.

„Die Welt geht weiter und wird nicht anhalten. Auch meine Freunde nicht. Aber sie können langsamer gehen. Sich gegenseitig tragen. Und viel, viel langsamer gehen.“ (193)

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.