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Frankfurt

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Insgesamt 778 Bewertungen
Bewertung vom 22.09.2020
McConaghy, Charlotte

Zugvögel


ausgezeichnet

„je stärker man ist, desto gefährlicher wird die Welt.“ (S. 284)

Ich bin kein Vogelfreund und trotzdem schockverliebt in dieses Buch! Ich bin nicht mal ein besonders großer Tierfreund… Darf man das überhaupt heutzutage noch sagen? Egal! Dieses Buch trägt den Titel „Zugvögel“(O-Ton: Migrations) und handelt in der Tat auch von Vögeln, aber das ist bei weitem nicht alles. Fast eine Nebensächlichkeit und doch ein zentrales Element.
Im Fokus dieser Geschichte steht Franny, eine Frau Mitte 30 die uns als Ich-Erzählerin mitnimmt auf ein großes Abenteuer und eine Reise durch ihr Leben. Kurios und sehr speziell ist Franny und verfolgt fanatisch ihr Ziel. „Im „Was wäre, wenn“ kann nur Reue gedeihen, und davon habe ich schon ein ganzes Meer voll.“ (S. 281) Während des Lesens entwickeln sich viele Fragezeichen, die sich dann wiederum auflösen und den Leser verstehend verabschiedet und versöhnt.
Charlotte McConaghy merkt man die Sorge um unsere Natur und ihren Tieren an und verarbeitet dieses anprangernde Element in dieser Geschichte geschickt um literarisch wachzuschütteln. Innerlich spürte ich regelrecht, dass wir alle jetzt aktiv werden müssen um den Zustand der hier futuristisch skizziert wird nicht eintrifft. Die Sprache ist schnörkellos und doch durchdringt sie mit ihrem Text Tiefen!
„ er antwortete, unser Leben habe gar keinen Sinn, es sei nur ein Kreislauf ständige Erneuerung, und wir sein unfassbar kleine Funken, sowie die Tiere, wir seien kein bisschen wichtiger als sie, des Lebens nicht würdiger als jedes andere Geschöpf.“ (S. 306)

Wunderbar an diesem Roman ist, dass es einerseits eine fassbare Zukunft zeigt und zugleich surreal in der Handlung wirkt. Ein Abenteuer, ein andersartige Geschichte und eine irritierende Protagonistin! Ich mochte es sehr!

Bewertung vom 13.09.2020
Franz, Franziska

Blutmain


ausgezeichnet

Eine junge Frau wacht auf einem Boot mitten auf dem Main auf, hat Blessuren und weiß nicht was passiert ist. Sie ist benommen und rettet sich ans Ufer in Frankfurt. Der Krimi „Blutmain“ von Franziska Franz steigt gleich mit voller Action ein und die Spannung ist gleich hoch, da man gerne wissen will was passiert ist und wie Melinda dort hinkam. Dann gibt es einen Schnitt und wir springen 2 Jahre in die Vergangenheit und wir lernen eine Figur näher kennen, der auch Melina begegnet ist…
Zum Glück hat Melinda ein Pärchen als Nachbarn, die sich ihrer annehmen wie Eltern und dazu noch Anwältin und Detektivin sind! Äußerst hilfreich in solch einer Situation.
Der Krimi ist leicht lesbar und unterhält einen bestens. Franziska Franz schreibt angenehm mit einer guten Mischung an Fließtext und wörtlicher Rede. Es gibt keine Längen und der Spannungsbogen ist gelungen, auch wenn die Handlung recht bald eindeutig ist. Das macht bereitet Lesevergnügen keinen Abbruch.
Das tolle an dem Krimi ist in der Tat, dass viele viele Orte und Straßen in Frankfurt benannt werden. Kenn man die Stadt oder lebt gar in ihr freut man sich sehr fast auf jeder Seite einem bekannten Ort zu begegnen und sofort hat man ein Bild vor Augen! Das macht viel Spaß beim Lesen.
Fazit: Ich würde auch eine Fortsetzung von der Privatermittlerin Karla Senkrecht, dem Kommissar Kai Herbracht und der Anwältin Beate Pauli sehr gerne lesen. Vielleicht mal im Museumsmilieu? Oder am Fraport? Oder auch bei den Bankern in der Innenstadt und im Bahnhofviertel. Stoff gibt es sicher genug! ;0)

Bewertung vom 09.09.2020
Gumpert, Steffen

Schnapp den Dieb! Spannende Rätselkrimis zum Mitraten


ausgezeichnet

Ein Buch für alle Knobel-Fans - (fast) alterslos!
Ich weiß gar nicht wo ich mit der Lobeshymne anfangen soll! Das Buch „Schnapp den Dieb““ mit spannenden Rätselkrimis zum Mitraten ist ein voller Erfolg bei uns gewesen. Das Buch ist so aufgebaut, dass es 5 verschiedene zusammenhängende Fälle gibt, aber nach jeder linken Textseite ein Rätsel mit Hilfe des Bildes auf der rechten Seite zu lösen ist. Kommt man nicht auf die Lösung, blättert man um und die Lösung steht im ersten Satz der nächsten Seite. Da kommt keine Langeweile auf, weil man ständig mit Knobeln beschäftigt ist. Ihr wisst worauf ich hinaus möchte? Genau -ein Buch wie geschaffen für Lesemuffel, die lieber die ??? hören! Was auch an dieser Ausgabe besonders toll ist, dass es so federleicht ist. Es passt in jeden Ranzen, da kann man locker mal eine Seite auf dem Schulweg raten oder wenn wieder mal eine längere Autofahrt ansteht (vorausgesetzt beim Lesen wird einem nicht schlecht…).
Besonders hervorzuheben sind natürlich die Illustrationen. Bis ins letzte Detail ausgefeilt, merkt man, dass Steffen Gumpert große Freude hatte sich hier auszutoben. Es ist wahrlich gelungen! Uns haben die Zeichnungen sehr gut gefallen.
Die Altersangabe ist mit 10 Jahren angegeben, aber ich finde ein/e gut geübte/r Leser/in kann das Buch auch schon mit 8 Jahren in die Hand nehmen. An keiner Stelle ist der Inhalt fragwürdig oder nicht kindgerecht. Die Altersangabe bezieht sich aus meinem Verständnis rein auf die Schriftgröße und Fülle. Wir haben es als Familienvergnügen zusammen gelesen und geknobelt, das hat auch großen Spaß gemacht!
Und nun? Wir haben alle 5 Fälle gelöst als Familien-Rätselbande und sind traurig, dass kein Nachschub da ist! Lieber Steffen Gumpert, wir warten sehnsüchtig auf den 2. Band!!!

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Bewertung vom 07.09.2020
Hennig Von Lange, Alexa

Die Wahnsinnige (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Ihrer Zeit weit voraus

Es ist immer wieder erstaunlich wie Männer in den letzten Jahrhunderten, ach was, Jahrtausenden versucht haben die Frauen von Macht und Einfluss fern zu halten. Und wenn es nicht die Männer waren, kam das strenge Regiment der Frauen hinzu die sich ihre Vormachtstellung hart erkämpft haben. Und was passiert, wenn da eine Frau ganz modern selbstbestimmt leben will und nicht ihrem vorherbestimmten Schicksal klein beigibt? Was ist, wenn genau diese Frau aus dem ausbrechen will was ihre Familie für sie im Sinn hat? Ja, solche Beispiele gibt es traurigerweise auch heute noch auf diesem Globus, auch wenn wir es uns hier in Europa nur schwer vorstellen können.
Aber Alexa Hennig von Lange hat sich einer historischen Figur angenommen und das unsägliche Zusammenspiel aus Mittelalterlichem Machtintrigantem Hofleben mit einer depressiv modernen Frau gepaart: Johanna, die Wahnsinnige! Der Roman startet 1503 in Spanien, wo Johanna die Macht ihrer erzkatholischen Königsmutter festigen soll und die Machtstellung der Familie halten. Sie will das nicht, auch beten ist nicht ihres und so beginnt der Kampf in der Festung. Johanna wütet und bricht die Regeln somit wird sie zur Wahnsinnigen. Ihr Wunsch so zu leben wie es gerne möchte, klingt absurd und unerhört in den Ohren der Adligen. Auch die Ehe mit Philipp dem Schönen erscheint erst eine Milderung der Qual, ein Jackpot, aber dann beginnt auch er sich gegen sie zu wenden.
Fein nuanciert beschreibt Alexa Hennig von Lange wie es sich zugetragen haben könnte, spitzt zu und lässt das Drama krachen damit wir Leser nicht nur den Wahnsinn zu spüren bekommen sondern auch gut unterhalten werden. An Auf und Ab wird nicht gegeizt und es geht mit spritzigen Dialogen turbulent durch den Beginn des 16. Jahrhunderts.
Historischer Stoff: ja – historischer Roman: nein. Der Roman hat nicht den Anspruch auf historische Korrektheit und will auch gar nicht das echte, im Detail historisch korrekte abbilden. Es geht um das Aufzeigen der absurden Situationen in den sich die historische Figur Johanna, die Wahnsinnige befunden hat und zu zeigen was schon vor Jahrhunderten Frauen in die Enge getrieben hat und sie zu depressiven Personen machte. Eher ein Mahnmal und ein Denkmal in einem ist dieser Roman einer Frau aus vergangenen Zeiten gewidmet, die leider nie erleben dürfte was es heißt sein Leben selbstbestimmt in Freiheit zu leben und das als Frau.
Fazit: Bei der Autorin brauch ich es kaum dazu schreiben: Lesen – es ist wie immer überzeugend gut!
PS: Nicht nur für Feministen und Emanzipationsverfechter eine augenöffnende Lektüre!

Bewertung vom 24.08.2020
Stronk, Cally

Die Jagd beginnt! / Die Jagd nach dem magischen Detektivkoffer Bd.1


sehr gut

Meine Zwillinge machen jeweils beide ihre Daumen hoch, das ergibt schon mal 4 starke Zusagen!
Der Auftakt dieser neuen Erstleser-Buchreihe „Die Jagd nach dem magischen Koffer“ aus dem Ravensburger Verlag ist gelungen. Die Zwillinge Marie & Lukas werden 7. Jahre alt und bekommen zunächst einen ominösen Brief ihrer Tante Gundula aus dem fernen Indonesien und dann soll da noch ein Geschenk folgen….Spannend!
Das Buch ist in großer Schrift mit viel Zeilenabstand geschrieben und ist somit wunderbar für 2.Klässler und Leser mit besseren Lesekenntnissen geeignet. Etwas Lesen sollte man können, sonst erscheint einfach der Text zu viel. Aber sonst ein dynamisches Leseabenteuer, das fast genderfree daher kommt! Ganoven wie Kinder, alles ausbalanciert, hier findet jeder eine Figur mit der er sich identifizieren kann. Cally Stronk hat einen leicht lesbaren Text geschrieben, der mit wenig Anlizismen und ohne Fremdwörter auskommt, was bei den Lesestartern natürlich dem Lesefluss positiv zugute kommt.
Spannung kommt auch durch die Mitrateseiten die an fast allen Kapitelenden stehen auf. Abwechslungsreich und nett, dass man zwischen dem Lesen auch mal Raten kann.
Ein Highlight sind auch die tollen Illustrationen von Patrick Fix und diese in Hülle und Fülle. Man merkt, dass er Spaß hatte die Gangster sowie die Familie adäquat in Szene zu setzen und auch die Rätsel, da die alle Bilderlastig sind.
Dieser erste Band „Die Jagd beginnt“ liest sich allerdings doch eher wie ein Auftakt, da ja nun erst einmal der magische Koffer ins Spiel kommen musste. Wir erhoffen uns mit dem zweiten Band „Vorsicht, Ganoven!“ ein noch spannenderes Abenteuer!

Bewertung vom 23.08.2020
Seethaler, Robert

Der letzte Satz


sehr gut

Kein Fakten-Check – ein ergründen seiner Seele

Wer erwartet einen umfangreichen Roman über das Leben des Gustav Mahlers zu lesen, wird enttäuscht. Robert Seethaler hat in der Tat einen Roman über Gustav Mahler geschrieben, aber die knapp 125 Seiten sind eher eine Ergründung seiner Seele in seinen letzten Tagen. Wir nisten uns als Leser in den Kopf von Mahler ein und begleiten ihn auf seine letzte Überfahrt und taumeln mit ihm durch seine fiebrigen Gedanken. Wie er sich episodenhaft erinnert, wie er hadert und was er bereut. Aus meiner Sicht ist ‚Der letzte Satz‘ ein gelungener Roman einer Innenansicht eines Mannes der schon oft auf andere biografische weise portraitiert wurde.
Aber selbst wenn man wenig bis gar nichts über den Komponisten und Dirigenten Mahler weiß, ist der Roman wieder eine Ode an die Literatur, denn der Text liest sich wie so oft bei Seethaler, sehr angenehm und durchkomponiert. Starke Sätze, die Seethaler dem berühmten Mann ins Denkgefüge gibt wie: ‚Nicht alle Traditionen, die doch in Wahrheit nichts anderes waren als der Ausdruck des unbedingten Willens, dumpf und reglos im ewig gleichen zu verharren, ließen sich einfach so über den Haufen werfen.‘ (S. 77) oder auch ‚ Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis. Es war zum Heulen.‘ (S. 94) Nicht hochtrabend, aber pointiert gut. Kein Wort zu viel – der Text passt perfekt.

Keine Biografie, kein lückenloses Portrait – nein, eine Innenansicht des großen Komponisten. Ein emotionaler Text über den Mann hinter der Berühmtheit am Ende seines Lebens.

Bewertung vom 20.08.2020
Lichtblau, Laura

Schwarzpulver


weniger gut

Ein Roman über dem ein Nebel hängt - wie ein Schleier hängen düstere unausgesprochene Elemente über dem Text. Durch den Klappentext und vorher erworbene Informationen, ahnt man, dass hier kein positives Szenario gezeichnet wird. Wir nisten uns als Leser abwechselnd in die Köpfe dreier Personen ein: Charlotte – Mutter und Scharfschützin, Charlie – Charlottes Kind und Burschi – ein weiterer junger Mensch.

Poetisch, fast lyrisch – fetzenartig bekommt der Leser mit wie es den einzelnen Personen geht und mit was sie sich beschäftigen. Ausschnittartig mit fehlender ausschmückender Erklärung eines Allwissenden Erzählers. Mir persönlich haben diese Elemente gefehlt. Es war mir zu fragmenthaft. Ich hatte mir mehr von dem dystopischen Gedankenmodell erhofft – auch außerhalb der einzelnen Personen.

Fazit: Wer es gerne lyrisch hat und gerne weniger als mehr im Text findet, mag hier eine gute Lektüre finden.

Bewertung vom 14.08.2020
Achleitner, Hubert

flüchtig


ausgezeichnet

Melodisch ist der Text. Es gibt reichlich Hinweise auf einen Schreiber der die Liebe zur Musik und die Liebe selbst zelebriert. Pointiert und wortwitzig wie gewannt wird hier eine Geschichte im besten österreichischen Dialekt erzählt. Hubert Achleitner, der mehr als österreichischer Alpenrocker bekannt ist, legt mit dem Roman ‚flüchtig’ sein Debütroman vor. Der hat es in sich und ist überzeugend gut.

Ein bisschen Liebesgeschichte, ein eingestreuter Roadtrip (vor allem in Griechenland), das Leben an sich und natürlich die Macht des Moments und das Glück eines jeden. All das und viel mehr bringt uns dieser Roman auf guten knapp 300 Seiten nahe.

Um was geht es hier? Vor allem um einen Mann dessen Frau verschwindet und er zunächst nicht weiß warum. Als Leser lichtet sich der Wald recht schnell und der Aufbruch wird nachvollziehbar.

Gern habe ich diesen Roman gelesen, denn er vermochte es mich zum Schmunzeln zu bringen, mich ab und an zu ärgern über die eine und andere Figur, mich traurig machte und zugleich beflügelte beim Lesen. Welcher Roman kann solche Emotionalität schon hervorbringen?

Fazit: Wie auch Musik die eigenen Saiten zum Klingen bringt - tut es auch dieser famose Roman.

Bewertung vom 03.08.2020
Mas, Victoria

Die Tanzenden


sehr gut

Aufbegehrende Damen

1885 in Paris. Eine Stadt hat sich vom Adel losgesagt und strebt eine moderne Demokratie an fast 100 Jahre nach dem Sturm auf die Bastille. Aber wie ergeht es Frauen in diesen Zeiten? Mündige Bürgerinnen? Mit Nichten! Bis dahin ist es noch ein weiter Weg. „Die Tanzenden“ von Victoria Mas nimmt uns mit in eine Zeit in der Frauen in totaler Abhängigkeit von ihren Männern waren, erst die Väter, dann die Ehemänner. Ausgeliefert, Schutz- und Rechtlos. Waren die Damen mit einer konträren Meinung ausgestattet oder hatten zu viel Selbständigkeit im Sinn wurde es schnellstens unterbunden.
In Paris gab es dann noch die Salpêtrière, dort landeten Hysterikerinnen, geisteskranke Frauen und dergleichen - alle weiblich und unerwünscht in der Gesellschaft. Dort wurde der Nervenarzt Charcot für seine Verdienste gefeiert - natürlich vor allem von Männern.
Diesen aufmüpfigen Damen, die man in der Salpêtrière wegsperrte, verschafft Viktoria Mas eine späte fiktive Stimme und verbindet ein klares frauenverachtendes Bild aus einem vergangenen Jahrtausend mit einer gut erzählten Geschichte.
Der Leser begleitet die junge Eugénie aus gutem Elternhaus, die von sich sagt, dass die Toten zu ihr sprechen. So landet sie natürlich in der Salpêtrière, aber die Geschichte nimmt eine dramatische Wendung.

Viktoria Mas nutzt eine klare Sprache mit der sie mich als Leser sofort in das Paris des Jahres 1885 katapultiert hat. Julia Schoch hat das ganze, wie so oft, gekonnt und äußerst gut übersetzt aus dem Französischen.
Immer wieder tauchen zwischen der Handlung Sätze auf die eine Tragweite weit über die dort beschriebene Handlung hinaus hat, wie „doch zu lügen ist manchmal nicht bloß eine Notwendigkeit, es ist mehr: Trost.“ (S. 184)

Fazit: Das Patriarchat ist tot - es lebe die Weiterentwicklung und manchmal hilft auch ein fiktiver Blick in die Vergangenheit um den Fortschritt zu erkennen!