Benutzer
Benutzername: 
Azyria Sun

Bewertungen

Insgesamt 668 Bewertungen
Bewertung vom 01.10.2020
Harre, Simone

China, wer bist du?


sehr gut

Eine interessante Reise durch China auf der Suche nach dem Glück

Worum geht’s?
Simone Harre reiste 5 Jahre lang durch China und hat in dieser Zeit Menschen von unterschiedlichster Herkunft und in unterschiedlichsten Berufen getroffen und interviewt und stellt uns 50 Porträts in ihrem Buch dar.

Meine Meinung:
In Ihrem Buch „China, wer bist du?“ stellt uns Simone Harre 50 Menschen vor, denen sie auf ihrer Reise durch China begegnet ist. An die Menschen selbst hat sie immer wieder die zwei gleichen Fragen, nämlich „Welche Blume möchtest du sein“ und „Ist das Glas halb voll oder halb leer“. So hat sie versucht, herauszufinden, was die Menschen bewegt, die es nicht gewohnt sind, offen zu reden oder Gefühle und Wünsche auszudrücken. Wie sie sich definieren, wer sie sind.

Bei der Vorstellung der einzelnen Personen hat sie ihren Schreibstil – vielleicht bewusst, vielleicht unbewusst – den jeweiligen Personen angepasst. War eine Person eilig, hektisch, unstetig, so war auch der Schreibstil bei dieser Person „schneller“. Die Sätze kürzer. Abgehackter. Das war zunächst für mich etwas irritierend, hat mich aber noch mehr in die jeweilige Person hineinversetzt. Insgesamt hat mir der Schreibstil gut gefallen. Es war sehr kurzweilig, einen kleinen Einblick in das Leben der einzelnen Menschen zu bekommen. Zu erfahren, was sie bewegt, was für sie Glück ist. Was sie erreicht haben und noch erreichen wollen.

Die Menschen dort selbst kamen mir sehr hektisch und immer suchend vor. Immer in Bewegung, kaum je ruhend oder in sich ruhend. Das Buch selbst hat mich teilweise motiviert, teilweise aber auch eine innere Unruhe in mir hervorgerufen. Manchmal hat man das Gefühl, dass die Menschen dort niemals wirklich glücklich oder angekommen sind. Dass nur Reichtum wirklich glücklich macht, wenn man diesen hat, dann ist man aber trotzdem nicht glücklich sondern möchte Freiheit oder noch mehr Reichtum oder… – die meisten wissen es nicht!

Auch die Werdegänge bzw. die Entwicklung der einzelnen Charaktere sind sehr interessant, teils auch lustig. In China scheint es noch möglich zu sein, sich vom Tellerwäscher zum Millionär hochzuarbeiten. Doch viele gehen absichtlich den anderen Weg, z.B.: Vom IT-Hacker und Millionär zum Schweinezüchter.

Etwas schade fand ich lediglich, dass zu den einzelnen Porträts keine Zeitangaben gemacht wurden und ich war mir teilweise nicht sicher, ob die Personen chronologisch dargestellt wurden oder teils durcheinander. Da China sich so schnell wandelt, finde ich die Verbindung der Gedanken der Personen bzw. der Werdegänge der Personen und die jeweilige Zeit, in der die Autorin diese getroffen hat, doch wichtig. Dennoch hat mir das Buch sehr gut gefallen und mir China und die Menschen dort gefühlt näher gebracht. Ein interessantes Land mit interessanten Menschen, das sich rasant weiterentwickelt. Wie die Menschen in ihm auch. Der große Unterschied zwischen den Menschen in den unterschiedlichen Regionen. Und eine große innere Unruhe und Hektik und ein immerwährendes Weiterstreben nach – ja, nach was? Nach dem Glück? Ruhe? Zufriedenheit? Ein Land, das wie die Menschen darin immer im Wandel ist und nach immer Höherem zu streben scheint.

Fazit:
Das Buch „China, wer bist du?“ von Simone Harre hat mir sehr gut gefallen. Es ist kurzweilig, interessant, bringt einen aber auch zum Nachdenken, was für einen selbst Glück bedeutet. Ich habe das Gefühl, China und vor allem die Chinesen jetzt besser zu verstehen. Einerseits ist alles hektisch und im ständigen Wandel begriffen, andererseits gibt es aber auch immer wieder Plätze der Ruhe. Ein sehr schönes Buch, das einem einige Menschen vorstellt, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Ein kleiner Einblick hinter verschiedene Türen, amüsant, emotional, nachdenklich aber auch ehrgeizig und motiviert.

Wer die Menschen in China besser kennen lernen möchte, der sollte dieses Buch auf jeden Fall lesen!

Bewertung vom 29.09.2020
Zimmermann, Hanna

Tanz in die Angst


ausgezeichnet

Dieses Buch wird dich nicht schlafen lassen!

Worum geht’s?
Nach einem Überfall wird Sophie von Visionen heimgesucht. Visionen, die sie zurück in die Vergangenheit ihrer Mutter führen. War der Tod ihrer Mutter wirklich nur ein Unfall? Auf den Spuren der Vergangenheit macht sich Sophie auf die Suche nach ihren Großeltern und findet ein schreckliches Familiengeheimnis.

Meine Meinung:
„Tanz in die Angst“ von Hanna Zimmermann ist ein Psychothriller, der ab der ersten Seite mit deinen schlimmsten Alpträumen spielt. Die Spannungskurve bricht nie ab, während dem Lesen kommen Ängste aus der Kindheit vor dunklen Kellerräumen wieder in einem hoch und selbst am Ende, als man meint: „Jetzt ist alles gut!“ muss man sich fragen: „Ist wirklich alles gut?“.

Am Anfang dachte ich: Dunkle Keller, es ist spät, Clowns, gruselige Puppen – ok, die Klassiker aus den Horrorfilmen. Alles nichts Neues. Doch dann wurde ich von der Autorin wirklich überrascht. Sie schafft es, Klischees in neuem Licht erscheinen zu lassen und den Leser mit auf eine Reise – oder wohl eher einen Tanz - der Angst zu nehmen!

Man fiebert mit Sophie mit, die nach dem traumatischen Erlebnis stark bleibt, wieder aufsteht, weitermacht. Die sich auf die Suche nach ihrer Vergangenheit macht, nur um einmal mehr ihrem schlimmsten Alptraum gegenüberzustehen. Auch die Visionen, die sie auf ihrer Reise leiten – am Anfang mutet es etwas mystisch an, aber gerade diese Visionen bringen noch mehr Leben in das Buch und regen die Phantasie noch zusätzlich mit an. Diese Einschübe aus Träumen bzw. immer wieder auch aus dem was der Täter denkt und niederschreibt, haben mir sehr gut gefallen. Man hat dadurch immer wieder einen kleinen Blick in die Vergangenheit und die mögliche Zukunft bekommen und war gemeinsam mit Sophie am Rätseln, was hinter diesen Visionen wohl stecken mag.

Elisabeth hat mir besonders leidgetan. Was sie alles erleben musste von Kindheit an! Und wie können Eltern so grausam sein? Herbert, der Opa von Sophie und Vater von Elisabeth, wirkt erst wie der eingeschüchterte Pantoffelheld, der sich schicksalsergeben allem fügt, was seine Frau Martha, eine herzlose Person, von ihm und den anderen verlangt. Aber das Geheimnis, das er und Martha hüten, lässt auch ihn zu einem unsympathischen Protagonisten werden. Man hofft, dass er und Martha eine gerechte Strafe bekommen werden!

Auch die Rolle von Christian selbst hat mir gut gefallen, auch wenn man von ihm nur wenig erfahren hat. Er kam eher immer wieder über seine „Gedankenfetzen“ in dem Buch vor. Sehr verstörende Gedankenfetzen und man hofft, dass es solche Menschen nicht wirklich gibt – vor allem nicht in der Nachbarschaft!

Fazit:
Das Buch „Tanz in die Angst“ von Hanna Zimmermann hat mich positiv überrascht. Nachdem ich am Anfang noch dachte: „Zu viele Klischees“ waren es am Ende eben diese Klischees, die dem Buch seine Besonderheit gegeben haben und es zu einem Psychothriller gemacht haben, der einen dazu bringt, zweimal hinter sich zu schauen, ob sich wirklich niemand hinter einem im Schatten verbirgt… Ein Psychothriller, der mich von Anfang bis Ende gefesselt hat!

Daher eine absolute Leseempfehlung für alle Fans von Psychothrillern: Ihr werdet dieses Buch verschlingen!

Bewertung vom 27.09.2020
Hillen, Rinske

Das Haus an der Keizersgracht


sehr gut

Ein Buch über Traditionen und Werte, das zum Nachdenken anregt!

„Das Leben zu geben ist schwierig, das Leben zu leben ist schwieriger, aber das Leben zu lassen, das ist das schwierigste von allem“ (S. 226)

Worum geht’s?
Der Naturphilosoph Bram Wenksterman lebt in einem Haus in der Keizersgracht, das seit Jahrhunderten in Familienbesitz ist. Nicht nur das Haus, auch seine Ehe, die Beziehung zu seiner Tochter und den übrigen Familienmitgliedern droht zu zerfallen. Nur der millionenschwere Schwiegervater könnte ihm helfen, aber nur, wenn er endlich seiner Tochter das Familiengeheimnis offenbart.

Meine Meinung:
Der Debütroman „Das Haus an der Keizersgracht“ von Rinske Hillen ist ein Buch, das die wahre Geschichte zweier Grachtenhäuser erzählt. Der Schreibstil ist etwas eigenwillig. Die Sätze sind teils wie unzusammenhängende Gedankenfetzen, die aber nicht unorganisiert wirken, sondern in ihrer Gesamtheit ein schönes Bild ergeben und einen zum Nach- und Weiterdenken anregen. In einer bildhaften Sprache setzt sie sich mit dem Sein und dem Ist auseinander, mit Traditionen, Weiterentwicklung, Erwachsensein und Erwachsenwerden. Ein Buch, das sich gut und flüssig liest und einen an einigen Stellen zum Schmunzeln, an anderen zum Grübeln bringt.

Die Charaktere selbst lernt man nur oberflächlich kennen, sich fühlen sich dennoch an wie Bekannte oder Leute aus der Nachbarschaft. Bram Wenksterman, der Naturphilosoph der an alten Traditionen, an dem Haus und alten Werten festhält und nicht loslassen kann. Er hängt an dem Haus seiner Ahnen und möchte nicht aufgeben, selbst als am Ende alles zusammenbricht.

Seine Tochter Amber, die – nachdem sie vom Tod ihres Zwillingsbruders erfahren hat – endlich loslassen kann und sich weiterentwickeln kann. Sie lebt mit der Vergangenheit aber hält nicht zwanghaft an ihr fest sondern lernt daraus und wird im Laufe des Buches selbstständig und erwachsen.

Veerle, die Mutter, die in die Psychiatrie kommt und aber endlich durch das Pflanzen des Apfelbaumes – so scheint es zumindest, man erfährt nicht mehr – die Trauerarbeit abschließen und „normal“ weiterleben kann.

Und Ella, die mit Bram, dem Mann ihrer Cousine Veerle, eine Beziehung eingeht aber erkennen muss, dass er nicht der Mann ist, für den sie ihn hält. Auch sie will mehr, sich weiterentwickeln, Erwachsen werden.


Fazit:
„Das Haus an der Keizersgracht“ von Rinske Hillen ist ein gelungenes Debüt. Einzelne Stellen hätte man sicher noch ausschmücken oder mehr zu den Protagonisten erzählen können, um hier bei den LeserInnen Sympathien oder Antipathien entwickeln zu können. Aber insgesamt ein Buch, das mich zum Nachdenken gebracht hat. Zum Nachdenken über das Leben, die Entwicklung, die Vergangenheit und die Zukunft. Ein gut zu lesendes aber auch sehr philosophisches Buch.

Wer gerne Dinge hinterfragt oder weiterdenkt, der ist hier genau richtig!

Bewertung vom 26.09.2020
Galizia, Daphne Caruana

Sag die Wahrheit, auch wenn deine Stimme zittert


ausgezeichnet

Ein sehr bewegendes, spannendes aber auch erschreckendes Buch über die Realität!

Worum geht’s?
In Ihrem Blog „Running Commentary“ deckt die auch als „one woman WikiLeaks“ bezeichnete Investigativjournalistin und Bloggerin Daphne Caruana Galizia Fälle von Korruption und organisierter Kriminalität auf, die bis in höchste Kreise der maltesischen Regierung hineingehen. Ein Blog, der die Wahrheit ans Licht brachte und die sie letztendlich mit ihrem Leben bezahlen musste.

Meine Meinung:
Das Buch „Sag die Wahrheit, auch wenn deine Stimme zittert“ ist eine Aufzeichnung von verschiedenen Blogeinträgen der ermordeten Journalistin Daphne Caruana Galizia, das sie vor ihrem Tod begonnen hat und das von ihren drei Söhnen vollendet wurde. Ihre Blogeinträge und Artikel aus 30 Jahren werden nach Themen sortiert und mit Kommentaren von Ihren Söhnen erklärt und weitergeführt. Es ist leicht und unterhaltsam zu lesen, auch wenn die Themen, die Daphne recherchiert und behandelt hat, alles andere als einfach und leicht sind!

Besonders das Thema "freie Meinungsäußerung, Zensur und die Einschüchterung" scheint ihr sehr am Herzen zu liegen. Vielleicht, weil sie hier selbst direkt davon betroffen war. Ihre Hunde wurden vergiftet, ihr Haus angezündet und ganz zuletzt wurde sie selbst durch zwei Autobomben ermordet. Doch trotz der vielen Einschüchterungen und Drohungen und der gegen sie angestrengten gerichtlichen Prozesse, die sie am Weiterschreiben hindern sollten, blieb sie tapfer und moralisch standhaft und hielt an Ihrem Ziel, die Wahrheit ans Licht zu bringen und die freie Meinungsäußerung als Menschenrecht zu erhalten, fest bis zum Ende.

Sehr bewegt hat mich auch der Abschnitt, als sie vermeintlich alleine dastand, und im Rahmen eines Crowd Funding dann ihr durch einen Prozess eingefrorenes Geld für sie aufgetrieben wurde. Die Menschen haben ihr so gezeigt, dass sie nicht alleine ist und dass sie hinter ihr stehen!

Das Kapitel über die Immigranten und die Konzentrationslager, in denen die Menschen gehalten werden, über die Ausbeutung der Immigranten als Arbeitskräfte, gehalten wie Sklaven, ist sehr erschreckend. Kaum zu glauben, dass in einem europäischen Mitgliedsland solche Dinge möglich sind! In einer aufgeklärten Welt im 21. Jahrhundert – besonders die Geschichte um Sara aus einem dieser Lager geht einem zu Herzen.

Die Korrupten Politiker – ich will hier jetzt keine Namen nennen – nicht nur dort sondern auf der ganzen Welt. Ein wahrgewordener Alptraum, wie solche Dinge heute noch möglich sind. Wie sich manche Menschen Pässe, Freiheiten, noch mehr Geld ergaunern können und durch Schmiergelder und Bevorzugungen einzelner Personen/Richter/der Polizei damit immer wieder ungeschoren durchkommen!

Daphne hat alle Themen unglaublich ausführlich recherchiert, es ist beeindruckend, an wie viele Informationen sie kam. Sie muss ein unglaubliches Netzwerk an Informanten gehabt und gepflegt haben, um so detailliert berichten zu können. Sogar persönlicher Schriftverkehr wurde ihr zugespielt. Absolut beeindruckend!

Fazit:
Die Welt braucht Journalisten wie Daphne, Journalisten, die uns zeigen, wer uns regiert, welche Menschen wie handeln. Journalisten, die die Wahrheit ans Licht bringen und sich nicht beeinflussen lassen! Die keine Angst haben, offen zu reden! Ich wünschte, ich hätte früher von dem Blog von Daphne gehört… Es ist erschreckend, weshalb sie sterben musste aber auch gut, dass ihr Tod ein Stückweit gerächt wurde, indem Nachforschungen und Verhandlungen angestrengt wurden und einige der im Buch genannten Personen – zumindest ein Stück weit – zur Rechenschaft gezogen worden.

Daphne musste sterben, weil sie die Wahrheit ans Licht brachte. Das Buch ist ein Geschenk ihrer Söhne an sie, damit ihre Worte nicht mit ihr sterben. Ein Buch, das man gelesen haben sollte, ein Buch, das einem die Augen in Bezug auf die Realität ein bisschen mehr öffnet. Vielen Dank, Daphne!

Bewertung vom 22.09.2020
Nagele, Andrea

Du darfst nicht sterben


ausgezeichnet

Auf der Flucht vor deinem schlimmsten Alptraum

Du darfst nicht sterben“ von Andrea Nagele ist ein Psychothriller, der diesen Namen wirklich verdient hat! Der Leser wird direkt vom Geschehen gefangengenommen und bis zum Schluss hält einen das Buch gefesselt! Die Spannungskurve bricht nie ab sondern steigt stetig an - dieses Buch ist definitiv nichts für schwache Gemüter!

Man merkt auch, dass die Autorin sich in der Psychotherapie und Psychologie mehr als auskennt. Sie spielt mit den Gefühlen der Leser und erschafft authentische Figuren, die der Geschichte Leben einhauchen. Gut gefällt mir auch, dass Großteils aus der unterschiedlichen Sicht der Protagonisten erzählt wird. So lernt man diese nicht nur kennen, sondern meint auch, sie ein bisschen besser zu verstehen und sogar, mit ihnen mitzufühlen.

Paul mit den „zwei Gesichtern“. Krankhaft und fast schon zwanghaft von seinen Emotionen oder eingebildeten Emotionen gelenkt. Vor ihm hat man einfach nur Angst und wartet darauf, dass er wieder auftaucht oder durchdreht. Durch die Schilderungen aus seiner Vergangenheit, die ihn immer wieder in Form von Tagträume ereilen, neigt man zwar fast dazu, ihm ein Verstehen entgegenzubringen und zu entschuldigen, warum er ist, wie er ist. Man versucht, dadurch seine krassen Gefühlsschwankungen, wenn er plötzlich einfach austickt und kurz darauf wieder der liebste Partner ist, den Lili sich wünschen kann, zu erklären. Aber eigentlich hofft man nur, nie einem solchen Menschen über den Weg zu laufen, der absolut unberechenbar ist und bei dem alles jederzeit möglich ist!

Auch die Rolle der Zwillinge Anne und Lili ist gut dargestellt. Die beiden sind einem von Anfang an sympathisch, auch wenn mir Anne etwas unsympathischer wurde, nachdem Sie die Affäre mit Paul eingegangen ist, obwohl ihre Schwester zu diesem Zeitpunkt schon am Anfang der Beziehung zu Paul war. Vor allem von Zwillingen, die sich so nahe sind, würde man das nicht vermuten und es gibt der Affäre dadurch einen noch negativeren Touch.

Sehr gut gefallen hat mir auch, wie Andrea Nagele die Gefühle der Zwillinge rüberbringt. Die Darstellung des „Verfolgungswahns“. Das erlebte Trauma. Die Alpträume. Wie Lili nach dem Koma immer wieder kurz abschweift – man hat das Gefühl, als hätte sie in ihrer beruflichen Laufbahn bereits mit Menschen mit solchen Traumata zu tun gehabt. Wie sonst kann man diese Situation dem Leser so realistisch entgegenbringen?

Fazit:
Das Buch hat mich von Anfang bis Ende gefesselt! Ein Psychothriller, der einen bis zum finalen Showdown nicht durchatmen lässt! Die Autorin schafft es wie nicht viele, einen mit hineinzuziehen in die Alpträume und die erlebten Traumata. Man fühlt die Verfolgungsangst fast körperlich mit! Das Buch ist Gänsehaut pur und nichts für schwache Nerven – man möchte nach dem Lesen nicht allein im Dunklen sein…

Für mich ein Buch, an dem man als Fan von Psychothrillern nicht vorbeigehen darf!

Bewertung vom 20.09.2020
Etzold, Veit

Final Control


ausgezeichnet

Wird China das neue Weltreich Nr. 1 werden? Wird die EU zerbrechen?

Offline ist das neue Privileg (Galloway, S. 102)

Worum geht’s?
Auf der Suche nach Investoren für sein Start-Up CUMO lernt Tom Arakis kennen. Arakis, der viele Fäden in der Hand hält. Arakis selbst ist kurz zuvor mit einem unbeschreiblichen Plan vor möglichen Investoren gescheitert und zieht nun Tom mit in einen Strudel aus digitaler Überwachung, Beeinflussung der Banken, Aktienmärkte und sogar einzelner Staaten. Und Tom steht plötzlich vor dem Untergang Europas. Ein ungleicher Kampf zwischen den Weltmächten beginnt. Wer wird am Ende siegen?

Meine Meinung:
„Final Control“ von Veit Etzold ist ein Politthriller, der aktueller nicht sein könnte. Wie man es von dem Autor gewohnt ist, ist das Geschehen perfekt recherchiert. Veit Etzold schafft es wieder einmal meisterhaft, auf seine unvergleichliche Art die aktuelle Politik und das aktuelle Weltgeschehen verständlich und treffend darzustellen, einen Ausblick in eine mögliche Zukunft zu geben und das Ganze in einen spannenden Thriller zu verpacken. Von Anfang bis Ende hält einen das Buch gefesselt und regt die Phantasie an.

Die Ausführungen zum Social Credit System, das die Chinesen überwacht und ihnen bei allem was sie tun, Plus- und Minuspunkte gibt. Die Überwachung der im Untergrund lebenden Uiguren anhand ihrer mobilen Daten. Erschreckend, wie weit dort die Überwachung bereits jetzt geht! Unsere Gesellschaft wird immer mehr zu einer gläsernen Welt, aber China ist dem allen meilenweit voraus! Und dabei, über die Seidenstraße seine Finger (und vor allem Augen) noch weiter in die Welt hinauszustrecken.

Auch die Darstellung, wie die Weltwirtschaft zusammenhängt, wie alles aufeinander aufbaut und wie schnell und einfach alles zerstört werden könnte – wir brauchen keinen Dritten Weltkrieg mit Waffen. Das Erschreckende ist: Die Menschheit und unsere Gesellschaft, wie wir sie kennen, kann viel einfacher zerstört werden. Einzelne Gruppen können alles verändern – wenn sie denn wollen. Ist das wirklich nur eine Geschichte? Eine mögliche Verschwörungstheorie? Oder ist da mehr dran, als wir uns in unseren schlimmsten Alpträumen vorstellen können?

Und das Ganze gemischt mit traditionellen chinesischen Werten. Sun Tzus „Kunst des Krieges“. Das Buch ist wirklich wieder ein Meisterstück der Literatur!

Auch die Protagonisten wurden perfekt gewählt. Tom, der mir von Anfang an sympathisch war und der sich erst „mit dem Teufel einlässt“, am Ende aber doch noch auf die andere (die gute?) Seite wechselt.

Die Gestalt des Arakis ist ebenfalls sehr gut dargestellt. Er ist mit einer meiner Lieblings-Protagonisten. Obwohl er vor der für ihn wichtigen Bilderberg-Gruppe scheitert, zieht er seinen Plan durch. Und wie Veit Etzold im Buch schreibt: „Je schneller du merkst, dass Arakis schlauer ist als du… desto schlauer bist du“ (S. 61), so endet es auch. Obwohl Arakis am Ende scheinbar verliert, geht er doch als Gewinner aus alledem hervor – denn alles war von Anfang an so geplant…

Fazit:
Veit Etzold hat in seinem Buch „Final Control“ wieder einmal bewiesen, dass er seiner Zeit weit voraus ist. Mit seinem Gespür für aktuelle Themen und Diskussionen hat er mit dem Buch wieder einmal genau den Nerv der Zeit getroffen. Perfekt recherchiert ist das Buch mitreißend und verknüpft die erschreckende Realität mit ein bisschen Fiktion und ganz viel Spannung. Ein Buch, das man gelesen haben muss und das einen zum Nachdenken anregt – auch noch über die letzte Seite hinaus.

Vielen Dank für diesen mal wieder genialen Politthriller!

Bewertung vom 27.08.2020
Schmitz, Jennifer

8.540 Kilometer


ausgezeichnet

Wenn Liebe blind macht – und du am Abgrund stehst

Eine Geschichte darüber, wie eine Reise und eine große Liebe alles verändern

In ihrem Erstlingswerk „8.540 km gegen das System“ erzählt Jennifer Schmitz ihre eigene Geschichte. Die Geschichte von Sunny und Jasper. Die Geschichte einer großen Liebe, die Sunny zu Jasper nach Oregon führt. Eine Reise, die überschattet wird von Drogen, Kriminalität und Lügen/Halbwahrheiten. Und eine Reise, die letztendlich in einer Flucht vor dem FBI endet.

Ich habe das Buch verschlungen! Die Autorin erzählt die Geschichte nicht nur, sondern sie nimmt einen mit auf ihre Reise. Die Landschaft sieht man bildhaft vor sich. Man fühlt mit den Protagonisten. Sunny – aus deren Perspektive die Geschichte geschrieben ist – wird zu einer Freundin, mit der man mitfiebert, der man helfen will, die man manchmal auch schütteln und zur Vernunft bringen möchte. Ihr Freund Jasper bringt einen abwechselnd dazu, ihn zu hassen und dann doch wieder zu mögen. Er ist meiner Meinung nach ein sehr empathischer und sympathischer junger Mann, der auf den falschen Weg geraten ist und nicht mehr zurückkann. Der von den Drogen nicht mehr wegkommt und dessen Emotionen und dadurch auch sein Verhalten extrem von den Drogen gesteuert sind und der unterschiedliche Suchtmittel einsetzt, um dadurch Gefühle und Lebenslagen „zu kontrollieren/zu steuern“. Und der es erschreckenderweise als selbstverständlich sieht, auch Sunny ungefragt Drogen zu geben. Die Beschreibung der Wirkung der Drogen, welche die beiden nehmen, ist stellenweise schon erschreckend und erschreckend detailliert. Manchmal wirkt es beim Lesen ein bisschen „drogenverherrlichend“, beim Weiterlesen aber sieht man dann, dass das nicht so sein soll und welche negativen Folgen diese Drogen für die Beziehung der beiden und für die Gesundheit haben. Wie aggressiv sie teilweise Jasper machen.

Die Geschichte zeigt auch, wie wichtig Familie und Freunde sind und wie viel Halt sie einem geben.

Man fühlt sich beim Lesen zurückversetzt in die eigene Jugend. Erinnert an die eigene erste, große Liebe. Eine Liebe, die einen vieles verzeihen und vergessen lässt. Die immer wieder hoffen lässt. Die festhalten lässt, auch wenn der Kopf keinen Sinn mehr sieht, einfach weil das Herz einen führt. Im Nachhinein vielleicht jugendlicher Leichtsinn. Oder, um es mit den Worten aus dem „Fliegenden Holländer“ zu sagen: „Auch ohne Hoffnung, wie ich bin, geb ich mich doch der Hoffnung hin“.

Am Ende bleiben viele Fragen offen. Ich hatte das Glück, das Buch im Rahmen einer Leserunde lesen zu dürfen und bekam von der Autorin einige dieser Fragen beantwortet. Und Spoiler: Es wird vermutlich einen zweiten Teil geben!

Fazit:

„8.540 km gegen das System“ ist nicht nur ein Buch, sondern eine Geschichte, die einen in ihren Bann zieht und die man beim Lesen miterlebt. Mit Sunny, der Hauptprotagonistin, fühlt man sich schon gleich freundschaftlich verbunden und man fühlt mit ihr mit und fiebert mit ihr mit. Das Buch hat mich bereits auf den ersten Seiten in seinen Bann gezogen und ich kann kaum erwarten, bis ein zweiter Teil erscheint und ich erfahren darf, wie es mit Sunny und Jasper weitergeht! Für mich ein Buch, das man gelesen haben muss!

Bewertung vom 26.08.2020
Matheson, Nadine

Im Zeichen des Killers / Jigsaw Man Bd.1


sehr gut

„Jig Saw Man“ ist der Auftakt zu einer neuen Thriller-Reihe von Nadine Matheson. Überall in der Stadt werden Einzelteile von Leichen aufgefunden. Ein Killer treibt sein Unwesen und hält die Londoner Serial Crimes Unit, insbesondere Henley und Ramouter, ganz schön auf Trab. Wer steckt hinter den Morden? Ist es ein Nachahmungstäter des legendären Jig Saw Killer? Ein Komplize, der dessen Werk weiterführt? Trotz privater Probleme sowohl Henleys auch Ramouters sind die beiden dem Killer dicht auf den Fersen. Dann taucht unerwartet der legendäre Jig Saw Killer wieder auf und ein Wettlauf mit der Zeit beginnt.

Nach dem Lesen des Klappentextes hätte ich mir – leider – etwas mehr erhofft. Am Anfang wird viel Wissen vorausgesetzt und es gibt viele Rückblicke, die man als Leser dieses ersten Teils nicht kennen kann. Die Spannungskurve beginnt sehr flach, steigt aber ab dem ersten Drittel an und in der Mitte des Buches wird es wirklich spannend und man kann das Buch kaum zur Seite legen. Am Ende bleiben dann leider viele Fragen offen. Die privaten Probleme der Protagonisten werden sehr in den Vordergrund gestellt und man erwartet immer, dass diese früher oder später etwas mit dem Fall zu tun haben; dem ist jedoch nicht so. Dafür sind andere Stellen, an denen durchaus Platz für noch mehr Spannung gewesen wäre, sehr kurz abgehandelt worden. Vieles hat man schon anderswo gelesen, aber die Autorin spielt auch mit „Klischees“ aus anderen Thrillern sehr gut und verbindet diese doch so, dass ganz neue Aspekte entstehen. Ansonsten ist das Buch gut geschrieben und leicht zu lesen. Die Autorin schafft es, anhand einer sehr bildhaften Sprache auch grausige Details „sichtbar“ zu machen – nichts für schwache Nerven.

Mit der eigentlichen Hauptprotagonistin Henley bin ich bis zum Ende nicht richtig warm geworden, dafür ist Ramouter, der Polizei-Azubi, wirklich sympathisch. Ich hoffe sehr, dass er in den Folgeteilen wieder auftaucht! Die anderen aus der Truppe lernt man eher so am Rande kennen.

Auch die Person von Olivier – dem Jig Saw Killer – finde ich gelungen. Erinnert ein bisschen an Hannibal Lecter. Er liest in den Menschen, wie in einem offenen Buch und spielt mit ihren Ängsten und Alpträumen und ist ein Meister der Manipulation von dem ich gerne mehr lesen würde.

Am Ende wäre ein abschließender Epilog – vielleicht aus Sicht von Henley – schön gewesen, der einen Einblick gibt, was noch kommen kann bzw. was aus den einzelnen Personen wird. Es bleiben sehr viele offene Fragen; aber auch hier: Es ist ja der Auftakt zu einer neuen Reihe und vielleicht werden diese Fragen in Teil 2 gelöst!

Fazit:

Jig Saw Man ist ein Buch, in dem man die Protagonisten der Reihe kennenlernt. Dieses Kennenlernen nimmt einen großen Platz ein, wodurch die Geschichte selbststellenweise etwas kurz kommt. Trotz kleinerer Schwächen und Längen finde ich das Buch für einen Serieneinstieg aber sehr gelungen. Mit dem Hintergrundwissen, dass es weitere Teile geben wird, sind auch die offenen Fragen am Ende eher als Teaser zu sehen. Ich werde den zweiten Teil aber auf jeden Fall lesen, da ich unbedingt wissen muss, wie es weitergeht und die offenen Fragen beantwortet haben möchte. Als Einstieg in die Serie ist dieser erste Teil ein absolutes Muss und durchaus lesenswert!