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smartie11
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Insgesamt 920 Bewertungen
Bewertung vom 20.07.2017
Bakkeid, Heine

... und morgen werde ich dich vermissen / Thorkild Aske Bd.1


gut

Düster, depressiv und extrem atmosphärisch – aber auch mit ein paar Längen

Zum Inhalt:
Nach einem Selbstmordversuch und als gebrochener Mann wird der ehemalige Verhörspezialist Thorkild Aske aus dem Gefängnis entlassen und steht vor den Scherben seines Lebens. Sein Therapeut und einziger verbliebener Freund Ulf überredet ihn, einen privaten Auftrag anzunehmen, um im Leben wieder ein wenig Fuss zu fassen. Auf einer unwirtlichen Insel hoch im Norden Norwegens ist ein junger Mann, Rasmus Moritzen, spurlos verschwunden und die Eltern wollen sich mit der offiziellen Erklärung eines Tauchunfalls nicht zufrieden geben. Doch vor Ort muss sich Thorkild nicht nur dem rätselhaften Verschwinden Moritzens und den brachialen Naturgewalten stellen, sondern auch seinen inneren Dämonen…

Meine Meinung:
Am Anfang der Geschichte nimmt sich der Autor erst einmal breiten Raum, um den Leser mit seinem Protagonisten Thorkild Aske vertraut zu machen. Unter den vielen „kaputten“ Ermittlern im internationalen Bücherdschungel gehört dieser Thorkild mit Sicherheit zu den Kaputtesten und so richtig „warm“ bin ich mit ihm leider bis zum Schluss nicht geworden (seine Verdauungsprobleme haben mich am Ende eher genervt).

Die Geschichte selbst baut zu Beginn die Spannung nur sehr langsam auf. Erst als Thorkild auf der einsamen, sturmumtosten Insel ankommt (ein super Setting!), schnellt der Spannungsbogen rapide nach oben – doch fällt er danach ebenso schnell wieder ab. Punktuell ergeben sich im Folgenden immer wieder spannende Passagen, aber für meinen Geschmack hat diese Geschichte auch einige Längen – Strecken, in denen einfach mehr hätte passieren dürfen. Erst im Finale war die Story an Spannung und Dramatik kaum noch zu überbieten. Am Ende setzt der Autor ein passiges Gesamtbild aus allen Puzzleteilen zusammen und liefert eine nachvollziehbare, an sich solide, aber eben auch nicht furiose Auflösung des Falls. Statt eines „wow“-Effekts hatte ich eher einen „ok“-Effekt.

Die Stärke dieses Buches liegt für mich daher weniger in der Grundstory, als viel mehr in der extrem dichten Atmosphäre, die stets einen latent depressiven und düsteren Grundton hat, sowie in der oftmals sehr bildlichen Beschreibung der rohen und lebensfeindlichen Natur im Norden Norwegens. Sehr gelungen fand ich auch das gekonnte Spiel des Autors mit der (oftmals durch Tablettenmissbrauch verzerrten) Wahrnehmung seines Protagonisten. Hier habe ich mich an mehr als einer Stelle gefragt, was nun Realität sein soll und was sich vielleicht nur in der Fantasie Thorkilds abspielt. So passt es auch sehr gut, dass dieser Thriller auch mit ein paar wohldosierten Mystery-Elementen gewürzt ist.

Last but not least hat mir der Schreibstil des Autors gefallen, der stets gut zur Story und zum sehr gelungenen Setting auf der sturmumtosten Insel passt. Oftmals beschreibt Bakkeid die Dinge dabei sehr bildlich (was nicht immer appetitlich ist) und fast schon poetisch. („…ich kann die tiefen Gräben im Mond sehen. Aus seinen Wunden rinnen silberne Flüsse und färben die Himmelskuppel in verschiedenen Metalltönen, an den Rändern dunklere, unregelmäßige Flecken, in der Mitte eher flammende Muster, die sich in spiralförmigen Milchstraßen ineinanderschlingen.“ - S. 250).

FAZIT:
Ein Thriller, der eher durch seine düstere Atmosphäre und ein tolles Setting besticht als durch seine Spannung.

Bewertung vom 20.07.2017
Koglin, Michael

Eine Katze für Kleopatra / Zeitreise auf 4 Pfoten Bd.1


ausgezeichnet

Ein spannendes, turbulentes und zugleich lehrreiches Abenteuer

Zum Inhalt:
So hatte sich das Professor Tempus eigentlich nicht vorgestellt, als er seine selbsterfundene Zeitmaschine anschmeißt: Plötzlich trudeln die verschiedensten Tiere aus den unterschiedlichsten Zeitepochen heraus. Natürlich können die Tiere nicht alle einfach im Garten des Professors bleiben – denn vielleicht haben sie in ihrer jeweiligen Zeit ja noch eine wichtige Aufgabe zu erfüllen.
Kurzerhand beschließen der Professor, seine Enkelin Lia und Hundedame Madame Curie (kurz: „Curry“), die Tiere wieder in ihre richtige Zeit zurück zu bringen und starten mit der kleinen Katze aus dem alten Ägypten. Doch Kleopatra ihre Katze wieder zu bringen hört sich erst mal viel einfacher an, als es ist…

Unsere Meinung:
„Zeitreise auf vier Pfoten - Eine Katze für Kleopatra“ ist der erste Band einer neuen Kinderbuchreihe des deutschen Autors Michael Koglin, den manche Leser sicherlich schon von seinen erfolgreichen Krimis und Thrillern kennen (u.a. „Der Mädchenmacher“ und „Seelensplitter“ der „Peer Mangold und Kaja Winterstein“-Reihe).

Die Geschichte wird aus der Perspektive der total liebenswürdigen, etwas verfressenen und oftmals sehr hilfreichen Schäferhunddame Curry erzählt, die sich sehr zu unserem absoluten Liebling entwickelt hat. Dabei sorgt ihre Sichtweise der Dinge zwischendurch immer wieder für Schmunzler. Aber auch der findigen aber manchmal auch etwas zerstreute Professor Tempus und die unerschrockene und sehr aufgeweckte Lia haben uns von Anfang an sehr gut gefallen.

Mit dem Start in die eigentliche Geschichte, die Zeitreise ins alte Ägypten zur Herrschaftszeit von Kleopatra (rd. 50 v. Chr.), verliert der Autor keine Zeit und so entwickelt sich ein temporeiches, spannendes und aufregendes Abenteuer mit vielen Facetten und mehr als einem schwierigen Auftrag für die drei Zeitreisenden. Es ist schon echt erstaunlich, wie viel „Inhalt“ Michael Koglin in diese rd. 110 Seiten lange Geschichte hineinpacken konnte. Wir haben beim Lesen mit unseren drei Zeitreisenden mitgezittert und mitgefiebert, haben mit großen Augen die Geheimnisse und Lebensarten im alten Ägypten verfolgt, an manchen Stellen vor Spannung fast den Atem angehalten und so ganz nebenbei noch einiges Interessantes über das alte Ägypten gelernt. Dies ist wirklich eine Geschichte, in die man ganz, ganz tief eintauchen kann! Am liebsten hätten meine Jungs (6 & 9) das Buch in einem einzigen Rutsch vorgelesen bekommen.

Neben den vielen Interessanten Dingen über das alte Ägypten, die man während des Lesens so ganz nebenbei erfährt (und auch für mich als Erwachsenen gab es da Neues dazuzulernen!), befindet sich am Ende des Buches noch ein kleines Glossar, das das Wissen über das alte Ägypten noch weiter vertieft. Bei meinen Jungs ist die Ägypten-Neugier auf jeden Fall geweckt!

FAZIT:
Ein tolles und rasantes Abenteuer – wir haben mitgefiebert, mitgestaunt und ganz nebenbei noch Einiges über das alte Ägypten gelernt. Super!

Bewertung vom 26.06.2017
Schumacher, Jens

Der Schatz der Oger / Welt der 1000 Abenteuer Bd.3


sehr gut

Ein spannendes Abenteuerspielbuch – auch für Anfänger geeignet!


Allgemeines zum Thema Spielbücher:
Spielbücher haben ihre Wurzeln in den 1970'er Jahren, also weit vor der Digitalisierung der Welt im Allgemeinen und der Unterhaltungsmedien im Speziellen. Ähnlich wie die artverwandten Pen-&-Paper-Rollenspiele á la „D&D – Dungeons & Dragons“ oder auch „DAS – Das schwarze Auge“ liegt der Fokus bei Spielbüchern darauf, den Fortgang der Geschichte durch eigene Entscheidungen aktiv zu beeinflussen („willst Du links herum gehen, lies weiter bei 306, gehst Du rechts herum lies 357“). Hieraus ergibt sich eine Vielzahl von möglichen Verläufen der Geschichten, so dass man ein Spielbuch durchaus mehrmals lesen kann, ohne dass es langweilig wird.

Zum Inhalt:
Eigentlich geht es in dem kleinen und beschaulichen Dörfchen Roog im Nordwesten Konduulas eher beschaulich zu. Doch eines Tages ist Dein Cousin Bolko spurlos verschwunden. Wahrscheinlich hat er sich auf die Suche nach dem legendären Schatz der Oger gemacht. Da der rundliche und eher gemütliche Bolko dieses gefährliche Abenteuer auf keinen Fall allein bestehen kann, brichst Du kurzerhand auf, um ihn zu finden und zu retten…

Meine Meinung:
Dieses Spielbuch bietet mit seinen knapp 260 Seiten und 250 Sektionen einen vergleichsweise überschaubaren Umfang. Auch für Spielbuch-Neulinge ist das sehr rudimentäre Regelwerk leicht überschaubar. So gibt es beispielsweise kein Kampfsystem, dafür entscheidet hier umso öfter der Zufall, dessen Ergebnis über Runensymbole ermittelt wird. Entsprechend gibt es auch keine Lebenspunkte oder ähnliches. Lediglich ein Talent"system" bringt ein Bisschen "Rollenspielfeeling" mit hinein. Aber auch bei den 5 Talenten, von denen man sich für eines entscheiden muss, wird man im Verlauf der Geschichte nur maximal an drei bis vier Stellen kommen, an denen es zum Tragen kommt. Sehr gut gefallen hat es mir hingegen, dass es ein paar Rätsel gibt und dass man sich von Zeit zu Zeit Notizen machen muss, die sich im weiteren Spielverlauf durchaus noch als wichtig erweisen könnten.

Die Geschichte selbst ist eine typische Fantasygeschichte, sowohl mit alt bekannten Wesen wie Ogern und Gnomen als auch mit außergewöhnlicheren Wesen wie z.B. dem Löwenbären oder auch dem Kappa, der einen offenen Affenschädel mit silbriger Flüssigkeit darin hat. Die Atmosphäre ist stimmig, die durchwanderten Landschaften und Gegenden durchaus abwechslungsreich. Beim Umfang des Buches darf man allerdings nicht erwarten, dass Atmosphäre und Geschichte zu sehr in die Tiefe und ins Detail gehen. Alles in allem eine sehr passende Story für ein Fantasy-Spielbuch.

Das aus meiner Sicht vielleicht größte Manko dieses Buches ist es, dass es nur einen Spielpfad gibt, der zum Erfolg führt. Alle anderen Entscheidungskombinationen (und davon gibt es viele!) führen oftmals zum vorzeitigen Ableben des Helden oder zu einem Scheitern der Mission. Ich selbst bin zweimal gescheitert, bevor ich den richtigen Pfad gefunden hatte. Denn Gelegenheiten zum Sterben gibt es in dieser Story viele und es geht dann auch jedes Mal sehr schnell. Und dann heißt es: Wieder ganz von vorne beginnen! Es sei denn, man merkt sich immer die letzten 2-3 Sprungpunkte, von denen man gekommen ist… ; o )

Gut gefallen hat es mir, dass das Abenteuer mit zahlreichen Illustrationen und Bildern versehen ist, was die Atmosphäre für mich noch erhöht hat.


FAZIT:
Ein atmosphärisches Fantasy-Spielbuch mit eher rudimentärem Regelwerk und nur einem richtigen Weg durch die Geschichte, aber vielen Möglichkeiten des vorzeitigen Ablebens. Dennoch ein schöner und runder Fantasy-Lese- & Spielspaß!

Bewertung vom 22.06.2017
Föhr, Andreas

Schwarzwasser / Kreuthner und Wallner Bd.7 (6 Audio-CDs)


sehr gut

Der Fall beginnt nach einem noch undurchsichtigen Prolog, der ins Jahr 1996 zurückführt, mit einem klassischem Krimi-Auftakt: dem Auffinden einer Leiche. Von hier aus breitet der Autor ein Netz aus Irrungen und Wirrungen aus, das seine Ermittler wie seine Leser gleichermaßen die meiste Zeit im Dunkeln tappen lässt, was die wahren Hintergründe und Zusammenhänge dieses Falls anbelangt. Auf den ersten zwei Dritteln hätte dieser Plot durchaus ein wenig mehr Spannung vertragen können – dennoch war dieses Buch für mich aber von der ersten bis zur letzten Seite absolut unterhaltsam. Dies ist dem wohl schrägsten Polizisten der deutschen Krimilandschaft zu verdanken: Polizeiobermeister Leonhard Kreuthner. Er ist ein urbayerisches Original, das stets für die skurrilsten Situationen, die abwegigsten Einfälle und die zweifelhaftesten Methoden sorgt. So betreibt er in seinem – vorsichtig gesagt – etwas „renovierungsbedürftigen“ Hof eine kleine Schwarzbrennerei, fährt ein e-Bike der Marke Eigenbau mit einer Höchstgeschwindigkeit von über 80 km/h und nimmt es mit dem Gesetz selbst nicht immer ganz so genau („Du wärst der größte Gangster im ganzen Landkreis“ sagt Harry über Kreuthner). Wo Kreuthner ist bleibt garantiert kein Auge trocken und kein Zwerchfell ruhig. Ich habe mich jedenfalls über seine Eskapaden wunderbar amüsieren können, sei es sein Chili-Wettessen, die Anstiftung zu einer aus dem Ruder laufenden Schau-Prügelei oder auch das Spontan-Aufbocken (Volksmund: „Aufkreuthnern“) von Polizeiautos zwecks Fluchthilfe. Einfach herrlich!

Aber auch die anderen Charaktere gefallen mir sehr gut. Kreuthners Chef Clemens Wallner sorgt als ausgleichender Pol für die notwendige Ermittlungskompetenz und mit seinem Familienhintergrund, der in diesem Band in einem Nebenstrang eine wichtige Entwicklung erfährt, für eine gute Portion Menschlichkeit und Sympathie. Sein Großvater Manfred, der hier auch seinen Auftritt als Gevatter Tod und Hobby-Chauffeur hat, ist dabei einfach nur zum Gernhaben.

Nach vielen ermittlungstechnischen Herausforderungen und unzähligen skurrilen Situationen legt die Spannung im letzten Drittel des Buches deutlich zu und läuft auf ein stellenweise fesselndes Finale zu. Ich hätte nicht gedacht, dass es zum Schluss hin so spannend werden könnte. Letztendlich hat mich die Auflösung wirklich überrascht – und dennoch hat es Andreas Föhr geschafft, alles plausibel und rückwirkend nachvollziehbar aufzulösen. Spätestens hier merkt man den extrem erfahrenen und geschickten Krimi-Autoren, der sein Finale noch mit einem Schuss Dramatik gewürzt hat.

Zur Hörbuchproduktion:
Hier ist anzumerken, dass es zwei verschiedene Versionen gibt: Der (Audible-)Download ist mit einer Spieldauer von rund 10 Stunden ungekürzt, während die CD-Version mit einer Gesamtspielzeit von 7 Stunden und 37 Minuten auf 6 CD´s gekürzt ist. Ich selbst habe nur die CD-Version gehört und ich hatte nicht das Gefühl, dass mir inhaltlich etwas gefehlt hätte.
Der Sprecher, der deutsche Schauspieler Michael Schwarzmaier, hat bei dieser Produktion einen wirklich fantastischen Job gemacht. Scheinbar ganz mühelos wechselt er zwischen Bayerischen Dialekten in verschiedenen Nuancen, lässt einige Figuren wunderbar berlinern und haucht jedem Charakter eine ganz eigene, unverwechselbare Persönlichkeit ein. Es macht einfach unglaublich Spaß, ihm zuzuhören - Besser geht es nicht!

FAZIT:
Ein Krimi, der mit seinem ausgeklügelten Plot, skurrilen Situationen und wunderbar schrägen Charakteren überzeugen kann.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 21.06.2017
Ohlsson, Kristina

Bruderlüge / Martin Benner Bd.2


ausgezeichnet

Teil zwei des packenden und immer wieder überraschenden Thrillerdoppelpacks


Meine Meinung:

„Ich wusste nicht mehr, wem ich trauen konnte, und ebenso wenig, wer leben durfte und wer sterben musste.“ (S. 263)



Inhaltlich knüpft „Bruderlüge“ nahtlos an „Schwesterherz“ an und auch der eher ungewöhnliche Schreibstil bleibt entsprechend vorhanden, denn der Protagonist Martin Benner erzählt seine obskuren Erlebnisse einer Journalistin, die hier die Rolle einer Chronistin übernimmt. Entsprechend wird die Geschichte durchweg aus der Ich-Perspektive Benners erzählt, die einen tiefen Einblick in den Charakter und die Denkweise des Protagonisten erlaubt, gleichzeitig aber die tatsächlichen Gefühle, inneren Motivationen und Absichten aller anderen, teilweise sehr zwielichtigen Charaktere entsprechend im Verborgenen lässt. Hierdurch schafft es die Autorin fast perfekt, dass man als Leser im Verlauf der Geschichte nahezu keinem anderen Charakter mehr über den Weg traut. Wie bereits im ersten Band bleibt der Charakter Benners selbst ungewöhnlich und polarisierend („Ich war ein Reiseleiter des Todes.“ - S. 266). Auf der einen Seite seine anscheinend unüberwindbare Egozentrik und sein Hang zu Alleingängen und Spontanhandlungen, auf der anderen Seite seine schon fast väterliche Fürsorge für seine kleine Nichte Belle, was ihn trotz aller Fehler für mich wieder sympathisch und menschlich gemacht hat.

Auch im zweiten Teil bleibt die Autorin ihrem Stil treu und überrascht den Leser mit vielen unvorhergesehenen Wendungen, Orts- und Szenenwechseln. Entsprechend sind Tempo und Spannung das ganze Buch über hinweg auf hohem Niveau und die paranoide Grundstimmung steigert sich nahezu bis ins Unerträgliche. Allerdings kommt dieser Teil nicht ganz an das extrem hohe Niveau des Vorgängerbandes heran, was m.E. daran liegen dürfte, dass die Autorin in „Schwesterherz“ ganz bewusst den Raum genutzt hat, um immer wieder neue Fragen und weitere Zweifel aufzuwerfen und die Geschichte zusehends komplexer werden zu lassen. In „Bruderherz“ hingegen musste die Autorin die losen Stränge langsam zueinander bringen und all die zahlreichen Fragen auflösen.

Letztendlich gelingt es Kristina Ohlsson für meinen Geschmack, ein sehr spannendes Finale mit einigen Überraschungen zu präsentieren und dennoch alles retrograd plausibel zu erklären. Natürlich gibt es bei einer dermaßen verschlungenen und komplexen Geschichte immer Teile der Auflösung, die ein bisschen weiter her geholt zu sein scheinen oder die vielleicht nicht jeden Leser bis ins letzte Detail überzeugen werden, denn die Autorin nutzt hier in einigen Aspekten eine grundsätzliche Gegebenheit der Natur, nämlich das oftmals irrationale Verhalten von Menschen. Durchaus kann man als Leser das Handeln einzelner Charaktere nicht vollständig nachvollziehen, aber dies ist in der realen Welt ja auch leider nur allzu oft der Fall. Ich persönlich bin mit der Auflösung sehr zufrieden, denn die Autorin hat es sich auf der einen Seite nicht zu einfach gemacht, auf der anderen Seite aber auch keine gezwungen und konstruiert wirkende Lösung präsentiert, bei der man den Eindruck hätte haben können, dass sie am Ende selbst nicht mehr gewusst hätte, wie sie ihre Geschichte noch zu einem guten Ende hätte bringen sollen. Für mich ist es insgesamt eine in sich runde und stimmige Auflösung.

FAZIT:
Beide Bände zusammen bilden einen außergewöhnlichen Thriller mit polarisierenden Charakteren, vielen Überraschungen und Sackgassen und einer immer bedrohlicher werdenden paranoiden und gehetzten Grundstimmung. Für mich eines meiner Lese-Highlights dieses Jahres!

Bewertung vom 09.06.2017
Meyrick, Denzil

Tödliches Treibgut / DCI Jim Daley Bd.1


sehr gut

Ein solider und atmosphärisch dichter Krimi mit tollem Setting

Meine Meinung:
„Tödliches Treibgut“ (OT: „Whisky From Small Glasses“) ist der erste „Fullsize“ Band der neuen Krimi-Reihe um den Ermittler D.C.I. Jim Daley des schottischen Autors und ehemaligen Polizisten Denzil Meyrick. Diesem Band ist das rd. 70seitige Prequel „Die Mädchen von Strathclyde“ vorangestellt, in dem der Autor seine beiden Protagonisten mit einem kleinen Fall einführt. Ich würde jedem empfehlen, zunächst dieses kleine ebook zu lesen, um einen einfacheren Start in die Geschichte von „Tödliches Treibgut“ zu erhalten.

Ohne die Vorkenntnis des Prequels könnte es zu Beginn durchaus schwierig sein, die vielen Charaktere auseinanderzuhalten. Das Setting, das sich der Autor für diesen Fall erdacht hat, ist eigentlich ganz beschaulich und heimelig – Kinloch, ein (vermeintlich) ruhiges kleines Fischerdörfchen an der wild-romantischen Küste der schottischen Kintyre-Halbinsel. Doch der erste Schein trügt, werden die beiden Ermittler DCI Jim Daley und sein Partner DS Brian Scott doch dorthin beordert, weil eine entstellte Frauenleiche dort angespült worden ist. In dieser Fischerdorfidylle treffen die beiden auf eine enge und verschlossene Dorfgemeinschaft, die aus einem bunten Mix teilweise skurriler und kantiger Charaktere besteht, und die anscheinend ihre ganz eigenen Regeln und Hackordnungen zu haben scheint. Auch die örtliche Polizei macht es den beiden Ermittlern nicht leichter, denn insbesondere der schmierige Inspector MacLeod ist ein absolutes Klischee des „Bad Cops“ mit zweifelhaften eigenen Interessen. Damit ist dieser ein stilistisch sehr gut passender Gegenpol zu DCI Jim Daley, der mir von Beginn an sehr sympathisch war. Seine kleineren und größeren Alltagssorgen (erfrischender Weise mal kein Alkoholiker!) lassen ihn sehr menschlich und nahbar erscheinen.

Der Fall an sich nimmt sukzessive an Spannung auf, überrascht stellenweise mit ungeahnten Wendungen und mündet in ein packendes und dramatisches Finale, wobei es sich der Autor nicht nehmen lässt, mit den Ereignissen ein Versprechen auf einen hoffentlich bald folgenden zweiten Band zu geben (Im Original ist diese Serie bereits bei Band 5!). Stilistisch sorgt Meyrick mit seinen Perspektiv- und Ortswechseln für ein ordentliches Tempo und viel Abwechslung, sodass ich persönlich beim Lesen keine wesentlichen Längen empfunden habe, auch wenn Daleys private Probleme teilweise schon breiten Raum einnehmen.

Der Schreibstil des Autors hat mich ebenfalls überzeugt. Er schafft es sehr gut, seine Sprache und Wortwahl an den herben Charme der schottischen Küste anzupassen und transportiert mit seinen manchmal sehr bildlichen Vergleichen die Atmosphäre stets punktgenau, so dass ich mir die Szenerien immer gut vorstellen konnte. Auch der immer wieder aufblitzende, meist trockene Humor hat mir sehr gut gefallen.

FAZIT:
Ein spannender, atmosphärisch dichter und vielversprechender Auftakt zu einer neuen Krimi-Reihe mit einem sympathischen Ermittler.

Bewertung vom 08.06.2017
Gardner, Leonard

Fat City


sehr gut

Träume sind Schäume - eine melancholische Milieustudie


Meine Meinung:

Leonard Gardner (* 03.11.1933) ist ein US-amerikanischer Schriftsteller und Drehbuchautor. Sein Debut-Roman „Fat City“ erschien 1969 und wird heute zu den modernen Klassikern der US-amerikanischen Literatur gezählt. 2017 wurde das Buch in einer neuen Übersetzung von Gregor Hens neu aufgelegt.

Romane und Filme über Boxer sind ein amerikanisches Phänomen. So stupide, brutal und stumpf dieser Sport wirken kann, so gut eignet er sich doch zugleich, die Flüchtigkeit des Augenblicks aufzuzeigen und über genutzte und viel mehr vertane Chancen zu sinnieren. Autor Leonard Gardner schickt in seinem Roman Billy Tully auf die Jagd nach dem Amerikanischen Traum, der sich – auch mangels Alternativen – als Boxer einen großen Namen machen will. Doch bereits vor seinem 30. Geburtstag steht Tully vor dem Scherbenhaufen seines Lebens, das er in billigen Motel-Zimmern verbringt, mit Aushilfsjobs finanziert und im Alkohol ertränkt.

Dieser Roman ist eine Milieustudie und ein Spiegel seiner Zeit in einem Amerika der 50´er Jahre, in denen viele Menschen einem Traum nachjagen, den sie doch nie erreichen werden. Mit einem schnörkellosen, stellenweise düsteren Schreibstil begleitet der Autor seinen Protagonisten und lässt seine Leser an diesem tristen und melancholischen Leben teilhaben. Hierbei erlebt man, wie flüchtig Momente sein und wie dicht Höhen und Tiefen beieinander liegen können.

FAZIT:
Eine melancholische Milieustudie, die nicht durch Spannung, sondern durch einen schnörkellosen Erzählstil und authentische Charaktere besticht.

Bewertung vom 07.06.2017
Aaronovitch, Ben

Der Galgen von Tyburn / Peter Grant Bd.6


ausgezeichnet

Wieder ein Volltreffer: Richtig spannend, wunderbar humorvoll und echt magisch!

Zum Inhalt:
Das hätte sich Peter Grant wohl nicht träumen lassen, dass Lady Tyburn den Gefallen so schnell einfordert, den er ihr noch schuldig ist (nachdem sie ihn aus einem Berg Schutt befreit hatte). Bei einem Todesfall durch Drogenmissbrauch könnte auch Lady Tys Tochter in den Fokus der Ermittlungen rücken – und genau das soll Peter mit allen Mitteln verhindern. Auf gar keinen Fall soll er seinem Chef Nightingale davon berichten. Natürlich tut Peter genau das – und das ist nur der Anfang eines Falls, der viel, viel größer ist, als alle Beteiligten zu Beginn vermuten…

Meine Meinung:

„Der Galgen von Tyburn“ ist der mittlerweile sechste Fall für den jungen PC Peter Grant vom Folly, der zwei Mann starken Spezialeinheit der Londoner Polizei für magische Angelegenheiten. Auch wenn der Fall in sich abgeschlossen ist, würde ich doch jedem empfehlen, zunächst die Vorgängerbände zu lesen, da wieder viele alte Bekannte mit von der Partie sind.

Der Fall an sich beginnt noch recht unspektakulär, weitet sich aber Zunehmens immer mehr aus und erreicht durchaus gewaltige Dimensionen, wenn alte und neue Parteien die Bühne betreten und für eine ganze Menge Action und magische Vorfälle sorgen. Kein Wunder also, wenn dabei so einiges in Schutt und Asche gelegt wird und das Chaos noch nicht mal vor dem altehrwürdigen Konsumtempel Harrod´s halt macht. Ganz in der Tradition der Vorgängerbände verspricht diese Story viel Spannung, Action und Überraschungen, die ein temporeiches Lesevergnügen mit viel Urban Fantasy und London-Feeling von der ersten bis zur letzten Seite garantieren.

Neben der (mal wieder!) überzeugenden Story und den eigenwilligen und wunderbar facettenreichen Charakteren überzeugen die Bücher der „Peter Grant“-Reihe durch Ben Aaronovitchs wunderbar humorvollen Schreibstil, der mich stellenweise an die Klassiker von Douglas Adams oder auch Terry Pratchett erinnert. Insbesondere durch Peter Grants selbstironische Art, die wunderbar blumigen und humorvollen Vergleiche (z.B. „Hyde Parkt Nummer Eins hockte neben dem Mandarin Oriental Hotel wie ein Stapel Büromöbel. Es besaß die Eleganz und den Charme eines Kopiergeräts.“ – S. 14) und den mal mehr mal weniger feinen Wortwitz („Ein Zauber namens Flatuletium“) zaubert Aaronovitch seinen Lesern immer wieder ein fettes Grinsen ins Gesicht.

FAZIT:
Humorvolle Urban Fantasy at it´s best: Super spannend, immer wieder überraschend, wunderbar humorvoll und einfach magisch!

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