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easymarkt3
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Insgesamt 850 Bewertungen
Bewertung vom 08.07.2022
Stern, Anne

Drei Tage im August


sehr gut

Berlin, Unter den Linden 19 im August 1936 – eine geschichtliche, breit gefächerte Fiktion – interessant verpackt.
Es geht nicht nur um einen Pralinenladen mit langer, bewegter Geschichte unter dieser ehemaligen Anschrift, sondern viele verschiedene Charakteren wie der jüdische Buchhändler Franz Marcus, der Drehorgelmann Spree-Willi mit seinem Äffchen, Marie de Savadé bzw. Madame Conte mit Wilhelmine Kalinke, ihrem treuen Dienstmädchen, das Blumenmädchen usw. strahlen miteinander eine Mitmenschlichkeit in einer unwirtlichen Zeit unter dem Diktat der NSDAP aus. Diese Pralinenmanufaktur Sawade mag als Symbol gelten für den typischen Trotz der Berliner, sich eine sichere Zuflucht, umgeben von Schönem und Genussvollem, zu erhalten trotz widriger Umstände voller Angst und Repressalien.
Interessant sind auch die sprechenden Linden, die die vielschichtige Geschichte dieser sich wandelnden Allee in all ihrer Vielfalt präsentieren.

Bewertung vom 07.07.2022
Simons, Martin

Beifang


sehr gut

Ein Leben voller Armut, großem Kindersegen und Gewalt
Frank Zimmermann ist auf Spurensuche nach seinem Großvater Winfried Zimmermann, dessen Leben geprägt ist von Nazi-Deutschland, von zwölffacher Vaterschaft, als Untertage-Arbeiter bei der Zeche Victoria Lünen a. d. L. im Nachkriegsdeutschland arbeitend. In Gesprächen mit seinen Tanten und Onkeln erfährt er viel über Finanznöte, Hunger, Enge, Chaos und Schlägen, aber auch von Zusammenhalt zwischen den Geschwistern trotz aller äußeren Widrigkeiten in der sie umgebenden Gesellschaft. Aber auch das Vater-Sohn-Verhältnis wird beleuchtet. Frank erspürt das Seelenleben mit all seinen Narben, die nicht nur die Prügel in deren Kindheit angerichtet haben. Seine eigene Leere im Leben versucht er sinnvoll hierbei zu füllen.
Nun in weiteren Generationen dieser bedrückenden Zeit und Örtlichkeit entwachsen, fragt man sich, wie man sich aus diesem ‚exotischen’ Milieu, dieser extremen Herkunft befreien könnte ohne Selbstmitleid, ohne Härte. Scheinbar ist man stolz darauf, was man ertragen kann.
Ein Buch lädt zum Nachdenken ein, auch über den Brief der Patientin auf der Intensivstation, die sich in den letzten Tagen vor dem Ableben des Großvaters im Nachbarbett wieder erholt.

Bewertung vom 06.07.2022
Nunez, Sigrid

Eine Feder auf dem Atem Gottes


gut

Heimweh, Immigration, Liebe – viele Rückblicke auf das eigene Leben!
Wie wächst ihr Vater in Shanghai auf, der die Sprache der chinesischen Mutter nicht spricht. Ihr chinesisch-panamaischer Vater, als amerikanischer Soldat im Nachkriegsdeutschland stationiert mit schlechten Englischkenntnissen trifft auf Christa, die bald mit dem zweiten Mädchen schwanger ist und mit ihm in die USA in eine Sozialbauwohnung zieht. Diese Familie von multiethnischer Herkunft leidet ständig unter Streit, Strafen, Drohungen und Armut, unter einer lieblosen Ehe der Eltern.
In der Rückbesinnung der Autorin schildert sie etwas zu ausladend ihr unglückliches Leben: der ständig arbeitende, ihr doch zu stiller Vater, ihre sehr dominante Mutter, ihre Teenagerjahre voll von geliebten Ballettstunden, denn Tanzen hilft ihr bei der Flucht aus dem wirklichen Leben. Schließlich folgen ihre ersten Sex-Erfahrungen, frühe Lektion zu den Lebensbedingungen der Frau.
Der Buchtitel spielt wohl auf die Verbitterung der Mutter an: »Wie in Gottes Namen bin ich nur hierher gekommen?«, fragte sie, den Kopf in die Hände gestützt, wirklich verwundert; als wäre sie wie eine Feder hierher geweht worden.

Bewertung vom 05.07.2022
Bernstein, Lilly

Findelmädchen (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Hart zu verkraftende Schicksale von Frauen – einfühlsam geschildert.
Nach dieser Lektüre hätte ich sehr gerne meinen leider bereits verstorbenen Eltern viele Fragen zur damaligen harten Nachkriegszeit in Köln gestellt. Der Roman beginnt mit dem Jahr 1955. Zu dem Zeitpunkt lebte ich mit meinen sieben Jahren ausserhalb von Köln, damals noch Porz-Zündorf heißend, mit meiner Familie in der ‚Schwarzen Siedlung‘, in neugebauten Holzhäusern auf weiter Flur in der Nähe von einem Güterbahnhof. Unterernährt waren wir Kinder, hatten auf manchmal Läuse aus der alten Schule mitgebracht. Die Männer der Siedlung ‚fringsten‘ nachts von fahrenden Güterwaggons alles, was zum Überleben brauchbar war, ob nun Kartoffeln, Zuckerrübe, Kohlen etc.. Der Schwarzmarkt blühte auch in unserer Siedlung, die mit großem Kindersegen erfüllt war, sodass keine Langeweile für uns Kinder auf autofreien Straßen aufkam. Sorgenfrei bin ich aufgewachsen im Verglich zu den Findelkindern Helga und Jürgen am Rand von Köln im Nachkriegsdeutschland. Das Wirtschaftswunder beglückte meine Eltern mit einem Baugrundstück, und auch wir drei Kinder halfen bei den Außenarbeiten bisweilen mit.
Auf dem Cover enthüllt sich mir erst auf den zweiten Blick das farbige Mädchen Bärbel mit krausem Haar, erst nach dem Verarbeiten dieses Romans.

Bewertung vom 03.07.2022
Hennig von Lange, Alexa

Die karierten Mädchen / Heimkehr-Trilogie Bd.1


ausgezeichnet

Gegen das Vergessen des Hitlerregimes – eine sehr berührende Lebensgeschichte!
Zu Hause in Lieberode im Harz wächst das brave Mädchen Klara auf, gewöhnt tüchtig mit anzupacken. Während sie in Oranienbaum ein heimatliches Fleckchen Erde als Hauswirtschaftslehrerin findet, trifft sie 1929 auf ihren späteren Ehemann in einem Zug von Oranienbaum nach Dessau, sich über ihre Lieblingsbücher unterhaltend. Die Polizeifürsorgerin Frau Penöter bringt ein kleines Mädchen, Tolla Lewitan, deren jüdische Mutter sich erhängt. Klara adoptiert sie und lebt seitdem in großer Angst, Klara mittlerweile Leiterin eines nationalsozialistischen Frauenbildungsheimes und Tolla bis zu ihrem 13. Lebensjahr bei ihr in Deutschland. Klara macht also großartige Karriere als Parteimitglied und sieht gleichzeitig die Greuel der Nationalsozialisten gegenüber Juden, Sozialdemokraten und Kommunisten. Schließlich soll Tolla über die Verbindung zu einem jüdischen Berliner Waisenhaus die Ausreise nach England ermöglicht werden, da sich die Lage immer mehr zuspitzt. Wird sie in den Augen ihrer nationalsozialistischen Arbeitgeber zu einer Verräterin?
Klaras Welt wird zu einem abgründigen, nicht mehr zu verstehenden Ort voller Fremdheit, Feindschaft und Misstrauen. Ihre Hilflosigkeit, an diesen Entwicklungen nichts ändern zu können, ist schwer zu ertragen, in diesen einfühlsamen Schilderungen einer 93-jährigen blinden Seniorin nachvollziehbar.

Bewertung vom 01.07.2022
Ericson, Pernilla

Im Feuer / Lilly Hed Bd.1


sehr gut

Feuer als Tatwaffe, Gewalt gegen Frauen und der Klimawandel – interessant eingeflochtene Themen.
Brände, nicht nur durch eine Hitzewelle in ganz Schweden verursacht, werden in dem idyllischen, an sich ruhigen Nynäshamn gemeldet, das nur 60 Kilometer von Stockholm liegt. Menschen sterben dabei nicht nur auf ihren Grundstücken. Ein totales Feuerverbot im Freien verhindert bei dieser extremen Wetterlage mit hohen Temperaturen und anhaltender Trockenheit leider nicht, dass bei der jungen Ermittlerin Lilly Vendela Hed, Neuzugang im Polizeirevier in Nynäshamn, Langeweile aufkommt. Sie flieht aus ihrer sie belastenden Vergangenheit mit dem Oberstaatsanwalt in diesen Ort an der Schärenküste, wohnt in einem renovierten Leuchtturm und folgt ihrem Instinkt in Sachen Brandaufklärung. Das fieberhafte Löschen der vielen, großen Brände erfolgt durch Feuerwehrchef Jesper, der sich rührend um Lillys Zuneigung bemüht.
Selbst wenn alle Spuren in Rauch aufgehen, findet sich schließlich eine überraschende Lösung.

Bewertung vom 30.06.2022
Schaper, Fam

In your eyes / Catching up with the Carters Bd.1


gut

Auf der Suche nach einem sinnvollen Neuanfang im Leben von Aphrodite, dem Mitglied einer Reality-TV--Familie
Aphrodite lebt mit ihren Eltern, ihren sieben Geschwistern und einem zwanzigköpfiges Kamerateam in einer Villa, um die erfolgreiche Reality-Show ‚ Catching up with the Carters‘ abzuschließen beim Dreh eines Familiendinners mit vorgegebenen Texten, Gesten, in vorgeschriebenen Rollen. Doch Aphrodite, der Rolle als gemeine Zicke mittlerweile überdrüssig, findet auf der Suche nach Realität, Freiheit und neuem Lebensinhalt eine Anstellung als Produktionsassistentin in der Show ‚Celebrities in Love‘, bei der aber auch zufällig Garret Edwards, der Sohn von Harold Edwards, Mitglied des Edwards-Clans, einer der bekanntesten Reality-TV-Familien Amerikas, in gleicher Tätigkeit aktiv werden soll. Auch er lässt die Dreharbeiten der Show meiner Eltern über sich ergehen. Neben dem Ziel, sich eine eigene Karriere aufzubauen, werden unbeschreiblich tiefe Gefühle, aber auch bittersüße Erinnerungen bei diesem unerwarteten Wiedersehen geweckt zwischen Aphrodite und Garret.
Durch intelligente Dialoge und Szenen-Beschreibungen fühlt man sich als Leser voll integriert mitten in dieses Film-Set, wenn vielleicht auch nur als Kabelträger im Hintergrund.

Bewertung vom 29.06.2022
Böhm, Nicole

Golden Hill Kisses / Golden Hill Bd.2


gut

Romantik pur in Montana auf der Golden Hill Ranch
Romantisches Setting auf der der Golden Hill Ranch, umringt von Ajden´s Freunden, ein wenig Stress, Verwirrung, aber auch Urlaubsfeeling, umgeben von viel urtümlicher Natur, frischer Luft und vielen Tieren, in der Nähe eines Indianerreservats, ohne zu vielen Touristen – insgesamt ein angenehmes Ambiente zum Verlieben für Arizona als Journalistin des Explorer und Ajden, mit seinem ebenso interessanten, nicht alltäglichen beruflichen Hintergrund. Insgesamt kommen auch alle weiteren Charaktere angenehm rüber und geben dem gesamten Plot ein fast familiäres Ambiente. Die Ausführungen über die Pferdetherapie sind sehr aufschlussreich.
Was für eine angenehme Idylle in Montana, dem am wenigsten besiedelten Staat Amerikas. Das Cover von Band 2 zeigt Wald mit Bergen im Hintergrund in rötlich angehauchten Farben des Sonnenuntergangs.

Bewertung vom 29.06.2022
Joshi, Alka

Die Hennakünstlerin / Jaipur Bd.1


ausgezeichnet

Ein Mädchen mit viel Geschick, Ehrgeiz und Intelligenz in Rajasthan ab 1955 – sehr lebendig beschrieben.
Das Leben von Mrs. Lakshmi Shastri, einer besonders talentierten Hennakünstlerin, wird ab 1955 nach Abzug der Briten aus dem nun unabhängigen Indien vorgestellt, angefangen von Ajar, dann über 13 Jahren in Jaipur und endend in Shimla am Himalaya-Vorgebirge. Dort jedoch bringt sie nicht Schönheit, sondern Heilung im Krankenhaus für die dortige Bevölkerung mittels selbst hergestellten Salben und Tinkturen aus dem neu angepflanzten Heilkräutergarten.
Der Enthusiasmus nach der Unabhängigkeit Indiens scheint durch sowie die Herstellung der Hennapasten, Indiens Heilpflanzen und das Leben in Kasten. Besonderes Augenmerk gilt hier der weiblichen Bevölkerung in Sachen Ausbildung und ihren nicht existierenden Rechten.

Bewertung vom 27.06.2022
Valla, Kristin

Das Haus über dem Fjord


sehr gut

Das Leben mit Homosexualität und Aids vor 1985 in Europa – exemplarisch einfühlsam geschildert.
Die Szenerie spielt nicht nur in einem nordnorwegischen Dorf am Sørfjord, gelegen in der Provinz Nordland. Durch Quickton werden dort ganze Häuser, die von den Tonmassen auf dem Rücken getragen wurden, mit ihrem Schornstein unter Wasser gedrückt, in das Fjord hinein ohne große Voranmeldung. Zurück bleiben eine sehr tolerante Mutter und die Tochter, die Erzählerin, die ab dem Alter von 10 Jahren nach diesem Naturereignis schneller erwachsen wird und schließlich auch auf Spurensuche geht.
‚Zutiefst geliebt, zutiefst vermisst‘. So steht es schließlich auf dem Grabstein des Vaters, fernab auf einem stillen Friedhof in einem kleinen Dorf bei Lyon. »Manchmal denke ich, dass ich meine Eltern überhaupt nicht gekannt habe.« Vielleicht geht es manchem Leser auch so bei ähnlichen Gedankengängen.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.