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Igelmanu
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Insgesamt 1033 Bewertungen
Bewertung vom 26.02.2017
Maiwald, Armin

Aufbau vor laufender Kamera


ausgezeichnet

»Damals war Köln ein »Sternpunkt« für Eurovisionssendungen. Darunter verstand man damals entweder Sendungen, die in Deutschland produziert und gleichzeitig ins Ausland übertragen wurden, oder Sendungen, die aus einem anderen Land stammten und auch bei uns gezeigt wurden. … In der obersten Etage des Hochhauses am Hansaring, da, wo heute Saturn drin ist, war die Sende- und Übertragungstechnik, und auf dem Dach standen jede Menge Parabolspiegel. Wenn nun so ein Eurovisions-Ding anstand, mussten die »Zenti-Strecken« eingerichtet werden. Und das ging so: …«

Seine Stimme kennt vermutlich jeder. Seit Jahrzehnten erklärt Armin Maiwald Kindern, Eltern und anderen Interessierten wie die Welt funktioniert. Und nach jeder kleinen Sachgeschichte ist man – auch als Erwachsener – ein bisschen schlauer geworden.
Als ich seine Autobiographie entdeckte, war ich mir sicher, dass sie großartig sein würde. Wenn jemand weiß, wie man erzählt, informiert, seine Zuhörer fesselt und unterhält, dann er. Was soll ich sagen? Meine Erwartung wurde in vollem Umfang erfüllt!

Was habe ich alles in diesem Buch erfahren! Natürlich die Eckdaten seines Lebens und vieles, was für den privaten Armin von Bedeutung war und ist. Dann jede Menge Zeitgeschichtliches, denn sein Leben begann im Januar 1940 in Köln, da kommen reichlich Erinnerungen an Kriegs- und Nachkriegszeiten, an Aufschwung und Krisenjahre zusammen. Weiter geht’s mit gefühlt allem, was es über die Entwicklung im Bereich Film- und Tontechnik zu berichten gibt, sehr detaillierten Schilderungen über die Entstehung einiger Sachgeschichten und natürlich mit so manchem Wissenswerten über die „Sendung mit der Maus“, den „Spatz vom Wallrafplatz“ und „Robbi, Tobbi und das Fliewatüüt“. Fotos gibt’s natürlich auch, da kann man zum Beispiel einen langhaarigen Armin aus dem Jahr 1972 bewundern ;-)

Im Grunde kam mir das Buch wie eine große Sachgeschichte vor. Die Geschichte von Armin, gewissermaßen ;-) Beim Lesen hatte ich die ganze Zeit über seine Stimme im Ohr und war gefesselt von der ersten bis zur letzten Seite. Es gibt wirklich nichts, was ich aussetzen könnte, außer vielleicht, dass ich mir gewünscht hätte, dass das Buch noch umfangreicher gewesen wäre.
Im Jahr 1995 erhielt Armin Maiwald das Bundesverdienstkreuz. Hochverdient, wie ich finde. Wie viel Aufwand und Zeit in so manchen Sachgeschichten steckt – unglaublich! Nun, da ich auch noch so einiges über sein Leben erfahren habe, stelle ich fest, dass er schon immer und bei allem, was er tat, mit großem Einsatz, enormer Kreativität, Mut und Improvisationstalent zugange war.

Fazit: Ich würde gerne 6 Sterne vergeben. Dieses Buch bekommt einen festen Platz bei meinen Lieblingsbüchern.

»Die wichtigste Entscheidung war: Es sollten keine »Lehrfilme« werden. Man sollte nichts lernen müssen. Es sollte niemand, sozusagen mit erhobenem Zeigefinger, dozieren … Uns war von Anfang an klar, dass wir die Schule weder imitieren noch ersetzen wollten. Schließlich arbeiteten wir für ein Unterhaltungsmedium. Und es sollte Spaß machen zuzuschauen. Aber wenn man nach so einem kleinen Film etwas schlauer war als vorher, wäre das kein Fehler.«

Bewertung vom 26.02.2017

Schönes NRW, Ausgabe mit Gutscheinen


weniger gut

Ich unternehme gerne mal was in der Region und habe schon mehrfach die Erfahrung gemacht, dass man manchmal gar nicht weit fahren muss, um tolle Dinge zu entdecken oder zu unternehmen. Als ich dieses Buch sah, erhoffte ich mir weitere gute Anregungen und Tipps. Ich konnte nicht in das Buch hineinsehen, also verließ ich mich auf die Beschreibungen auf Vorder- und Rückseite. Da heißt es zum Beispiel auf dem Titel: „Freizeit aktiv für Groß und Klein“ und auf der Rückseite wird mit „zahlreichen Daten und Fakten zu Kultur, Sport und Freizeitgestaltung“ geworben. Zudem lachte mich ein dicker Hinweis „Plus Gutscheine“ an. Klingt gut, dachte ich…

Ich fange mal mit dem Positiven an, das ich zu dem Buch sagen kann: Es ist sehr übersichtlich aufgebaut. Die Aktivitäten sind in verschiedene Themengebiete gegliedert und diese wiederum unterteilt in Regionen (Bergisches Land, Niederrhein, Münsterland, Ruhrgebiet, Sauerland usw.). So erkennt man leicht, was wirklich in der Nähe liegt und was auch schon mal 3 Stunden Anfahrt in Anspruch nehmen kann. Einen kleinen Kritikpunkt habe ich aber schon hier, in mindestens einem Kapitel gibt es falsche Seitenangaben, alle hängen ein paar Seiten hinterher. Das ist nicht dramatisch und wenn ich ansonsten zufrieden gewesen wäre, würde ich es überhaupt nicht erwähnen. War ich aber leider nicht.

Freizeit aktiv – das heißt für mich, dass ich in meiner Freizeit etwas aktiv tue. Dass ich mich nicht vor dem Fernseher berieseln lasse, sondern dass ich etwas erlebe, neue Eindrücke sammeln kann. Der Hinweis auf Kultur, Sport und Freizeitgestaltung unterstützt meine Ansicht.
Um es gleich zu sagen: Kultur kommt fast gar nicht vor. Ich besichtige gerne Burgen, Schlösser, Kirchen, schöne Altstädte. Auch der Besuch von Museen steht regelmäßig auf meinem Aktivitätenplan. Im Buch gibt es leider nur ganze vier (!) Seiten mit insgesamt sechs aufgeführten Museen. Burgen, Schlösser und Kirchen tauchen überhaupt nicht auf.
Hier kommen wir zum größten Manko: Für die Macher des Buchs beschränkt sich Aktivität ausschließlich auf Sport. Erschwerend kommt noch hinzu, dass ein nicht unerheblicher Teil der vorgestellten sportlichen Aktivitäten für die Gesundheit problematisch werden kann, wenn man nicht mehr jung und nicht durchtrainiert ist. Wer fit ist und mal sehen möchte, was man im Umkreis an ausgefallenen sportlichen Dingen tun kann, der findet hier sicher Anregungen. Für mich war das Blättern eher frustrierend. Ein weiterer Faktor ist der finanzielle. Meine Tochter, jung und fit und somit eigentlich Zielgruppe, sagte beim Blick auf einige der Angebote: Das ist ja toll! Würde ich auch gerne machen – aber weißt du, was das kostet? Sportarten für Menschen mit Geld – das ist der Eindruck, der sich bei mir festsetzte. Die völlige Abwesenheit von Preisen bei den Angeboten unterstützt diese Annahme. Scheinbar hat man sich an dem Grundsatz orientiert: Wenn man fragen muss, was etwas kostet, kann man es sich nicht leisten. Gut, die Preise kann man im Internet nachsehen, die Internetadressen sind immer angegeben. Das ist auch gut, denn allgemein sind die Infos zu den einzelnen Angeboten eher sparsam. Wenn ich aber ohnehin das meiste aus dem Internet entnehmen muss, brauche ich ein solches Buch nicht, sondern kann gleich zum Beispiel "Golfplätze in der Umgebung" googeln.
Was fehlt noch? Ach, die Gutscheine. Gleich der erste trägt den Aufdruck: „Aktionszeitraum 01.05. bis 30.09.2014“. Ich habe das Kleingedruckte der anderen Gutscheine jetzt nicht mehr studiert, aber da macht man sich so seine Gedanken…

Fazit: Nur geeignet für finanziell gutgestellte Sportfans. Ich hatte viel mehr erwartet und bin schwer enttäuscht.

Bewertung vom 26.02.2017
Winslow, Don

Tage der Toten / Art Keller Bd.1


ausgezeichnet

»Einer liegt allein da, an der Wand gegenüber. Ein alter Mann, das Familienoberhaupt. Wahrscheinlich als Letzter ermordet, denkt Keller. Gezwungen, der Auslöschung seiner Familie beizuwohnen, und dann ebenfalls erschossen. Aus Gnade? Aus einem pervertierten Gefühl der Barmherzigkeit? Dann sieht er die verstümmelten Hände des alten Mannes. Erst wurden ihm die Fingernägel ausgerissen, dann die Finger abgehackt. Sein Gesicht ist im Schrei erstarrt, die Finger stecken in seinem Mund.
Das bedeutet, dass die Mörder in seiner Familie einen dedo vermuteten, einen Finger, einen Zuträger.
Und ich habe sie zu dieser Annahme verführt.
Gott vergib mir.«

„Das ist mein Lieblingsbuch.“ – mit diesen Worten gab mir ein Kollege kürzlich dieses Buch. Neugierig begann ich darin zu lesen – und mochte es schon nach der ersten Seite nicht mehr aus der Hand legen.
Don Winslow hat in sein – zu Recht – preisgekröntes Werk glatte sechs Jahre Recherchearbeit gesteckt. Das spürt man auf jeder einzelnen Seite. Die Handlung platziert er mitten hinein in die Geschichte des mexikanischen Drogenkriegs, lässt seinen Protagonisten, den US-Drogenfahnder Art Keller, gegen mächtige Kartelle antreten. Allerdings merkt Keller schon nach kurzer Zeit, dass seine Gegner auch noch in ganz anderen Kreisen sitzen…

Zeitraum der Handlung sind die Jahre 1977 bis 2004, der Leser darf folglich einiges erwarten. Geschickt verknüpft der Autor reale Personen und Vorkommnisse mit fiktiven, integriert blutige Geheimdienstaktivitäten lateinamerikanischer Länder, wie die durch die Vereinigten Staaten unterstützte „Operation Condor“. Das Ergebnis wirkt in der Summe absolut realistisch, sorgt für atemlose Spannung und so manches schockierende Moment. Denn es wird hart, sehr hart. Einzelne Passagen werden mir vermutlich dauerhaft im Gedächtnis bleiben. Unter anderem auch deshalb, weil sie nicht nur real wirken, sondern so oder ähnlich geschehen sind und immer noch passieren. Laut Wikipedia hat der Drogenkrieg in Mexiko in den letzten zehn Jahren über 185.000 Opfer gefordert!

Hochinteressante Charaktere schickt der Autor an die Front. Wobei man „richtig“ gute hier vergebens sucht. Selbst Art Keller, eigentlich der Streiter für die gute Seite, kämpft mit manchmal bedenklichen Mitteln. Das Eingangszitat gibt einen Hinweis darauf. Allerdings kann man sich die Frage stellen, ob sich ein solcher Kampf mit ausschließlich legalen und fairen Mitteln überhaupt gewinnen lässt. Die berühmte Frage: „Was würde ich tun?“ drängt sich manches Mal beim Lesen auf.
Und die böse Seite? Ist stark vertreten und präsentiert ebenfalls einige eindrucksvolle und vielschichtige, manchmal regelrecht charismatische Charaktere, die sich häufig oder meist abgrundtief böse zeigen, aber an anderer Stelle auch sympathische (oder zumindest menschliche) Eigenschaften zeigen.
Dann gibt es noch die, die man gar nicht richtig einer Seite zuordnen kann und solche, die eine Entwicklung durchlaufen und sich ändern. Nicht zu vergessen auch die, die sich als „gut“ tarnen, es aber ganz und gar nicht sind. Eins kann ich verraten: In der Rangliste der bösesten Charaktere standen für mich beim Lesen nicht immer nur Drogenbosse und Auftragskiller ganz oben.

Ganz sicher kann man sagen, dass dieses Buch niemanden kalt lassen sollte. Sehr empfindsame Leser dürften allerdings an manchen Stellen schwer zu knacken haben. Wer sich aber vor der härteren Gangart nicht scheut und gerne einen packenden und realistischen Thriller liest, für den vergebe ich hier eine volle Leseempfehlung.
Die Handlung wirkt abgeschlossen, trotzdem gibt es einen Folgeroman. In „Das Kartell“ kann der Leser verfolgen, wie es mit Art Keller nach 2004 weitergeht. Dieses Buch wird sicher in Kürze bei mir einziehen.

Fazit: Bildgewaltiges Epos um die Geschichte der mexikanischen Drogenkriege. Unglaublich hart, unglaublich gut!

Bewertung vom 26.02.2017
Beinert, Claudia;Beinert, Nadja

Die Mutter des Satans


sehr gut

»Aber warum eine Rebellion gegen die höchsten Herren im Reich? … Du hast deinen Platz im Leben vergessen!«

In diesem Jahr, in dem sich der Thesenanschlag durch Martin Luther zum fünfhundertsten Mal jährt, gibt es reichlich Literatur über ihn. Aber dieses Buch hier stellt seine Mutter in den Mittelpunkt der Handlung.
Welche Rolle spielte sie, spielte Luthers Elternhaus in seinem Leben? Wie stand Margarethe Luther (oder Luder, wie sie richtig hieß) zu ihrem Sohn und seinem Tun?

Die beiden Autorinnen verknüpfen auf hochinteressante Weise die historischen Persönlichkeiten und Tatsachen mit einem fiktiven Handlungsrahmen, der trotzdem realistisch erscheint. Margarethe Luder lässt sich von Lucas Cranach dem Älteren porträtieren und hängt dabei ihren Erinnerungen nach, beginnend mit Martins Geburt.
Im Wesentlichen wird also aus ihrer Sicht erzählt, lediglich in Zwischenpassagen wechselt die Erzählperspektive zu Lucas Cranach. Das sorgt natürlich dafür, dass man beim Lesen stets ganz nah bei Margarethe ist, bei ihren Gefühlen, ihren Ängsten und ihrem Glauben.

Wie immer, wenn ich über die Rolle der Frau in dieser Zeit lese, bin ich fassungslos. Diese Frauen mussten doch so stark sein, eigentlich, und ließen sich doch unterdrücken und missbrauchen. Und alles aus der Überzeugung heraus, dass dies die göttliche Ordnung sei! Margarethe war da keine Ausnahme, erst spät fand „die Mutter der Reformation“, wie sie an einer Stelle im Text bezeichnet wird, aus der Opferrolle heraus. Interessant ist dabei, ihre Entwicklung zu beobachten. Beim Lesen stellt man sich nicht nur die Frage, wie sie ihren Sohn beeinflusst hat, sondern welchen Einfluss wiederum er auf seine Mutter gehabt hat.
Natürlich wird ausführlich auf das damalige Weltbild eingegangen. Alles Denken und Streben war auf das Jenseits gerichtet, über allem stand die Angst vor einem zürnenden und strafenden Gott, der einen für die Ewigkeit in der Hölle schmoren lassen konnte. Außer – man hatte genügend Geld für Ablassbriefe… Ein unglaublicher Gedankenansatz, der ebenso wie der parallel existierende Aberglaube leicht auf dem Nährboden einer allgemein herrschenden Ungebildetheit gedeihen konnte. Wie Martin Luther hier eingegriffen hat, ist bekannt. Aber wie wurde aus ihm der bekannte Reformator? Seine Familie hatte eigentlich andere Pläne für ihn – wie mag es für sie gewesen sein, als der Sohn plötzlich so rebellierte? Wer Kinder hat, der weiß, dass man sich um sie sorgt, dass man sich für sie eine gesicherte Zukunft wünscht – und dass man, wenn das Kind erfolgreich ist, selber an Ansehen gewinnt. Umgekehrt gilt das gleiche, damals wie heute.

Martin Luthers Ansichten und die neue Lehre haben selbstverständlich auch einen Platz in Margarethes Erinnerungen. Ein Punkt, der mir immer negativ in Zusammenhang mit ihm einfällt, nämlich seine befürwortende Haltung zu den Hexenverbrennungen, wird allerdings nur kurz erwähnt. Nun ja, es sind halt die Erinnerungen seiner Mutter…

Der Stil sagte mir zu und ließ sich leicht und angenehm lesen. Schön finde ich zudem, dass auf dem Cover ein Ausschnitt aus dem fertigen Porträt Cranachs zu sehen ist. Aber auch nach dem Lesen stört mich immer noch der Titel des Buchs, ich finde ihn einfach reißerisch, auch wenn er inhaltlich begründet werden kann. Wenn ich nicht durch Empfehlungen hier auf das Buch aufmerksam geworden wäre, hätte ich es aufgrund des Titels sicher nicht beachtet.

Fazit: Kurzweiliges Porträt einer interessanten Frau und ein ungewöhnlicher Blick auf den großen Kirchenreformator.

»Ich wollte keine Rebellion, sondern war auf der Suche nach einem Weg, wie wir Gottes Gnade erhalten. … Ich habe ihn gefunden, den Weg in die ewige Seligkeit, ins Himmelreich.«

Bewertung vom 26.02.2017
Schami, Rafik

"Wie sehe ich aus?", fragte Gott


gut

»Eines Tages wollte Gott wissen, wie die Wesen seiner Schöpfung ihn sahen. Er, der alles erschaffen hatte, die Sonne und die anderen Sterne, die Erde und die anderen Planeten, wusste nicht genau, was seine Geschöpfe über ihn dachten. Und so kam Gott auf die Erde, unsichtbar wie ein Gedanke und neugierig wie ein Kind.«

Rafik Schami ist – nicht nur in meinen Augen – ein einfach begnadeter Erzähler. Er findet Formulierungen und Worte, die gleichzeitig treffend und wunderschön sind, geeignet, beim Lesen jeden einzelnen Satz zu genießen. Darüber hinaus ist er für mich ein großer Vermittler zwischen den Kulturen – ich wünschte, es gäbe mehr Menschen wie ihn.
Dieses Buch kaufte ich blind, eben weil es von ihm ist. Und schreibe nun mit sehr schwerem Herzen diese Rezi.

Gott kommt also auf die Erde, um seine Geschöpfe zu fragen, wie er für sie aussieht und was er ihnen bedeutet. Er befragt jede Menge verschiedener Tiere und Pflanzen, Atome, Wolken und einen Regenbogen. Und ganz am Schluss die Krone seiner Schöpfung. Die jeweiligen Antworten sind tiefgründig und ausdrucksstark, sie lassen den Leser nachdenken und philosophieren. Dieses Buch ist keines, das man in einem Rutsch lesen sollte. Jede einzelne Begegnung stellt neue Thesen in den Raum, die bedacht werden wollen. Und die gewählten Worte dabei sind wie erwartet wunderschön.
Aber jetzt kommt der Knackpunkt: An wen sind sie gerichtet? Wer ist die eigentliche Zielgruppe?
Nehme ich als Erwachsener das Buch zur Hand, erfreue ich mich zwar an den klug gewählten Worten, denke aber ständig, dass es nur so wenige auf jeder Seite sind. Jede Begegnung umfasst lediglich wenige Sätze, auf beinahe jeder Seite findet sich freie Fläche, die Kinder einladen soll, die vorhandenen Zeichnungen mit eigenen zu ergänzen.
Tatsächlich ist das Buch so angelegt, dass man es als Erwachsener zusammen mit seinen jüngeren Kindern lesen sollte. In kleinen Abschnitten, zum Beispiel eine Begegnung pro Abend. Dann könnte man mit dem Kind die jeweiligen Aussagen besprechen, seine Meinung dazu hören und es abschließend ein Bild malen lassen. Klingt gut, aber ob es funktioniert? Es mag Kinder geben, die über Sätze wie „Er ist die unendliche Wärme, die mich zum Leben erweckt und mitten im Frost den Sommer fühlen lässt.“ reden möchten, aber sicher nicht alle. Und auf jeden Fall muss der erwachsene Vorleser mehr tun, als nur Vorlesen – Buch zuklappen – Gute-Nacht-Sagen. Ich sehe so manche abendliche Vorleserunde misslingen!
Ein weiterer Punkt sind die Zeichnungen. Sie sind recht einfach gehalten und bestehen nur aus einfarbigen, einfachen Linien. Die meisten jüngeren Kinder würden aber eher bunte Bilder als schön empfinden und das Betrachten dieses Buchs folglich als wenig reizvoll.
Das größte Problem aber ist der Schluss. Denn während die Aussagen von Tieren, Pflanzen usw. im Grunde alle positiv und von Ehrfurcht geprägt sind, greift der Mensch, auf der letzten Seite als krönender Schluss befragt, gehörig daneben. Eine gewaltige Portion Kritik steckt darin und die ist (mit den Augen eines Erwachsenen betrachtet) sehr gerechtfertigt und gut angebracht, aber was soll ein jüngeres Kind damit anfangen? Ich halte das für eine glatte Überforderung und nicht altersgerecht.
Um welchen Gott es sich übrigens handelt, wird weder erwähnt noch kann man es ableiten, so dass das Buch in allen Religionen, die an einen Gott als Schöpfer der Welt und des Lebens glauben, gelesen werden kann.

Fazit: Philosophie mit jüngeren Kindern? Ich vermute, mit diesem Buch wird das nicht klappen, es spräche doch eher Erwachsene an.

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 26.02.2017
Feller, Toni

Das Gesicht des Todes


ausgezeichnet

»Obwohl mitunter die Ansicht vertreten wird, das Beschreiben spektakulärer, authentischer Kriminalfälle sei nichts anderes als die Befriedigung sensationslüsternen Voyeurismus, denke ich doch, dass schwere und schwerste Straftaten selbst lange Jahre nach der Tat nicht einfach totgeschwiegen werden sollten. Die Öffentlichkeit hat sehr wohl ein Recht darauf, im Nachhinein zu erfahren, was sich hinter den Verbrechen verbirgt und was hinter den Kulissen des Polizei- und Justizapparates so alles geschieht. … Ich bin der Meinung, wer die Augen vor den grässlichen Taten gemeiner und brutaler Mörder verschließt, wer davon nichts wissen möchte, lässt die Opfer allein. Und Opfer sind nicht nur die Ermordeten, sondern insbesondere auch deren Hinterbliebene.«

Man merkt schon, dieses Thema liegt dem Autor am Herzen. Und er weiß, wovon er spricht. Toni Feller, Kriminalhauptkommissar und seit 1985 Mitglied der Mordkommission im Polizeipräsidium Karlsruhe, berichtet hier aus seinem Alltag. Er stellt einige authentische Mordfälle vor und gibt einen Einblick in die dabei stattfindende Polizeiarbeit, die meist ganz anders ist, als gewöhnlich im Krimi dargestellt wird. Zum Beispiel »[spürt] der Leiter einer Mordkommission den Täter niemals persönlich auf, wie es in Filmen und Kriminalromanen gern dargestellt wird. Seine Aufgabe ist es explizit, die anfallende Arbeit zu koordinieren, an die Unterabschnitte zu delegieren und gegebenenfalls den Rücklauf zu kontrollieren.« Darüber hinaus wird deutlich, wie kleinteilig und akribisch gearbeitet werden muss, wieviel Geduld manchmal notwendig ist und dass Polizeiarbeit nichts für Einzelkämpfer ist, sondern im Team stattfindet.

Die vorgestellten Fälle sind richtig heftig, nicht zuletzt auch deshalb, weil man weiß, dass sie nicht der Phantasie eines Autors entsprungen sind, sondern nach Abänderung von Namen, Berufen, Orts- und Zeitangaben zur Wahrung des Datenschutzes aus Polizeiakten entnommen sind. Ich lese ja gerne und viel Krimis, aber hier musste ich an der ein oder anderen Stelle schon schlucken. Dabei wird auf alle Erzähltechniken verzichtet, die man gemeinhin zum Spannungsaufbau verwendet, selbst die grausamsten Details werden nüchtern geschildert, mit alleinigem Schwerpunkt auf der sachlichen Richtigkeit. Es klingt wie das, was es im Grunde ist: Ein Polizeibericht. Traurige und erschreckende Realität. Neben Protokollen und Zeugenaussagen werden auch gesetzliche Grundlagen zitiert und Einblicke in die Gerichtsverhandlungen gegeben.
Dazwischen allerdings gestattet sich der Autor immer wieder ein paar persönliche Worte, in denen er zum Beispiel Missstände staatlicher Stellen anspricht und auch vor brisanten Themen (wie zum Beispiel „Freigänger“) nicht haltmacht. Er schießt manchmal ganz schön scharf, das hat mir gefallen!

Um noch mal auf den Stil zurückzukommen und es ganz klar zu sagen: Das hier ist ein Sachbuch, kein Krimi oder Thriller. So etwas schreiben kann der Autor auch (siehe „Die Sünde“), hier aber verzichtet er auf die klassischen Stilmittel, womöglich um sicherzustellen, dass durch den sehr sachlichen Stil nicht die falsche Zielgruppe „angesprochen“ wird. Mich hat das Buch absolut gefesselt, manchmal schockiert, manchmal nachdenklich gemacht. Ich zitiere hier mal einen Satz aus dem Klappentext, den ich voll unterschreiben würde: »Nichts ist spannender und aufwühlender als die Realität!«

Fazit: Realität pur. Mich wühlt ein nüchterner Polizeibericht mehr auf, als der blutigste Thriller. Eine volle Leseempfehlung für jeden, der Wert auf Realismus legt.

»Schließlich sollte die authentische Fallschilderung auch dazu dienen, Polizisten, Ärzte und Behörden zu noch mehr Wachsamkeit aufzurufen, so dass sich solche oder ähnliche Fälle nicht noch öfter als bisher wiederholen.«

Bewertung vom 26.02.2017
Thiel, Sebastian

Das Adenauer-Komplott


sehr gut

»Das ist alles?«, wollte Maximilian wissen.
»Das ist alles.«
»Also nur ein Bündel Geld in ein Gestapo-Arbeitslager schmuggeln, einen Kapo und Ärzte bestechen, mit einer mir unbekannten Person einen Krankentransport stehlen und unbehelligt von allen Beamten, Polizisten, den Soldaten von der Schutzstaffel und der Sturmabteilung das hervorragend bewachte Messelager wieder verlassen, und das Ganze auch noch lebend und innerhalb von wenigen Wochen.«

Köln, im August 1944. Maximilian Engel, ein hochdekorierter Jagdflieger, ist desillusioniert. Die Stadt liegt in Trümmern, der Krieg scheint verloren. Aber was für ihn noch schlimmer wiegt ist die Tatsache, dass er wegen einer Verwundung nicht mehr fliegen kann. Denn das Fliegen war sein Lebenstraum, die „pure Freiheit“.
An einem Abend mit besonders hohem Alkoholspiegel redet er sich um Kopf und Kragen – und wird folglich prompt von der Gestapo verhaftet. Im Gefängnis stellt ihn eine unbekannte Schöne vor eine Entscheidung: Entweder ein ausgesprochen unschönes Ende oder die Annahme eines hochriskanten Auftrags. Dabei soll er – wie eingangs zitiert – einem ebenfalls verhafteten Mann zur Flucht verhelfen. Und dieser Mann ist niemand anders als der ehemalige Bürgermeister von Köln, Konrad Adenauer…

Mit diesem Buch hat Sebastian Thiel erneut einen Treffer gelandet. Ich versprach mir Spannung und viel Zeitgeschichtliches – beides habe ich bekommen.
Geschickt mixt der Autor Fiktion mit historischen Personen und Begebenheiten. Dies in Kombination mit Detailreichtum und einer offenbar gut erfolgten Recherche sorgte dafür, dass ich die gesamte Handlung als sehr real empfand.
Der zeitgeschichtliche Hintergrund wird sehr gut herausgearbeitet, wobei sich die Handlung über 20 Jahre erstreckt und somit auch die Nachkriegszeit und den Wiederaufbau umfasst. Eine schwere Zeit! Das Land liegt nach dem Krieg am Boden und zwischen Not und Besatzungsmächten stellt sich die Frage, wie man aus den Trümmern wieder herausfindet, zurückfindet zur Normalität.
Bekanntlich spielte Adenauer eine nicht unerhebliche Rolle dabei, das Buch befasst sich intensiv mit seiner Person. Die Darstellung zeigt einen hochinteressanten Charakter, der immer wieder mit seinem berühmten Pragmatismus glänzt. Verklärt wird er aber nicht dargestellt, sondern recht sachlich mit guten und schlechten Seiten. Das hat mir gefallen.
Ähnlich erging es mir mit dem Protagonisten Maximilian, der zu Beginn ein menschliches Wrack ist, um dann im Laufe der Zeit eine beträchtliche Entwicklung zu durchlaufen. Glaubhaft erkennt man einen anfangs gescheiterten Menschen auf der Suche nach einer neuen und besseren Zukunft.
Der Weg dahin ist allerdings nicht leicht und führt durch eine Vielzahl von Intrigen, Verbrechen und Geheimnissen. Ich fand das sehr spannend und die erzeugte Atmosphäre einfach klasse. Die ganze Zeit über hatte ich das Gefühl, dass irgendwer im Hintergrund irgendwelche Fäden zieht. Aber wer? Und wozu? Und was wird daraus entstehen?

Ein bisschen was zu meckern habe ich aber trotzdem. So steht zum Beispiel „Kriminalroman“ auf dem Buch, drin ist aber eigentlich ein Politthriller. Das hat mich nicht gestört, weil ich Letztere ebenfalls mag, ich ärgere mich aber schlicht über falsche Betitelungen. Ich könnte mir auch vorstellen, dass ein Leser, zu dessen Krimigenuss zwingend eine Leiche plus Ermittler gehören, hier enttäuscht sein könnte.
Darüber hinaus hatte ich manchmal das Gefühl, durch die Handlung zu fliegen. Es fehlt zwar nichts, aber manchen Passagen oder Ereignissen hätte ich mehr Raum gewünscht und auch ein paar Nebencharaktere hätten eine intensivere Befassung mit ihrer Person verdient. Der Umfang von 311 Seiten täuscht etwas, da das Schriftbild sehr groß ist. (Dafür aber sehr angenehm zu lesen ist.)

Fazit: Mehr Politthriller als Krimi und mit einer reichlichen Portion deutscher Geschichte. Lesenswert!

Bewertung vom 29.01.2017
Kniesche, Thomas

Büchermorde - Mordsbücher


sehr gut

»Im Detektivroman muss es ganz einfach eine Leiche geben, und je toter sie ist, desto besser.«

Dieses Buch nimmt den Leser mit auf eine Reise in die Welt der Büchermorde. Hierbei handelt es sich nicht nur um Morde, die in Büchern geschehen, sondern auch um solche im Umfeld von Büchern, beispielsweise in Bibliotheken. Ebenfalls zählen zu den Büchermorden solche, die wegen eines Buchs verübt wurden oder bei denen das Buch selbst in irgendeiner Art zur tödlichen Waffe wurde.

Der Autor, ein in den USA lehrender Professor of German Studies und leidenschaftlicher Krimi-Leser, hat sich ausführlich mit dieser Thematik befasst. Der Leser kann sich auf seine Ergebnisse freuen, die in passende Kapitel unterteilt sind. Da heißt es zum Beispiel „Warum Bibliophile morden“, „Buchhändler sind die besten Detektive“, „Das Buch als Waffe“ oder „Bildung schützt vor Blutdurst nicht“. Die einzelnen Kapitel können unabhängig voneinander gelesen werden, bauen nicht aufeinander auf. Das hat den Vorteil, dass man sich immer mal zwischendurch eins gönnen kann ;-)
Ich habe einiges Neue erfahren, beginnend bei den verschiedenen Erscheinungsformen der Bibliomanie (ich hatte zuvor noch nie von „Bibliotaphen“ gehört) bis zu Berichten über Menschen, die für ein Buch bereit waren zu töten. Jede seiner Ausführungen begleitet der Autor mit reichlich Belegen, was beim Lesen eine Fülle von Literaturtipps nach sich zieht. Im Anhang werden alle besprochenen Bücher noch mal aufgeführt und außerdem gibt es Empfehlungen für weiterführende Sachliteratur zu den einzelnen Themenbereichen. Das Buch selber ist mit gerade mal 144 Seiten so umfangreich ja nicht, kann aber gut als Ausgangspunkt für eine weiterführende Recherche genutzt werden.
Kleiner Kritikpunkt von meiner Seite: Die vorgestellten Bücher werden manchmal so ausführlich besprochen, dass eine Lektüre eigentlich nicht mehr notwendig ist. Als Beispiel möchte ich hier „Die Akademiemorde“ aufführen. Alle wichtigen Handlungsstränge werden aufgezählt einschließlich der Auflösung – ich war froh, dass ich es bereits gelesen hatte. Auch zu „Der Name der Rose“ wird die Auflösung verraten, allerdings weist der Autor schon in der Einleitung darauf hin, dass er sich manchmal gezwungen sah, dies zu tun. Daher hier meine Empfehlung: Wer „Die Akademiemorde“ noch nicht kennt, meide das Kapitel 3. Und bei wem „Der Name der Rose“ noch auf der Leseliste steht, das Kapitel 4.

Fazit: Dieses Büchlein ist ein Fest für Bibliophile. An einigen Stellen sorgt nur der Sachbuchcharakter dafür, dass zu viel gespoilert wird.

»Am Ende schließt sich der Kreis, der eingeleitet wurde mit der Frage nach der Popularität von Büchermorden im Zeitalter des Büchertodes. Glaubt man … kann dieser Büchertod nie absolut sein, das Buch kann zwar durch andere Datenträger ergänzt und vielleicht auf weite Strecken ersetzt werden, es kann aber nicht mehr gänzlich aus unserem Leben verschwinden. Das Buch wird uns weiter faszinieren, es wird weiter – und jetzt erst recht – ein Objekt der Begierde sein, es wird weiter fatale Leidenschaften auslösen und weiter auf die verschiedensten rätselhaften Weisen in Mordgeschichten verwickelt sein.«

Bewertung vom 29.01.2017
Kohl, Paul

Goethes Leichen


sehr gut

Kestner zog die Schublade seines Nachtkastens auf, wie er es immer machte, bevor er sich in einem neuen Hotelzimmer einrichtete. Oft hatten Gäste darin etwas liegen lassen. Er fand wie üblich eine Bibel, doch auch einen ausgeschnittenen Zeitungsartikel des »Weimarischen Wöchentlichen Anzeigers«. Er nahm ihn heraus. Er war von gestern, Samstag, den 22. November. Kestner las: »Zwei Morde in Weimar. Vor drei Tagen geschahen in Weimar zwei entsetzliche Morde. Der Schmied Konrad Bertold wurde in seiner Schmiede mit einem Hammer erschlagen und gefesselt in seiner Esse verbrannt. Der Bauer Jörg Jäckel wurde beim Melken rücklings mit einer Mistgabel erstochen. Die Täter sind noch nicht gefasst.«

Weimar, im November 1783. Der Archivsekretär und Hofrat am Kurfürstlichen Hof Hannover Christian Kestner ist nach Weimar gereist, um in der dortigen Bibliothek eine wertvolle Handschrift abzuholen. Doch dies erweist sich als schwierig und während Kestner versucht, seinen Auftrag auszuführen, ist um ihn herum die Welt in Aufruhr. Die beiden Morde sind nicht die einzigen Dinge, die die Menschen bewegen! Eine Kindsmörderin soll hingerichtet werden, immer wieder werden junge Männer als Rekruten nach Preußen verkauft und irgendjemand scheint Kestner und seinen jungen Gehilfen Lorenz zu verfolgen. Selbst der Besuch bei seinem alten Freund Goethe sorgt nicht für die erwartete Freude, denn dieser hat sich irgendwie verändert…

Historische Kriminalromane lese ich immer wieder gerne und dieser hier hat sich wirklich gelohnt. Als Kestner und Lorenz in Weimar eintreffen, haben sie ziemlich einfache Pläne: Die Bibliothek aufsuchen und Goethe treffen. Mit dem, was dann passiert, hatten sie nicht im Entferntesten gerechnet und die Ereignisse und Zustände in Weimar schockieren sie zutiefst. Schnell verlängert sich ihre To-Do-Liste um die Punkte: Zwei Morde aufklären, eine Hinrichtung verhindern, das System der Zwangsrekrutierungen ergründen und herausfinden, wer ihr unheimlicher Verfolger ist.
Die beiden stellen das klassische Amateurermittlergespann dar, dessen Reiz auf der Gegensätzlichkeit der Charaktere beruht. Kestner ist ein Archivar mit Leib und Seele, der großen Wert auf Recht und Ordnung legt und den es glücklich macht, ein schönes Buch in den Händen zu halten. Lorenz hingegen ist ganz begeistert von den aus Frankreich herüberschwappenden Revolutionsgedanken, ein junger Heißsporn, der die Welt verbessern möchte und gerne (und oft) unüberlegt handelt. Wie meist bei solchen Paarungen ist reichlich Konfliktpotential da, was also nicht überraschend, hier aber gut umgesetzt ist.
Besonders reizvoll ist das gesamte Szenario. Die Zustände in Weimar werden so ausdrucksstark und atmosphärisch dicht beschrieben, dass ich alles klar vor Augen hatte und manches Mal richtig erschüttert war. Diese Zeit war für einfache Menschen mehr als schwer und das wird sehr, sehr deutlich. Einige Schilderungen sind recht drastisch, aber ich denke, dass dies (leider) den damaligen Verhältnissen entspricht.
Goethe lernt der Leser von einer sehr speziellen Seite kennen. Wer ihn bislang nur als Dichter kannte, wird überrascht sein. Der Autor hat zwar einen Roman geschrieben, die Handlung aber vor historischem Hintergrund angelegt, gut recherchiert und neben Goethe und Kestner noch weitere reale Personen agieren lassen. So wirkt alles sehr realistisch und die (vermutlich) fiktiven Handlungen und Dialoge bilden mit den historischen Tatsachen ein stimmiges Ganzes. Mit einer Ausnahme – und die heißt Mephistopheles. Dieser tritt in Erscheinung und bindet so auf interessante Weise auch noch die Faust-Thematik mit ein. Allerdings wurde das für meinen Geschmack zum Ende hin ein bisschen viel – ich mag’s einfach lieber real.

Fazit: Goethe mal anders. Toll geschrieben, spannend und mit authentisch wirkendem Szenario.

»Denn alles Bestehende ist wert, dass es zugrunde geht.«