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Dreamworx
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Berlin

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Insgesamt 1378 Bewertungen
Bewertung vom 11.10.2020
Marienhagen, Elisabeth

Wenn es Ahornblätter regnet


sehr gut

„Der Herbst ist die Jahreszeit,in der die Natur die Seite umblättert.“ (Pavel Kosorin)
Die 23-jährige Janine Reinhardt ist ungebunden und hat keine Familie mehr. Sie hat lange gespart und will sich nun den Traum einer Kanada-Reise erfüllen, um neben Land und Leuten auch den Indian Summer zu erleben. Am Flughafen begegnet sie dem Kanadier Philippe Evert, der deutsche Wurzeln hat und ein Geschäftspartner ihres Onkels Moritz ist. Zwischen beiden stimmt die Chemie sofort und je mehr Zeit sie miteinander verbringen, umso mehr verlieben sie sich ineinander. Bei einem Besuch von Philippes Eltern sieht sich Janine nicht nur Ablehnung gegenüber, sie wird sogar des Hauses verwiesen, da Philippes Vater wohl auch nach 70 Jahren eine alte Familiengeschichte nicht vergessen kann. Philippe steht Janine zur Seite und gemeinsam versuchen sie, dem alten Familiengeheimnis auf die Spur zu kommen…
Elisabeth Marienhagen hat mit „Wenn es Ahornblätter regnet“ einen unterhaltsamen Roman vorgelegt, der den Leser nicht nur zu einer Reise nach Kanada einlädt, sondern auch eine Zeitreise zwischen den Jahren 1950 und 2019 antreten lässt, während er die Protagonisten der Gegenwart bei der Erkundung eines alten Familiengeheimnisses begleitet und eine unglückliche Liebesgeschichte der Vergangenheit kennenlernt. Der flüssige, farbenfrohe und gefühlsbetonte Erzählstil bietet dem Leser einen schnellen Einstieg in die Geschichte, wo er sich an der Seite von Janine wiederfindet und mit ihr auf eine Abenteuerreise geht, die ihr Leben verändern wird. Die malerischen und farbenprächtigen Beschreibungen der kanadischen Landschaft und ihren Glanzlichtern lassen vor dem inneren Auge des Lesers einen schönen Film ablaufen, während er nicht nur eine junge Liebe beobachtet, sondern auch den Entwicklungen folgt. Mit wechselnden Perspektiven, mal aus der Sicht von Janine in der Gegenwart, mal von Maria in der Vergangenheit, spannt die Autorin den Leser mit ihrem Spannungsbogen auf die Folter und entblättert nach und nach gefühlvoll das alte Familiengeheimnis, wobei sie auch das Rollenbild der Frau zur damaligen Zeit gut in ihre Handlung miteinwebt.
Die Charaktere sind lebendig inszeniert und geben dem Leser mit ihren glaubwürdigen menschlichen Eigenheiten die Möglichkeit, sich ihnen nahe zu fühlen und mitzufiebern. Janine ist eine junge und begeisterungsfähige Frau, die sich einen langgehegten Wunsch erfüllt. Sie ist offen, freundlich und hat das Herz am rechten Fleck. Maria ist eine fleißige Frau, die an die Konventionen ihrer Zeit gebunden ist. Sie wirkt manchmal recht selbstbewusst, doch im Inneren ist sie unsicher und will es jedem recht machen. Philippe ist ein sympathischer und warmherziger Mann, dem Verantwortungsbewusstsein wichtig ist. Johann Reinhardt ist ein aalglatter und unangenehmer Mann, während Carl Ebnert mit Ehrlichkeit und Wärme punkten kann.
„Wenn es Ahornblätter regnet“ ist ein unterhaltsamer und gefühlvoller Roman, der neben einem alten Familiengeheimnis auch mit zwei Liebesgeschichten punkten kann, die das Herz erwärmen. Schöne Lektüre für einen Herbsttag, der den Indian Summer ins eigene Wohnzimmer bringt. Verdiente Leseempfehlung!

22 von 34 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.10.2020
Krausser, Helmut

Für die Ewigkeit


ausgezeichnet

Wie eine Oper...
1902. Jörg Jäger, der sich den Namen Jorge Jega gegeben hat und aus Deutschland nach Südamerika geflüchtet ist, versucht hungrig und verzweifelt in Buenos Aires eine Anstellung als Klavierlehrer zu finden. Der Fabrikant Don Alameda stellt ihn für seine 17-jährige Tochter Francisca ein, die sich alsbald viel lieber darauf konzentriert, Jorge zu verführen als sich dem Klavierspiel zu widmen. Jorge ist allerdings ein gebranntes Kind, musste er doch bereits aus Uruguay fliehen, da dort nach einem verunglückten Duell mit einem Senator nach ihm gefahndet wurde. Doch schon bald verfällt Jorge der jungen Frau, die ihn eines Tages überredet, mit ihr über einige Stationen bis nach Rio de Janeiro zu flüchten. Zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts verdingt sich Jorge als Barpianist, während Francisca sich als Kellnerin versucht. Das junge Paar lebt in ständiger Angst vor Entdeckung, denn Francisca Vater hat inzwischen nicht nur ihren Cousin Alfredo Torres sondern auch Detektive losgeschickt, seine Tochter zu suchen und nach Hause zu bringen…
Helmut Krausser hat mit „Für die Ewigkeit“ einen wunderbaren historischen Kurzroman vorgelegt, dessen nur 192 Seiten angefüllt sind mit melancholischer Romantik, sprachlicher Finesse und kunstvoller Erzählweise. Mit flüssigem und der damaligen Zeit angepasstem Erzählstil ist malt Krausser nicht nur herrliche Bilder im Kopf des Lesers, sondern lässt ihn als Zaungast regelrecht an der teils kuriosen Liebesgeschichte, der Flucht und dem doch recht traurigen Ausgang teilhaben. Mit immer neuen und überraschenden Wendungen schraubt der Autor die Spannung immer weiter nach oben, so dass der Leser atemlos Seite um Seite verschlingt, um keinen Augenblick der teils tragischen, teils komödienhaft anmutenden Geschichte zu verpassen. Interessant sind nicht nur die sich immer wieder verschiebenden Machtverhältnisse zwischen Mann und Frau, sondern auch die Manipulationsversuche einiger, um ihren Willen zu erreichen, alles musikalisch untermalt durch die langsam von Jorge Jega entwickelte Oper „Clarissa“, die frei erfunden, den geschilderten Umständen jedoch Rechnung trägt.
Die Charaktere sind am Puls der damaligen Zeit entwickelt, könnten allerdings auch in die Gegenwart umgesetzt werden. Mit glaubwürdigen menschlichen Eigenschaften ausgestattet können sie den Leser von sich überzeugen, der wie im Fieber ihrem Werdegang und den daraus resultierenden Entwicklungen folgt. Jorge ist ein blonder, blauäugiger geflüchteter Deutscher, der hungrig und ohne Geld verzweifelt nach einem Strohhalm greift. Er lebt für seine Musik, ist recht naiv und lässt sich schnell um den Finger wickeln. Doch weist er auch heroische Eigenschaften wie Treue und Verbundenheit auf, die ihm zum Verhängnis werden. Francisca ist eine verwöhnte junge Frau, die das Leben kennenlernen will und der dafür jedes Mittel recht ist. Sie weiß bereits, welche Macht ihr als Frau gegeben ist und wie sie diese manipulativ einsetzen kann. Alfredo ist ein schmieriger Kerl, der versucht, sich alle Seiten offen zu halten, um einerseits monetär als auch gefühlsmäßig davon zu profitieren.
„Für die Ewigkeit“ ist wie eine komische Oper, die in einer Tragödie endet: sprachlich furios und tiefgründig, durchgängig voller Spannung und mit einem Ende, das keine Wünsche offen lässt. Absolute Leseempfehlung – Chapeau!

6 von 6 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.10.2020
Mallery, Susan

Das Weihnachtswunder von Westwood


sehr gut

"Weihnachten ist keine Jahreszeit. Es ist ein Gefühl." (Edna Ferber)
Milliardär Duncan Patrick muss dringend sein Image aufpolieren, ist er doch aufgrund seiner arroganten und unterkühlten Art auf der Beliebtheitsscala der besten Arbeitgeber ganz unten angekommen. Um dem Ganzen auf die Sprünge zu helfen, stellt er die Kindergärtnerin Annie McCoy ein, die von nun an für die Außendarstellung seine charmante Begleiterin und Herzblatt sein soll. Annie überlegt nicht lange, denn ihr Bruder hat Schulden bei Duncan, die damit abgegolten wären. Vielleicht gelingt es ihr ja, diesem unnahbaren Eisklotz menschliche Züge zu entlocken…
Susan Mallery hat mit „Das Weihnachtswunder von Westwood“ einen unterhaltsamen Liebesroman vorgelegt, der den weihnachtlichen Gedanken in das Herz des Lesers trägt, während sie ihre Protagonisten gefühlvoll agieren lässt. Der flüssig-leichte und mit Humor gewürzte Schreibstil katapultiert den Leser schnell in die Geschichte hinein, wo er alsbald auf die Protagonisten Duncan und Annie trifft, an deren Fersen er sich heftet. Während die weihnachtliche Stimmung aufgrund der Beschreibungen langsam ins Herz des Lesers einzieht, präsentiert die Autorin zwei völlig gegensätzliche Charaktere, die allerdings nur auf den ersten Blick nicht wirklich etwas gemeinsam haben. Neben Hilfsbereitschaft und Menschlichkeit geht es vor allem darum, die Herzen zu öffnen und Liebe hinein zu lassen. Und diese Botschaft lässt Mallery durch ihre Protagonisten sehr gut miterleben, wobei sie jede Menge Witz und Romantik in ihren Dialogen versprüht und so den Leser in die richtige Stimmung versetzt. Trotz Vorhersehbarkeit der Entwicklungen klebt man an den Seiten, um nur ja keinen Moment zu verpassen.
Die Charaktere sind liebevoll skizziert und in Szene gesetzt, mit ihren individuellen Ecken und Kanten können sie den Leser schnell auf ihre Seite ziehen, der sich nur zu gern unsichtbar in ihrer Mitte niederlässt, um das Treiben zu beobachten. Annie ist eine Seele von Mensch. Sie ist nicht nur hilfsbereit, intelligent und geduldig, sondern auch selbstbewusst und hartnäckig genug, sich nicht alles gefallen zu lassen. Unbewusst wirft sie mit den Waffen einer Frau ihre Fallen aus, um das Objekt auf den richtigen Weg zu bringen. Duncan ist ein berechnender, eiskalter Kotzbrocken, der sehr von sich eingenommen ist, sich aber den Empfehlungen anderer in Bezug auf sein Auftreten nicht verweigern kann. Anfangs noch unnahbar bringt ihn Menschlichkeit, Hilfsbereitschaft und Mitgefühl völlig aus dem Gleichgewicht, doch die Folgen machen sich auch bei ihm bemerkbar.
„Das Weihnachtswunder von Westwood“ ist ein Liebesroman ganz so, wie man ihn sich für die vorweihnachtliche Zeit wünscht: voller Klischees, Weihnachtsstimmung und jeder Menge Liebeszauber. Also alles richtig gemacht – verdiente Empfehlung!

3 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.10.2020
Dorries, Nadine

Die Schwestern von St. Angelus - Der Beginn unserer Träume / Lovely Lane Bd.1


schlecht

Eine schlechte Kopie
1951 Liverpool. Dana will auf keinen Fall als Ehefrau eines Landwirtes enden. In Liverpool will sie endlich ihren Traum verwirklichen und Krankenschwester werden. Victoria wurde mit einem goldenen Löffel im Mund geboren, aber als Tochter inzwischen verschuldeter Adeliger möchte sie eine Schwesternausbildung im angesehenen St. Angelus Hospital machen. Aber auch die aus einer Militärfamilie stammende arrogante Beth sowie Pammy, die ihrem ärmlichen Zuhause entfliehen will, möchten in den Schwesterndienst treten. Schon bald beginnt für die vier Frauen nicht nur die Erfüllung ihres Traums, sondern vor allem eine harte und intensive Zeit, für die sie all ihre Kräfte brauchen werden…
Nadine Dorries hat mit „Die Schwestern von St. Angelus“ den ersten Band ihrer Lovely-Lane-Serie vorgelegt und deren Kulisse das St. Angelus Hospital in Liverpool bildet. Der flüssige Schreibstil lässt den Leser in die 50er Jahre des vergangenen Jahrhunderts reisen, um sich dem Frauenquartett als unsichtbarer Schatten an die Fersen zu heften. Aufgrund der Nachkriegszeit und der doch recht harten Ausbildung an der Schwesternschule erwartet man eigentlich einen empathischen und gefühlvollen Erzählstil, doch hier enttäuscht Dorries den Leser, trotz wechselnder Perspektiven wird alles eher pragmatisch abgehandelt, was den Lesegenuss um einiges schmälert, weil man am Mitfiebern gehindert wird. Überhaupt ist das Handlungsgeschehen ohne Tiefgang eher oberflächlich zu nennen, so dass der Leser sich schon bald langweilt. Ebenso mangelt es der Geschichte an Spannungsmomenten, vieles ist vorhersehbar und macht sie zu einer zähen Angelegenheit, die dem Leser einiges an Geduld abverlangt, das Buch nicht vorzeitig zu beenden.
Auch die Charaktere sind eher nach dem Muster 08/15 gestrickt, ihnen fehlt es an Warmherzigkeit und Überzeugungskraft, um dem Leser ans Herz zu wachsen. So steht er eher am Rand als unbeteiligter Beobachter des Geschehens, was das Lesevergnügen immens schmälert und das Interesse am Schicksal der vier Frauen zur Bedeutungslosigkeit verkommen lässt. Beth ist mit ihrer arroganten und leicht versnobten Art nicht gerade eine Sympathieträgerin, aber auch Victoria wirkt mit ihrer etwas verklärten Art abgehoben und unwirklich. Dana und Pammy sind vom Wesen her schon etwas normaler gestaltet, doch will der Funke zum Leser einfach nicht überspringen. Hier hätte die Autorin mehr individuelle Akzente setzen und ihnen Leben einhauchen müssen.
„Die Schwestern von St. Angelus“ sollte der fulminante Start einer neuen Serie sein, jedoch wurde die Geschichte mit der heißen Nadel fabriziert und kann weder gefühlsmäßig noch mit einem gut strukturierten Handlungsverlauf überzeugen. Einem Vergleich zu den Romanen von Donna Douglas hält dieses Buch auf keinen Fall stand, eher ist es eine sehr schlechte Kopie. Dafür gibt es keine Empfehlung!

4 von 6 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.10.2020
Daniel, Sibel

Bündnis der Herzen


gut

Allenfalls Mittelmaß
1945 Süddeutschland. Der Krieg treibt viele Menschen zum Äußersten, so auch Helene mitsamt ihren Töchtern Gertrude und Klara. Helene betreibt mit ihren Töchtern den familieneigenen Hof und kümmert sich um die Landwirtschaft, solange ihr Mann im Krieg an der Front kämpft. Die drei Frauen werden nur von dem französischen Zwangsarbeiter Gilbert unterstützt. Als ein Polizist sich Helene gegenüber Frechheiten herausnimmt und sie missbrauchen will, greift die jüngere Tochter Gertrud zum Gewehr und erschießt ihn. Gilbert, der verdeckt für die Resistance arbeitet und schon eine Weile in Klara verliebt ist, unterstützt die Frauen dabei, sich der Leiche zu entledigen. Dann kommt die SS ins Dorf…
Sibel Daniel hat mit „Bündnis der Herzen“ einen unterhaltsamen historischen Roman vorgelegt, der nicht nur eine Gemeinschaft von Dorfbewohnern und Zwangsarbeitern im letzten Kriegsjahr beleuchtet, sondern sich vornehmlich mit der Geschichte über Helene und ihre Töchter beschäftigt, die ungewollt in eine sehr prekäre Situation geraten, die sie alle in Gefahr bringt. Der flüssige und bildhafte Schreibstil gibt dem Leser die Möglichkeit, nicht nur in der Zeit zurückzureisen, sondern auch Teil der Dorfgemeinschaft zu werden, um die dortige Lage und die zwischenmenschlichen Beziehungen untereinander zu beobachten. Die Autorin beschreibt anhand der kleinen Dorfgemeinschaft, wie bedrohlich und gefährlich das gegenseitige Misstrauen ist, dass das Zusammenleben nicht nur schwierig macht, sondern alle regelrecht an die Grenzen der Belastbarkeit bringt. Hier geht es nicht nur um Gewissensfragen, Neid und Missgunst, auch die Frage, wem man noch vertrauen kann und welche Entscheidungen man in der jeweiligen Situation selbst treffen würde, stehen im Raum. Dass die Geschichte sich auf zwei Bände erstrecken würde, ist nirgendwo erwähnt und umso mehr ärgerlich, da das Ende eher unbefriedigend ist und man sich eigentlich genötigt sieht, noch den zweiten Teil zu lesen, um die Handlung bis zum Ende zu verfolgen. Der Spannungsbogen liegt eher im Mittelfeld und steigert sich auch nicht wesentlich bis zum Schluss.
Die Charaktere sind mit menschlichen Ecken und Kanten ausstaffiert, die sie glaubwürdig wirken lassen. Trotzdem fehlt das gewisse Etwas, das den Leser an sie bindet und die Nähe erzeugt, um mit ihnen gemeinsam zu fiebern und zu fühlen. Helene ist eine hart arbeitende Frau, die sich und ihre Kinder unversehrt durch den Krieg bringen will. Doch ein Erlebnis zerstört ihre Welt von heute auf morgen, so dass sie in Angst um sich und ihre Lieben leben muss. Klara und die jüngere Gertrud unterstützen ihre Mutter, so gut es geht, die drei halten fest zusammen. Gilbert ist ein sympathischer Kerl mit einigen Geheimnissen, der das Herz am rechten Fleck hat. Aber auch die weiteren Protagonisten sind relevant für den Handlungsverlauf.
„Bündnis der Herzen“ ist ein durchaus lesbarer historischer Roman, dem es etwas an Spannung mangelt. Gegenüber anderen Büchern dieses Genres ist diese Handlung allerdings nur durchschnittlich zu nennen. Eingeschränkte Leseempfehlung.

3 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.10.2020
Molcho, Haya

Wien by NENI


ausgezeichnet

"Es ist besser, zu genießen und zu bereuen, als zu bereuen, dass man nicht genossen hat." (Giovanni Boccaccio)
Das „Neni“ ist allen ein Begriff (das Wort setzt sich aus den Anfangsbuchstaben von Hayas Söhnen zusammen), die die Küche von Haya Molcho und ihrer Familie schätzen und lieben gelernt haben. Ob in Tel Aviv, Wien, Hamburg, Köln, München oder Berlin – das NENI ist eine zuverlässige Anlaufstelle, wo man in gemütlichem Ambiente die sehr schmackhaften Speisen nach Molchos Rezepten genießen kann. Da wir Molchos Küche sehr lieben, haben wir uns besonders auf „Wien by NENI“ gefreut, in der Haya Molcho mit ihren Söhnen neben leckeren Gerichten auch interessante Personen präsentiert, die im malerischen und geschichtsträchtigen Wien einige Schmankerl beitragen und so dem Leser die nächste Reise in die österreichische Metropole planen lassen, um all diese Geheimtipps auszuprobieren, die einen Bogen spannen von Kultur über Einkaufen, gutes Essen und Genießen.
Neben Molchos Rezepten, die mit israelischem Touch die traditionelle Wiener Küche international präsentiert, bekommt man einen großen Einblick in die Molcho-Familie und ihren Werdegang sowie ihre eigenen persönlichen Favoriten, die sie in Wien gefunden haben und dem Leser hier vorstellen. Da findet sich u.a. neben dem „Demeterhof“ von Helga Bernold und Wolfgang Herzog auch das Café Korb von Susanne Wild wieder. Alles wird farbenprächtig untermalt mit schönen stimmungsvollen Fotos von Nuriel Molcho, die einen wünschen lassen, man könnte sofort die Koffer packen und gen Wien aufbrechen. Überhaupt ist die gesamte Haptik des Buches eine wunderbare Unterstreichung des Inhalts, so dass sowohl die Augen als auch der Gaumen auf seine Kosten kommt.
Auch die Zusammenstellung der Rezepte in diesem Buch lassen keine Wünsche offen. Neben vielen Gemüsegerichten (vor allem für Vegetarier interessant) finden sich neben Fisch und Fleisch vor allem auch jede Menge wunderbare Desserts wieder, die einem das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen. Nicht nur die „Marillenknödel“ sind ein absoluter Traum, auch der Linsensalat mit Ofengemüsen und Kaspressknödeln, die Bärlauchlatkes oder die Sauerteig-Pancakes mit Rhabarber-Kompott sind zum Niederknien!
„Wien by NENI“ ist nicht nur was für Fortgeschrittene, sondern auch Einsteigern werden diese wunderbaren Gerichte gelingen. Unbedingt ausprobieren und sich selbst verwöhnen!

4 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 04.10.2020
Prange, Peter

Winter der Hoffnung


gut

Einführungsgeschichte für die "wunderbaren Jahre"
Altena 1946. Die Deutschen leiden noch immer unter den Kriegsfolgen, nicht nur die Städte sind zerstört und müssen erst mühsam wieder aufgebaut werden. Sie haben kaum etwas zum Leben und die Kälte des Winters trifft sie besonders hart. Da fällt es schwer, hoffnungsvoll in die Zukunft zu sehen. So geht es auch dem Metallwarenfabrikanten Eduard Wolf und seiner Familie, die sich früher um diese Dinge keine Sorgen zu machen brauchten. Aber nun sieht es so aus, als wenn seine Fabrik von den britischen Besatzern demontiert wird und er vor dem Nichts steht. Das kommende Weihnachtsfest könnte zu einer sehr traurigen Angelegenheit werden, aber dann bringt Tochter Ulla mit Tommy Weidner ihre erste Liebe ins Haus, und auch Gundel trifft auf ihr Herzblatt. Vielleicht gibt es doch noch Hoffnung und das Blatt wendet sich?
Peter Prange hat mit „Winter der Hoffnung“ die Vorgeschichte seines Romans „Unsere wunderbaren Jahre“ vorgelegt. Mit flüssig- und empathischem Erzählstil lässt der Autor den Hungerwinter 1946 lebendig werden und zeichnet mit bildhaften Worten das Leid der Menschen nach, die neben Hunger vor allem unter der Kälte leiden, weil vieles nur noch unter schwierigsten Bedingungen gegen Wertsachen auf dem Schwarzmarkt zu bekommen ist. Auch politisch ist Deutschland erledigt, der Nationalsozialismus gescheitert, was sich in den Köpfen der Menschen aber erst manifestieren muss. Wer „Unsere wunderbaren Jahre“ bereits gelesen hat, der hätte sich gewünscht, diese Vorgeschichte zuerst präsentiert zu bekommen, da er den nachfolgenden Verlauf und die zu erwartenden Schicksale der einzelnen Protagonisten schon kennt. Die unterhaltsame und atmosphärische Erzählweise des Autors kann dafür leider nicht entschädigen, dass bei dieser Geschichte wenig Spannungsgefühl aufkommt und sich zeitweise sogar Langeweile breit macht, weil man das Gefühl hat, die Geschichte „rückwärts“ zu lesen.
„Winter der Hoffnung“ ist für Neueinsteiger zu Pranges Werken bestimmt, die sich erst danach an „Unsere wunderbaren Jahre“ heranwagen. Genau in dieser Reihenfolge sollte man es auch lesen, damit alles nicht nur einen Sinn ergibt, sondern auch das Gefühl von aufglimmender Hoffnung in der frühesten Nachkriegszeit mit hinüber getragen in das Nachfolgewerk. Hier verpufft die Wirkung völlig und wirkt leider eher aufgesetzt und aus dem Hut gezaubert. Kurzweilig zu lesen, für bereits „Eingeweihte“ jedoch zu spät lanciert. Eingeschränkte Empfehlung!

10 von 13 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 04.10.2020
Morgan, Sarah

Eine Weihnachtshochzeit im Schnee


sehr gut

"Hoffe nicht ohne Zweifel und zweifle nicht ohne Hoffnung." (Seneca)
Rosie möchte mit ihrem Verlobten Dan Weihnachten vor den Traualtar treten. Als ihre Familie in England davon hört, bricht hektische Betriebsamkeit aus, denn das Weihnachtsfest ist nicht mehr weit entfernt. Die Hochzeit soll im mondänen Wintersportort Aspen in Colorado stattfinden, zu der Rosies Eltern Nick und Maggie sowie ihre Schwester Kate anreisen. Dass die Familie den Bräutigam bisher nicht kennengelernt hat, sieht sich Kate als Rosies Trauzeugin in der Verantwortung, ihre Schwester von dieser kurzfristig geplanten Eheschließung abzuhalten. Währenddessen beschließen Nick und Maggie, die seit einiger Zeit getrennt leben und die Scheidung planen, ihren Töchtern dies erst nach der Hochzeit mitzuteilen. In all dem Trubel bekommt dann auch noch Rosie kalte Füße wegen ihrer Entscheidung. Wird es am Ende überhaupt eine Hochzeit geben?
Sarah Morgan hat mit „Eine Weihnachtshochzeit im Schnee“ eine unterhaltsame und turbulente Liebeskomödie vorgelegt, der mit seiner winterlichen Kulisse schon die weihnachtliche Stimmung heraufbeschwört. Der flüssige, gefühlvolle Erzählstil gepaart mit leichtem Witz lullt den Leser schnell ein, projiziert sofort ein tolles Kopfkino und katapultiert ihn ins verschneite amerikanische Winterparadies Aspen, um aus unterschiedlichen Perspektiven die Ereignisse durch die Augen von Rosie, Kate und Maggie zu erleben und gleichzeitig deren Gedanken- und Gefühlswelt zu erkunden. Farbenfrohe Landschaftsbeschreibungen der winterlichen Kulisse, die eine weihnachtliche Atmosphäre verbreitet, korrespondieren sehr lebhaft mit den Schicksalen der einzelnen Protagonistinnen, die alle drei in einem Dilemma stecken und Entscheidungen für ihr zukünftiges Leben treffen müssen. Da ist jede Menge Chaos vorprogrammiert und wie es im Leben so ist: es kommt immer anders als geplant! Morgan hat ein geschicktes Händchen in der Interaktion ihrer Protagonisten. Die zwischenmenschlichen Beziehungen werden realistisch an den Leser gebracht, die unterschiedlichsten Sorgen und Probleme empathisch, ausführlich und nachvollziehbar innerhalb der Geschichte verarbeitet.
Lebendig anmutende Charaktere lassen den Leser mit ihren realistischen Stärken und Schwächen schnell an ihre Seite sinken, wo er sich von ihnen hineinziehen lässt in ihre ganz persönlichen kleinen Dramen und Verwicklungen. Rosie ist eine Frau der schnellen Entschlüsse, die dann Angst vor ihrer eigenen Courage bekommt. Sie wirkt ein wenig wankelmütig, doch ihre freundliche Art macht sie liebenswert. Maggie ist eine herzliche Frau, die über ihre zerbrochene Ehe trauert. Nick besitzt nicht nur Charme, sondern auch einigen Humor, obwohl auch er an der Trennung zu knabbern hat. Kate kommt erst etwas rebellisch und altklug rüber, doch die Gründe dafür erfährt man erst im Verlauf der Handlung. Trauzeuge Jordan ist ein sympathischer Kerl und auch Catherine hinterlässt einen angenehmen Eindruck, während der Bräutigam Dan in der Geschichte kaum auffällt.
„Eine Weihnachtshochzeit im Schnee“ sorgt mit farbenprächtigem Winterfeeling, Schneegestöber sowie viel Romantik für eine kurzweilige und unterhaltsame Lektüre, die bereits jetzt auf Weihnachten einstimmt. Verdiente Leseempfehlung!

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 04.10.2020
Iturbe, Antonio

Die Bibliothekarin von Auschwitz


ausgezeichnet

Lichter gegen die Dunkelheit
Die Tschechin Edith „Dita“ Kraus wird 1943 als 14-jährige mit ihrer Familie vom KZ Theresienstadt ins KZ Auschwitz-Birkenau deportiert, wo sie auf Fredy Hirsch trifft, den sie bereits aus ihrer Heimatstadt Prag kannte. Fredy Hirsch hat in Auschwitz den Kinderblock (Block 31) organisiert, wo tschechische Kinder provisorischen Schulunterricht bekamen, Sport treiben durften, malten, Theater spielten. Es gab auch eine kleine Bibliothek mit gerade mal 8 alten Büchern, die eigentlich verboten sind und für die Dita nicht nur verantwortlich war, sondern sie wie einen Schatz hütete, spendeten sie ihr doch Trotz und Hoffnung an diesem grausamen Ort, wo ein Dr. Mengele seine widerwärtigen Versuche praktizierte und jeden Tag Menschen von den Nazis ins Gas geschickt wurden…
Antonio Iturbe hat mit „Die Bibliothekarin von Auschwitz“ einen sehr berührenden Roman über Dita Kraus vorgelegt, der sich aus fiktiven und biografischen Elementen zusammensetzt und im Kopf des Lesers nicht nur die furchtbaren Vorgänge in Auschwitz lebendig werden lässt, sondern auch die Kraft des geschriebenen Wortes hervorhebt, das für Hoffnung und Zuversicht sorgt, um irgendwie zu überleben. Der flüssige, empathische und bildhafte Schreibstil lässt den Leser schickt den Leser nicht nur auf Zeitreise in das düsterste Kapitel deutscher Geschichte, sondern lässt ihn an die Seite von Dita gleiten, um sie auf ihrem Leidensweg durch die Lager der deutschen Tötungsmaschinerie zu begleiten. Schonungslos offen beschreibt der Autor die Versuche von Dr. Mengele, den Anblick der toten Körper nach der Vergasung sowie die fürchterlichen Foltermethoden der Nazis, die sich schon bei kleinsten Auffälligkeiten auf die Gefangenen entluden. All diese Grausamkeiten und unmenschlichen Abgründe durchlebt der schockierte Leser an Ditas Seite und erfährt gleichzeitig die ablenkende und tröstliche Wirkung der Büchergeschichten, die von einigen der Insassen den Kindern lebendig vorgespielt werden. Dita überlebte Auschwitz und auch ihre letzte Station Bergen-Belsen fast dem Hungertod nahe, wo sie am Ende noch ihre Mutter verlor. Der Leser weiß vor lauter Grauen zum Schluss gar nicht, was schlimmer ist: die unsägliche Tortur, die die Menschen in den Lagern durchleben mussten oder Ditas Verlust ihrer Familie, nachdem sie der Hölle endlich halbtot entkommen ist.
Seine Charaktere hat der Autor mit viel Sensibilität und Feingefühl detailliert in Szene gesetzt, so dass sie mit ihren menschlichen Eigenschaften den Leser nicht nur sofort überzeugen, sondern ihm sofort ans Herz wachsen. Dita ist bereits als junges Mädchen neugierig und aufgeweckt, aber auch mit Mut und Stärke ausgestattet, die ihr dabei helfen, die miterlebten Grausamkeiten irgendwie zu überleben. Fredy Hirsch ist ebenfalls eine außergewöhnliche Persönlichkeit. Sein Engagement für den Kinderblock und vor allem für die Bildung und Ablenkung der Kinder ist gar nicht hoch genug zu bewerten innerhalb der Hölle eines KZs. Aber auch Schilderungen über Ditas Familie, Mithäftlinge und vor allem Dr. Mengele machen dieses Buch zu einem miterlebbaren Zeitzeugnis, die durch die persönlichen Erklärungen des Autors am Ende untermalt werden.
„Die Bibliothekarin von Auschwitz“ schockiert, berührt, bewegt, macht atemlos und schmerzt bei jedem gelesenen Wort bis tief in die Seele, denn Ditas Geschichte steht für so viele Menschen, die das Grauen durchleben mussten. Aber es macht auch deutlich, dass sich diese grauenhaften Ereignisse niemals wiederholen dürfen. Absolute Leseempfehlung!

8 von 8 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 03.10.2020
Bailey, Catherine

Bis wir uns wiedersehen


ausgezeichnet

Intensive Zeitreise anhand der Biografie Fey von Hassell
1944 Innsbruck. Die Autorin und Diplomatentochter Fey von Hassell erlebt einen Alptraum, denn ihre beiden Söhne, Corrado vier und Roberto zwei Jahre alt, werden von der SS entführt. Sie selbst kommt u. a. mit Angehörigen der Familie Stauffenberg in Sippenhaft als Strafe für das Attentat vom 20. Juli 1944, an dem ihr Vater Ulrich von Hassell beteiligt war. Während ihr Vater Ulrich am 8. September für den Staatsstreich gegen Hitler hingerichtet wurde, kommt Fey in das Konzentrationslager Stutthof und wird von dort aus über Buchenwald nach Dachau verbracht, bevor sie am 30. April 1945 in Südtirol aus den Händen der SS befreit wurde.
Catherine Bailey hat mit „Bis wir uns wiedersehen“ einen autobiografischen Roman vorgelegt, in dem sie Fey von Hassel, die Tochter des Diplomaten und Widerstandskämpfers Ulrich von Hassell, wieder zum Leben erweckt, um dem Leser deren Geschichte näher zu bringen. Der flüssig-fesselnde, bildhafte und pragmatische Schreibstil der Autorin hat den Leser schon mit einem spannenden Prolog am Haken, dem dann eine unglaubliche, leider aber wahre Lebensgeschichte folgt vor dem Hintergrund des im Untergang begriffenen Dritten Reichs. Der Leser lernt Fey von Hassel als unbeschwerte Frau kennen, die mit dem italienischen Adligen Detalmo Pirzio-Biroli, der sich dem italienischen Widerstand verschrieben hat, verheiratet ist und mit ihrer Familie vor den Toren Venedigs lebt, bis sich als Folge der Beteiligung ihres Vaters an dem misslungenen Attentat auf Hitler ihr Leben schlagartig verändert und sie die ganze Härte des Nazi-Regimes zu spüren bekommt. Bailey zeigt neben der persönlichen Geschichte van Hassells auch die Geschichte des deutschen und italienischen Widerstands auf sowie die schwindende Macht der Nazis, die sich einmal mehr in menschenverachtendem Verhalten zeigt, da sie neben Fey van Hassell auch viele andere als Geiseln für den Fall einer Niederlage genommen haben und van Hassells Kinder von der Mutter trennten, um sie später mit neuem Namen zur Adoption freizugeben. Die enge Zusammenarbeit mit Fey von Hassells Familie sowie Fotos, Schriftverkehr und Tagebücher hat die Autorin in ein fesselndes Zeitdokument gepackt, das die damaligen Umstände sehr ausführlich darstellt und den Leser gefühlsmäßig alles hautnah miterleben lässt. Beigefügte Fotos, Quellennachweise, Landkarten sowie ein Personenverzeichnis und eine Aufstellung, wie es den einzelnen Personen nach dem Krieg ergangen ist, sind ebenfalls im Buch enthalten und untermalen einmal mehr die Realität dieser Geschichte.
„Bis wir uns wiedersehen“ ist ein aufwühlendes und emotionales Buch, wenngleich sehr sachlich und pragmatisch gehalten. Doch die geschichtlichen Hintergründe, die politischen Verflechtungen, die menschlichen Abgründe sowie der Mut sind so eindringlich geschildert und zeigen auf, dass es zwischen all dem braunen Sumpf immer noch Menschen gab, die sich dagegen stemmten und ihr Leben dafür aufs Spiel setzten. Neben der interessanten Biografie vor allem ein wunderbar gelungenes Zeitzeugnis. Absolute Leseempfehlung!

4 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.