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dorli
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Insgesamt 893 Bewertungen
Bewertung vom 16.10.2014
Triebel, Claas

Eigentlich erhängt


gut

Immobilienmakler Walter Eigen hat einen Termin mit Heinrich Schedl, einem potentiellen Kunden. Als Walter in dessen Villa eintrifft, findet er Herrn Schedl tot auf – der Hauseigentümer hängt in seinem Wohnzimmer kopfüber vom Deckenbalken.
Walter weiß, dass er den offensichtlichen Mord sofort der Polizei melden sollte, doch aus Angst, selbst verdächtigt zu werden, zögert er und beschließt, selbst auf Mördersuche zu gehen. Unterstützt wird Walter bei seinen Überlegungen und Spekulationen von seiner erzählfreudigen Mutter…

Claas Triebels Idee, den größten Teil seines Kriminalromans „Eigentlich erhängt“ von einer Person erzählen zu lassen, die dem Hauptakteur zwar nahe steht, aber an dem eigentlichen Fall unbeteiligt ist, hat mir sehr gut gefallen.

Walters Mutter ist eine nette, sehr redselige ältere Dame. Was sie mir über den imaginären Gartenzaun zu erzählen hat, hat mich anfangs sehr gut unterhalten. Doch irgendwann beginnt sie sich zu wiederholen und schweift immer wieder ab. Beschreibt nicht nur sehr umfangreich und ausführlich ihre Sicht auf die Geschehnisse rund um den Mordfall Schedl, sondern auch noch, was sie sonst so bewegt. Es wird anstrengend, ihren Ausführungen zu lauschen. Die langen Monologe nehmen dem Krimi den Schwung und auch die Spannung.
Sehr amüsant fand ich, dass sie die Geschichte so wiedergibt, als wäre sie bei allem selbst dabei gewesen. Sie ist sich absolut sich sicher, dass Walter ihr immer ALLES erzählt und sie daher den genauen Ablauf der Dinge kennt.

„Aber Walter Eigen hatte seiner Mutter nicht alles erzählt.“ Ein Satz, der die Kapitel einläutet, in denen Walter selbst zu Wort kommt. Hier lernt man auch die anderen Mitspieler besser kennen, ist viel näher an den Geschehnissen dran und kann sich ein genaueres Bild von den Ereignissen machen. Außerdem kann man einen Blick hinter die Kulissen der Immobilienbranche werfen. Schon interessant, was da zum Teil für dunkle Geschäfte laufen. Doch wirkliche Spannung, wie ich sie in einem Kriminalroman erwarte, will auch hier nicht aufkommen.

„Eigentlich erhängt“ hat einen gut durchdachten Handlungsablauf und interessante Charaktere, konnte mich jedoch aufgrund der fehlenden Spannung nicht durchweg fesseln.

Bewertung vom 15.10.2014
Voosen, Jana

Und Eva sprach . . .


ausgezeichnet

Hamburg. Die 35-jährige Steuerfachangestellte Evi Blum ist seit fünf Jahren mit dem Programmierer Alexander liiert. Die beiden sind glücklich und wünschen sich sehnlichst ein Baby. Obwohl Evi Alex sehr liebt, flirtet sie heftig mit jedem attraktiven Mann, der ihr über den Weg läuft. Als es auf einer Betriebsfeier fast zu einem Seitensprung mit dem Bruder ihres Chefs kommt, fühlt Evi sich so schäbig und schuldig, dass sie Hilfe bei einem Psychologen sucht, um ihr Problem in den Griff zu bekommen…

In „und Eva sprach…“ wartet Jana Voosen nicht nur mit einer ganz eigenen Version vom Sündenfall und der Vertreibung aus dem Paradies auf, sondern hat ihre Darstellung dieses biblischen Ereignisses mit einer fröhlich-turbulenten Liebesgeschichte verknüpft.

Evi ist so liebenswert in ihrer Verzweiflung – mal abgesehen von ihrem bisher unerfüllten Kinderwunsch könnte alles ganz wunderbar sein, wäre da nicht diese eine große Unwucht in ihrem Leben, die ihr einen riesigen Haufen Schuldgefühle beschert.

Mit einem Umzug aus dem lebhaften Hamburger Schanzenviertel in das idyllische Heven will Evi ihr Leben in die richtigen Bahnen lenken – doch ganz so leicht macht Jana Voosen es ihrer Protagonistin nicht. Auf dem Weg in ihr ganz persönliches Paradies gilt es für Evi, einige Hürden zu überwinden, denn auch in Heven lauert die Versuchung.
Aber Evi ist gewillt, jede Herausforderung zu meistern. Ein Hypnosetherapeut soll sie aus ihrem Dilemma befreien. Kaum in Hypnose versetzt, rauscht Evi geradewegs ins Paradies und begegnet dort Eva, Adam, Jesus, deren „Dad“ und der 9-beinigen (!) Schlange Rudi.
Evis Unterbewusstsein vermischt ihr reales Leben mit der geläufigen Geschichte aus dem Buch der Bücher und sorgt damit für einige sehr amüsante Szenen. Denn nicht nur die Gesichter der Anwesenden kommen Evi bekannt vor, auch die Vorkommnisse im Garten Eden sind so ganz anders, als bisher angenommen.

Eva sieht aus wie Evi und hat mir besonders gut gefallen. Sie ist so quirlig und sprudelt vor Lebensfreude und Abenteuerlust. Sie ist neugierig auf die Welt hinter dem Gartenzaun und ganz begierig darauf zu erfahren, was gut ist und was böse. Sie möchte endlich Sex haben und Babys bekommen. Diese Begeisterung für das Neue, die Lust auf das Leben, das ist einfach herrlich.
Adam sieht das (natürlich :-)) ganz anders. Er liebt die chillige Ruhe im Paradies, verbringt den Tag mit Schwimmen und Faulenzen. Warum diesen traumhaften Ort verlassen? Nun, er erlebt es, als der Apfel am Baum der Erkenntnis reif ist…

Äußerst gelungen finde ich die Idee, Bibelverse in die laufende Handlung einzustreuen. Die Zitate unterstreichen das Geschehen sehr treffend.

Die Geschichte rund um Evis Erlebnisse zur Beseitigung ihrer Schuldgefühle wird so erfrischend und fröhlich von Jana Voosen erzählt, dass es großen macht Spaß, Evi auf dieser abenteuerlichen Wanderung zu begleiten.
Ein frecher, unterhaltsamer Frauenroman, der die Sache mit dem Apfel mal in einem anderen Licht zeigt.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 08.10.2014
Fritz, Astrid

Hostienfrevel / Begine Serafina Bd.2


ausgezeichnet

Freiburg 1415. Die Stadt ist in Aufruhr - die Hostien im Münster wurden entweiht, der niedergeschlagene Kreuzbruder stirbt! Ein Verdächtiger ist schnell gefunden, der jüdische Schuster Mendel soll die Tat begangen haben. Doch die Begine Serafina hat Zweifel an der Schuld des Schusters und macht sich auf Spurensuche…

„Hostienfrevel“ ist der zweite Band der historischen Krimiserie um die scharfsinnige Begine Serafina. Auch ohne Kenntnis des ersten Bandes habe ich sehr schnell in diese Geschichte hineingefunden. Dank einiger geschickt platzierter Rückblenden in das bewegende Leben vor ihrer Beginenzeit, lernt man Serafina schnell und gut kennen.

Astrid Fritz hat einen flüssigen, angenehm zügig zu lesenden Schreibstil. Die tollen Beschreibungen des mittelalterlichen Freiburgs haben mich sofort in das Geschehen hineingezogen und es hat mir großen Spaß gemacht, Serafina bei ihrer nicht immer ungefährlichen Suche nach dem wirklichen Täter zu begleiten.

Da die Begine in ihrer Vergangenheit selbst schon einiges an Unrecht erfahren musste, hat sie es sich zur Aufgabe gemacht, unschuldig in Bedrängnis geratenen Menschen zu helfen. Bestürzt über den plötzlichen Hass auf den Schuster Mendel und die anderen jüdischen Familien, macht sich Serafina beherzt ans Werk und beginnt Nachforschungen anzustellen und unangenehme Fragen zu stellen.
Sehr gut vermittelt Astrid Fritz die hitzige Atmosphäre in der Stadt. Man spürt, wie es in der Bevölkerung brodelt, fast jeder will die Juden als Schuldige am Hostienfrevel sehen, wittert man doch eine willkommene Möglichkeit, die ungeliebten Geldverleiher loszuwerden.

Die Krimihandlung ist fesselnd und spannend, der Blick des Lesers wird in unterschiedliche Richtungen gelenkt und man kann bis zum Schluss über die Identität des Täters grübeln.

Ausgesprochen gut gefallen haben mir auch das ausführliche Personenverzeichnis und das umfangreiche Glossar.

„Hostienfrevel“ ist ein unterhaltsamer historischer Krimi, der mir ein paar spannende Lesestunden beschert hat.

Bewertung vom 07.10.2014
Ziebula, Thomas

Die Hure und der Spielmann


ausgezeichnet

Thomas Ziebulas Roman „Die Hure und der Spielmann“ spielt in der ersten Hälfte des 30-jährigen Krieges. Die jahrelangen Querelen zwischen Katholischer Liga und Protestantischer Union sind die Grundlage für das gesamte Geschehen. Mit seinen detailreichen Beschreibungen und ausführlichen Schilderungen zeichnet der Autor ein für mich sehr glaubwürdiges Bild dieser barbarischen Zeit, man kann den Verlauf des Krieges in den Jahren 1618-1632 hervorragend mitverfolgen.
Thomas Ziebula wartet mit einer geballten Ladung an historischen Fakten auf, die aber so spannend und mitreißend verpackt sind, dass man schnell mittendrin ist in dieser Welt aus Machtgier, Intrigen und Verrat, Unterdrückung, Ausbeutung und Entbehrungen. Die sehr gelungene Mischung aus Historie und Fiktion lässt sich angenehm zügig lesen.

Der Aufbau der Handlung hat mir sehr gut gefallen. Es gibt zwei große, zunächst weitestgehend voneinander unabhängige Handlungsstränge und darüber hinaus eine Rahmenhandlung, die im Jahr 1632 in Meuchen spielt. In dieser Rahmenhandlung, bestehend aus Prolog und mehreren Zwischenspielen, belauscht Major Erik Thott die Beichte eines Gefangenen - der Inhalt der Beichte bildet den Part mit dem Geschehen rund um Tonda. Gleichzeitig liest Erik im Tagebuch seiner Schwester Kristina - der zweite große Handlungsstrang in diesem Buch.

Thomas Ziebula hat das Schicksal seiner beiden Hauptdarsteller eng in das Kriegsgeschehen eingebunden. Die beiden treffen erst ungefähr in der Mitte des Buches aufeinander und machen bis dahin ganz unterschiedliche Entwicklungen durch.

Kristina, das einst fröhliche, schwedische Mädchen aus gutem Hause, macht im Verlauf der Handlung eine enorme Wandlung durch. Ungestüm und wenig durchdacht verlässt sie ihr Elternhaus und bekommt die ganze Wucht des Krieges zu spüren. Geprägt von den Erfahrungen und Erlebnissen wird sie stärker, wächst schließlich über sich hinaus und hat mich am Ende mit ihrem Tun beeindruckt. Sehr berührend sind die Augenblicke, wenn ihr Heimweh die Oberhand gewinnt und sie sich fragt, wie es ihren Eltern und ihrem Bruder in der Heimat gehen mag. Die Sehnsucht nach ihren Lieben kann man gut nachempfinden.

Tonda ist der Sohn eines böhmischen Ritters und wächst in Prag auf. Er leidet unter seinem hartherzigen Stiefvater, wird ständig geprügelt, steckt die Prügel schweigend ein. Als Tonda dem angeblichen Magister Franz von Trient begegnet, ändert sich sein Leben völlig. Franz wird zu Tondas Lehrer und Beichtvater, er lobt und achtet den jungen Mann, beschützt ihn und erschleicht sich damit sein Vertrauen. Dass Franz ihn für ein ganz bestimmtes, grausiges Ziel ausbildet, bemerkt Tonda erst spät.

Auch alle anderen Figuren werden lebhaft und facettereich dargestellt, selbst kleinste Nebenfiguren wirken nicht oberflächlich, sondern bereichern die Szenerie außerordentlich.
Eine wichtige Rolle spielen auch einige Handpuppen – Erzengel, Tod und Teufel. Es ist sehr interessant zu beobachten, welche Wirkung das Puppenspiel auf die Menschen hat. Fast jeder wird zu einem willigen Zuhörer. Ein Effekt, den sich Franz von Trient zunutze macht.

Meine Begeisterung für dieses Buch hat schon vor dem Lesen begonnen – das Cover ist außerordentlich gut gelungen. Nicht nur die Farben sind hervorragend gewählt, die abgebildete Teufelsmaske ist mit Lack hervorgehoben und deutlich fühlbar.
Zudem ist für reichlich informatives Drumherum zur eigentlichen Geschichte gesorgt - eine Landkarte des Reiches zur Zeit des 30-jährigen Krieges, ein ausführliches Personenverzeichnis und ein Glossar mit den wichtigsten Begriffen runden den Roman ab.

Mir hat das Lesen dieses historischen Romans mit den nicht immer leicht zu durchschauenden politischen Verwicklungen, den ganzen Kriegswirren, dem Glaubensgerangel, den fiesen Machenschaften und der spannenden Liebesgeschichte sehr großen Spaß gemacht. Ein tolles, intensives Leseerlebnis.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 06.10.2014
Minck, Lotte

An der Mordseeküste


ausgezeichnet

Friesland /Nordsee. Loretta Luchs macht gemeinsam mit ihren Freunden Urlaub an der Küste. Doch was fröhlich und vielversprechend beginnt, endet jäh während eines morgendlichen Wattspaziergangs: Loretta findet eine Leiche neben ihrer Strandburg, der Mann wurde augenscheinlich erdrosselt. Damit nicht genug, die herbeigerufene Polizei findet Lorettas guten Freund Frank auf der anderen Seite der Strandburg, friedlich seinen Rausch ausschlafend. Frank hatte am Abend vorher einen bösen Streit mit dem Ermordeten, kann sich aber jetzt an die nächtlichen Geschehnisse nicht mehr erinnern. Eine unbedachte Bemerkung bringt Frank dann in Teufels Küche, er landet nämlich umgehend im Knast – Loretta ist sich sicher, dass Frank unschuldig ist und begibt sich auf Spurensuche…

Als Handlungsort hat sich Lotte Minck diesmal einen beschaulichen Flecken an der Nordsee ausgesucht – nur, so ruhig und erholsam, wie sich alle diesen Urlaub in dem idyllischen Küstenort vorgestellt haben, wird es nicht, denn die altbekannte Truppe rund um Loretta Luchs stolpert wieder einmal Hals über Kopf in einem Kriminalfall.

Die Verknüpfung von Humor und Spannung ist der Autorin auch in „An der Mordseeküste“ hervorragend gelungen, so dass mich auch Lorettas dritter Fall von der ersten bis zur letzten Seite bestens unterhalten hat.

Lotte Minck hat auch diese Krimödie wieder mit ganz viel Wortwitz gespickt und den Protagonisten viele lockere Sprüche in den Mund gelegt. Außerdem verleihen Franks Ruhrpottslang, Marias niedlicher Akzent und einige plattdeutsche Sätze den Dialogen eine Extraportion Humor. Die Geschichte kommt frisch und lebhaft daher und ist randvoll mit guter Laune, zumindest für den Leser – denn Loretta und ihre Freunde sind alles andere als fröhlich, als Frank verhaftet wird. Loretta muss in diesem Fall wieder reichlich kriminalistisches Gespür an den Tag legen, um den wahren Täter dingfest zu machen.

Es hat mir wahnsinnig viel Spaß gemacht, mit „Hornbrillen-Girl“ auf Verbrecherjagd zu gehen – „An der Mordseeküste“ hat mich durchweg begeistert und mir ein paar spannende, vergnügliche Lesestunden beschert.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 23.09.2014
Jones, Gareth P.

Constable & Toop


ausgezeichnet

London, spätes 19. Jahrhundert. Immer mehr Hausgeister verschwinden auf unerklärliche Weise aus ihren Häusern. Während Bürogeist Lapsewood sich auf die Suche nach der Ursache macht, hat Sam Toop ganz andere Probleme. Nicht nur, dass Geister ihn ständig für Botengänge engagieren, plötzlich taucht auch sein von der Polizei gesuchter Onkel Jack auf…

Angelockt von dem wundervoll gestalteten Cover und den Empfehlungen namhafter Geister (Mary Shelly, Edgar Allan Poe, Sir Arthur Conan Doyle u.a. :-)) war ich sehr neugierig auf „Constable & Toop“ - und wurde durchweg prima unterhalten. Gareth P. Jones wartet hier mit einer fesselnden Geschichte und einer Reihe ganz außergewöhnlicher Figuren auf.

Da ist zunächst einmal der 13-jährige Sam Toop. Sam arbeitet bei seinem Vater in einem Bestattungsunternehmen. Er ist ein „Sprechender“, das heißt, er kann Geister sehen und hören. Diese Gabe ist für Sam eine große Last, denn es gibt viele Geister, die ihn mit Botschaften zu ihren Hinterbliebenen schicken möchten. Sam war mir schnell sympathisch und hat mir dabei auch mächtig Leid getan, denn die Geister, die ihn um Hilfe bitten, waren meist sehr aufdringlich und nervig.
Auch die 15-jährige Clara habe ich schnell in mein Herz geschlossen. Clara hat ihren eigenen Kopf, ist neugierig und wissensdurstig. Sie möchte Artikel für die Zeitung schreiben, daher beobachtet sie ihre Umgebung sehr genau. Clara kann die Geister in ihrem Haus spüren.
Tanner ist ein ehemaliger Gassenjunge, der jetzt als Schurkengeist (das ist ein Geist ohne Papiere bzw. Lizenz) durch London streift und dabei eine Menge Spaß hat. Tanner ist pfiffig und gewieft – mein absoluter Liebling in diesem Buch.
Und dann ist da noch Bürogeist Lapsewood. Ein einfacher, überaus korrekter Angestellter im Geisteramt. Lapsewood wird gegen seinen Willen in eine neue Abteilung versetzt und mit einer für ihn sehr unangenehmen Aufgabe betraut. Lapsewood muss zwar ein paar Rückschläge einstecken, wächst aber im Laufe der Geschichte über sich hinaus und hat mich mit seiner liebenswerten, höflichen Art begeistert.
Natürlich gibt es auch allerlei finstere Gestalten und ein paar Bösewichte in dieser Geschichte. So treibt zum Beispiel Sams Onkel Jack, ein Dieb und Mörder, sein Unwesen in der Stadt und mit Pastor Fallowfield tingelt ein erbarmungsloser Mann, der Geister exorziert, durch Londons Häuser.

Gareth P. Jones erzählt die Geschichte sehr spannend, die Figuren sind ausdrucksstark gezeichnet und glänzen alle durch ihre besonderen Eigenarten. Der Autor lässt seine Helden in unterschiedlichen Handlungssträngen auftreten und konfrontiert jeden auf eine andere Weise mit den merkwürdigen Geschehnissen in London. Jeder der vier erlebt seine eigene Geschichte, wobei manche von ihnen sich in der einen oder anderen Szene begegnen. Erst zum großen Showdown betreten dann alle gleichzeitig die Bühne.

Besonders die düstere Atmosphäre Londons im viktorianischen Zeitalter wird toll vermittelt. In den dunklen Ecken und verwinkelten Gassen geht es schaurig zu. Manchmal auch recht brutal. Eine Brutalität, die in einigen Szenen deutlich beschrieben wird, so dass ich es für unbedingt ratsam halte, dass empfohlene Lesealter nicht zu unterschreiten.

Mir hat dieser Ausflug in die Geisterwelt sehr gut gefallen. Eine fesselnde Geschichte, die auch erwachsene Leser zu begeistern vermag.

Bewertung vom 17.09.2014
Mannel, Beatrix

Der Klang der blauen Muschel


ausgezeichnet

Samoa 1905. Die junge Henriette Mayberg ist mit ihrer Familie in die deutsche Südseekolonie Samoa ausgewandert. Henriette fühlt sich sehr einsam, denn ihre über alles geliebte Zwillingsschwester Sophie musste in München zurückbleiben, weil sie an Tuberkulose erkrankt ist. Bei einem nächtlichen Strandspaziergang lernt Henriette den Samoaner Tamatoa kennen und verliebt sich wenig später in ihn. Währenddessen planen Henriettes Eltern bereits die Hochzeit ihrer Tochter mit dem angeblichen Vogelforscher Ernst-Otto Hofmann. Doch bevor es zu der Vermählung kommt, geschieht eine Katastrophe…

Beatrix Mannel wartet in ihrem Roman „Der Klang der blauen Muschel“ mit einer tollen Mischung aus Abenteuer, Spannung und Romantik auf und zeichnet ein umfassendes, vielschichtiges Bild von Samoa und San Francisco im frühen 20. Jahrhundert.

Es gelingt Beatrix Mannel ausgezeichnet, dem Leser den Zauber der Südseeinseln zu vermitteln. Die Autorin erzählt facettenreich vom Leben in Samoa während der deutschen Kolonialzeit. Sie gibt Einblicke sowohl in die Lebensweise, die Mythologie, die Legenden und die Traditionen der Einheimischen, wie auch in das unangepasste und überhebliche Gehabe der Kolonisten.

Auch San Francisco wird hervorragend in Szene gesetzt. Die Hektik der Stadt, die gesellschaftlichen Geflogenheiten, ein Spukhaus, ein Besuch in Chinatown – die vielfältigen Ansichten der Stadt waren für mich sogar noch einen Tick interessanter, als die faszinierende Welt Samoas.

Beatrix Mannel hat das Zeitgeschehen eindrucksvoll mit ihrer Geschichte verwoben. Der Goldrausch am Klondike spielt eine wichtige Rolle und auch das große Erdbeben von 1906 ist in die Handlung eingeflochten.

Gut gefallen hat mir auch, dass das Geschehen mit einigen übernatürlichen Phänomenen gespickt ist. Zuallererst ist da die blaue Muschel, die sowohl real als Geschenk von Tamatoa an Henriette existiert, als auch eine rätselhafte Verbindung zwischen den Protagonisten darstellt und in Träumen und auf Bildern auftaucht. Außerdem wird Henriette mehrfach vom „automatischen Schreiben“ überrumpelt und Fotograf Julius von Sommerfeld beschäftigt sich mit der Ektoplasma-Fotografie.

Die Akteure werden von Beatrix Mannel allesamt lebendig und bildhaft dargestellt, besonders Henriette ist mir schnell ans Herz gewachsen. Die liebenswürdige, aufgeschlossene junge Frau balanciert durchs Leben und versucht, die Forderungen ihrer Familie zu erfüllen und gleichzeitig ihre Interessen und Wünsche zu verwirklichen. Sie hat sich in den Samoaner Tamatoa verliebt, wird jedoch dazu verdonnert, einen Mann zu heiraten, den sie nicht mag. Mit dieser Ehe soll die Familie vor dem Ruin gerettet werden. Der Auserkorene Ernst-Otto Hofmann wirkt auf den ersten Blick sympathisch. Schnell zeigt sich aber, dass er nicht der Gentleman ist, für den ihn alle halten. Es gibt einige Ungereimtheiten in seiner Vergangenheit, denen Henriette im Verlauf der Handlung auf den Grund zu gehen versucht.
Auch die zahlreichen Nebenfiguren bereichern die Handlung außerordentlich, jeder Einzelne spielt die ihm zugedachte Rolle hervorragend. Besonders fasziniert hat mich Nian. Das chinesische Hausmädchen gibt sich demütig, verfügt aber über mehr Verstand und Übersicht, als so manch anderer.
Neben den fiktiven Figuren bevölkern auch einige historische Persönlichkeiten diesen Roman, unter ihnen zum Beispiel Jack London und dessen zweite Ehefrau Charmian Kittredge oder auch Eugene Schmitz, der damalige Bürgermeister von San Francisco.

„Der Klang der blauen Muschel“ lässt sich angenehm zügig lesen und hat mir nicht nur spannende, unterhaltsame Lesestunden beschert, sondern mir auch interessante Einblicke in die Historie Samoas und San Franciscos ermöglicht.

Bewertung vom 16.09.2014
Witemeyer, Karen

Wie angle ich mir einen Prediger?


ausgezeichnet

Burleson County, Texas – 1885. Der Prediger Crockett Archer ist mit der Bahn auf dem Weg zu einem Vorstellungsgespräch, als er von Silas Robbins und seinen Kumpanen entführt wird. Silas’ Tochter Joanna wünscht sich zum Geburtstag einen Prediger und Crockett soll ihr Geschenk sein.
Nachdem Joanna ihm die Gründe für diesen merkwürdigen Wunsch erklärt hat, ist Crockett ein wenig besänftigt, auch wenn er deswegen zu spät zu seinem wichtigen Termin in Brenham kommt. Als die Predigerstelle dort zugunsten eines anderen Bewerbers vergeben wird, erkennt Crockett, dass Gott einen anderen Weg für ihn vorgesehen hat…

„Wie angle ich mir einen Prediger“ ist ein ganz wunderbares Buch. Die Romantik kommt nicht zu kurz, eine große Portion Wortwitz sorgt für humorvolle Unterhaltung und einige dramatische Szenen sorgen für Spannung. Vor allen Dingen aber wird immer wieder deutlich gemacht, wie viel Kraft und Stärke man für die Bewältigung des Alltags aus einem Gebet und dem Glauben an Gott ziehen kann.

Anders als ich vermutet habe, steht nicht die Beziehung von Joanna und Crockett im Mittelpunkt dieser Geschichte, sondern der Versuch, einem Mann, der vor vielen Jahren seinen Glauben an Gott verloren hat, zum Umdenken zu bewegen.

Der mit seinen drei Brüdern ohne Eltern auf einer Farm aufgewachsene Crockett weiß, was es heißt, mit schwierigen Situationen fertig zu werden. Sein größter Wunsch ist es, als Prediger andere Menschen zu missionieren. Als er erkennt, dass ihm durch seinen unfreiwilligen Aufenthalt auf der Ranch und Joannas Wunsch, die Seele ihres Vaters zu retten, ebendiese Möglichkeit gegeben wird, nimmt er die Aufgabe mit Freude an und versucht, Silas den Glauben an Gott zurückzugeben.

Kein leichtes Vorhaben, denn Silas ist ein Sturkopf. Der Rancher hat vor 40 Jahren durch schreckliche Vorkommnisse seinen Glauben verloren und er weigert sich beharrlich, seine Meinung zu ändern.
Karen Witemeyer hat das Mit- bzw. Gegeneinander von Silas und Crockett hervorragend dargestellt. Silas fordert Crockett mit den unterschiedlichsten Dingen heraus und wird dabei ein ums andere Mal von dem jungen Mann überrascht.
Es ist ein langer und durch so manch brenzliges Ereignis sehr spannender Weg, auf dem Silas letztendlich begreift, dass er Gott nicht immer verstehen muss, wichtig ist nur, dass er Gott vertraut.

Natürlich bleibt es nicht aus, dass auch Joanna und Crockett sich näher kommen. Auch so ein Punkt, der Silas gar nicht gefällt. Aber die Dinge nehmen ihren vorbestimmten Lauf :-)

Es gibt auch einige interessante Nebenfiguren, die die Szenerie kräftig beleben. So hat mich zum Beispiel der zwölfjährige Jackson Spivey mit seinen altklugen Bemerkungen immer wieder zum Schmunzeln gebracht. Die egoistische Holly Brewster dagegen sorgt mit ihrem hinterlistigen Verhalten fast für eine Katastrophe.

„Wie angle ich mir einen Prediger“ ist ein leicht zu lesender, unterhaltsamer Roman, der mit tollen Charakteren und einer tiefgründigen Handlung überzeugt.

Bewertung vom 15.09.2014
Winter, Leonie

Unter Umständen verliebt


ausgezeichnet

Hamburg. Die 35-jährige Flugbegleiterin Nora Bergmann ist schwanger und freut sich sehr auf das Baby. Als sie ihren Freund Mirko mit dieser wunderbaren Nachricht überraschen will, hat dieser gerade einen Arm fest um Susan gelegt – seine bereits einjährige Zweitbeziehung, wie sich später herausstellt. Da Mirko mit Susan nach Australien auswandern will, macht Nora sich auf die Suche nach einem neuen Vater für ihr ungeborenes Baby und einer neuen großen Liebe für sich selbst…

Leonie Winter lässt Ich-Erzählerin Nora diese Geschichte mit einem Freudenschrei beginnen. Einfach herrlich, Noras Begeisterung über ihre Schwangerschaft. Ich habe sie richtig vor mir gesehen, wie sie durch ihre Wohnung saust, ganz ungestüm vor Glück. Die Autorin lässt Nora dann sehr schnell auf den Boden der Tatsachen plumpsen, denn Lebensgefährte Mirko erweist sich als Mistkerl.
Nach diesen zwei heftigen Loopings geht es rasant weiter auf Noras Gefühlsachterbahn. Immer auf und ab. Begleitet von heftigen Hormon-Attacken macht sich Nora auf die Suche nach einem neuen Mann. Unterstützt wird sie dabei von ihrem Kollegen und besten Freund Oskar und dessen Frau Bettina. Zwei ganz liebe Menschen, die Nora ein ums andere Mal auffangen, wenn es wieder allzu chaotisch in ihrem Leben zugeht.

Nora erlebt einige Pleiten und auch ganz wunderbare Momente, verstrickt sich in einer dicken Lüge und findet am Ende zum Glück den Richtigen - ein Mann, von dem ich nicht gedacht hätte, dass er letztendlich an Noras Seite stehen würde. Leonie Winter hat hier ganz geschickt einige Überraschungen und Wendungen eingebaut, so dass es bis zum Schluss weder für Nora noch für den Leser langweilig wird.

Als Clou in diesem Buch kommt am Ende eines jeden Kapitels eine Randfigur zur Wort, die sich zu dem vorangegangenem Geschehen äußert – sehr gelungene Einschübe, die für eine Extraportion Witz sorgen.

„Unter Umständen verliebt“ ist ein spaßiger, romantischer Frauenroman, der mit viel Schwung und Wortwitz erzählt wird. Ich habe mit Nora gelacht und gelitten und über so manches kuriose Erlebnis schmunzelnd den Kopf geschüttelt. Ein rundum tolles Lesevergnügen.