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Juti
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Insgesamt 737 Bewertungen
Bewertung vom 15.07.2018
Houellebecq, Michel

In Schopenhauers Gegenwart


gut

Französischer Skandalautor zitiert deutschen Philosophen

Dieses Büchlein hat ohne die leeren Seiten gerade einmal 54 Seiten. Zitiert wird mehr Schopenhauer als das, was Houellebecq selbst schreibt. Die Philosophie Schopenhauers ist aber interessant. Houellebecq bedauert, dass es keinen besseren zeitgenössischen Philosophen gibt.

Ich warte dennoch lieber bis mir Herr Precht den Schopenhauer erklärt.
Für die Mühe eines Nachmittags reichen 3 Sterne. Ein Skandalbuch ist dieses sicher nicht.

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Bewertung vom 10.07.2018
O'Connor, Flannery

Keiner Menschenseele kann man noch trauen


sehr gut

Kurzgeschichten, die noch schlechter enden, als man denkt

Vielleicht sollte man die Lebensgeschichte der Autorin sich vor Augen halten, die schon in jungen Jahren schwer erkrankt war, als sie mit 39 starb. Ihr bot das Leben nicht viel und vielleicht kommt sie so auf die Erzählungen, die stets ein schlimmes Ende haben, außer die letzte, die nur halbschlimm endet, da der Vater doch dort begraben wird, wo er wollte.

Sonst reist eine Familie nach Florida, liest von einem Outlaw, der ausgebrochen ist und hat unterwegs eine Autopanne. Wen trifft die Familie dort? Natürlich den Outlaw, der sie alle erschießt.
Zweimal wird eine Mutter mit behinderter Tochter belästigt. Beim ersten Mal lässt der Mann die Tochter auf der „Hochzeitsreise“ im Schnellrestaurant zurück, beim zweiten Mal lässt ein Bibelverkäufer die Beinprothese der Tochter mitgehen. „Im Fluss“ will ein Jugendlicher als Täufer Jesus begegnen, kann aber nicht schwimmen und landet direkt im Paradies.
Ein Sozialarbeiter nimmt eine gefährlich Patienten mit nach Hause und gerade als man denkt, er ist ihn losgeworden, begeht sein Sohn eingeredeten Selbstmord. Das sind nur die Höhepunkte.

Klingt alles grausam. Leider sind die Kurzgeschichten aber nicht so kurz, es braucht Zeit bis das Finale auf der letzten Seite explodiert. Daher 4 Sterne.

Bewertung vom 17.06.2018
Schlink, Bernhard

Olga


sehr gut

Liebesprosa für Anfänger
So schlimm, Herr Scheck, ist dieses Buch doch nicht.
Das Leben der Ostpreußin Olga wird erzählt, die bei der Großmutter aufwuchs und sich in einen Jungen der Oberschicht verliebt. Seine Eltern und seine Schwester sind gegen eine Heirat. Der Junge Herbert flüchtet in Reisen und kommt schließlich in der Arktis ums Leben. Nach dem 1.Weltkrieg muss Olga das Gebiet nördlich der Memel, nach dem 2.Weltkrieg Ostpreußen verlassen. Sie flüchtet in die Heimatstadt des Ich-Erzählers, meines Erachtens Heidelberg und näht für die Familie.

So interessant das erste Kapitel ist, so langweilig ist das zweite, da dieselbe Geschichte noch einmal aus der Sicht des Ich-Erzählers geschildert wird, ohne viel Neues. Auf S.166 stirbt Olga, doch das Kapitel geht noch 30 Seiten weiter. Denn der Ich-Erzähler kauft noch Briefe Olgas, die sie an Herbert geschrieben hat. Wir erfahren von ihrem Sohn und wie sie zu Tode kam, aber das wird hier nicht verraten.

Das Buch ist einfach und schnell zu lesen, anfangs auch spannend. 4 Sterne

Bewertung vom 15.06.2018
Maron, Monika

Munin oder Chaos im Kopf


sehr gut

Inklusion und wie sie nicht gelingt

3 Geschichten muss ein gutes Buch erzählen und das tut es. Das Hauptthema ist eine verrückte Nachbarin, die ihre Nachbarn durch Gesang von ihrem Balkon nervt. Juristische Versuche sie zum Ausziehen zu zwingen scheitern am Behindertenschutz. Ich selbst habe mich erinnert, dass in einem Viertel in Köln einst ein Mann mit Tourette-Syndrom in meiner Nähe wohnte, der immer undefinierbare Laute von sich gab. Erst als mir klar war, wo dieser Lärm herkam, konnte ich damit leben.
In diesem Roman treffen sich die Nachbarn zu zwei Versammlungen, weil sie sich wehren wollen. Doch wird der Gesang von der Verrückten unterschiedlich empfunden, so dass sich die Nachbarschaft nach dem zweiten Treffen in zwei Gruppen spaltet und die Autoreifen zerstochen werden.
Unsere Hauptdarstellerin Mina Wolf entzieht sich dem Streit, da sie, um dem Gesang zu entgehen, nachts arbeitet. „In den Nächten war es still“ heißt folglich der erste Satz des Romans.

Sie arbeitet an einem Artikel über den Dreißigjährigen Krieg für eine Westfälische Kleinstadt. Wir lernen Peter Hagendorf kennen und Annette von Droste-Hülshoff, die darüber schrieb. Vom Kriegsverlauf schreibt Daniel Kehlmann mehr. Maron versucht den Krieg auf die Gegenwart zu beziehen. Aber nur bei der Abneigung des Vaters von Mina gegen Magdeburg wird darauf eingegangen, dass der Zweite Weltkrieg unter Hitler heute weit mehr für Zerstörungen verantwortlich ist als der Krieg vor 400 Jahren.

Die dritte Geschichte behandelt die Krähe, die Mina eher zufällig füttert und auf dem Namen Munin tauft. In Wikipedia steht, dass der Name „denken an, sich erinnern“ bedeutet. Und so verlaufen die Gespräche auch über theologische Themen, über den Raben, der sich für Gott hält und wie Gott alles sieht.

Wie schon meine inhaltliche Beschreibung zeigt, gefällt mir gerade die Rabengeschichte nicht besonders, deswegen vergebe ich nur 4 Sterne. Wie die Gesellschaft behinderte integriert, das wäre ein Thema. Ebenso warum die Aggressivität in unsere Gesellschaft zunimmt. Brauchbare Lösungen bringt diese Buch dazu nicht. Aber das Problembewusstsein wird geschärft.

Bewertung vom 13.06.2018
Bonnett, Alastair

Die seltsamsten Orte der Welt


sehr gut

Geografie für Abenteurer

Der englische Autor schreibt einen „Reiseführer“ und entführt uns an Orte, wie Sandy Island, eine Insel im Pazifik, die lange auf Seekarten zu finden war, obwohl es sie nicht gab. Leningrad dagegen hat nur seinen Namen geändert. Arne ist ein „Fake-ort“ der dazu diente die Luftwaffe der Wehrmacht von den Städten der englischen Südküste abzulenken. Das alte Mekka kann nur von Muslimen besucht werden, der Berg Athos nur von Männern. New Moore ist eine Insel, die vor Bangladesch auftauchte und wieder verschwand. Time Landscape ist ein Kunstobjekt in New York, eigentlich ein Garten, der zu klein ist, um bebaut zu werden.
Die Aralkum-Wüste entstand nach dem Austrocknen des Aralsees. In Kappadokien gibt es ein Labyrinth von unterirdischen Städten. Auch im Bergbau geht es unter die Erde. Schelesnogorsk ist eine russische Stadt, die nach dem Ende der Sowjetunion gesperrt blieb, weil die Bewohner es so wollten. In Manila wie in Kairo leben Menschen auf dem Friedhof. Auf den Andamanen gibt es noch Völker, die den Kontakt mit der Zivilisation verweigern.

Mit Grenzen beschäftigt sich das nächste Kapitel. Zwischen Guinea und Senegal liegen die Grenzposten 18 km auseinander. Bir Tawil ist ein Tal in der Wüste zwischen Ägypten und Sudan auf das beide Länder verzichten, weil sie Gebietsansprüche am Roten Meer durchsetzen wollen. In Honduras existiert ein Dorf, deren Bewohner zu El Salvador gehören wollen. Twail Abu Jarwal ist ein Beduinendorf in der Wüste Negev, das von den Israelis mehrfach zerstört wurde.

Ein Beispiel für Geisterstädte ist Wittenoom, wo der gefährlichste blaue Asbest abgebaut wurde. Heute darf die australische Stadt nicht mehr betreten werden. Kangbashi ist eine der Städte in China, die für 300.000 Menschen gebaut wurden, aber derzeit nur etwa 30.000 Bewohner hat. Kijong-dong ist ein Geisterdorf in Nordkorea an der Grenze zu Südkorea. Agdam liegt in Berg-Karabach und wurde von den Armeniern zerstört, Prypjat von Tschernobyl. Giarre in Sizilien gilt als Hauptstadt der unfertigen Bauten.

Außergewöhliche Orte werden im folgenden thematisiert. Camp Zeist in den NL wurde für den Lockerbie-Prozess Schottland überlassen. In Bukarest gab es ein fensterloses CIA-Gefängnis. Reichlich ist ein Dorf für Landwirtschaft am Ob. Der Quilombo Botas ein Ort ehemaliger Sklaven in Brasilien. Hobyo ist eine Piratenstadt in Somalia. Ein Besuch in dem von der Farc besetzten Kolumbien rundet das Kapitel ab.
Baarle-Nassau und Baarle-Hertog haben extrem viele Exklaven und Enklaven zwischen Holland und Belgien, Chitmahals zwischen Indien und Bangladesch. Sealand war eine Bohrinsel in der Nordsee. Das Vereinigte Königreich der Lunda Chowke fordert Unabhängigkeit von Angola, Gagausien von Moldawien.
Am Rastplatz Hog‘s Back wurde Dogging praktiziert, was mit Outdoorsex übersetzt werden kann. Auf dem Parkplatz des Flughafen von Los Angeles leben die Angestellten von Fluggesellschaften, beim Festival Nowhere treffen sich Fans im spanischen Nirgendwo.

Langeweiliger sind die Kapitel, die es überall auf der Erde gibt, wie z.B. der Fuchsbau in der englischen Heimat des Autors, eine Verkehrsinsel, der Internationaler Luftraum, Gutterspaces (schmale Durchgänge), das Schiff the World, auf dem es Wohnungen gibt, die schwimmenden Malediven, eine Sprühinsel und die Existenz von Bimssteinflöße (die durch Vulkanausbrüche mitten im Ozean entstehen, was mir absolut neu war) und Müllinseln.

Besonders gefallen hat mir die Angabe der Längen- und Breitengrade, so dass bei vielen Abschnitten die Orte in google maps zu finden waren. Ich will noch erwähnen, dass dieses Buch das dritte war, das einen Besuch in Tschernobyl beschrieben hat. Nach Ranga Yogischwar, der eine physikalischen Schwerpunkt setzte und Navid Kermani, der das Erleben in den Vordergrund stellte, hatte ich diesmal das Gefühl, dass Bonnett nur die Literatur gelesen hat. Trotzdem brachte mir das Buch viel Neues. Deswegen 4 Sterne.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 12.06.2018
D'Eramo, Marco

Die Welt im Selfie


gut

Modeindustrie Tourismus und kein Schutz der Unesco

Dieses Buch ist zu lang geraten. Verheißungsvoll fängt es an mit einer Darstellung Roms im August. Die Stadt wird nur noch von Touristen bevölkert. Deswegen eignen sich Touristen auch gut als Anschlagsziel für Terroristen. In Spanien macht der Tourismus heute 14,5% des BIP aus.

Abgesehen von der Umweltzerstörung erlebt der Tourist heute eine Scheinwelt: In der Unesco-geschützten Altstadt von San Gimignano gibt es heute nur noch Pizzabuden und Hotels für Touristen. Einwohner haben die Altstadt verlassen. Die Krönung dieser Entwicklung ist Lijiang in China, das ein Unesco-geschütztes Disneyland ist, wo für die Touristen sogar extra ein Flughafen gebaut wurde. Denn die Ursache für mehr Tourismus ist die wachsende Mobilität, wobei der Autor gegen Ende richtig darauf hinweist, dass wegen der Beliebtheit der Weg Mailand – New York einfacher ist als der deutlich kürzere von Mailand nach Palermo.

Im 18. Jahrhundert war die „Grand Tour“ etwas für Adlige nach der Ausbildung, spätestens nach den Grenzöffnungen 1990 ist es etwas für jedermann. Auch Reiseziele verändern sich: Eine Kanalisation oder ein Leichenschauhaus würde heute keiner mehr besichtigen (die Ausstellung „Körperwelten“ aber sehr wohl).

Immer wichtiger wird der Reiseführer oder jetzt im digitalen Zeitalter die Bewertung im Internet. Selbst für den kulinarischen Tourismus kann ein *** Restaurant eine Reise wert sein. Auch Enttäuschungen kommen vor, weil Erwartungen nicht erfüllt werden. Mark Twain zeigt dafür schon Beispiele.
Es gibt unterschiedliche Arten des Tourismus. Von Pilgerreisen, Sexreisen, Sportreisen, Kunstreisen Geschäftsreisen oder Gesundheitsreisen. Touristen betrachten mitunter Touristen, was etwas vom Menschenzoo hat.

Das Buch ist zwar interessant, enthält aber viele sinnlose Zitate. Die mehrfach zitierte Philosophie von Hegel ist mir unbekannt und die Exkursion ins Außerirdische absolut überflüssig. Ein Tipp von mir: Beenden Sie das Buch mit dem Kapitel über Las Vegas. Sie sparen über 100 Seiten. 3 Sterne

Bewertung vom 12.06.2018
Vuillard, Éric

Die Tagesordnung


ausgezeichnet

Französischer Autor über die Industrie unter Hitler und den Anschluss Österreichs

Vergessene Geschichte aufarbeiten oder was will der Autor mit dieser kurzen Novelle, wenn wir dieses Buch nicht lieber als Sachbuch ohne Fußnoten ansehen.
Es beginnt mit deutschen Industriellen, die bei den Nazis zu Gast sind und sie vor den letzten Wahlen finanziell unterstützen, damit endlich die lästige Demokratie abgeschafft wird. Dann kommt der englische Politiker Halifax zu Besuch, ohne Tacheles zu reden.
Das Hauptthema aber ist der Besuch Schuschnigg auf dem Obersalzberg bei Hitler und wie er keinen Widerstand gegen Hitlers Wünsche äußert, der auch verfassungsrechtliche Bedenken vom Tisch wischt. Warum Österreich keine Hilfe bei europäischen Nachbarn geholt hat, bleibt unbeantwortet. Nur wie Ribbentrop den Engländern die Nachricht des Einmarsches in einen langen Dinner aufschwatzt wird breit dargestellt.

Auch dieser Einmarsch geht schief. Deutsche Panzer bleiben vor Linz wegen Benzinmangels liegen. Die Wochenschau zeigt später nur Jubelbilder. Nazi-Fake-News. Göring will den Einmarsch als Hilfeleistung für die österreichischen Nazis verstehen. Abgehörte Telefonate überführen ihn beim Prozess in Nürnberg.
Tote gab es auch, denn vier Personen haben sich am Tag des Einmarsches umgebracht. Nicht zu vergessen die Toten Juden.

Und was fragt Gustav Krupp: „Wer sind eigentlich all diese Leute?“ und meint die vielen Kriegsarbeiter von Krupp. Nur jeder zehnte überlebt. Sie und nur sie bekommen nach langem Kampf etwas Entschädigung, je weniger, desto mehr Zwangsarbeiter sich später melden. „Die Juden hätten schon zu viel Geld gekostet.“
Aber der deutschen Großindustrie geht es nach wie vor gut.

Ein Buch, das in seiner Einfachheit und Kürze besticht und vergessene Themen aus dem Nähkästchen holt. Es setzt Schwerpunkte und Blitzlichter auf die Historie. Anfangs hatte ich Bedenken 5 Sterne zu vergeben, weil das Buch kein richtiger Knaller ist, aber die Kürze des Buches lässt nicht mehr zu und einen Tag darf man ruhig in dieses Buch investieren.

Bewertung vom 08.06.2018
Schleichert, Hubert

Wie man mit Fundamentalisten diskutiert, ohne den Verstand zu verlieren


gut

anspruchsvolle Religionskritik

Gehofft hatte ich auf ein Buch, das gegen Argumente der AFD hilft. Gewundert habe ich mich, dass dieses Buch bereits 1996 erschienen ist. Klar wurde mir, dass dieses Buch mit Fundamentalisten religiöse Fundamentalisten meint, wobei ich gegen Ende Religion an sich in Zweifel gezogen wird.

Das Buch beginnt mit einer Aufzählung verschiedener Argumentationsarten, mühsam und anstrengend. Es fängt einfach an, wenn es heißt, dass ein Verallgemeinerungsprinzip mit einem Ausnahmeargument widerlegt werden kann. Abstrakter ist schon das Gleichheits- oder Gerechtigkeitsprinzip. Dann gibt es das Dilemma oder die Fallunterscheidung („Wer nicht für mich ist, ist gegen mich“ S.29), die Relativierung, das „Wehret den Anfängen“- Prinzip, das mit Hintergrund des Einzelfalls („Derlei ist kein Zufall“ S.36), das Mißbrauchsargument, Analogien und Gleichnisse, verrückte Gegenbeispiele, das Maß halten („es könnte dir noch viel schlechter gehen S.42), historische Argumente, Quellenargumente („weil der Papst es verkündet S.43), Argumente der Zeit (ich würde sagen Tradition), Erfahrung oder Anzahl, Argumente mit Mitleid, du auch Argumente („Wie können die Amerikaner den Nazis die Judenvernichtung vorwerfen, wo sie doch selber die Indianer ausgerottet haben“ S.47) und Argumente „ad nauseam“ und „ad lapidem“.
Auch das nächste Kapitel ist allgemein gehalten. In Fallgruben wird mit roter Hering ein Beispiel gezeigt, dass von der allgemeinen Diskussion ablenkt. Außerdem kann man mit „ignoratio elenchi“ nicht das Gesuchte sondern etwas anderes beweisen. Gegenbeispiele lassen sich auf die Argumentation des Gegners ein, der sie als leuchtende Ausnahme darstellen kann. Auch das kann übertrieben werden, wie Schillers Ode an die Frau.
Dann gibt es Definition von Idealismus und Fanatismus.

Wer das alles überstanden hat, der findet ab S.69 Argumente für Intoleranz. Von nun an (und das geht aus dem Covertext nicht hervor) spielt Religionskritik die herausragende Rolle. Allerdings habe ich immer wieder interessante Bibelstellen gefunden, auch wenn sie in den Anmerkungen nicht immer fehlerfrei angegeben sind. Schleicherts Lieblingsbeispiel ist Calvin, der in Genf den Spanier Servet aufhängen lässt, weil er an der Dreifaltigkeit zweifelt. Wie damit umgegangen wird, ist ein Beispiel schlechter Vergangenheitsbewältigung. (Calvins einziger Fehler…). Aber natürlich schreibt der Autor such Argument für Toleranz, ebenso mit Bibelstellen.

Interne Kritik heißt, dass man sich auf eine Stufe stellt. So wird bei den Hexenprozessen nicht bezweifelt, dass der Teufel wirken kann, sondern man bezweifelt, dass der Teufel einen Leib annehmen kann. Schöner findet der Autor aber die subversive Kritik, was ich als Satire bezeichnen würde. Hier heißt sein Lieblingsautor Voltaire.
Gegen ihn wird das „Limonaden-Syndrom“ angewandt. Coca-Cola enthielt in seiner Anfangszeit tatsächlich süchtig machende Cocastoffe, aber längst wurde die Rezeptur geändert. So ist das auch mit einigen Dogmen der Kirche beispielsweise „außerhalb der Kirche kein Heil“ und Hölle und Verdammnis. König David wird moralisch kritisiert.
Dann zeigt Schleichert am Beispiel der Judenverfolgung wie unpassend heute noch Theologen über die Inquisition schreiben, in dem er nur ein paar Worte ändert, für mich ein Höhepunkt des Buches.
Wenn man den Gegner nicht ernst nehmen muss, darf man über seine Argumente lachen, indem man z.B. zeigt, wie viele Wunder nötig waren, damit das mit der Arche Noah funktioniert.

Inhaltlich ist das Buch wertvoll, am Anfang aber zu allgemein und schwierig, am Ende zu sehr auf Religion fixiert. 3 Sterne.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 26.05.2018
Coccia, Emanuele

Die Wurzeln der Welt


schlecht

Pflanzenphilosophie – aber nicht gelungen

Wissen wir denn nicht, dass Tiere zum Überleben andere Lebewesen töten müssen, also vorwiegend Pflanzen? Klar, Pflanzen sind unbeweglich und daher weit mehr von ihrem Standort abhängig. Und man kann es so sehen, dass ihre Vermehrung, im Buch Sexualität genannt, öffentlich stattfindet.

Ich habe dieses Buch im Freibad gelesen und, da ich nichts anderes hatte, mich durch die erste 7 Kapitel mehr und mehr gequält. Dennis Scheck interviewte den Autor in der Sendung am 25.2.2018, daraufhin habe ich die Kapitel 12+13, also mehr als das halbe Buch, gelesen. Ich wusste schon immer, dass Herr Scheck mit seinen Gästen großzügiger umgeht. Dieses Buch verdient aber nur 1 Stern (seit fast einem Jahr habe ich diese Note nicht mehr erteilt).

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 24.05.2018
Yogeshwar, Ranga

Nächste Ausfahrt Zukunft


gut

Tischgespräche mit dem Wissenschaftsjournalisten

Langweilig wurde mir nicht, als ich dieses Buch gelesen habe. Aber der Maßstab für ein Sachbuch muss doch sein, wieviel Neues ich gelernt habe. Und da bleibt die Ernüchterung: Nicht viel.
Neben ernsten Themen und auch politischen Forderungen wird immer wieder Witziges dargestellt. So auf S.237, wo der Autor schreibt, der Stoff Miu Lebensmittel erfunden worden und jeder Achte sagte besser Lebensmittel ohne Miu.

Hauptthema sind die Folgen der Digitalisierung, aber auch Flüchtlinge, Journalismus, Gentechnik und Klimawandel sind ein Thema. Man merkt dem Buch leider an, dass einige Kapitel schon vorher in anderem Zusammenhang veröffentlicht wurde. 3 Sterne.

7 von 7 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.