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Dreamworx
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Berlin

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Insgesamt 1378 Bewertungen
Bewertung vom 03.11.2020
Bernstein, Lilly

Trümmermädchen - Annas Traum vom Glück


ausgezeichnet

Die Hoffnung stirbt zuletzt
1941-1948 Köln. Die Bäckerei von Tante Marie und Onkel Matthias ist der liebste Platz der 11-jährigen Anna, doch der Krieg zerstört ihre kleine heile Welt. Onkel Matthias wird zum Kriegsdienst eingezogen, so dass Anna und ihre schwangere Tante Marie allein auf sich gestellt sind. Als eine Bombe die Bäckerei völlig zerstört, wird die Lage für Anna, Marie und deren gerade im Bunker geborenen Sohn Karl sehr schwierig, da Köln in Schutt und Asche liegt, es kaum noch Lebensmittel gibt und auch der Kältewinter vor der Tür steht. Anna schließt sich einer Schwarzmarktbande an und betätigt sich fortan als Kohlediebin, um sich und ihre Familie über die Runden zu bringen. Dabei verlieren sie das Versprechen Onkel Matthias gegenüber nie aus den Augen, auch wenn ihnen immer wieder Knüppel zwischen die Beine geworfen werden und sie oftmals an den Rand der Verzweiflung sind…
Lilly Bernstein hat mit „Trümmermädchen“ einen sehr anrührenden Roman mit historischem Bezug vorgelegt, in dem sie nicht nur Informationen ihrer eigenen Familienbiografie verarbeitet hat, sondern auch in lebhafter Form die damaligen harten Lebensumstände authentisch wiederspiegelt. Der flüssige, bildreiche und emotionale Erzählstil bindet den Leser schnell an die Handlung und lässt in die Zeit zurückwandern, um Köln mitten im Krieg zu erleben, während er sich in Annas Familie einnistet. Schilderungen der Bombardierung von Köln, der nervenaufreibenden, ängstlichen Zeit im Bunker sowie die Trümmerlandschaft brennen sich dem Leser während der Lektüre in die Netzhaut und verursachen Gänsehautmomente sowie ein mulmiges Gefühl. Auch die stetig schlimmer werdende Kälte, der unbändige Hunger sowie die ständige Angst sind allgegenwärtig, während immer mal wieder ein kleiner Hoffnungsschimmer durchblitzt, der ein wenig Wärme versprüht in dieser kalten Zeit versprüht. Eindrucksvoll vermittelt die Autorin anhand ihrer Protagonisten, wie sehr gerade Frauen und Kinder sich in der Nachkriegszeit verdient gemacht haben, weder vor unkonventionellen Ideen noch vor harter Arbeit zurückzuschrecken, um ihre Lieben halbwegs ernähren, wärmen und vor allem ihr Überleben sichern zu können. Unsereins kann sich kaum vorstellen, wie es ist, im eisigen Winter ohne Schuhe zu laufen oder über ein kleines Stückchen Brot unendlich dankbar zu sein. Freud und Leid liegen hier so nahe beieinander, dass man als Leser durch eine wahre Achterbahn der Gefühle wandelt, während man das Schicksal der Menschen von damals so greifbar vor Augen hat und ihren Mut, ihren Zusammenhalt und vor allem ihren Kampfgeist nur bewundern kann.
Liebevoll und detailliert gezeichnete Charaktere mit individuellen Ecken und Kanten wurden hier perfekt in Szene gesetzt, so dass der Leser sich ihnen sofort anschließt und mit ihnen fürchtet, bangt und hofft. Anna ist zwar noch ein Kind, jedoch wirkt sie aufgrund der Umstände oftmals wie eine alte weise Frau. Sie ist fleißig, verantwortungsvoll, hilfsbereit und mutig, immer mit dem Blick nach vorn. Auch Marie und Matthias sind sehr sympathische Menschen, die andere selbst in dunkelster Zeit unterstützen, obwohl sie selbst kaum etwas haben. Doch die Liebe und ihre Träume halten sie zusammen und lassen sie über sich hinauswachsen. Aber auch Karl, Agnes, Ruth, Dean, Hilde, Joseph und viele mehr berühren mit ihren Geschichten und lassen dieses Buch zu einem wahren Erlebnis werden.
„Trümmermädchen“ fesselt mit einer emotionalen Geschichte über den täglichen Überlebenskampf der Menschen im Zweiten Weltkrieg und die Nachkriegszeit, über harte Entbehrungen sowie die kleinen Freuden und Hoffnungsschimmer in einer dunklen, schweren Zeit. Anrührend und unerwartet bildgewaltig, man hat das Gefühl, leibhaftig dabei zu sein. Absolute Leseempfehlung für einen richtigen Bücherschatz! Chapeau – besser geht es nicht!

15 von 19 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 02.11.2020
Grünig, Michaela

Ein neuer Anfang / Palais Heiligendamm Bd.1


ausgezeichnet

Schmöker zum Ab- und Eintauchen
1912. Mit dem „Palais Heiligendamm“ in Doberan an der Ostseeküste will der Berliner Hotelier Heinrich Kuhlmann nebst Familie dem bereits etablierten und allseits bekannten „Grand Hotel“ die Gäste abspenstig machen. Allerdings muss er sich erst einmal einen Namen machen, bevor sich die Haute Volée bei ihm die Klinke in die Hand gibt, zu sehr setzen sie noch auf Altbewährtes. Während sich Heinrichs Sohn Paul lieber der Musik widmet und mit dem Hotel wenig am Hut hat, ist es ausgerechnet Tochter Elisabeth, die mit innovativen Ideen und Sachverstand das Hotel auf Kurs bringen möchte. Allerdings stehen ihr dabei nicht nur ihre Eltern mit ihren engen Traditionskorsett im Weg, ihr Vater überträgt mit Julius Falkenhayn auch noch einem Fremden eine Teilverantwortung für die weitere Entwicklung des Hotels…
Mit „Palais Heiligendamm“ hat Michaela Grünig einen sehr gelungenen Auftakt ihrer Heiligendamm-Dilogie vorgelegt, der dem Leser nicht nur mit zauberhaften Bildern des Ostseestreifens einen sepiafarbenen Film vor Augen führt, sondern auch mit gut recherchiertem historischen Hintergrund sowie einer unterhaltsamen Familiengeschichte zu punkten weiß. Der locker-flüssige, farbenprächtige und gefühlvolle Erzählstil lädt den Leser zu einer Reise in die Vergangenheit ein, wo dieser sich im Kuhlmannschen „Palais Heiligendamm“ häuslich einrichtet und nicht nur das Hotel unter die Lupe nimmt, sondern beim Blick durchs Schlüsselloch auch die Akteure genau kennenlernt. Wer Heiligendamm kennt, weiß um die alten Prachtbauten, die einem vermitteln, die Zeit wäre in der Vergangenheit stehengeblieben. Die Strandpromenade, das wiegende Dünengras und die unendlich weite Blick auf die See laden dazu ein, die Seele baumeln zu lassen. Die Schilderungen der Autorin vermitteln genau diese Auszeit-Atmosphäre, gleichzeitig lassen wechselnde Perspektiven geschäftiges Treiben im Hotel und innerhalb der Familie stattfinden. Während sich die politische Lage wandelt, die dunklen Wolken des Ersten Weltkrieges bedrohlich näher kommen und auch vor dieser Idylle nicht Halt machen, wird anhand von Elisabeth die Rolle der Frau zur damaligen Zeit sehr schön wiedergespiegelt. Alte Traditionen und verstaubte Denkweisen machen es ihr schwer, zukunftsweisende Ideen für das Hotel umzusetzen. Der Spannungsbogen wird gemächlich aufgebaut und schraubt sich bis zum Ende immer weiter in die Höhe, um den Leser mit einem Knall zu entlassen, der nun gespannt auf die Fortsetzung warten muss.
Liebevoll ausgestaltete Charaktere versprühen mit ihren facettenreichen Ecken und Kanten Lebendigkeit und Authentizität. Der Leser bewegt sich gern in ihrer Mitte und nimmt Anteil an ihren Schicksalen. Elisabeth ist eine intelligente, fleißige junge Frau mit innovativen Ideen, die innerhalb der eigenen Familie gegen Windmühlen kämpft. Ihre Eltern Ottilie und Heinrich halten an alten Zöpfen fest, bilden eine unterkühlte und harte Einheit, deren Wünschen man sich zu unterwerfen hat. Paul ist ein feinsinniger, sensibler junger Mann, der ganz in seiner Musik aufgeht und dann an der Front die grausamsten Erfahrungen machen muss, die Narben auf seine Seele brennen. Zimmermädchen hat schon einige Schicksalsschläge hinter sich, die ihre Persönlichkeit geprägt und gestärkt haben. Julius Falkenhayn ist ein sympathischer, freundlicher Kerl, der sich nicht in Schubladen stecken lässt. Er ist hilfsbereit und voller Elan.
„Palais Heiligendamm“ überzeugt mit farbenprächtigem Erzählstil, gut recherchiertem historischem Hintergrund sowie einem gelungenen Mix aus Familiengeschichte, Liebe, Intrigen, Tragödie, Krieg unterlegt mit einer Achterbahn der Gefühle. Ein wunderbarer Schmöker zum Abtauchen, bei dem man die Zeit vergisst. Absolute Leseempfehlung – Chapeau!

15 von 18 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 02.11.2020
Lüders, Fenja

Der Glanz der neuen Zeit / Speicherstadt-Saga Bd.2


ausgezeichnet

Minas mutiger Kampf
20er Jahre Hamburg. Der erste Weltkrieg ist vorbei, auch die Kaffeeimportfirma Kopmann und Deharde muss mit den Folgen kämpfen. Mina führt seit dem Tod ihres Vaters und in Abwesenheit ihres Ehemannes Frederik Lohmeyer das Kontor in der Speicherstadt und hat ihren Schwiegervater Paul kontaktiert, um eventuell Ware von seiner Kaffeeplantage beziehen zu können. Paul, dessen Verhältnis zu seinem Sohn Frederik schon lange sehr schwierig ist, ist froh, Mina unterstützen zu können. Doch Frederik passt diese Zusammenarbeit gar nicht, so tut er alles, um die Kooperation zu sabotieren und scheut dabei vor nichts zurück…
Fenja Lüders hat mit „Der Glanz der neuen Zeit“ den zweiten Teil ihrer Speicherstadt-Trilogie vorgelegt, der dem ersten Band an Unterhaltungswert und Spannungsmomenten in nichts nachsteht. Mit flüssig-leichtem, gefühlvollem und farbenfrohem Erzählstil wird der Leser schnell in die Zeit zurückversetzt, wo er sich wieder an Minas Fersen heftet, um den Entwicklungen im Kontor, aber auch in ihrem Privatleben folgen zu können. Wieder einmal hat die Autorin sehr gute Recherchearbeit geleistet, spiegelt das damals herrschende Gesellschaftsbild wunderbar wieder, wo Frauen allein nicht handlungs- und geschäftsfähig sind, sondern alles nur mit einem Ehemann regeln können. Die Zeit kurz nach dem Krieg ist schwierig, Waren sind knapp und müssen für viel Geld importiert werden. Für einen Kredit benötigt Mina die Unterschrift ihres Mannes, was schon einiges an Konfliktpotential in sich birgt und sehr unschöne Szenen zwischen dem Ehepaar hervorruft, die dem Leser geradezu die Haare zu Berge stehen lassen und das Gefühlsbarometer in Wallung bringen. Die bildhaften Beschreibungen von Hamburg und der Speicherstadt lassen während der Lektüre im Kopf des Lesers einen Film ablaufen, was ihm das Gefühl vermittelt, ebenfalls Teil der Handlung zu sein. Die Geschichte endet mit einem Zeitsprung, der einige Fragen beim Leser aufwerfen und ihn somit neugierig auf den letzten Band warten lassen.
Die Charaktere sind durchweg sehr detailliert, glaubwürdig und mit Leben ausstaffiert worden, so dass sich der Leser schnell unter sie mischen kann, um ihren unterschiedlichsten Unternehmungen zu folgen und mit ihnen zu fiebern. Mina hat sich weiterentwickelt und zu einer fleißigen, starken, verantwortungsvollen Frau avanciert, die sich nicht nur um ihre Familie, sondern auch ums Geschäft kümmert. Außerordentlichen Mut beweist sie darin, sich Frederik gegenüber immer wieder zu behaupten, auch wenn sie oft schmerzlich Federn dabei lassen muss. Schwester Agnes ist eine intelligente und erwachsene Frau geworden, die für das Kontor die eine oder andere Idee beisteuert. Frederik ist ein anmaßender, gewalttätiger Großkotz, der seine Macht dazu missbraucht, andere zu schikanieren und zu unterdrücken. Er ist ein Spieler, Intrigant und dazu völlig talentfrei. Sein Vater Paul ist dagegen freundlich, hilfsbereit und warmherzig. Ebenso wichtig für die Handlung sind Großmutter Hiltrud, Irma, Heiko und Edo, die ihre Fußspuren hinterlassen.
„Der Glanz der neuen Zeit“ kann mit einer spannenden Handlung, interessanten Protagonisten, Geheimnissen, Intrigen, Liebe und einem gelungen gezeichneten historischem Hintergrund wieder einmal überzeugen und fesselt von Beginn an. Offene Fragen lassen nun das gespannte Warten auf Band 3 lang werden! Absolute Leseempfehlung!

17 von 20 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 01.11.2020
Phillips, Susan Elizabeth

Und wenn sie tanzt


sehr gut

"Und wenn sie tanzt, ist sie wer anders, lässt alles los nur für das Gefühl." (Max Giesinger)
Eine Berghütte in den Runaway Mountains in Tennessee ist der Zufluchtsort für die 35-jährige Hebamme Tess, die den plötzlichen Tod ihres Mannes erst einmal verkraften muss. Das einzige Mittel zur Trauerbewältigung ist für Tess Tanzen, so dreht sie die Musiklautstärke auf Anschlag und vergisst für kurze Zeit alles um sich herum. Dass sich andere von dem Lärm allerdings gestört fühlen, ist ihr nicht in den Sinn gekommen. Umso überraschter ist sie, als der berühmte Street-Art-Künstler Ian North auf ihrer Matte steht, der von dem Krach völlig genervt ist. Schließlich braucht er seine Ruhe, um endlich wieder Ideen entwickeln zu können. Die beiden können vom ersten Moment an nicht miteinander. Trotzdem kümmert sich Tess um die schwangere Bianca, die bei Ian wohnt, und als die Wehen einsetzen, ist es mit Tess Suche nach Einsamkeit endgültig vorbei…
Susan Elizabeth Phillips hat mit „Und wenn sie tanzt“ einen unterhaltsame und gleichsam bittersüße Geschichte vorgelegt, die von der ersten bis zur letzten Seite zu fesseln weiß. Der locker-leichte, anrührende und mit wohldosiertem Humor gewürzte Erzählstil beamt den Leser geradezu mitten hinein in Tessas Leben, um mit ihr in der Einsamkeit Gesellschaft zu leisten, ihre Geschichte kennenzulernen und mit ihr zusammen abzurocken. Der Autorin gelingt es sehr gut, die Verzweiflung ihrer Protagonistin heraus zu kitzeln, aber auch das männliche Gegenstück nahe an den Rand des Wahnsinns zu bringen. Spritzige Dialoge werfen sich die beiden so gegensätzlichen Protagonisten hin und her und offenbaren dabei doch so viel über ihre jeweiligen Persönlichkeiten, die nicht nur mit ihren eigenen Schicksalen vollauf beschäftigt sind, sondern gleichzeitig auch einen Weg aus ihrer Misere suchen. Neben Trauerbewältigung hat die Autorin noch eine Menge anderer ernster Themen auf dem Zettel, die sie tiefgründig und gekonnt in ihrer Geschichte unterbringt, was zusätzlich eine Achterbahn der Gefühle beim Leser auslöst. Da geht es um Schwangerschaft, Mutter- bzw. Vaterschaft und Verantwortungsgefühl, aber auch darum, was Familie und Eltern sein bedeutet. Dazu kommen noch die Ortsbewohner, die sich schnell die Neuigkeit zunutze machen, Tess für alle ihre Wehwehchen einzuspannen und so in ihre Gemeinschaft zu integrieren. Wer die Bücher der Autorin kennt, weiß normalerweise um die Vorhersehbarkeit ihrer Geschichten. Doch diesmal ist alles etwas anders und vor allem so gar nicht oberflächlich.
Lebendig gestrickte Charaktere mit glaubhaften Ecken und Kanten bezirzen den Leser von Beginn an und ziehen ihn regelrecht in ihren Bann, so dass sofort eine Nähe geschaffen ist, die Mitfühlen und Mitbangen möglich machen. Tess ist eine selbstbewusste, schlagfertige, hilfsbereite und starke Frau mit einem Hang zur Besserwisserei, was nicht jeder in ihrem Umfeld goutiert. Ihr Art der Trauerbewältigung ist ungewöhnlich, aber nachvollziehbar, denn die richtige Musik hilft in den dunkelsten Stunden dabei, Lebensfreude zurückzugewinnen. Ian ist ein abweisender und unterkühlt wirkender Mann, der seine Gefühle für sich behält, um nicht verletzt zu werden. Insgeheim hat er ein großes Herz und lässt jedem Hilfe zukommen, der sie benötigt. Bianca ist eine schwangere junge Frau, die die Einsamkeit nicht ertragen kann und Anschluss sucht. Aber auch die Bewohner des Örtchens Tempest geben ihren Input zu dieser zu Herzen gehenden Geschichte.
„Und wenn sie tanzt“ ist nicht nur unterhaltsam, sondern tiefgründig, bittersüß, humorvoll und spritzig. Ein Liebesroman mit Umwegen, an dem man ab der ersten Seite kleben bleibt. Ein etwas anderer Phillips, der auf jeden Fall im Gedächtnis bleibt. Verdiente Leseempfehlung!

10 von 10 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 01.11.2020
Stern, Paula

Tage des Aufbruchs / Die Kaffeedynastie Bd.1


sehr gut

"Kaffee gibt mir einen Schmerz, der nicht ohne Lustgefühl ist." (Napoleon Bonaparte)
Aachen. Corinne und Alexander Ahrensberg müssen sich als gleichberechtigte Partner um die familieneigene Kaffeerösterei kümmern, als Vater Günther nach einem Schlaganfall nicht mehr in der Lage ist, das Unternehmen zu führen. Schon bald kommt es zwischen den Geschwistern zu Zwistigkeiten, denn beide haben völlig verschiedene Vorstellung von der Leitung des Unternehmens. Während Alexander nur auf den Umsatz schaut, schmiedet Corinne Zukunftspläne in Richtung Fair Trade und Produktinnovationen. Als Corinne sich einmal mehr mit der Geschichte des Unternehmens beschäftigt, findet sie das alte Tagebuch ihres Großvaters Eberhard, der einst die Rösterei gegründet hat. Seine Geschichte bestärkt Corinne in dem Wunsch, ihren eigenen Weg zu verfolgen…
Paula Stern hat mit „Tage des Aufbruchs“ den Auftakt Ihrer historischen Kaffeedynastie-Trilogie vorgelegt, der mit zwei unterschiedlichen Zeitebenen und einer interessanten Familiengeschichte zu unterhalten weiß. Mit flüssig-leichtem, bildreichem und gefühlvollem Erzählstil lädt die Autorin den Leser ein, die Familiengeschichte der Ahrensberg zu entdecken, und lässt ihn zwischen dem Jahr 1945 und der Gegenwart hin und her springen, um nach und nach den Werdegang sowie alle Geheimnisse und Schicksale zu lüften. Während die beiden Zeitebenen parallel nebeneinander her laufen, bewegt vor allem die Vergangenheit um Eberhard Ahrensberg, der als Kriegsgefangener in die Heimat zurückkommt, um alles in Trümmern vorzufinden und vor der Herausforderung zu stehen, irgendwie seine Familie ernähren zu müssen. Nach dem Krieg war die Zeit des Schmuggelns, vor allem Kaffee als harte Währung galt. Ebenso geht das Schicksal seiner Freundin Isabella Pelzmann und der jüdischen Familie Rosenbaum ans Herz, das für so viele Opfer der damaligen Zeit steht. Die Autorin lässt den Leser mit ihren farbenfrohen Schilderungen nicht nur an den Seiten kleben, sondern projiziert damit auch einen Film im Kopf, als wäre man hautnah dabei, während man ständig den Duft von frisch geröstetem Kaffee in der Nase hat.
Die Charaktere sind facettenreich ausgestaltet und lebendig inszeniert, so dass sie dem Leser mit ihren individuellen Ecken und Kanten Einlass in ihre Mitte gewähren, wo er mit ihnen mitfiebern kann. Eberhard ist ein fleißiger und verantwortungsvoller Mann, der unter seinem nationalsozialistisch eingestellten Vater gelitten hat. Er ist mitfühlend, ehrlich und hilfsbereit. Alexander Ahrensberg ist ein kalter Pragmatiker, der nur für Profit und Zahlen lebt und keinerlei Zukunftsvisionen hat. Corinne liebt die Arbeit mit Kaffee, hat viele frische Ideen, um das Unternehmen profitabler und ansprechender zu gestalten. Die Kooperation mit ihrem Bruder ist schwierig, bewirkt jedoch, dass sie immer mutiger und entschlossener wird. Noah Engel hat sich seinen Traum erfüllt und lebt von dem, was er liebt. Sein Sachverstand sowie sein Zuspruch helfen Corinne dabei, sich von alten Fesseln zu befreien.
„Tage des Aufbruchs“ ist ein unterhaltsamer Roman, der nicht nur historische Anteile beinhaltet, sondern den Leser neben einem Mix aus alter Familiengeschichte, neuen zarten Liebesbanden in die Welt des Kaffees entführt. Fortsetzung unbedingt erwünscht. Verdiente Leseempfehlung!

12 von 14 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 01.11.2020
Kölpin, Regine

Als wir träumen durften / Der Nordseehof Bd.1


sehr gut

„Alles, worauf die Liebe wartet, ist die Gelegenheit.“ (Miguel de Cervantes)
1948 kommen immer mehr Flüchtlinge nach Ostfriesland. Unter ihnen befindet sich auch Rolf, in den sich die Großbauerntochter Johanna sofort verliebt. Doch ihre Liebe steht unter keinem guten Stern, denn Johannas Eltern haben mit den Besitzern des Nordseehofes bereits verabredet, dass sie deren Sohn ehelicht. Der Tod ihres Bruders Keno besiegelt schließlich den Pakt, und Johanna muss Eike heiraten und verzichtet damit schweren Herzens auf ihr Glück. Die Ehe mit Eike ist geprägt von einer tyrannischen Schwiegermutter und einem Ehemann, der sich als Hasenfuß entpuppt. Johanna flüchtet sich in ihre Träume von einem Glück mit Rolf, aber auch diesem geht Johanna nicht aus dem Kopf…
Regine Kölpin hat mit „Der Nordseehof-Als wir träumen durften“ den Startschluss für ihre Nordseehof-Trilogie gelegt, in dem sie den Leser zu einer Reise in die Nachkriegszeit einlädt, um dort das Schicksal von Johanna und ihrem Leben auf dem Nordseehof zu beobachten. Mit flüssigem, warmherzigem und bildreichem Erzählstil zaubert die Autorin dem Leser während der Lektüre nicht nur vom idyllischen Ostfriesland und seinen Deichen wunderschöne Bilder vor das innere Auge,, sondern lässt ihn auch ganz eng mit ihren Protagonisten verwachsen, um sie und ihre Gedanken- und Empfindungswelt sowie die damaligen Lebensumstände und gesellschaftlichen Normen genau mitzuerleben. Im Fall von Johanna bedeutete dies, sich den Vorgaben der Eltern zu fügen und eine Ehe einzugehen, die rein materialistische Gründe und mit Liebe nichts zu tun hat. Unter dem Dach der Schwiegermutter ist Johanna eine Gefangene, die sich nach den Wünschen anderer richten muss, praktisch zur Leibeigenen wird. Auch die harte Arbeit auf den Höfen sowie das Schicksal der Flüchtlinge beleuchtet die Autorin innerhalb ihrer Geschichte und fängt diese besonders stimmungsvoll ein. Die Entwurzelung war für viele damals schon schlimm genug, sich aber auch noch in einer neuen Gegend anzusiedeln, wo man vielleicht unter den dortigen Bewohnern nicht gerade erwünscht ist, macht die Lage noch unerträglicher und trägt nicht dazu bei, dass man sich dort auf Dauer einlebt.
Liebevoll gezeichnete Charaktere, die mit ihren menschlichen Eigenheiten glaubwürdig und authentisch wirken, laden den Leser schnell zu besonderer Nähe ein, um ihr Schicksal zu verfolgen, mitzuleiden, zu hoffen und zu bangen. Johanna ist eine freundliche, starke und fleißige junge Frau, die hart zupacken kann. Ihre eigenen Wünsche und Träume hat sie in ihrem Herzen verpackt, um ihrer Familie Rechnung zu tragen. Die ewige Gängelei durch ihre Schwiegermutter lässt Johanna wachsen und mutiger in ihrem Widerstand werden. Ehemann Eike ist eine Marionette der eigenen Mutter, er ist völlig willenlos, unbeständig und gleichgültig. Mit so einem verheiratet zu sein, ist wahrlich kein Vergnügen und belastet die Geduld erheblich. Eikes Mutter ist eine Despotin, die von ihrem eigenen Sohn nicht viel hält und dies auch auf Johanna überträgt. Rolf ist ein lieber Kerl, der vom Schicksal bereits arg gebeutelt wurde und auch in der neuen Heimat immer wieder durch so manches Tal muss. Aber er weiß, was er will und wird alles dafür tun, seine Träume zu verwirklichen.
Mit „Der Nordseehof-Als wir träumen durften“ hat die Autorin einen unterhaltsamen Auftakt geliefert, der nicht nur mit einer interessanten Familiengeschichte vor historischem Hintergrund punktet, sondern auch den Leser von Anfang bis Ende an die Seiten fesselt. Verdiente Leseempfehlung!

11 von 12 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 31.10.2020
Woolf, Julia

Marigolds Töchter


sehr gut

"Liebe beginnt damit, sich um seine Nächsten zu kümmern: die Menschen zuhause." (Mutter Theresa)
Marigold kümmert sich nicht nur liebevoll um ihre Familie in allen Lebenslagen, auch der Dorfladen der 66-jährigen ist Dreh- und Angelpunkt für viele Einwohner. Mit ihrer 86-jährigen Mutter Nan, Ehemann Dennis sowie Tochter Suze lebt sie unter einem Dach. Als ihre älteste Tochter Daisy sich von ihrem italienischen Freund trennt und von Mailand zurück ins Elternhaus zieht, wird es eng dort. Marigold ist zufrieden, all ihre Lieben um sich zu haben, doch wird ihr Glück dadurch getrübt, dass ihr Gedächtnis sie immer mehr im Stich lässt. Dauernd vergisst sie irgendwas und verliert sich immer mehr in der Zeit, während ihr Kopf voller Watte ist. Was ist bloß mit ihr los? Lange ignoriert Marigold die Anzeichen, versucht ihre Unpässlichkeiten zu verstecken, doch nicht nur Daisy fällt mehr und mehr auf, dass mit ihrer Mutter etwas nicht stimmt…
Julia Woolf hat mit „Marigolds Töchter“ einen berührenden Roman vorgelegt, der sich mit dem Thema Demenz beschäftigt und dies sehr feinfühlig und empathisch verpackt. Der flüssige, bildreiche und einfühlsame Erzählstil lässt den Leser ins Haus von Marigolds Familie einziehen, wo er schnell nicht nur die einzelnen Haushaltsmitglieder kennenlernt, sondern vor allem Marigold auf Schritt und Tritt verfolgt und dabei das Pensum bewundert, dass diese jeden Tag auf dem Zettel hat. Die liebevolle Beziehung zwischen Marigold und ihrem Ehemann geht schnell ans Herz, während man sich als Leser über die störische alte Nan ebenso aufregt wie über die überaus faule Suze, die ihren Hintern nicht hochbekommt, um endlich einer richtigen Arbeit nachzugehen und ihren Eltern nicht länger auf der Tasche zu liegen. Das lebensechte Familienleben findet mit Daisys Einzug noch Erweiterung, die sich als erste Gedanken über den Zustand ihrer Mutter macht, während alle anderen Marigolds allmählichen Zerfall bewusst oder unbewusst zu ignorieren suchen. Man sollte meinen, dass verbundene Menschen aufeinander achten, doch vielleicht steckt auch immer Angst dahinter, dass der Ist-Zustand sich einmal ändert oder ein geliebter Mensch ernsthaft krank sein könnte. Doch Ignoranz schützt nicht vor der Realität, man darf gerade von der Familie erwarten, dass sie sich umeinander kümmert. Allerdings tut dies nur Daisy, Vater Dennis macht sich zwar Sorgen, schiebt es aber aufs Alter, das sich ja bei jedem anders äußert. Bei aller Ignoranz aber wird Marigold trotz ihrer Krankheit von ihrer Familie mit durchs Leben genommen, denn auch das ist Familie: man hält zusammen, lässt niemanden allein und stützt sich gegenseitig, den einen mehr, den anderen weniger, je nach Bedürfnis. Wunderschön zeichnet die Autorin diesen Kokon, in dem man sich sicher und geborgen fühlt.
Die Charaktere sind so lebendig und authentisch, dass der Leser das Gefühl hat, sie schon ewig zu kennen, deshalb fällt das Mitfühlen leicht. Marigold ist die Wärmflasche ihrer Familie, für jeden immer da, kümmert sich um alles und hat für jeden ein offenes Ohr. Die Ängste wegen ihrer Vergesslichkeit sind gut nachvollziehbar und hinterlassen einen Kloß im Hals. Daisy ist eine warmherzige junge Frau mit künstlerischem Talent und der nötigen Sensibilität. Dennis ist handwerklich begabt und hilft gern überall aus. Seine Frau liebt er von ganzem Herzen, sie ist sein Goldstück. Nan ist eine nörgelige alte Dame, der man es nie recht machen kann und die alles schwarzsieht. Ihre Kommentare über ihre Tochter Marigold gehen einem als Leser schwer gegen den Strich, zumal sie sich in deren Haushalt aufhält und sich bedienen lässt. Suze ist eine egoistische und oberflächliche junge Frau, deren Welt sich nur um sie dreht. Aber auch die Dorfgemeinschaft hat in diesem Buch einen großen Stellenwert.
„Marigolds Töchter“ ist ein anrührender Generationenroman, dessen Grundthema uns alle angeht. Empathisch und feinfühlig erzählt, unterhält die Geschichte nicht nur, sondern stimmt nachdenklich. Verdien

10 von 12 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 31.10.2020
Winter, Claudia

Wie sagt man ich liebe dich


ausgezeichnet

"Je mehr Liebe man gibt, desto mehr besitzt man davon." (Rainer Maria Rilke)
Am Pariser Montmartre mischt sich gehörlose Kunststudentin Maelys Durant unter die vielen Porträtisten, die davon leben, für Geld die Touristen aufs Papier zu bannen, denn sie muss den Lebensunterhalt für sich und ihre Tante Valérie verdienen. Als der Portugiese Eduardo de Alvarenga bei seinen Weihnachtseinkäufen Maelys entdeckt, ist er von ihr wie gebannt, denn sie sieht seiner ehemaligen großen Liebe zum Verwechseln ähnlich. Auch nach seiner Rückkehr nach Lissabon geht sie ihm nicht aus dem Kopf, weshalb er seinen Enkel António um Hilfe bittet. António reist nach Paris und lockt Maelys mit einem Angebot, seinen Großvater zu malen, nach Portugal. Maely hat Frankreich noch nie verlassen und nimmt das Angebot an. Ihre Tante Valérie begleitet Maelys nach Lissabon, ist jedoch nicht sehr begeistert, zu präsent sind ihre eigenen tragischen Erfahrungen mit einer ehemaligen großen Liebe zu einem Portugiesen immer noch…
Claudia Winter hat mit „Wie sagt man ich liebe Dich“ einen zauberhaften Roman vorgelegt, der sich über zwei unterschiedliche Zeitebenen, liebenswerten Protagonisten sowie einer alten bitter-süßen Liebesgeschichte und einem wunderbar flüssigen, gefühlvollen und farbintensiven Erzählstil sofort ins Herz des Lesers schleicht. Der Autorin gelingt es meisterhaft, die Zeitebene der 60er Jahre mit der Gegenwart zu verbinden. Der Leser erlebt an der Seite Maelys eine aufregende Reise, während der sie nicht nur António besser kennenlernt und sich langsam in ihn verliebt, sondern sie erfährt auch von der traurig endenden Liebesgeschichte ihrer Tante. Der Wechsel zwischen den Zeiten sowie auch zwischen den beiden Handlungsorten Paris und Lissabon steigert die Spannung und hält den Leser konstant in Atem, während er von der emotionalen Erzählung tief berührt wird. Mit besonderer Spannung wartet man ständig auf das erste Zusammentreffen zwischen Eduardo und Valérie, denn die Geschichte der beiden ist noch nicht zuende erzählt, der Bruch schon 50 Jahre her. Ebenso gefesselt ist der Leser von den bildhaften Schilderungen der Austragungsorte, Paris wirkt so pulsierend wie faszinierend und voller Leben, während Lissabon eher südländisches Urlaubsflair mit einer ruhigeren Gangart ausstrahlt. Wer beide Städte schon einmal besucht hat, wird beim Lesen mit wunderschönen Bildern belohnt und kann die Stimmung gut nachvollziehen.
Die Charaktere sind sehr lebendig in Szene gesetzt, überzeugen mit glaubwürdigen menschlichen Eigenarten auf ganzer Linie und nehmen den Leser sofort in ihre Mitte, der gern ihr Schicksal verfolgt und mitfühlt. Maelys wächst einem sofort ans Herz, wie sie mit ihrer Gehörlosigkeit umgeht, ist bewundernswert. Obwohl sie zerbrechlich wirkt, ist sie mutig, offen, warmherzig, talentiert, liebevoll und großzügig. Valérie ist eine verletzte Frau, die mit der Vergangenheit noch nicht abgeschlossen hat. Einst war sie eine mutige junge Frau mit großen Träumen, doch eine Enttäuschung hat sie nüchtern und teilweise bitter gemacht, so dass sie manchmal hart und kalt wirkt. Eduardo ist ein Lebemann, der auf einmal Angst vor der eigenen Courage bekommt, sich seiner Vergangenheit stellen zu müssen. António wirkt zwar wie ein Womanizer, doch ist er nicht oberflächlich. Er besitzt Charme, ist attraktiv, doch hat er durchaus menschliche Qualitäten, die sich nach und nach offenbaren.
„Wie sagt man ich liebe Dich“ überzeugt auf ganzer Linie mit einer gut durchdachten Handlung, anrührenden Liebesgeschichten und Lebensschicksalen sowie einem schönen Geflecht aus Gegenwart und Vergangenheit. Farbenprächtig und sehr gefühlvoll erzählt, lässt einen dieser Roman nicht nur auf Reisen gehen, sondern öffnet auch das Herz. Absolute Leseempfehlung!

16 von 28 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 27.10.2020
Benz, Andreas

Mission: Weisse Weihnachten


ausgezeichnet

"Wenn alte Gäule in Gang kommen, sind sie nicht mehr zu bremsen." (Christoph Lehmann)
Luky, Hans, Frida, Inge und Maria haben sich im Schweizer Seniorenheim „Abendrot“ miteinander angefreundet und teilen sich zu den Mahlzeiten im Speisesaal Tisch 5. Als Maria von ihrem Arzt erfährt, dass sie nicht mehr lange leben wird, wünscht sie sich, noch einmal verschneite Weihnachten in den Bergen zu erleben. Die Freunde wollen ihr diesen Wunsch unbedingt erfüllen und formieren sich für dieses Vorhaben noch einmal zur „Sonnenuntergäng“. Der Mangel an finanziellen Mitteln treibt die Senioren nicht nur zu einem Raubüberfall in einem Juweliergeschäft, sondern die Ware muss auch vertickt werden. Dabei soll ihnen ein Drogenboss helfen. Das ganze Vorhaben artet zu einem Desaster aus, das immer größere Blüten treibt und die fünf Senioren inklusive totkranker Maria zu Kriminellen auf der Flucht macht. Doch dabei verlernen sie nicht zu genießen und ganz neue Seiten an sich zu entdecken…
Andreas Benz hat mit „Mission: Weisse Weihnacht“ einen unterhaltsamen Roman vorgelegt, der nicht nur wunderbar zur kommenden Jahreszeit passt, sondern mit Empathie und Witz auch zum Nachdenken anregt. Der flüssig-leichte, gefühlvolle und bildhafte Schreibstil nimmt den Leser sofort mit ins Zürcher Oberland und lässt ihn als unsichtbarer Gast zunächst ins Seniorenheim „Abendrot“ einziehen, um nicht nur die Protagonisten mit ihren Zipperlein kennenzulernen, sondern auch die Atmosphäre dort aufzusaugen. Kein Wunder, dass die sympathische Truppe sich dort nicht wohlfühlt, wenn man ständig gegängelt wird und Heimleiterin Kunz einem die Freuden des Lebens madig macht. Da möchte jeder ausbrechen, der noch einigermaßen bei Verstand ist und mit dem Leben noch nicht abgeschlossen hat, so auch die „Sonnenuntergäng“. Mit viel Charme, Humor und jeder Menge Schutzengel an ihrer Seite, aber auch durch ihre gegenseitige liebevolle Fürsorge wird die Geschichte zu einem weihnachtlichen Roadtrip der besonderen Art. Der Autor legt viel Warmherzigkeit und Empathie an den Tag, hebt zwar nicht den Finger, aber macht deutlich, dass die ältere Generation noch einiges zu sagen und auch noch Träume hat. Gerade diese bunt zusammengewürfelte Truppe zeigt ein wunderschönes Miteinander, in der es an Lebensfreude und gegenseitiger Anteilnahme nicht mangelt, auch wenn die Knochen müde sind oder die Lunge pfeift: der weihnachtliche Gedanke wird hier gelebt. Die farbenfrohen Beschreibungen führen den Leser mit einem alten aufgepeppten Kleinbus durch die verschneite Schweiz, von Zürich bis nach Gstaad, vom Luxushotel hin zu einem Chalet in den Bergen.
Die liebevoll ausgestalteten Charaktere wachsen dem Leser mit ihren glaubwürdigen Eigenschaften sofort ans Herz, so dass er sich insgeheim wünscht, selbst Teil dieser Chaostruppe zu sein. Luky ist ein freundlicher abgehalfterter Playboy, der sich nach den alten Zeiten sehnt. Frida hängt an der Sauerstoffflasche, aber ohne Zigarette geht es nicht. Sie ist resolut und etwas vorlaut, kümmert sich aber rührend um Freundin Maria und setzt alle Hebel in Bewegung, damit die letzten Tage für sie zum Fest werden. Hans ist ein erfolgloser Krimiautor mit Gelenkproblemen, seine Pläne sind eine Sache für sich, aber auch für ihn soll es noch ein Liebesglück geben. Inge macht zwar auf Diva, überrascht aber durch ihre praktischen Einfälle. Maria ist liebe und bescheidene alte Dame, die unbedingt die Berge und ihre Enkelin noch einmal sehen möchte. Ebenso wichtig für die Story sind Isabelle, Steffi, Sicherheitsmann Rolf und Polizist Studer.
„Mission: Weisse Weihnacht“ ist eine warmherzige und anrührende Geschichte, die mit ihrer Botschaft nicht nur zum Weihnachtsfest passt: Auch wenn Menschen alt werden, haben sie noch Wünsche und Träume, hängen am Leben und sind noch nicht tot. Absolute Leseempfehlung für eine wunderschöne Geschichte!

10 von 11 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.