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dorli
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Insgesamt 894 Bewertungen
Bewertung vom 18.03.2015
Stadler, Max

Waidwund


ausgezeichnet

Ein bayrisches Dorf unweit der tschechischen Grenze. Hier regiert Großbauer Hans Nübler rücksichtslos und nur auf seinen Vorteil bedacht – bis ihm jemand auf übelste Weise den Garaus macht.
Während Polizist Peter Leitner und sein Kollege Scholtyssek die Kripo Regensburg bei der Mördersuche als Ermittler vor Ort unterstützen und die Dorfjugend mit Tim Novak als Ideenschmied engagiert eigene Wege geht, um ihren Idealen Nachdruck zu verleihen, verschwindet Xaver Nübler im fernen Afrika spurlos…

Auf diesen Krimi aufmerksam geworden bin ich durch den Titel, denn der Begriff „waidwund“ war mir nicht bekannt. Mittlerweile bin ich schlauer: waidwund ist Jägersprache und bedeutet, dass ein Tier durch einen Schuss in die Eingeweide schwerstverletzt wird. Es geht in diesem Krimi also um die Jagd? Ja, geht es - aber das ist noch lange nicht alles…

Max Stadler hat einen angenehm zügig zu lesen den Schreibstil. Dank der detaillierten Beschreibungen und ausführlichen Schilderungen kann man dem Geschehen trotz der drei zunächst weitestgehend voneinander unabhängigen Handlungsstränge sehr gut folgen.
Ganz hervorragend gelungen sind dem Autor die Beschreibungen der Handlungsorte - ich konnte mir die Schauplätze sowohl in Bayern wie auch in Afrika sehr gut vorstellen. Auch die jeweilige Atmosphäre ist rundum stimmig.

Die Ermittlungen in dem Kriminalfall gestalten sich als schwierig. Es gibt zahlreiche Motive und noch mehr mögliche Täter, denn Hans Nübler hat sich im Dorf wie ein mieser König aufgeführt und ist mit seinem Verhalten und seinen egoistischen Plänen für die Region vielen Mitmenschen auf die Füße getreten.
Auch Polizist Leitner macht aus seiner Abneigung gegen die Großbauern-Sippe keinen Hehl. Er sagt, was er denkt und kuscht vor niemandem. Das macht ihn äußerst sympathisch. Besonders gut gefallen hat mir, dass Max Stadler Leitner mit einer großzügigen Portion an schwarzem Humor ausgestattet hat.

„Waidwund“ ist ein Krimi, der nicht nur spannende Unterhaltung bietet und zum Miträtseln einlädt, sondern der auch auf die Probleme und Missstände an den jeweiligen Schauplätzen aufmerksam macht. Es geht in diesem Krimi um Menschen, die verhindern wollen, dass unsere Welt waidwund zugrunde geht. Manche wollen einfach nur aufrütteln und auf die Missstände aufmerksam machen. Andere wollen sich an den Übeltätern rächen. Wollen mittels Selbstjustiz für Gerechtigkeit sorgen und gehen dabei eiskalt und brutal vor. „Waidwund“ ist spannend, tiefgründig, gesellschaftskritisch – absolut lesenswert.

Bewertung vom 17.03.2015
Büchle, Elisabeth

Skarabäus und Schmetterling


ausgezeichnet

Elisabeth Büchle wartet in „Skarabäus und Schmetterling“ mit einem tollen Mix aus Abenteuer, Spannung, Romantik und Humor auf. Der Aufbau der Handlung hat mir sehr gut gefallen. Die Autorin hat die auf unterschiedlichen Zeitebenen spielenden Abenteuer von Sarah und Rahel nicht miteinander vermischt, sondern erzählt deren mitreißende Geschichten nacheinander.

Der Roman beginnt mit einem kurzen Ausflug in das Jahr 1327 v. Chr. nach Ägypten. Hier begegnet man Schöne Sonne und Wüstensturm, die sich gemeinsam auf den Weg an den See Genezareth machen, eine reich verzierte Truhe im Gepäck...

Dann folgt ein Zeitsprung in das Jahr 1922. Dieser erste Teil des Romans spielt fast ausschließlich in Ägypten. Gemeinsam mit Sarah Hofmann und deren Ziehmutter Lady Alison Clifford geht es von England aus nach Luxor. Alison ist eine sehr sympathische, reiche, abenteuerlustige, verwitwete Adlige, die es sich in den Kopf gesetzt hat, Howard Carter und dessen Ausgrabungsstätten zu besuchen.
Mit detailreichen Beschreibungen und ausführlichen Schilderungen zeichnet Elisabeth Büchle ein sehr spannendes Bild rund um die Ausgrabungen im Tal der Könige. Man kann die aufgeregte Stimmung aller Beteiligten sehr gut spüren, als Howard Carter das Grab Tutanchamuns entdeckt. Auch Luxor und besonders das Hotel „Winter Palace“ werden von der Autorin hervorragend in Szene gesetzt.
Wirklich genießen können die zurückhaltende Sarah und die quirlige Alison ihren Aufenthalt nicht, denn es kommt zu einigen mysteriösen Unfällen und Anschlägen – hier tut sich eine sehr verzwickte Geschichte auf, denn jeder der Akteure scheint so seine Geheimnisse zu haben. Immer wenn es für Sarah brenzlig wird, ist einer ihrer Reisebekanntschaften zur Stelle. Doch meinen Andreas Sattler und Jacob Miller es ehrlich? Oder sind die beiden gefährlich?
Elisabeth Büchle versteht es äußerst geschickt, den Leser in ein raffiniertes Verwirrspiel zu ziehen. Man weiß irgendwann nicht mehr, wer mit seiner Geheimniskrämerei eigentlich Gutes im Sinn hat und wer Böses im Schilde führt.

Nach einem weiteren Zeitsprung ins Jahr 2011 lernt man Rahel Höfling kennen. Sie ist Praktikantin im Neuen Museum in Berlin und wird plötzlich mit dem Vorwurf konfrontiert, verbotenerweise im Besitz von Tutanchamun-Artefakten zu sein. Nicht nur der auf Rahel angesetzte Europol-Mitarbeiter Duke Taylor verfolgt die junge Frau, auch Unbekannte machen Rahel das Leben schwer. Da ist es gut, dass sie sich auf ihre Freunde Emma und Daniel Ritter sowie auf ihren früheren Klassenkameraden Falk Jäger verlassen kann.

Die Schauplätze des zweiten Teils sind vor allem Berlin und England. Die Handlung ist ähnlich dramatisch wie im ersten Teil, wird aber um einiges actionreicher. Gejagt von den Unbekannten begibt sich Rahel mit ihren Freunden auf eine aufregende Flucht. Auch hier schafft es Elisabeth Büchle, den Leser an der Nase herumzuführen, denn die Drahtzieher der Überfälle auf Rahel bleiben bis zum Schluss im Dunklen.

Elisabeth Büchle verleiht ihren Figuren schnell eine Persönlichkeit, die Akteure werden allesamt lebhaft und facettereich dargestellt, selbst kleinste Nebenfiguren wirken nicht oberflächlich, sondern bereichern die Szenerie außerordentlich. Besonders begeistert hat mich Falk Jäger. Wann immer er die Bühne betritt, sorgt er mit seiner guten Laune und vielen frechen Sprüchen für beste Unterhaltung.

„Skarabäus und Schmetterling“ ist ein großartiger Roman, der mit zahlreichen Überraschungen für spannende Lesestunden sorgt. Vor allen Dingen das Miträtseln und Spekulieren über die Identität der Übeltäter hat mir riesigen Spaß gemacht.

Bewertung vom 16.03.2015
Richmann, Marcus

Januskinder


ausgezeichnet

Zürich. Die neun Monate alte Jacqueline Schöllhorn wurde entführt, doch der Entführer meldet sich nicht, eine Lösegeldforderung bleibt aus. Wenige Tage später findet ein Obdachloser das kleine Mädchen tot auf einer Baustelle. Sie ist verdurstet. Kurz darauf wird im Hinterhof eines Restaurants zwischen Müllsäcken die Leiche eines zweiten Kleinkindes gefunden – Identität unbekannt. Hat derselbe Täter ein zweites Mal zugeschlagen? Eine fieberhafte Spurensuche beginnt - der Druck auf die Ermittler wächst, als ein weiteres Kind entführt wird…

„Januskinder“ ist bereits der 3. Fall für Maxim Charkow - für mich war dieser Einsatz in Zürich der erste, den ich mit dem russischstämmigen Chefermittler erleben durfte.
Auch ohne Kenntnis der ersten beiden Bände war ich schnell mit den Akteuren und ihren Eigenarten vertraut und hatte zu keiner Zeit das Gefühl, dass mir wichtige Informationen fehlen würden.

Maxim Charkow ist ein emotionaler Ermittler. Sehr aufbrausend, wenn es um die grausamen Taten geht, hat er auch eine melancholische Seite. Bei seinen Ermittlungen geht er äußerst sorgfältig und objektiv vor. Besonders beeindruckt hat mich der Mittvierziger mit seinem guten Gespür für seine Mitmenschen und seiner Fähigkeit, sich schnell auf eine gegebene Situation einzustellen.

Zunächst scheinbar gänzlich voneinander unabhängige Handlungsstränge wachsen nach und nach zusammen. Während Charkow und sein Team versuchen, den Tätern auf die Spur zu kommen und in verschiedenen Richtungen ermitteln, stellt Psychologin Gabriela Goldsachs - neben ihrer Arbeit für die Polizei - Nachforschungen zu einer Patientin an, zu der sie einfach keinen Zugang findet. Man spürt beim Lesen, dass sowohl die polizeilichen Ermittlungen wie auch Gabrielas Recherchen zusammenhängen müssen, aber man bekommt den verknüpfenden Faden einfach nicht zu packen – ein sehr verzwickter, äußerst spannender Fall!! Man kann durchweg sehr gut Miträtseln und Mitgrübeln und wird dann am Ende von den grausamen Hintergründen fast erschlagen.

Neben Prostitution, Menschenhandel und Kindesmissbrauch greift Marcus Richmann ein düsteres Kapitel der schweizerischen Sozialgeschichte auf – fürsorgerische Zwangsmaßnahmen. Ein Thema, das mir bisher nicht bekannt war und mich einfach sprachlos macht. Menschenrechtsverletzungen auf Behördenentscheid - und das bis in die späten Jahre des 20. Jahrhundert. Personen, deren Lebensweise nicht den gängigen Vorstellungen von Moral und Ordnung entsprach, wurden zu unfassbaren Maßnahmen verurteilt, von Zwangsabtreibungen über Fremdunterbringungen bis hin zur Einweisung in Heime, Heil- oder Strafanstalten und das für die Betroffenen ohne ein gerechtes Verfahren oder die Möglichkeit, sich zu den Vorwürfen zu äußern.

Die möglichen dramatischen Auswirkungen und Folgen solcher Maßnahmen hat Marcus Richmann mit einer fesselnden Krimihandlung verwoben. „Januskinder“ ist ein mitreißend erzählter Krimi, der mir ein paar sehr spannende Lesestunden beschert hat.

Bewertung vom 05.03.2015
Walz, Paul

Die Todesgeigerin


ausgezeichnet

Trier. Sieglinde Strabetz wacht mitten in der Nacht auf. Die alte, alleinlebende Frau hat das Gefühl, jemand wäre in ihrer Wohnung. Kurz darauf ist sie tot. Erst vier Monate später wird ihre mumifizierte Leiche gefunden…

„Die Todesgeigerin“ ist bereits Johannes Lichthaus’ 3. Fall - für mich war dieser Einsatz in Trier der erste, den ich mit dem sympathischen Kommissar und seinem Team erleben durfte. Auch ohne Kenntnis der vorhergehenden Bände habe ich die Akteure gut kennengelernt und hatte zu keiner Zeit das Gefühl, dass mir wichtige Informationen fehlen würden.

Paul Walz beginnt diesen Krimi mit einem ergreifenden Prolog. Bevor die alte Dame von ihrem Angreifer ermordet wird, erfährt der Leser ihre Gedanken. Sie erzählt von der Einsamkeit und dem Alleinsein, von der Anonymität in ihrem Wohnblock und man fragt sich als Leser gleich, wie vielen Menschen es wohl ähnlich geht wie Sieglinde Strabetz, wie viele zurückgezogen und ohne jeglichen Kontakt zu ihren Mitmenschen leben.
Sieglinde Strabetz hatte ein Schlupfloch gefunden: Das Internet. Ein Senioren-Chat, der ihr Ablenkung und eine Fluchtmöglichkeit aus der Isolation bietet - ein kleiner Lichtblick, der ihr zum Verhängnis werden sollte…

Das Raubmörder-Pärchen Tekki und Dave hat es sich zur Aufgabe gemacht, einsame, alte Menschen von ihrem „Leid“ zu befreien und aktive Sterbehilfe zu leisten. Natürlich ohne zu fragen, ob die alten Menschen diese Unterstützung überhaupt wollen. Das Vertrauen ihrer Opfer erschleicht das Duo sich in Senioren-Chatrooms, geschickt horchen sie die Teilnehmer aus, denn nur gut betuchte Rentner ohne Angehörige sind ihr Ziel.

Obwohl Paul Walz den Leser nicht lange im Dunklen tappen lässt und ruckzuck die Identität der Mörder präsentiert, bleibt die Spannung durchgehend auf einem hohen Level, denn die Ermittler drohen zu scheitern – nach einem missglückten Einsatz wollen sich partout keine neuen Hinweise auftun. Außerdem hinken Lichthaus und Co. der rasanten Entwicklung in der Cyberwelt hinterher und können in diesem Bereich mit den raffinierten Tätern einfach nicht mithalten.

Ein weiteres spannendes Thema ist neben der Internetkriminalität die forensische Linguistik. Es hat mich fasziniert, wie man durch die Analyse von Wortschatz, Satzbau, Grammatik, Rechtschreibung und Zeichensetzung einem Täter auf die Schliche kommen kann.

Zusätzlichen Schwung bekommt der Krimi durch das lebhafte Privatleben der Ermittler, besonders Lichthaus’ Familienleben ist mit einigen Hochs und Tiefs gespickt - das lockert die Krimihandlung auf und macht das gesamte Geschehen noch authentischer.

„Die Todesgeigerin“ ist ein fesselnder, angenehm zügig zu lesender Krimi, der nicht nur spannende Unterhaltung bietet, sondern den Leser durch die aktuellen Themen zum Nachdenken ermuntert.

Bewertung vom 25.02.2015
Hammers, Iris

Das Erbe der Madame Dupont


gut

Lyon. Helen Ruben ist mit ihrer Familie neu in der Stadt. Während ihr Mann Gregor vollauf damit beschäftigt ist, seine Position in der neuen Firma zu festigen und Sohn Max in der neuen Schule schnell Anschluss findet, gestaltet sich der Alltag für Helen zäh. Ihr liegt die Sprache nicht und es fällt ihr schwer, neue Bekanntschaften zu schließen. Das ändert sich, als Helen ihre Nachbarin Jeanne Dupont kennenlernt. Jeanne teilt Helens Leidenschaft fürs Kochen, ihre Neffen Paul und Maurice sind sogar Inhaber des angesagtesten Restaurants in der Stadt. Die Frauen freunden sich an und Helen lernt den charismatischen Maurice kennen, nicht ahnend, wie gefährlich der Mann für sie und ihre Familie werden soll…

Der Klappentext von „Das Erbe der Madame Dupont“ verspricht ein sinnlich-spannendes Leseerlebnis und hat mich eine geheimnisvolle Familiengeschichte rund um ein exklusives Gourmetrestaurant erwarten lassen.

Leider konnte mich die Geschichte nicht durchweg begeistern. Anfangs war ich noch gespannt darauf, wie Helen und ihre Familie sich in Lyon einleben werden und was Helen erwartet, als sie einen Kochkurs in dem Restaurant von Jeannes Neffen belegt – doch die Handlung bleibt recht oberflächlich, eine geheimnisvolle Spannung wollte nicht aufkommen. Ungefähr ab Mitte des Buches wurden einige Geschehnisse für mich nicht mehr nachvollziehbar. Besonders Jeanne, die ich als sehr sympathische und unkomplizierte Frau kennengelernt habe, wartet plötzlich mit einem unverständlichen Verhalten auf. Hinzu kommt, dass der Verlauf der Geschichte immer vorhersehbarer wird, so dass das Ende für mich keine wesentlichen Überraschungen mehr im Gepäck hatte.

Auch das Drumherum um die eigentliche Geschichte hat mir gefehlt. Gerne hätte ich mehr von Lyon „gesehen“ und noch lieber hätte ich dem Gourmetkoch Paul bei der Zubereitung der herrlich klingenden Speisen über die Schulter geschaut. Beide Themen kommen bedauerlicherweise viel zu kurz.

Mehrere Rückblenden in die Jahre 1968 bis 1983 haben es in sich – die Autorin erzählt von dem Schicksal zweier Jungen, die mit ansehen müssen, wie ihr gewalttätiger Vater ihre Mutter über Jahre schwer misshandelt und missbraucht. Diese Abschnitte sind mitreißend, weil man ständig darauf lauert, dass endlich jemand dem Vater das Handwerk legt.

„Das Erbe der Madame Dupont“ hat mich anfangs gut unterhalten, hat mir aber leider nicht das spannende Leseerlebnis beschert, dass ich erwartet hatte.

Bewertung vom 24.02.2015
Franke, Thomas

Der Geschichtensammler


ausgezeichnet

Berlin 1945. In der Stadt tobt die letzte große Schlacht des Zweiten Weltkriegs. Der Flakhelfer Rasmus Eichdorff ist auf dem Weg in den Humboldthain, um seine Freundin Emmi zu suchen, als er in einen Schusswechsel gerät. Unversehens wird der junge Mann in ein Kellerloch gezogen – der alternde Soldat Erwin rettet Rasmus mit dieser Aktion das Leben. Eine Zufallsbekanntschaft, die zu einer großartigen Freundschaft werden soll…

Doch zunächst gelten Rasmus’ Gedanken einzig Emmi – als er die junge Frau endlich findet, haben die Ereignisse der letzten Kriegstage die anfangs fröhliche, lebhafte Emmi gebrochen – sie will sich das Leben nehmen. In seiner Verzweiflung ringt Rasmus ihr das Versprechen ab, einhundert Tage lang über diese Entscheidung nachzudenken…

Kurz darauf gerät Rasmus in russische Kriegsgefangenschaft. Hier trifft er nicht nur Erwin wieder, sondern lernt auch den etwas einfältigen Hans kennen. Für die drei Männer beginnt eine schwere Zeit. Trost und Kraft, die schrecklichen Zuständen zu überstehen, finden sie in tiefgründigen Gesprächen und in Erwins allegorischer Geschichtensammlung, die besonders Rasmus nicht nur sein Gottvertrauen wiedergeben, sondern auch die Hoffnung auf eine glückliche Zukunft aufrechterhalten…

Thomas Franke wartet in „Der Geschichtensammler“ mit sehr intensiven Beschreibungen und Schilderungen auf. Schon die ersten Seiten – man geht mit Rasmus durch das zerstörte Berlin - bescheren mir eine Gänsehaut. Ruinen, verkohlte Häuserwände und Trümmerberge wohin man auch schaut. Man kann die Trostlosigkeit und die Hoffnungslosigkeit deutlich spüren.

Rasmus, Erwin und Hans erwartet im Verlauf der Handlung das, was viele Männer damals durchmachen mussten: Gefangennahme, Zwischenstopp im Lager Ketschendorf, dann in Waggons immer weiter gen Osten…
Thomas Franke erzählt vom Kriegsgeschehen und von den unmenschlichen Bedingungen in den Lagern. Doch in erster Linie geht es in diesem Buch nicht darum, die grausamen Zustände deutlich zu machen, sondern darum, wie die Männer es schaffen, trotz aller Widrigkeiten den Mut, die Hoffnung und den Glauben nicht zu verlieren.

In die eigentliche Handlung um Rasmus & Co. hat Thomas Franke nicht nur einige Rückblicke zu gemeinsamen Erlebnissen von Rasmus und Emmi eingeflochten, sondern hat hier auch einen Schatz versteckt: mehrere gleichnisartige Geschichten, die, vom Autor geschickt platziert, die eigentliche Handlung unterstreichen und veranschaulichen und den Leser ermuntern, über die Erzählungen nachzudenken, sie zu deuten und zu entschlüsseln.

„Der Geschichtensammler“ hat mich von der ersten bis zur letzten Seite gefesselt - die bildreichen Schilderungen der Handlung, die ausdrucksstarken Figuren und ganz besonders die eingefügten Kurzgeschichten haben mich durchweg begeistert.

Bewertung vom 09.02.2015
Dübell, Richard

Der Jahrhundertsturm / Jahrhundertsturm Trilogie Bd.1


ausgezeichnet

Berlin - Paris - München, 1840-1871. Alvin von Briest ist im Testament seines Vaters nicht bedacht worden. Ein Nachbar, der Junker Otto von Bismarck, rät ihm zu einer Militärlaufbahn. Alvin folgt dem Rat und trifft einige Zeit später in Berlin auf Paul Baermann. Pauls ganze Leidenschaft gilt der Entwicklung der Eisenbahn. Alvin und Paul bekommen von Stéphane Flachat das Angebot, bei dem Bau eines französisch-deutschen Eisenbahnnetzes zu helfen und gehen mit ihm nach Paris, wo die beiden jungen Männer auf die mittellose Louise Ferrand treffen und sich beide in sie verlieben. Währenddessen droht Pauls Schwester Lily ein Leben in Armut, denn Paul hat durch eine Unachtsamkeit nicht nur seine Eltern in den Ruin getrieben, sondern auch Lilys Mitgift verspielt. Lily hasst ihren Bruder und sinnt auf Rache…

In seinem historischen Roman „Der Jahrhundertsturm“ entführt Richard Dübell den Leser in das 19. Jahrhundert nach Berlin, Paris und München und erzählt die wechselvolle Geschichte einer ungewöhnlichen Dreiecksbeziehung.
Darüber hinaus wartet der Autor mit einer geballten Ladung Historie auf und hat seine Geschichte eng mit den historischen Begebenheiten zwischen Januar 1840 und Sommer 1871 verknüpft und ein umfassendes, vielschichtiges und vor allen Dingen sehr glaubwürdiges Bild der damaligen Zeit gezeichnet. Die ausführlichen Beschreibungen der Schauplätze und die detaillierten Schilderungen der Ereignisse haben mich durchweg begeistert. Man ist ruckzuck mittendrin in einer zwiegespaltenen Welt, die einerseits aus dem Wunsch besteht, Traditionen und alte Ordnung beizubehalten und andererseits nach Fortschritt und technischen Neuerungen strebt.

Nacheinander stellt Richard Dübell seine Hauptfiguren ausführlich vor und verleiht ihnen schnell eine Persönlichkeit, man kann sich von Anfang an sehr gut in die einzelnen Akteure hineinversetzen. Die Geschichte wird aus mehreren Perspektiven erzählt, so dass man keine der Hauptpersonen aus den Augen verliert, auch wenn sich deren Wege ab und an trennen.
Begeistert hat mich das perfekte Zusammenspiel zwischen fiktiven und historischen Personen. Auch wenn der Fokus auf Alvin, Paul, Louise und Lily liegt, nehmen zahlreiche andere Personen einen wichtigen Part ein. Einer von ihnen ist Otto von Bismarck. Obwohl Bismarck eher im Hintergrund dieser Geschichte agiert, kann man seinen Werdegang ausgezeichnet verfolgen.
Aber auch andere historische Persönlichkeiten sind wichtige Weggefährten der Hauptakteure, unter ihnen zum Beispiel, Henry Dunant, Alfred Nobel, Joseph Anton Maffei, August Borsig und Eugène Flachat.
Meine liebste Nebenfigur ist Sergeant „Broni“ Bronikowski. Er ist nicht nur immer zur Stelle, wenn seine tatkräftige Unterstützung gebraucht wird, er berlinert auch noch ganz wunderbar.

Richard Dübell hat einen angenehm zu lesenden Schreibstil. Der Autor erzählt sehr anschaulich und mit viel Schwung und es gelingt ihm hervorragend, dem Leser die jeweils vorherrschende Stimmung zu vermitteln. Sowohl die kleinen Kämpfe, wie zum Beispiel eine Kneipenschlägerei, bei der Alvin und Paul sich kennenlernen, wie auch die damaligen Revolutionen und Kriege in Europa werden spannend und ausdrucksvoll beschrieben.

Nicht nur das politische und militärische Geschehen des 19. Jahrhunderts, sondern auch technische Errungenschaften und Erfindungen, wie die Eisenbahn, die Telegraphie oder das Dynamit sind große Themen in diesem Roman, aber auch die gesellschaftlichen Gepflogenheiten spielen eine Rolle.
Es wird dramatisch und emotional - Stolz und Ehre, Liebe und Leidenschaft, Zorn und Hass, Machtgier, Intrigen und Rache – die Handlung ist durchweg lebhaft und wird zu keiner Zeit langweilig.

„Der Jahrhundertsturm“ ist eine großartige Zeitreise – ereignisreich, spannend, voller Abenteuer und Emotionen.

Bewertung vom 14.01.2015
Fischler, Joe

Veilchens Winter / Valerie Mauser Bd.1


ausgezeichnet

Innsbruck. Oberstleutnant Valerie „Veilchen“ Mausers erster Arbeitstag am LKA Tirol beginnt mit einem mächtigen Kater - ein Überbleibsel ihrer vorabendlichen Antrittsfeier - und hat im weiteren Verlauf einen verzwickten Entführungsfall im Gepäck.
Die 5-jährige Tochter des Oligarchen Boris Marinov wurde entführt und der Tiroler Landeshauptmann Hubertus Freudenschuss persönlich bittet Valerie nicht nur um ihre Hilfe bei der Suche nach Lizah, sondern auch um äußerste Diskretion bei den Ermittlungen…

Joe Fischler hat mich mit seinem Krimidebüt „Veilchens Winter“ von der ersten bis zur letzten Seite fest im Griff gehabt. Die Geschichte wird flüssig und spannend erzählt und besonders die Verknüpfung von Humor und Spannung ist dem Autor hervorragend gelungen. Die abwechslungsreiche Handlung ist mit einigen Actionszenen gespickt und es gibt reichlich Situationskomik und auch die ein oder andere Slapstick-Einlage.

Joe Fischler schickt ein interessantes Ermittlerteam ins Rennen. Veilchen Mauser war mir von Anfang an sympathisch. Besonders ihr energisches Auftreten ist klasse, sie lässt sich weder von den superreichen Marinovs beeindrucken, noch kuscht sie vor der Obrigkeit. Veilchen ist hart im Nehmen – was ist schon so eine kleine Gehirnerschütterung und ein allergischer Schock, davon lässt frau sich doch nicht ausbremsen – zeigt aber auch eine sensible Seite, wenn sie an ihre Tochter Rebecca denkt, die sie mit 18 bekommen und zur Adoption freigegeben hatte. Veilchen hat außerdem zwei imaginäre Schulterhocker, das „kleine Teufelchen“ und die „böse Souffleuse“, die mit ihren vorlauten Sprüchen immer wieder für gute Unterhaltung sorgen.

Unterstützt wird Valerie bei ihren Nachforschungen von Manfred Stolwerk, ihrem Exkollegen am LKA Wien. Stolwerk hat mich vor allen Dingen mit seiner exzellenten Menschenkenntnis fasziniert, er kann nicht nur fast Veilchens Gedanken lesen, er findet auch schnell einen Draht zu seinem jeweiligen Gegenüber.
Außerdem ist noch Sven Schmatz mit von der Partie, ein Mitarbeiter der EDV-Abteilung. Schmatz ist ein fröhlich-frecher Kollege, der mit seinem IT-Wissen glänzt, dafür aber Defizite in anderen Bereichen hat, mit denen er unfreiwillig für einige Schmunzler sorgt.

Mit vereinten Kräften gelingt es den Ermittlern letztendlich, den Fall zu lösen - ich konnte durchweg prima miträtseln und mitgrübeln, bin den Tätern aber bis zum Schluss nicht auf die Spur gekommen und wurde von deren Identität überrascht.

Ein rundum gelungenes Krimidebüt – humorvoll, spannend, unterhaltsam.

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.