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hasirasi2
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Dresden

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Insgesamt 1218 Bewertungen
Bewertung vom 16.11.2020
Schuster, Stephanie

Milena und die Briefe der Liebe / Außergewöhnliche Frauen zwischen Aufbruch und Liebe Bd.3


ausgezeichnet

Prag 1916: Milena ist 20, als sie den Literaturkritiker Ernst Pollak kennenlernt. Ihr Vater ist ein angesehener Kieferchirurg, an Geld und Ansehen mangelt es ihr nicht, aber an Liebe. Sie darf als eine der wenigen Frauen studieren, weiß aber noch nicht, was sie später machen will. Pollak scheint sich wirklich für sie zu interessieren, führt sie in den Prager Literaturzirkel ein, nimmt sie in die angesagten Caféhäuser mit – und lässt sich von ihr verführen. Doch er ist ein deutscher Jude und als solcher in den Augen ihres Vaters völlig untragbar – schon gar nicht als Ehemann! Doch „Er verkörperte für sie Freiheit und Selbstbestimmung, ein Leben jenseits der bürgerlichen Moral.“ (S. 25). Als Milena volljährig ist, heiraten sie und gehen zusammen nach Wien. Dort folgt die Ernüchterung, Pollak hat das mit der „Freiheit“ wörtlich gemeint. Er besteht auf getrennten Bereichen in der Wohnung, damit seine wechselnden Partnerinnen sie nicht stören. Auch für ihren Unterhalt muss sie selbst sorgen. Da erinnert sie sich an Franz Kafka, den Pollak ihr in Prag kurz vorgestellt hatte und dessen Werke sie sehr beeindruckt haben. Sie schreibt ihn an und schlägt vor, seine Texte ins Tschechische zu übersetzen, es entwickelt sich eine Brieffreundschaft. Milena fühlt sich endlich verstanden und fiebert seinen Briefen entgegen, verliebt sich in ihn und ihm scheint es genauso zu gehen – aber kann diese Liebe auch in der Wirklichkeit bestehen?

Ich hatte bis zu diesem Buch von Stephanie Schuster noch nie von Milena gehört, dabei war sie eine sehr interessante Persönlichkeit. Als sie Pollak kennenlernt, sieht sie sich als moderne und unabhängige junge Frau, lebt allerdings vom Geld ihres Vaters. Sie ist recht naiv, mit einer überbordenden Fantasie gesegnet, und steigert sich schnell in etwas hinein. Milena glaubt, hofft, Pollack eine ebenbürtige Partnerin zu sein, überwirft sich mit ihrem Vater und verzichtet auf ihre Mitgift. Da sie schon immer gern geschrieben hat denkt sie, dass sie davon leben kann. Doch in Wien ist sie auf sich allein gestellt, kommt mit der Sprache und Lebensart nicht klar, hat keine Freunde. Der erste Weltkrieg ist gerade vorbei, die Lage immer noch schlecht. Sie arbeitet als Kofferträgerin am Bahnhof und erteilt privaten Tschechisch-Unterricht. Nebenbei schreibt sie erste Artikel über das, was sie erlebt.
Ihr Briefwechsel mit Kafka wird schnell privat, ihre Flucht aus dem Alltag. Sie scheinen ähnlich zu empfinden, schreiben sich unermüdlich. Und wie schon bei Pollak, steigert sich Milena auch in diese „Beziehung“ bald hinein, denn Kafka macht Andeutungen, die man durchaus als Eheversprechen interpretieren könnte. Aber er zieht er sich auch immer wieder zurück. Sie ist die treibende Kraft, er die verzagte Künstlerseele, auf die Rücksicht genommen werden muss. Es wird ein ewiges Hin und Her, eine Liebe, die anscheinend nur in ihren Briefen Erfüllung findet. Doch Milena gibt nicht auf.

Milena hat im Laufe des Romans eine großartige Entwicklung durchmacht, von der jungen Naiven zur gefragten, eigenständigen Journalistin, einer Persönlichkeit, die den Ungerechtigkeiten der Welt auf den Grund geht und ihr einen Spiegel vorhält, sich von Männern nichts sagen lässt, schon gar nicht wie und mit wem sie lebt oder über was sie schreibt.

Stephanie Schuster schreibt über zwei starke, leidenschaftliche Persönlichkeiten, die unterschiedlicher kaum sein könnten, sich anziehen und abstoßen, aneinander reiben und daran wachsen. „Kafka hatte sie sehen gelehrt … Mithilfe seiner Geschichten, durch seine Augen hatte sie ihre Wahrnehmung geschärft.“ (S. 324) Sie erzählt von einer überschwänglichen Liebe, die man heute noch in Kafkas Briefen nachlesen kann – Milenas sind leider nicht erhalten. Dabei schildert sie Prag und Wien und die Künstlerszene der damaligen Zeit sehr lebendig und anschaulich, fesselt den Leser und zieht ihn in Milenas Welt. Ich habe bis zuletzt mitgefiebert, ob sie sich nun bekommen oder nicht.

Bewertung vom 12.11.2020
Kalisa, Karin

Bergsalz


ausgezeichnet

Gemeinsam statt einsam

In dem kleinen Dorf im Voralpenland kennen sich die Alten seit Jahrzehnten, aber sie sind nicht befreundet. Die Kinder sind längst aus dem Haus, viele Männer schon tot und die Witwen fristen ein einsames Dasein. Fast jeder Tag verläuft gleich, man besorgt Haus und Garten und kocht sich ein einsames Mittagessen. „Die Rezepte ihres grünen Ringbuches … fingen in kleinster Größe an mit: für zwei Personen. Für eine allein war dort nicht vorgesehen, gab´s nicht, auch wenn es gang und gäbe war, dass eine für sich allein kochte oder eine allen für sich kochte, wie man es nahm – in beiden Fällen sachlich richtig und grundfalsch zugleich.“ (S. 18)
Diese Routine wird durchbrochen, als Johanna ausgerechnet zur Mittagszeit bei Franzi klopft – angeblich, um sich Mehl zu borgen, in Wirklichkeit aber, weil sie die Einsamkeit nicht mehr aushält. „Wennst einsam bist, hast immer noch dich selbst, aber von allen verlassen darfst nicht sein. Dann bist verraten und verkauft.“ (S. 159) Eine weitere Nachbarin kommt dazu, im Laufe der Zeit werden es immer mehr, man bekocht sich abwechselnd. Dann werden die Küchen allmählich zu klein. Könnten sie ihre gemeinsamen Mittagessen und das Kochen nicht vielleicht in die seit 20 Jahren stillgelegte Küche des Wirtshauses verlegen? Das „Rössl“ ist zwar eine Flüchtlingsunterkunft, aber für die Bewohner würde man eben einfach mitkochen …

Karin Kalisa erzählt in ihrem neuen Buch von einer geschlossenen, lange gewachsenen Gemeinschaft, die doch keine ist. Die Einwohner werden immer älter, die jüngeren sind fast alle weggezogen. Jeder kocht – im wahrsten Sinne des Wortes – sein eigenes Süppchen. Als ausgerechnet die Witwen entdecken, dass sie ihre Freiheit und Eigenheiten ja gar nicht aufgeben müssen, nur um mit und für andere zusammen zu Kochen und zu Essen. Die einsamen Küchentische werden wieder zum Mittelpunkt des Lebens und der Gemeinschaft. Und bald fangen sie an, über den Tellerrand zu sehen. Ihre selbstgesteckten Grenzen zu überwinden. Von „füreineallein zu mitanderenzusammen“ (S. 43) Die Wiederbelebung der Gasthausküche ist nur der Anfang. Es folgen weiter Pläne und deren Umsetzung, das Dorf wird wieder fit und für seine Bewohner und Gäste attraktiv gemachen.

Ich habe das Buch als Überraschungspost vom Verlag zugeschickt bekommen, doch schon bei den Worten „Küche“ und „Salz“ hatte es mich, da ich selbst eine leidenschaftliche Köchin und Bäckerin bin und gern Familie und Freunde bewirte.

Karin Kalisa schreibt sehr poetisch vom ursprünglichen Leben im Augenblick und Einklang mit dem Wind, der Natur und den Jahreszeiten. Ich konnte mich zum Teil in dem Buch richtiggehend verlieren. Sie sinniert darüber, wieviel Platz und was ein Mensch wirklich zum Leben braucht, regt den Leser damit zum Nachdenken an.
Allerdings gab es an den Kapitelenden eigenartige kursive Einschübe, die völlig losgelöst von der Handlung scheinen und deren Bedeutung sich erst am Ende des Buches aufklärt. Auch die Traumsequenz (?) von Franzi kann ich nicht deuten oder einordnen, darum leider nur 4 von 5 Sternen.

Bewertung vom 10.11.2020
Dymek, Marta

Zufällig vegan - International


sehr gut

Tolle Gerichte für jeden Tag mit internationalem Flair

Marta Dymek ist eine polnische Köchin und Foodbloggerin und hat in ihrer Heimat sogar eine Fernsehsendung, trotzdem hatte ich bisher noch nicht von ihr gehört. In ihrem neuen Kochbuch „Zufällig vegan – international“ stellt sie 100 international geprägte Rezepte vor. Dabei nutzt sie regionale Gemüse, denen sie mit (internationalen) Gewürzen oder Soßen ihren landestypischen Geschmack verleiht.

Die Gerichte sind in „Frühstück“, „Kleiner Hunger“, „Suppen“, „Großer Hunger“, „Nachtisch“, Getränke“ und „Grundrezepte unterteilt und fast alle sind bebildert.

Wir haben inzwischen einige Rezepte probiert und mir ist positiv aufgefallen, dass sie oft einen besonderen Pfiff haben. Zum Beispiel werden die Süßkartoffeln für die Süßkartoffel-Cremesuppe nicht gekocht, sondern im Ofen gebacken. Und on top kommt noch eine Romescosoße, deren Zutaten ebenfalls im Ofen geröstet und danach zu einer Art cremigen Pesto gemixt werden (die auch super aufs Brot schmeckt). Der Kürbiskuchen hat als besonderen Clou Earl-Grey-Tee, Cranberries und geröstete Sonnenblumenkerne im Teig statt der üblichen Pumpkin-Spice-Würzmischung. Und auch in der Tomatensuppe wird Tee verarbeitet – Rauchtee. Durch ihn und geräuchertes Paprikapulver bekommt die Suppe ein tolles, ausgefallenes Aroma.

Allerdings gab es auch kleinere Abstriche. Ich finde die Mengenangaben der Rezepte in Tassen oder Dosen sehr gewöhnungsbedürftig, wobei 1 Tasse 250 ml und eine Dose 400 ml entspricht. Da hätte man die Mengen m.E. auch gleich umrechnen können.
Auch die Angabe, wie viel Portionen das Rezept ergibt, ist mir oft zu ungenau (z.B. 2-4). Zudem variieren die fertigen Portionen von „für 1-2“ bis „für 6-8“. Ich finde es besser, wenn die Rezepte nach Möglichkeit immer für die gleiche Personenanzahl sind und man nach dem Essen nicht noch 1-2 Portionen übrig oder hat oder vorher umständlich umrechnen muss. Auch Zeit- oder Nährwertangaben fehlen leider.

Davon abgesehen haben uns die ausprobierten Gerichte aber sehr gut geschmeckt, sie sind abwechslungsreich und nahrhaft.

Bewertung vom 09.11.2020
Rauschenberger, Tobias

Bestes Brot genießen - 80 Lieblingsrezepte für Brote, Brötchen und Gebäck, darunter viele regionale Spezialitäten, süß und herzhaft. Aus Sauerteig und Hefeteig. Einfacher geht`s nicht!


ausgezeichnet

Der Mensch lebt nicht vom Brot allein

… scheint das Motto von „Bestes Brot genießen“ zu sein. Ich habe inzwischen schon einige Brotbackbücher ausprobiert und auch diese hier konnte mich überzeugen. Mit gefällt besonders, dass neben herzhaften Rezepten auch welche für süße Brote und Gebäckstücke, Brötchen, Brotaufstriche und -beläge sowie Außergewöhnliches wie z.B. Knäckebrot, Pesto-Cantuccini, Brotsuppe oder eine Tomaten-Brot-Pie (beides super zum Resteverwerten) drin sind. Sozusagen alles rund um den Brotgenuss. Zudem enthält es Rezept sowohl mit Sauerteig als auch mit Hefe und ist dadurch auch für Anfänger gut geeignet – die können mit leichteren Rezepturen anfangen und sich langsam steigern. Dazu trägt auch das Kapitel über Grundlagen des Brotbackens bei, in dem die Küchenausstattung, Zutaten und die verschiedenen Teigarten und ihre Zubereitung und Verarbeitung erklärt werden.

Wir haben inzwischen schon einige Rezepte ausprobiert und das Schwarzwälder Bauernbrot und die Nussschnecken wird es definitiv öfter geben, aber auch das Roggenbrot ist toll und der allerbeste Rosinenstuten hat vor allem mir sehr geschmeckt (meinem Mann sind leider zu viele Rosinen *grummel*).
Als nächstes werde ich einen Weizensauerteig ansetzen, den habe ich bisher noch nicht ausprobiert, aber das San Francisco Sourdough Bread und das Französische Landbrot basieren darauf und sie klingen so lecker.

Mein Fazit: Ein tolles Buch für Anfänger und Fortgeschrittene mit neuen und besonderen Rezepten für Brote, Brötchen, Brotbeläge und Außergewöhnliches.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 05.11.2020
Beer, Alex

Unter Wölfen - Der verborgene Feind / Isaak Rubinstein Bd.2


ausgezeichnet

Was würde Sherlock Holmes tun?

… fragt sich Issak Rubinstein, der immer noch als SS-Sonderermittlers Adolf Weissmann in Nürnberg weilt, wenn er bei seinen Ermittlungen nicht weiterweiß. Er will über Ursula von Rahn an Unterlagen ihres Vaters kommen, der eine Fabrik für U-Boot- und Panzermotoren hat. Als er dabei zufällig von geheimen Angriffsplänen hört, will er auch diese beschaffen und verschiebt seine Abreise. „Noch viereinhalb Tage und er steckte bis zum Hals in Schwierigkeiten.“ (S. 103)
Dann wird auch noch die Tochter eines hochrangingen Nazis erwürgt und Isaak muss den Fall übernehmen.

Für ihn beginnt ein Drahtseilakt. Er muss sich Ursula vom Hals halten, die sich bei seinem ersten Fall in ihn verguckt hat und ihn unbedingt heiraten will, ihn deswegen immer mehr unter Druck setzt. Isaak hat Mitleid mit ihr, aber er braucht sie wegen ihrer Verbindungen.
Sein härtester Gegenspieler ist der Journalist Felix Bachmayer, der Ursula unbedingt heiraten will und alles daransetzt, seinen angeblichen Mitbewerber zu diskreditieren. Bei seinen Nachforschungen kommt er Isaaks Geheimnis immer näher: „Um ehrlich zu sein, glaube ich nicht, dass sie nur wegen Ursula hier in Nürnberg geblieben sind.“ (S. 133) Felix ist Antisemit und will Karriere machen, befolgt die Anweisungen des Reichspropagandaministeriums ganz genau – jeder seiner Hetzartikel ist ein Schlag in Isaaks Gesicht. Doch der lässt sich nicht provozieren …
Auch der für den Mord zuständige Kriminalpolizist Paul Köhler ist sauer, weil ihm Isaak einfach vor die Nase gesetzt wurde. Köhler versteckt seine Intelligenz hinter seinem nachlässigen Äußeren und seiner ruppigen Art. „Um sich Feinde zu machen, braucht man keine Wochen. Dafür reichen oft ein paar Augenblicke.“ (S. 83) Er will unbedingt beweisen, dass er den Mörder selber fangen kann, ihm fallen Ungereimtheiten bei Isaaks Ermittlungsmethoden auf …

Alex Beer spielt mit den Erwartungen ihres Ermittlers und des Lesers. Man kann sich bei einigen Protagonisten nicht sicher sein, auf welcher Seite sie stehen und ob sie Isaak im Zweifelsfall helfen oder verraten würden. Dazu kommen die kurzen Zwischenkapitel des Mörders – wer ist er und was treibt ihn an?
Mir gefällt, wie die damaligen politischen Verhältnisse und Lebensumstände in die Handlung eingebunden sind. Besonders erschreckend (weil so realistisch) fand ich den beschriebenen Kult um Hitlers Geburtstag, den Isaak / Weissmann als treuer Anhänger natürlich entsprechend zelebrieren muss. Außerdem habe ich bis jetzt nicht gewusst, dass die BDM-Mädchen, zu denen die Tote gehörte, als kostenlose Arbeitskräfte ausgebeutet wurden.

Auch der zweite Band dieser Reihe ist wieder extrem spannend. Man spürt Isaaks Anspannung in jeder Minute, sein Gehetzsein, die Zeitnot und Angst. Es fällt ihm immer schwerer, seine Rolle als Weissmann zu spielen „Wenn er nicht bald von hier fortkam, würde nichts mehr von ihm übrigbleiben.“ (S. 274) Isaak gerät von einer scheinbar ausweglosen Situation in die nächste und seine Tarnung droht mehrfach aufzufliegen – muss der ehemalige Antiquar zum Mörder werden, um sich und seine Mission zu retten?

Bewertung vom 02.11.2020
Oelker, Petra

Im schwarzen Wasser / Rosina Bd.11


ausgezeichnet

Mord in der Gerberei

Eines Morgens findet Jakob, der Sohn und Lehrling des Gerbers Neulander, in einer der Gärgruben einen Toten. Die Neulanders behaupten, diesen nicht zu kennen, aber Weddemeister Wagner und Weddeknecht Grabbe trauen ihnen nicht, sie verhalten sich zu merkwürdig. Bald finden sie heraus, dass der Tote ein Erfinder war, der erst vor kurzem in Hamburg angekommen ist und in Gast- und Caféhäusern fleißig um Unterstützung warb. Auch die Stadtleichenfrau Gardewinsch und deren erwachsene Kinder geraten bald ins Visier der Ermittlungen, da sie den Fremden mehrfach getroffen haben sollen. Überhaupt schien dieser sehr umtriebig gewesen zu sein. Wen hatte er sich in seiner kurzen Zeit in Hamburg schon zum Feind gemacht?

Obwohl seit der Veröffentlichung des letzten Bandes – „Die Nacht des Schierlings“ – 10 Jahre vergangen sind, schafft es Petra Oelker, den Leser wieder sofort in Rosinas Welt zu ziehen. Diese ist inzwischen verheiratet und trauert ihrer Zeit als Schaustellerin hinterher. Noch sind „ihre“ Beckerschen Komödianten in der Stadt, aber sie machen sich schon bald wieder auf dem Weg quer durchs Land zu ihren Engagements. Rosinas Mann Magnus hat zwar versprochen, sie nicht aufzuhalten, wenn sie das Fernweh und Reisefieber packt, aber natürlich ist es ihm lieber, wenn er sie sicher in Hamburg weiß. Da kommt ihm der Tod des Fremden wie gerufen. Wagner, der in dem Fall nicht weiterkommt, bittet Rosina, sich unauffällig umzuhören. Und als sie sich in den Fall verbeißt, hat sie keine Zeit mehr, über ihr altes Leben nachzugrübeln. Doch leider gerät sie wieder einmal selbst in Gefahr …

In „Im schwarzen Wasser“ ist drin, was draufsteht – ein Kriminal-Roman. Es geht nicht Schlag auf Schlag, sondern entwickelt sich langsam, ist dabei aber trotzdem immer spannend und unterhaltsam. Ein tolles Verwirrspiel mit einigen Unbekannten und Wendungen, das bis zum Ende zum Miträtseln einlädt. Neben Rosina trifft man auch ihre alten Freunde Anne und Claes Herrmanns und dessen Tante Auguste wieder, und natürlich die Komödianten um Jean Becker und seine Frau Helena.

Ich habe mich sehr gefreut, wieder in Rosinas Zeit und Milieu einzutauchen, habe die Reise ins alte Hamburg mit seinen Fleeten und Kontorhäusern und das Wiederlesen mit alten Bekannten genossen. Und jetzt hoffe ich, dass ich auf den nächsten Band nicht wieder so lange warten muss ;-).

Bewertung vom 29.10.2020
Rosenfellner, Monika

Brot von daheim


ausgezeichnet

Rezepte direkt von der Müllerin

Wer mich kennt weiß, dass ich schon seit Jahren unser Brot selber backe und immer auf der Suche nach neuen Rezepten bin. Das Besondere an „Brot von daheim“ ist, dass die Autorin Monika Rosenfellner Müllerin ist und das Mehl für ihre Brote selber mahlt. „Ihre“ Mühle gibt es schon seit 1350 und ist seit 3 Generationen im Besitz der Familie – da werden Traditionen natürlich großgeschrieben. Mit viel Liebe und Achtung erzählt sie von ihrem Beruf, der Mühle, den Ausgangsstoffen und Endprodukten. Das hat mir imponiert.
Neben einer Vorstellung der verschiedenen (Pseudo-)Getreide gibt es Erklärungen zum Mahlvorgang und der Lagerung der verschiedenen Mehle, sowie deren Verwendung. Dabei wird auf die verschiedenen Mehltypen hingewiesen und, da es ein österreichisches Buch ist, ihre Bezeichnungen in Deutschland und der Schweiz.

Besonders gefreut hatte ich mich, dass in dem Backbuch 7 verschiedene Sauerteigrezepte vorgestellt werden, denn ich habe bisher immer mit Roggensauerteig gebacken. Leider gab es dann aber nicht zu jeder Sauerteigsorte auch ein Brotrezepte, stattdessen wird oft mit Hefe oder Trockensauerteig gebacken. Nach Aussage der Autorin zielt das Buch auf spontanes Backen ohne viel Vorbereitungszeit ab und mit frischem Sauerteig ist das nicht ganz so einfach wie mit trockenem oder Hefe. Dafür gibt es einen Tipp zum Umrechen, wieviel Gramm frischer Sauerteig dem trockenem entsprechen.

Im Buch finden sich 50 Rezepte unterschiedlicher Schwierigkeitsgrade, leicht nachvollziehbar beschrieben und erklärt, oft mit hilfreichen Tipps der Müllerin versehen. Ich habe inzwischen einige nachgebacken, zum Teil sogar schon mehrfach, weil die Ergebnisse so lecker sind. Am besten haben uns das „beste Sauerteigbrot“, das „Topfenbrot“ (toller Geschmack und perfekte Kruste), das „Mühlviertler Kartoffelbrot“ (ein sehr fluffiges, extrem leckeres Brot), das „knusprige Krustenbrot“ (das seinem Namen alle Ehre macht), das „klassische Bauernbrot“, das würzige „Zwiebelbrot mit Kardamom“ und das Wanderbrot geschmeckt. Letzteres wird streifenweise gebacken, damit man es nicht schneiden muss, sondern ganz bequem Stücke abbrechen kann (Ich habe mich für die süße Variante entschieden und es mit geriebenen Nüssen und Äpfeln gefüllt.).

Die ausprobierten Rezepte haben fast immer funktioniert, aber Hefe und Sauerteig sind lebende Kulturen und haben auch mal einen schlechten Tag und dann dauert es halt etwas länger als angegeben, bis der Teig richtig aufgegangen ist, das sollten sich ungeübte Bäcker immer vor Augen halten. Ein gutes Brot braucht neben guten Zutaten vor allem Zeit (und ein Quäntchen Liebe).

Mich hat „Brot von daheim“ überzeugt und da viele Rezepte mit Hefe bzw. Trockensauerteig gebacken werden, ist das Buch auch für Anfänger geeignet. Fortgeschrittene Bäcker können sich die Rezepte entsprechend abwandeln.

Bewertung vom 28.10.2020
Orriols, Marta

Der Moment zwischen den Zeiten


ausgezeichnet

Was wiegt schwerer – Trauer oder Wut?

„Der Tod schafft aus der Welt, was eigentlich nicht wiedergutzumachen ist, und rückt alles ins beste Licht, unwiderruflich. Aus Mauro hat er einen Unschuldigen, fast schon einen Heiligen gemacht.“ (S. 38)
Paula kommt nicht über Mauros Tod hinweg. Sie kann nicht mehr essen oder schlafen, ihre Gedanken kreisen außerhalb ihrer Arbeit nur um das letzte gemeinsame Mittagessen wenige Stunden vor seinem tödlichen Unfall – da hat er sie nämlich nach über 10 Jahren für eine Jüngere verlassen. Nur zwei Leute wissen davon, ihre beste Freundin und sein bester Freund und Geschäftspartner. Und weil sich Paula deswegen schämt, traut sie sich nicht, es ihrem Vater oder Mauros Familie zu erzählen. Sie glaubt, nicht (gut) genug gewesen zu sein und droht langsam an den ungesagten Worten zu ersticken. Zur Ablenkung und um Mauro nachträglich zu bestrafen, stürzt sich in eine Affäre und One-Night-Stands, die sie zwar nicht bereut, aber auch nicht genießen kann. „Halt dich von mir fern, wir tun uns nur weh.“ (S. 33)

„Der Moment zwischen den Zeiten“ ist ein extrem emotionales Buch, eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Paula schwankt zwischen Wut, Scham und Trauer, ist sich nicht sicher, ob sie als Verlassene überhaupt trauern darf oder sich lieber freuen sollte, dass „die Neue“ ihn jetzt nicht bekommt. Aber sie liebt ihn auch noch, wird immer wieder von Erinnerungen an ihn überflutet – guten und schlechten. Und irgendwie hofft sie auch – dass alles nur ein Irrtum war, Gott ein Einsehen hat und ihr Mauro zurückschickt, dass das alles nie passiert ist. Dann quält sie sich wieder, indem sie seine Chats mit „ihr“ liest. Sie kann einfach noch nicht loslassen, ist noch nicht für einen Neuanfang bereit. „Alles steht still … Vielleicht, weil ich es nicht über mich bringe, ein neues Kapitel aufzuschlagen.“ (S. 182)

Die Autorin Marta Orriols lässt Paula die Geschichte aus ihrer Sicht erzählen, dadurch erlebt man ihre Gedanken und Gefühle ungefiltert. Ich habe sehr mit ihr mitgefühlt, ihre unendliche Trauer und Wut, den nie verarbeiteten sehr frühen Verlust ihrer Mutter, der durch Mauros Tod wieder hochkommt. Paulas Gedanken drehen sich oft im Kreis, aber trotzdem macht sie langsam kleine Fortschritte.

Ich mag den direkten und gleichzeitig poetischen Schreibstil von Maria Orriols sehr. „Wir sind erwachsen, ungebunden, frei wie der Wind. Vielleicht sind wir aber auch Gefangene genau dieser Freiheit.“ (S. 158)
Außerdem muss ich von der Ausstattung des Buches schwärmen. Die Tulpen des Schutzumschlages finden sich auch außen und innen auf dem Bucheinband wieder und mache es zu etwas Besonderem.

Bewertung vom 24.10.2020
Stolzenburg, Silvia

Tribut der Schande


ausgezeichnet

Lebendige Geschichte

Stuttgart 1514: Franziska Hochperger lebt nach der Hinrichtung ihres Vaters und ihres Verlobten verkleidet als junger Mann bei ihrem Kinderfreund Jakob. Sie sinnt auf Rache für den Tod ihrer Lieben, glaubt zu wissen, dass Herzog Ulrich von Württemberg dahintersteckt. Darum schließt sie sich dem „Armen Konrad“ an, einem Bündnis von Städtern und Bauern, die Ulrich dazu zwingen wollen, die gerade neu eingeführten Steuern und Gewichte wieder abzuschaffen. Franzi aber will noch mehr – Ulrichs Tod! Mit diesem Wunsch ist sie nicht allein, auch Herzogin Sabina, Ulrichs Frau, würde ihn lieber heute als morgen loswerden und unterstützt den „Armen Konrad“ darum im Geheimen.

„Tribut der Schande“ ist der zweite Band der Trilogie um Franziska und die Bauernaufstände. Sie wird von ihrer Kanzlei (der Begriff ist am besten mit einer Art Ortsgruppe der Aufständischen zu vergleichen) ausgewählt, Nachrichten an Gleichgesinnte auszutragen und neue Verbündete zu gewinnen. Jakob, der heimlich in sie verliebt ist, begleitet sie stets dabei. Bereits bei ihrem ersten Auftrag lernen sie den Gaißpeter kennen, einen gewitzten Bauern, der die neu eingeführten Gewichte des Herzogs einem Gottesurteil unterzieht und damit die ersten Kämpfe anzettelt. Franzi ist sofort klar, dass er damit den Zorn des Herzogs auf sie alle zieht: „Ich dachte, wir reiten hier her, um Verbündete zu suchen, und plötzlich stecken wir mitten in etwas, was wir erst noch planen wollten.“ (S. 60). Jakob und sie entgehen der Verhaftung nur knapp …

Auch in diesem Buch verbindet Silvia Stolzenburg wieder Geschichte und Geschichten perfekt. Zum einen erfährt man, wie es mit Franziska weitergeht, sie sich immer mehr emanzipiert und sich nicht mehr nur in ihren Hass verrennt. Sie erschien mir zum Teil sogar vernünftiger als Jakob, der sich in die Kämpfe gegen Ulrich verbeißt. Zwischen ihr und Jakob knistert es, aber sie ist der Meinung, dass sie wegen dem, was ihr im ersten Band passiert ist, kein Glück mehr verdient. Mir hat ihr Mut und ihre Durchsetzungskraft imponiert, da sie trotz ihrer Angst nicht aufgibt.
Aber ich habe Franzi diesmal zum Teil nur als Rahmenhandlung für die Aufstände rund um den „Armen Konrad“ und Ulrichs politische Ränkespiele empfunden. Silvia Stolzenburg beschreibt diese sehr detailliert und bringt dem Leser damit ein historisches Ereignis nahe, von dem ich bisher noch nichts gehört hatte. Sie macht Geschichte wieder lebendig, interessant und spannend!
Ich bin schon sehr gespannt, wie es im nächsten Band „Tribut der Rache“ weitergeht, da die Handlung mit einem Cliffhanger endet.

Bewertung vom 21.10.2020
Oetker, Alexander

Baskische Tragödie / Luc Verlain Bd.4


ausgezeichnet

Marée blanche – die weiße Flut

Ein kleiner Junge findet am Strand ein Päckchen mit reinem Kokain, probiert und fällt ins Koma. Commissaire Luc Verlaine und sein Team ermitteln, aber ohne Erfolg. Nach und nach werden 95 der Päckchen an Land gespült – die weiße Flut ist da und sie werden ihrer nicht Herr. Dann bekommt Luc auch noch Post, der Unbekannte schreibt ihm wieder, die 4. Nachricht in 4 Jahren, sie ist sehr persönlich. Luc wird aus der Bahn geworfen und verschwindet für ein paar Tage. Als er wieder auftaucht, wird er von einer Polizeistreife angehalten und wegen Körperverletzung, Entführung und Drogenhandel festgenommen. Er beteuert seine Unschuld, aber niemand glaubt ihm. „Ich habe absolute nichts damit zu tun, das wissen Sie doch, Commissaire, ich stehe auf der richtigen Seite …“ (S. 46) Luc kann fliehen, eine atemlose Jagd beginnt. Die Polizei jagt Luc und Luc jagt den Briefeschreiber, der ihn erpresst, aber hat er überhaupt eine Chance? Das Leben Unschuldiger steht auf dem Spiel …

Luc Verlains neuester Fall führt ihn 14 Jahre zurück, in seine Zeit nach Paris. Damals gab es einen Mord, dessen Mörder er nie überführen konnte, aber er hatte ihn auf eine andere Art kaltgestellt. Jetzt rächt sich der Täter – denn Rache wird bekanntlich kalt serviert.
Dabei hatte endlich Luc das Gefühl, angekommen zu sein. Seine Freundin Anouk erwartet ihr gemeinsames Baby, sie sind glücklich, planen ihre Zukunft. Doch statt sich auf das Kind zu freuen, hat Luc plötzlich Angst um alle, die ihm nahestehen. Sein Gegenspieler zwingt ihn Dinge zu tun, die er nie für möglich gehalten hätte und für die er sich schämt. Zum ersten Mal versteht er die Täter, warum sie zu Mördern werden, könnte glatt selbst einer werden…

Alexander Oetkers „Baskische Tragödie“ erinnert stellenweise an George Orwells „1984“. Lucs Gegner ist ihm immer einen Schritt voraus, scheint immer genau zu wissen, wo er ist, was er denkt oder plant: „… ich bin gewitzter, klüger, gerissener und ja, sicher auch brutaler als Sie. Deswegen werde ich gewinnen.“ (S. 223) Außerdem hat er ihn in der Hand, erpresst ihn mit dem Leben Unschuldiger. „An eines haben Sie nicht gedacht. An die Brillanz meiner Rache.“ (S. 211)
Für mich ist es der bisher beste Krimi dieser Reihe, mit einem extrem hohen Tempo und sehr vielen, sehr überraschenden Wendungen – Chapeau! Ich konnte das Buch kaum aus der Hand legen und habe wiedermal bis Mitternacht gelesen, weil es so fesselnd war. Zudem macht er den Lesern das Baskenland schmackhaft – im doppelten Wortsinn. Ich bin schon sehr gespannt auf Lucs nächsten Fall.