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Glüxklaus
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Franken

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Insgesamt 632 Bewertungen
Bewertung vom 27.03.2020
Wyer, Carol

Glückstausch


sehr gut

Würdest Du dein Leben gegen ein anderes eintauschen?

Polly wird vom Pech verfolgt: sie ist kaufsüchtig, hat Schulden, ihr Freund ist weg und dann wird die Sporttherapeutin auch noch auf Schmerzensgeld verklagt.
Simon geht es kaum besser: in der Ehe mit seiner Frau läuft es nicht, er hasst seine Schwiegermutter, mit den Kindern kann er nichts mehr anfangen und dann verliert er auch noch seinen Job als Autoverkäufer. Doch Hilfe naht in Gestalt der höllischen Firma Lucifer Inc.. Den beiden Unglücksraben wird angeboten, ihr komplettes Leben mit einer anderen zufriedeneren und begünstigteren Person zu tauschen. Nach anfänglichen Zögern willigen die beiden schließlich in den „Glückstausch“ ein....

Carole Wyer schreibt erfrischend, unterhaltsam und sehr flüssig. Es war kein Problem, in die Geschichte hineinzufinden. Unkompliziert und angenehm zu lesen!

Auch wenn die Figuren Polly und Simon etwas überspitzt dargestellt werden, finde ich beide Charaktere verständlich, nachvollziehbar und sympathisch, irgendwie liebenswert. Es tat mir sehr leid, dass sie so viel Pech und so große Schwierigkeiten haben, glücklich zu werden. Viele ihrer Probleme sind hausgemacht, vor allem in Pollys Fall, die einfach nicht richtig mit Geld umgehen kann. Aber für die Ereignisse, die der ganzen Misere noch die Krone aufsetzen, dass Polly verklagt wird und dass Simons seinen Job verliert, können die beiden selbst nun wirklich nichts. Beide haben trotz allen Unglücks aber besonders treue Freunde, auf die sie immer zählen können. Pollys Freundin Kaitlin unterstützt Polly, wo sie kann, auch wenn sie nun auf Gran Canaria lebt und Eric, Simons ehemaliger Kollege, hat immer Zeit und ein offenes Ohr für Simon.

Würdest Du dein Leben gegen ein anderes eintauschen, wenn du plötzlich die Möglichkeit dazu erhältst ? Das ist eine Frage, die wir uns sicherlich alle schon einmal gestellt haben. Autorin Caroline Wyer macht aus diesem Thema gleich einen ganzen Roman, mit etwas überzeichneten Figuren, teils skurrilen Geschehnissen, aber vor allem einer witzigen und mitreißenden Handlung. Zu keiner Zeit langweilig. Die ganze Geschichte über wollte ich wissen, wie es weitergeht und wurde dabei richtiggehend durch die Seiten „getragen“.

Trotz allen Witzes und einer ziemlich überraschenden Auflösung, hatte die lustige Geschichte auch eine schöne ernste Botschaft: Es ist nicht alles Gold, was glänzt und nicht alles Schrott, was im Moment nicht glänzt. Ein netter, unterhaltsamer, witziger und positiver Roman, der für gute Laune sorgt und Spaß macht.

Bewertung vom 26.03.2020
Mas, Victoria

Die Tanzenden (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Großartig

Paris 1885: Krankenschwester Geneviève arbeitet in der Pariser Psychiatrie Salpêtrière, wo sie sich um die Patientinnen, Hysterikerinnen- Frauen mit Nervenleiden, kümmert. Der Leiter der Klinik Professor Charcot zählt als Koryphäe auf seinem Gebiet, der weltberühmt Wissenschaftler möchte durch seine Forschung die Medizin voranbringen. Seine Vorlesungen im Theater des Krankenhauses mit Hypnosedemonstrationen an echten Patientinnen gelten als Sensation. Dabei werden bei den Kranken vor Publikum echte Anfälle provoziert. Auch Geneviève, die immer noch unter dem Tod ihrer Schwester leidet, bewundert Charcot für seine Arbeit.
Als die junge Eugenie, die behauptet, mit Toten sprechen zu können, in die Nervenheilanstalt eingewiesen wird, ändert sich für Geneviève einiges. Auch der von vielen herbeigesehnte, jährliche öffentliche Ball, an dem die Insassinnen wie ganz normale Frauen tanzen und sich amüsieren dürfen und dabei von Zuschauern beobachtet und bestaunt werden können, soll diesmal eine ungeahnte Wendung nehmen......

Victoria Mas führt mit einer besonders klaren Sprache durch den Roman. Der Roman liest sich so leicht und flüssig, fast bescheiden, dass gar nicht auffällt, wie außergewöhnlich und tiefgründig Mas Debüt eigentlich ist. Die junge Autorin braucht keine komplizierten, künstlichen Stilmittel, um beachtet zu werden, sie schreibt einfach drauflos und das ziemlich beeindruckend.

Die Handlung um die bedauernswerten entmündigten Patientinnen, die auf dem Ball wie die Tiere im Zoo der Öffentlichkeit ausgesetzt werden, hat mich ziemlich mitgenommen. Noch bedrückender macht das Ganze, dass die Idee zum Roman auf einer wahren Geschichte basiert.
Ich habe aber trotz des deprimierenden Themas jede Seite genossen. Der Spannungsbogen wird bis zum großen Finale, dem öffentlichen Ball, den viele kaum erwarten können, aufrechterhalten.
Zu den Figuren Geneviève, Eugenie und Louise habe ich sofort Zugang gefunden, großes Mitleid für sie entwickelt und ihnen -den allesamt auf eine Art Gefangenen- nur das Beste gewünscht. Gleichzeitig war ich fasziniert, wie stark die Protagonistinnen doch sind, wie sie trotz ihrer schlimmen Situation nicht aufgeben und sich gegenseitig unterstützen.

Der von der Presse so hochgelobte Roman weckte bei mir große Erwartungen. Diese wurden von Victoria Mas überraschenderweise sogar noch übertroffen: Ein sehr bewegender, nachdenklich stimmender Roman, ein schlichtes kleines Schmuckstück „echter Literatur“. Nicht bemüht, sondern einfach gekonnt. Manchmal habe ich Sorge, ob nicht irgendwann einmal alle Geschichten erzählt sind, die Literatur an Bedeutung verliert und wir vergeblich auf neuen Stoff warten müssen. Solange es Autorinnen wie Victoria Mas gibt, ist meine Sorge aber wohl unbegründet. Ein großartiges Debüt!

Bewertung vom 25.03.2020
Röndigs, Nicole

Mein Alien und ich / FRRK! Bd.1


sehr gut

Überdreht, witzig und spannend

Tom traut seinen Augen nicht. Am helllichten Mittwochmorgen knallt mit Karacho ein Raumschiff in den Wald hinter Wittlers Scheune. Das ändert alles: Eigentlich war Tom nämlich gerade ziemlich zufrieden mit seinem Leben, in der Schule finden ihn die meisten Mitschüler cool und auch sonst hat er sich mit seiner Familie gut in seinem neuen Zuhause, einem Bauernhof in Kuhstedt eingelebt. Jetzt soll er aber plötzlich dem Raumschiffpiloten, Alien FRRK vom 11,7 Millionen Lichtjahre entfernten Planeten Tmllp, helfen, seinen Gammakompensator zu reparieren. Dazu brauchen die beiden unbedingt Salpetersäure. Die gibt es im Labor von Toms Schule. Zum Glück kann sich FRRK in einen Menschen verwandeln und so Tom in die Schule begleiten, um die Säure dort zu stehlen. Doch ganz so einfach ist das alles dann doch nicht...

„FRRK! Mein Alien und ich“ ist für Kinder ab neun Jahren zum Selberlesen gut geeignet. Die Geschichte ist klar, verständlich und vor allem sehr witzig formuliert, der altersgemäße Schreibstil liest sich flüssig. Die Geschichte bietet sich auch zum Vorlesen für jüngere Kinder an.

Was Tom mit FRRK alles erlebt, ist nicht nur intergalaktisch komisch, sondern auch super spannend. Es verläuft überhaupt nichts nach Plan und trotzdem schaffen es Tom und sein neuer Alienfreund irgendwie aus der gemeinsamen Misere herauszukommen. Dabei bekommen sie es mit missglückten Verwandlungen, missgünstigen Mitschülern und unerwarteten Verbündeten zu tun.

Tom ist ein netter, patenter und verständiger Junge, der es nach FRRKs Auftauchen alles andere als leicht in seiner Klasse hat. FRRK entpuppt sich aber als sehr freundlicher Zeitgenosse. Er kann zwar nicht lügen, hat aber ziemlich viele andere besondere Fähigkeiten und überrascht damit immer wieder aufs Neue. So einen liebenswerten, netten und umgänglichen Alien möchte wohl jeder Leser gerne einmal selbst kennenlernen, meine Kinder definitiv. Da macht es nichts aus, dass Toms Mitschüler und Beinahe-Freund Jonas Höppner immer mehr seiner negativen Eigenschaften offenbart. Und die etwas verrückte, überdrehte Elli erweist sich ganz nebenbei als viel netter als gedacht...

Eine besondere Bedeutung nimmt das Thema Lügen in der Geschichte ein. FRRK weiß nicht, was lügen ist, merkt aber, dass in der Menschenwelt die kreative Auslegung der Wahrheit oft zwingend notwendig ist. Das ist meinen Kindern beim Lesen sofort aufgefallen. Ein etwas ernsterer Punkt, die Selbstverständlichkeit von Lügen auch mal zu hinterfragen, steckt in Nicole Röndings unterhaltsamen Buch also auch noch drin.
Alles in allem ein wahnsinnig witziges Abenteuer über unterschiedliche Wesen, Mädchen, Jungen - beliebt oder nicht- und über den Wert von Freundschaft und Zusammenhalt.
Abgespacet und lesenswert!

Bewertung vom 25.03.2020
Taschinski, Stefanie

Wir haben was zu feiern / Familie Flickenteppich Bd.2


ausgezeichnet

Bullerbü meets Möwenweg - wenn eine Hausgemeinschaft zur großen Familie wird

Ganz schön viel los im Haus Nr. 11 der Familie Flickenteppich. Da wird gemeinsam das Treppenhaus geputzt, Oma Beckers Sittiche müssen eingefangen werden und Jojo feiert ihren 5. Geburtstag. Das größte Ereignis ist aber definitiv Papas Teilnahme an einem Kochwettbewerb. Dummerweise droht der Wettbewerb nun aus verschiedenen Gründen ins Wasser zu fallen. Aber die Flickenteppichs halten zusammen und sorgen mehr als einmal dafür, dass Papa weiterhin mitmachen kann.....

Das Buch liest sich sehr flüssig, einfach und verständlich, aber an keiner Stelle monoton oder eintönig. Mir gefällt der lebendige abwechslungsreiche Sprachstil sehr gut. Im Buch finden sich viele schöne, fast poetische Sätze wie „Ich fühle dieses Jubeln in mir, das aus der Tiefe meines Bauchs sprudelt wie ein glitzernder Springbrunnen“. Ab acht Jahren können Kinder das Buch sicher schon selber lesen. Die Schrift ist etwas größer gedruckt als normal, so sind die kleinen Leser nicht überfordert von der doch recht umfangreichen Textmenge. Zum Vorlesen ist das Buch bereits für jüngere Leser geeignet, meine vierjährige Tochter hat der Geschichte auch schon gerne zugehört.

Besonders gut gefallen haben mir und meinen Kindern( 4,6 und 8 Jahren) die bunten lustigen und überaus treffenden Illustrationen von Anne-Kathrin Behl. Diese sind sehr aussagekräftig und sorgen für große Motivation beim Lesen und Vorlesen. Meine Kindern, vor allem meine kleinere Tochter, haben sie sich immer wieder gerne angeschaut.

Die Bewohner der Hausgemeinschaft mögen wir alle sehr, allen voran natürlich die Kinder Emma, Jojo, Ben, Aylin, Tarek und Freddy. Sie sind positive und begeisterungsfähige Figuren. Es macht einfach Spaß, ihre tollen Ideen und aufregenden Erlebnisse zu verfolgen. Aber auch die anderen Bewohner der Hausgemeinschaft hätte wohl jeder gern als Nachbarn. Im Haus halten alle zusammen und selbst die strenge, kritische Frau Neumann hat ihr Herz am rechten Fleck. Eine tolle Hausgemeinschaft diese Familie Flickenteppich. Auf diese Nachbarn kann man sich immer verlassen. Alle unterschiedlich, alle prima Vorbilder. Hier ist die Welt meistens noch schwer in Ordnung.

Die Geschichte um den Kochwettbewerb wird sehr spannend erzählt. Dadurch dass der Wettbewerb dreiteilig ist, wird die Spannung stetig aufrecht erhalten. Und drumherum gibt es jederzeit noch einiges zu organisieren...

Auch wenn Jojo sich zwischenzeitlich traurig und deprimiert fühlt, ist „Familie Flickenteppich- Wir haben was zu feiern“ ein wunderbar positives Buch voller Optimismus, das zeigt, dass Familien nicht unbedingt verwandt sein müssen, auch Nachbarn können dazu gehören. Familie ist ein Gefühl. Ein wenig erinnert die Reihe an ein modernes „Wir Kinder aus Bullerbü“ und an die Möwenweg-Bücher von Kirsten Boie. Idylle und Zusammenhalt kann es aber auch in der Stadt geben. Ein Buch wie warmer Käsekuchen. Spannend, lustig, toll zu lesen, für Mädchen und Jungen gleichermaßen geeignet.

Bewertung vom 23.03.2020
Martin, Noah

Raffael - Das Lächeln der Madonna


sehr gut

Toller Schmöker- eine aufregende Reise ins unruhige Italien der Renaissance

In Urbino, Italien, wird der Junge Raffael Sanzio 1494 mit elf Jahren zur Waise. Schon bald übernimmt der außergewöhnlich talentierte junge Maler die Werkstatt seines verstorbenen Vaters als Meister. Doch es sind unruhige, unsichere und kriegerische Zeiten und Raffael muss seine Heimatstadt schließlich verlassen. Sein Weg führt ihn zunächst nach Siena, wo er sich in die Bäckerstochter Margherita Luti verliebt, die allerdings einem anderen versprochen ist. Währenddessen erlangt Raffael einen immer größeren Bekanntheitsgrad, seine Arbeit wird zunehmend gefragter. Bald schon reißen sich die Reichen und Mächtigen darum, von ihm porträtiert zu werden. So führt ihn sein Weg schließlich in die Schlangengrube Rom, u.a. an den Hof des Papstes...

Noah Martin schreibt flüssig, gut verständlich und abwechslungsreich. Der Schreibstil ist nicht modern, sondern der Zeit der Renaissance angepasst, immer wieder werden auch italienische Begriffe verwendet. Der Autor schafft durch seine Sprache eine lebendige „echte“ Atmosphäre, beim Lesen fühlte ich mich fast so, als befände ich mich selbst im Italien des 16. Jahrhunderts.

Die Charaktere sind zum größten Teil historische Personen, die wirklich real existierten. Manche geschichtlichen Details hat der Autor allerdings um des Plot Willens etwas abgeändert. Hauptfigur Raffael, ein begnadeter Künstler wird authentisch und glaubwürdig dargestellt. Eine beeindruckende leidenschaftliche getriebene Persönlichkeit, die aufgrund der politischen Situation rast- und ruhelos wirkt. Der Künstler Raffael ist überall in Italien und doch nirgends so richtig zu Hause. Mit ihm habe ich gefühlt und gelitten. Eine weitere wichtige Figur des Romans ist Daniele, ein junger Geistlicher. Er erscheint bescheiden und sympathisch, steht wie zufällig immer mitten im politischen Geschehen. Über ihn erfährt der Leser einiges darüber, was sich im Land ereignet, welcher Papst gerade regiert oder wer im Hintergrund die Fäden in der Hand hält. Interessant, dass auch berühmte Persönlichkeiten wie Universalgenie Leonardo Da Vinci oder der ehrgeizige Schöpfer des „schönen Davids“ Michelangelo auftauchen und Raffael persönlich kennenlernen. Auch die machthungrigen blutrünstigen Familienmitglieder der Borgia und ihre ständigen Konkurrenten, die Medici, haben wichtige Auftritte. Durch die zahlreichen vielfältigen Persönlichkeiten wird der Roman nie langweilig, allerdings habe ich mitunter doch etwas den Überblick verloren und musste immer wieder im Personenregister vorne nachschlagen.

Die Zeiten sind unbeständig und unsicher, die Herrschenden intrigieren munter und provozieren Kriege, um ihre Macht zu erhalten und zu erweitern. Besonders die Vertreter der Kirche verhalten sich alles andere als christlich. Morde stehen auf der Tagesordnung und keiner weiß, wem zu trauen ist. Vor diesem geschichtlichen und gesellschaftlichen Hintergrund ist Raffaels Entwicklung nicht nur informativ, sondern auch wahnsinnig packend. Vor allem die fiktive Figur Daniele sorgt zusätzlich für allerlei abwechslungsreiche, mitreißende Handlungsstränge.

Ein lesenswerter, glaubwürdiger und spannender historischer Roman. Die damalige Zeit, die herrschende Atmosphäre im Italien der Renaissance, wird sehr authentisch und lebendig vermittelt. Neben der Schilderung historischer Ereignisse und der gesellschaftlichen Situation, erhält man noch einen faszinierenden Einblick in die Arbeitsweise des Künstlers Raffael und erfährt bspw. welche Techniken oder Farben er verwendete, wie er die päpstlichen Gemächer die Stanzen gestaltete und mit welchen immensen körperlichen Anstrengungen Künstler damals zu kämpfen hatten.
Toller, absolut lohnender Schmöker - eine spannende Reise ins aufregende, unruhige Italien der Renaissance.

Bewertung vom 18.03.2020
Hauser, Franziska

Die Glasschwestern


gut

Familienroman mit besonderem Sprachstil - tiefsinnig, aber stellenweise ziemlich anstrengend

Saphie lebt mit ihren beiden erwachsenen Kindern in der Stadt und arbeitet als Deutschlehrerin für Ausländer, Dunja führt ein Hotel in ihrem Heimatdorf an der früheren innerdeutschen Grenze. Dunja und Saphie sind definitiv besondere Schwester, Zwillingsschwestern, von den Nachbarn auch „Glasschwestern“ genannt. Wie es der Zufall so will, sterben ihre beiden Ex-Ehemänner ausgerechnet am selben Tag. Die Trauer führt die Frauen zusammen, beide verarbeiten den Verlust aber auf völlig unterschiedliche Weise....

Franziska Hauser hat einen sehr außergewöhnlichen Schreibstil, für mich war er recht herausfordernd und manchmal anstrengend zu lesen. Sie schreibt aus der Perspektive der Schwestern, stets im Präsens, schildert all ihre Gedanken und Vorstellungen ungefiltert . Dabei kommt es immer wieder auch zu Zeitsprüngen, Gedanken laufen schließlich nicht chronologisch ab. Es fiel mir oft schwer, konzentriert zu lesen, ich empfand den Stil teilweise als überfrachtet, fast wie „Reizüberflutung“. Die unklare Sprache wirkt oft aber auch poetisch. Immer wieder finden sich im Text beeindruckende Formulierungen wie:
„Die Verbindung, die sie eben noch zueinander gesucht haben, wird zu einem schwarzen Loch und lässt die Schwestern wie zwei Sterne im All um Lichtjahre auseinanderrasen. Eine unheimliche Stille entsteht, und die Telefonleitung will nicht das leiseste Geräusch mehr übertragen.“
Die verwendeten Metaphern lassen viel Raum für Interpretationen. Auffällig auch die besonderen Kapitelüberschriften, Sprichwörter, wie „Was man sich wünscht, das glaubt man gern“, die immer mehr oder weniger versteckten Bezug zum Inhalt des Abschnitts haben und mir gut gefallen haben.

Durch den speziellen Schreibstil, der alle Gedanken der Schwestern exakt darstellt, werden die Schwestern für den Leser- zumindest im Moment des Lesens- zwar durchsichtig wie Glas, sind aber bei der Flut an Informationen über sie trotzdem sehr schwer zu fassen. Dunja und Saphie ändern im Laufe der Handlung ihrer Rollen, haben so beide etwas Uneindeutiges, Ambivalentes an sich. Daher waren sie mir trotz der sehr ausführlichen Charakterisierung emotional nicht besonders nah. Andere Figuren wie bspw. den Hotelangestellten Nino empfand ich als sympathischer.

Die Charaktere bestimmen die Handlung. Wichtiger Faktor der Handlung ist, was der Tod der Exmänner in den Schwestern bewirkt. Oft wird der Plot durch die Gedanken der Schwestern vorangetrieben. In den Köpfe der beiden „arbeitet“ es ständig und so gibt es immer etwas zu erzählen. Am Ende gelangt die Autorin zu einem stimmigen, runden Ende.

Franziska Hauser hat definitiv einen interessanten, nachdenklich stimmenden Roman geschrieben. Trotz aller negativen Gedanken der Figuren, einen mit positivem, versöhnlichem Abschluss. Anstrengend, herausfordernd, uneindeutig und ambivalent aber genauso besonders, künstlerisch und bemerkenswert. Ich werde „Die Glasschwestern“ noch öfter auf verschiedene Weise deuten, die beiden „undurchsichtigen“ Schwestern bleiben mir sicher noch länger in Erinnerung. Wer einen Faible für außergewöhnliche Sprache mit vielen Metaphern hat und Gelesenes gerne interpretiert, der wird an diesem Roman seine wahre Freude haben.

Bewertung vom 17.03.2020
Thiele, Markus

Echo des Schweigens


sehr gut

Was Recht ist, muss nicht gerecht sein

Anwalt Hannes Jansen steht kurz vor seinem großen Karriere-Durchbruch: Wenn er seinen aktuellen Fall gewinnt und den Mordverdächtigen Maik Winkler vor dem Gefängnis bewahrt, winkt ihm die Partnerschaft in der Anwaltskanzlei seines Chefs Boogs und zusätzlich eine große Bonuszahlung. Doch alles läuft leider nicht wie geplant. Kurz vor dem Schlussplädoyer bekommt er neues Beweismaterial zugespielt, dass Winklers Schuld beweisen könnte. Außerdem liegt ein neues rechtsmedizinisches Gutachten der Pathologin Sophie Tauber vor, das gegen Winkler spricht.
Sophie und Hannes lernen sich durch Zufall auf anderem Wege kennen und interessieren sich sehr füreinander, ohne zu wissen, dass sie vor Gericht auf verschiedenen Seiten stehen.
Auch Sophie hat es gerade nicht leicht. Nachdem ihre Mutter gestorben ist, erfährt sie einige prekäre Geheimnisse aus ihrer Familiengeschichte, die ihr Leben entscheidend verändern. Eine vertrackte und komplizierte Situation für alle Beteiligten....

Aufmachung und Cover des Buchs finde ich gelungen. Ein schwarz-weißes Titelbild, darauf sind Menschen und ihre langen Schatten zu sehen. Schlicht, aber wirkungsvoll.

Markus Thiele schreibt klar verständlich und flüssig. Ein angenehm zu lesender Roman, ohne künstliche, die Lektüre erschwerende, stilistische Schnörkel.

Die Geschichte spielt auf verschiedenen Zeitebenen. Neben Hannes und Sophies aktueller Situation werden auch zahlreiche Szenen aus der Vergangenheit, zur Zeit des Krieges oder aus dem Jahr 1979 geschildert. Die einzelnen Erzählstränge stehen anfangs noch isoliert da, sie werden nach und nach immer mehr miteinander verwoben. Diese Erzählweise macht die Spannung des Romans aus: Unglaublich aufregend, herauszufinden, wie die Teile der Handlung miteinander zusammenhängen, wer zu wem welche Beziehungen pflegt und wie sich Hannes und Sophies Situation weiterentwickelt. Erst zum Schluss verbindet sich alles zu einem großen Ganzen und der Roman kommt zu einem runden stimmigen Ende, das aber dann letztendlich doch nicht ganz so atemberaubend und spektakulär daherkommt, wie ich erwartet habe. Dadurch wird es aber glaubwürdiger, die Ereignisse sind an wahre Begebenheiten angelehnt, aber nicht ganz real, daher für mich kein klassischer Kriminalroman, eher eine Mischung aus Gerichtskrimi, historischem Krimi und Familienroman.

Sophie und Hannes sind zwei sehr ausführlich und nachvollziehbar dargestellte Charaktere. Beide erfahren neue Dinge, die sie vor große Herausforderungen stellen. Sie befinden sich durch ihr Wissen in moralischen Zwickmühlen und müssen entscheiden, wie sie darauf reagieren. Sowohl Sophie als auch Hannes konnte ich gut verstehen, sie sind sympathische Charaktere. Dadurch wurde ich als Leser emotional berührt. Ich habe die Geschichte nicht mehr aus der Distanz verfolgt, sondern fühlte mich „mittendrin“ im Geschehen und fragte mich selbst: Wie würde ich an Stelle der beiden handeln? Was ist moralisch richtig, was wäre Recht, was Gerechtigkeit? Am Ende war ich ganz schön mitgenommen und betroffen von all den aufrüttelnden Ereignissen.

„Echo des Schweigens“ hat mich nachdenklich zurückgelassen. Es ist alles andere als einfach, sich immer moralisch richtig zu verhalten. Autor Markus Thiel arbeitet selbst als Anwalt und weiß, wovon er schreibt: Recht ist nicht immer Gerechtigkeit. Und was ist überhaupt Gerechtigkeit? Oft gibt es trotz der Gesetze kein eindeutiges richtig und falsch, sondern ganz viele Abstufungen. Wir müssen immer wieder neu entscheiden, wie wir handeln und dabei lernen, mit den Konsequenzen unseres Handels zu leben. Ein wichtiger, interessanter, anregender Roman, der ganz viele Fragen aufwirft, die sich Menschen schon immer stellen. Bereits Aristoteles wusste: Wer Recht erkennen will, muss zuvor in richtiger Weise gezweifelt haben.

Bewertung vom 16.03.2020
Bomann, Corina

Die Farben der Schönheit - Sophias Hoffnung / Sophia Bd.1 (eBook, ePUB)


sehr gut

Solide Unterhaltung - perfekt für eine kleine Auszeit vom Alltag

Berlin 1926: Nachdem sich die junge Chemiestudentin Sophia Krohn auf eine Affäre mit ihrem Professor, Dr. Georg Wallner, eingelassen hat, wird sie ungewollt schwanger. Doch weder Georg noch ihre Eltern sind bereit, sie als ledige Mutter zu unterstützen. Sophia muss ihr Elternhaus verlassen, das Studium abbrechen und steht nun ganz alleine und ohne Hilfe da. Glücklicherweise kommt sie bei ihrer Freundin der Tänzerin Henny unter, die ihr eine Arbeit am Theater vermittelt. Als Henny ein Engagement in Paris erhält, entschließt sich die hochschwangere Sophia Henny zu begleiten. In der französischen Hauptstatdt angekommen, hofft sie darauf, ihr Hobby, die Herstellung von Kosmetik zum Beruf zu machen und im Unternehmen der weltberühmten Helena Rubinstein eine Anstellung zu finden.

Das bunte Titelbild zieht definitiv Blicke auf sich, die optische Gestaltung passt perfekt zum Titel der Trilogie „Sophias Farben“. Das Cover hat ohne Zweifel Wiedererkennungswert.

Für mich liest sich der Roman sehr angenehm unanstrengend und flüssig. Corina Bomann pflegt- wie gewohnt- einen recht schlichten, klaren und unkomplizierten Schreibstil.

Die Geschichte um Sophias Weg zu beruflichem Erfolg und ihre Unabhängigkeit ist interessant, mitreißend und unterhaltsam. Hauptfigur Sophia erlebt so einiges in ihrem jungen Leben
Durch die ungeplante Schwangerschaft befindet sie sich in einer aussichts- und trostlosen Lage, denn es sind Zeiten, in denen derartige moralische Fehltritte nicht toleriert werden. Aber Sophia lässt sich nicht unterkriegen und nimmt den Leser mit auf eine abenteuerliche Reise. Die Geschichte beginnt in Deutschland, spielt anschließend in Paris und endet zunächst in New York. Die verschiedenen Schauplätze sorgen für Abwechslung in der Handlung.

Sophia als Charakter dürfte Bomann-Leserinnen durchaus bekannt vorkommen, denn Bomanns Figuren sind oftmals recht ähnlich gezeichnet. Sophia wird als eine sensible, intelligente und willensstarke Frau dargestellt, die für ihr Hobby, die Herstellung von Kosmetika, brennt und genau weiß, was sie will. Ich empfand Mitleid für sie, sympathisch war sie mir aber nicht direkt. Sie kam für meine Begriffe ein wenig spröde und unnahbar rüber. Etwas mehr Temperament und Emotionalität, hätten sie mir sicher noch näher gebracht. Ganz anders Helena Rubinstein, sie ist ein historisch belegter Charakter, eine sehr bewundernswerte, eindrucksvolle und faszinierende Frau, die sich selbständig ein Kosmetikimperium aufgebaut hat. Dass auch real existierende Figuren wie Rubinstein oder ihre Konkurrentin Elisabeth Arden vorkommen, macht den Roman lebendiger, authentischer und glaubwürdiger.

Auf Corina Bomann ist Verlass. Sie ist für mich Garant für unterhaltsame, historische Romane um starke Frauen, die auf der Suche nach ihrem persönlichen Glück gegen viele Widerstände zu kämpfen haben. Auch dieser Roman „Sophias Hoffnung“ hat mich überzeugt. Natürlich keine große, tiefgründige Literatur, aber eine nette Lektüre und ideal geeignet, um sich eine kleine Auszeit vom Alltag zu nehmen und sich von Sophia in längst vergangene, aufregende Zeiten entführen zu lassen. Ich bin neugierig, wie sich Sophia noch entwickeln wird und freue mich jetzt schon auf ein paar schöne Lesestunden mit den beiden Fortsetzungsromanen.

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Bewertung vom 13.03.2020
Hornby, Nick

Keiner hat gesagt, dass du ausziehen sollst


ausgezeichnet

Witzig und treffend - Hornby in Bestform

In Janes und Toms Ehe läuft es nach Janes Affäre mit einem anderen Mann nicht mehr so richtig. Um ihre Probleme in den Griff zu bekommen, nehmen die beiden eine Eheberatung in Anspruch. Vor den Sitzungen treffen sie sich noch kurz in einem Pub und sprechen über Gott und die Welt und natürlich ihre Beziehung.

Die Geschichte ist nahezu ausschließlich in direkter Rede verfasst. Es geht nur um die Gespräche - insgesamt sind es zehn-, die Jane und Tom jeweils im Pub führen, während sie darauf warten, dass ihre Sitzungen bei der Paartherapeutin beginnen. Der Roman liest sich unkompliziert und flüssig, Hornby schreibt wie gewohnt mit Witz, locker, klar, leicht verständlich und äußerst unterhaltsam.

Es passiert äußerlich sehr wenig. Hin und wieder bekommt der Leser durch Janes und Toms Kommentare mit, wie es anderen Paaren ergeht, die Jane und Tom beobachten. Aber das zentrale Thema sind natürlich die Dialoge des Paares. Und diese haben es in sich. Nick Hornby hat schon in seinen vorherigen Romanen bewiesen, dass er meisterhaft in der Lage ist, menschliche Kommunikation zu analysieren und realistisch, aber gleichzeitig voller Ironie, darzustellen. Egal, worüber die beiden Protagonisten sprechen, sei es über den Brexit, Lieblingsserien, Subtexte oder die Sitzung von letzter Woche, sie sprechen doch immer irgendwie über sich und ihre Beziehung. Beeindruckend, wie es Hornby gelingt, nur anhand von zehn Gesprächen, die Situation, die Ehe der beiden, perfekt und glasklar abzubilden. Zu lesen, wie Jane und Tom aufeinander oder nicht aufeinander eingehen, wie sie - stets schlagfertig- die Sätze des jeweils anderen auf manchmal recht absurde Art interpretieren, wie sehr sie - trotz aller Diskrepanzen- verbunden sind, ist faszinierend.
Dabei erfährt der Leser natürlich sehr viel über die zwei Figuren, die beide für mich nachvollziehbar, authentisch und trotz ihrer Fehler und Schwächen sympathisch sind.

Unglaublich amüsant und treffend: Prägnanter und witziger lässt sich das Bild einer Ehe wohl nicht zeichnen. Empfehlenswert für alle, die noch etwas über Kommunikation und Beziehungen lernen und dabei den Humor nicht verlieren möchten.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 12.03.2020
Vöhringer, Sabine

Karl Valentin ist tot / Hauptkommissar Tom Perlinger Bd.3 (eBook, ePUB)


sehr gut

Aufregend und lesenswert- nicht nur für Münchner

„Es muß was g’scheng, weil, wenn ned boid was g’schieht, dann passiert no was!“
Passiert ist eine ganze Menge: Am Münchner Karl-Valentin Gymnasium geht es sogar ganz besonders heiß her. Nach einem Brand im Gebäude der Schule wird dort eine Tote gefunden, die stellvertretende Direktorin Marianne Eichstätt. Aber das ist nicht die einzige Leiche im Keller der Schule, vor einiger Zeit hatte der Schüler Fabian Brühl Selbstmord verübt. Hauptkommissar Tom Perlinger und seine Kollegin Jessica ermitteln und decken dabei traurige und erschütternde Zusammenhänge auf.....

Sabine Voehringer schreibt flüssig und gut verständlich. „Karl Valentin ist tot“ ist ein sehr angenehm zu lesender Roman. Für Abwechslung sorgen immer wieder die amüsanten und geistreichen Zitate von Karl Valentin.

Die Handlung des Falls ist sehr spannend. Aufregend, aber auch erschreckend, was da an schlimmen Zuständen hinter der schönen Fassade zum Vorschein kam. Ein wenig konstruiert wirken manche Details des Plots zwar schon, aber der Roman hat definitiv einen großen Unterhaltungswert. Einige Verbindungen waren für mich etwas kompliziert nachzuvollziehen, aber nur deshalb, weil mir die Vorgängerromane nicht bekannt sind und für das Verständnis Vorwissen hilfreich gewesen wäre.

Die vielfältigen Charaktere des Krimis empfinde ich als interessant, sie werden allesamt nachvollziehbar dargestellt. Während mir die Ermittler Jessica und Tom sowie dessen Familie recht sympathisch waren, kamen manche Figuren ziemlich schlecht weg, eine sehr ausgewogene Mischung an Personen also. An waschechten Bösewichten mangelt es in diesem Roman definitiv nicht, aber die braucht es ohne Frage für das Gesamtkonstrukt und die Dramaturgie.

Ein wirklich unterhaltsamer, lesenswerter Krimi! Gut gefallen hat mir auch, dass München eine Hauptrolle einnimmt. Für mich ein großes Plus, dass die Schauplätze wirklich existieren und man selbst vielleicht sogar eigene Erinnerungen damit verbindet. Münchner werden bei der Lektüre sofort an „zu Hause“ erinnert. Auch dass Karl Valentin, ein für mich hochinteressanter Mann, für den Fall eine große Bedeutung hat und immer wieder zitiert wird, beurteile ich als sehr positiv und bereichernd. Mit ihm werde ich mich nach dem Buch sicher noch näher beschäftigen. Ob die ganze Angelegenheit realistisch ist, darüber lässt sich vermutlich streiten. Die Zustände an der Schule scheinen mir aber keine reine Fiktion zu sein. Dass das Bildungssystem an einigen Stellen hakt, die Schüler häufig nur auf ihre Leistungen reduziert und sich sogar schon in der Grundschule unter Druck gesetzt fühlen, das alles ist nicht von der Hand zu weisen. Unschön und unangenehm, aber authentisch. Ein spannender Lokalkrimi mit sympathischen Ermittlern, der die negativen Seiten des Schulsystem thematisiert. Nicht nur für Münchner empfehlenswert. Die Vorgängerbände setze ich nun definitiv auf meine Wunschliste.