Benutzer
Benutzername: 
Bellis-Perennis
Wohnort: 
Wien

Bewertungen

Insgesamt 1112 Bewertungen
Bewertung vom 04.11.2023
Rudis, Jaroslav

Zug um Zug durch Europa


ausgezeichnet

Jaroslav Rudiš ist Eisenbahnfan durch und durch. Er stammt aus einer Familie, deren zahlreiche Mitglieder durchwegs bei der Eisenbahn beschäftigt waren/sind. Er selbst konnte aufgrund eines Sehfehlers nicht in die Fußstapfen von Großvater und Onkel treten. Seiner Leidenschaft für alte und neue Zuggarnituren und den unzähligen Bahnhöfen in Europas frönt er durch ausgiebiges Bahnfahren. Was er dabei erlebt (hat), darüber schreibt er in diesem Buch.

In letzter Zeit bin ich selbst wieder zur Bahnfahrerin geworden, denn das Autofahren macht immer weniger Spaß. Vergangenes Jahr habe ich eine der im Buch beschriebene Reisen absolviert: mit dem „Vindobona“ von Wien nach über Prag und Bad Schandau nach Dresden. Vor 2020 mit dem Zug in Erfurt und, wenn wir auch nach regelmäßig Hamburg fliegen, Schleswig-Holstein wird immer mit der Bahn erkundet.

Gut gefallen mir die vielen Fotos von Eisenbahnen und Bahnhöfen, von denen viel noch aus der Donaumonarchie stammen. Die beiden Landkarten vermitteln einen Eindruck vom weitverzweigten Schienennetz Europas. Aus den Beschreibungen der Reisen strömt Jaroslav Rudiš‘ wahre Leidenschaft für die Bahn. Die zeigt sich auch in den vielen Hintergrundinformationen zu Lokomotiven, Waggons, Eisenbahngesellschaften und Zugstrecken sowie Bahnhöfen. Nur ein kleines Detail: die fast schon kindliche Freude am zweimaligen Umspuren auf dem Weg von Europa nach Nordkorea liest sich so.

„An der Grenze zwischen der Slowakei oder Ungarn mit der Ukraine wird der Schlafwagen zuerst von unserer europäischen Normalspur von 1435 Millimetern auf die russische Breitspur von 1520 Millimetern umgespurt. Und an der Grenze zu Nordkorea wurde der nordkoreanische Wagen wieder auf die Normalspur umgespurt.“

Die Semmeringbahn ist für Jaroslav Rudiš und zahlreiche Eisenbahnfreunde der „heilige Ort“ in Österreich. Denn die Semmeringbahn mit ihren gewaltigen Tunnelbauten und Viadukten war die erste Überschienung der Alpen überhaupt und damit die erste Über- bzw. Durchquerung eines Hochgebirges in Europa mit Schienen. Ohne das UNESCO-Kulturerbe Semmeringbahn, die Karl Ritter von Ghega errichtet hat, wären viele ähnliche Projekt nicht gebaut worden.

Nächstes Jahr muss ich nach Leuven (Belgien). Hoffentlich bleibt mit genügend Zeit, den Hauptbahnhof von Brüssel anzusehen.

Fazit:

Diesem durchaus launig geschriebenen Buch für junge und alte Eisenbahnfans und solche, die das Bahnfahren (wieder) neu entdecken, gebe ich gerne 5 Sterne.

Bewertung vom 04.11.2023
Wiesner, Maria

Jil Sander. Eine Annäherung


ausgezeichnet

Das Cover zeigt Jil Sander, wie wir sie und ihre Mode kennen: Dunkler Hosenanzug und weiße Bluse. Eine Art Uniform für toughe (Geschäfts)Frauen, die sie in den 1950er und 1960er-Jahren entworfen hat. In einer Zeit, in der der Mann das Oberhaupt der Familie war und seiner Frau das Arbeiten erlauben oder häufig verbieten konnte und über den Familienwohnsitz entscheiden konnte. Mit diesem Kleidungsstil steht sie den damaligen Modeschöpfern wie Dior, die auf Wespentaille, Opulenz und Tüll setzen, diametral gegenüber.

Mit Respekt und Bewunderung nähert sich die Journalistin Maria Wiesner der als Heidemarie Jiline „Jil“ Sander 1943 geborenen Designerin an. Schon als Kind zeigt Sander, dass sie Kleider nicht mag und lieber Hosen trägt. Von ihrer Mutter wird sie ihre Credo lernen:

„Wer billige Kleidung kauft, zahlt am Ende mehr, da sie schneller verschleißt, schneller aus der Form gerät und letzten Endes mit mehr Aufwand für die Pflege der Garderobe beziehungsweise kostenintensiven Neuanschaffungen verbunden ist.“

Jil Sanders klare Mode ist nach wie vor zeitlos. Mit einem schwarzen oder dunkelblauen Hosenanzug, einem gleichfarbigen oder weißen Oberteil ist frau immer gut angezogen. Für ihre minimalistischen und schlichten Entwürfe erhält sie von der Presse Beinamen wie „Queen of less“ (also „Königin des Weglassens“) bzw. für ihre Vorlieb für exquisite Stoffe den Titel „Kaschmir-Queen“.

Dass nur jene Kleidungsstücke in Produktion gehen, die sie selbst aus- und anprobiert sowie auf ihre Tragtauglichkeit geprüft hat, ist das Markenzeichen von Jil Sander. Schlecht sitzende Sakkos oder kneifende Hosen gibt es bei Jil Sander einfach nicht. Da ist sie Perfektionistin. Herrenschneiderhandwerk ist ihr Zauberwort.

Sie sieht sich von der Bauhaustradition inspiriert. „Form follows Function“ und in Anlehnung dazu „Form folgt Material“. Nicht jeder Schnitt kann für jedes Material verwendet werden.

Meine Meinung:

Dieses Buch ist, wie schon der Titel sagt, „nur“ eine Annäherung, denn Jil Sander gibt wenige Interviews und schon gar keines zu ihrem Privatleben. Anders als ihre männlichen Designer Mitbewerber lässt sie sich auch auf ihren Modeschauen nicht groß feiern. Ein beinahe schüchternes Winken, mehr nicht.

Um das Leben und Schaffen der Modeschöpferin darzustellen, hat die Autorin zahlreiche Weggefährten interviewt und in Archiven gestöbert.

Ein grober Schnitzer ist mir aufgefallen: So werden die Lebensdaten der französischen Designerin Madeleine Vionnet mit 1876 - 1875 angegeben. Richtig muss es 1975 heißen, denn die Grande Dame der Pariser Couture ist mit 99 Jahren gestorben.

Dieses Buch ist keine Biografie im üblichen Sinne, sondern eine ausführliche Recherche über eine Person, über die beruflich und privat nicht wirklich viel bekannt ist.

Was von Jil Sander bleiben wird?

Klassische, puristische Mode, die keinen Modetrend mitmacht, sondern zeitlos ist. Deren Modelle von toller Qualität sind, die, bei guter Behandlung, ein Leben lang tragbar sind und daher als Vintage-Modelle hohe Preise erzielen.

Fazit:

Diesem Buch über eine Visionärin, die ihresgleichen sucht, gebe ich gerne 5 Sterne.

Bewertung vom 03.11.2023
Wahi, Alex

Easy Indien


ausgezeichnet

Dieses Kochbuch aus dem Verlag Graefe & Unzer verspricht Rezepte zu einer leicht nachzukochenden indischen Küche.

Kann das Versprechen gehalten werden? Ja, es kann! Das liegt vor allem an (TV)Koch und Autor Alex Wahi, dessen Vater Inder und Mutter Deutsche ist. Alex Wahi plädiert für Kreativität in der Küche. Er fordert seine LeserInnen dazu auf, ihre eigenen Vorlieben in die Rezepte einzubringen und auf das eigene Gefühl zu vertrauen. Weniger Schärfe, mehr Süße, Schwein statt Fisch oder ganz vegetarisch.

Gleich zu Beginn gibt es die Anleitungen zu den drei wichtigsten Ingredienzien der indischen Küche: Ghee, Currypaste und Paneer-Käse. Dann folgen weitere Rezepte und Vorschläge:

Grundrezepte
Snacks & Streetfood
Beilagen
Fleisch & Fisch
Vegetarisch & Vegan
Drinks & Sweets

Alex Wahli adaptiert seine Rezepte so, dass ortsübliche Gewürze ihre Anwendung finden können. Doch ein kleiner Querschnitt an typisch indischen Gewürzen sollte in keiner Küche fehlen: Koriander, Kreuzkümmel, Ingwer und Fenchel.

Natürlich tragen die tollen Fotos dazu bei, das eine oder andere Gericht sofort ausprobieren zu wollen. Die Bilder sind ein regelrechter Augenschmaus!

Ich bin noch eine Anfängerin in Sachen indischer Küche und werde mich anhand dieses Buches langsam auf diese kulinarische Entdeckungsreise begeben. Vor allem bei der Schärfe der Gerichte muss ich ein wenig aufpassen.

Fazit:

Einige Rezepte aus "Easy Indien - Lieblingsrezepte aus meiner zweiten Heimat" wird unseren Speisezettel bereichern. Das Buch erhält 5 Sterne.

Bewertung vom 01.11.2023
Liesemer, Dirk

Café Größenwahn


ausgezeichnet

Dieses Buch führt uns an die Wende zum 20. Jahrhundert nach Wien, München und Berlin in jeweils, stellvertretend für den Aufbruch in neue Zeiten, ein Kaffeehaus: In Wien ist es das bekannte Café Griensteidl, in München das Café Stephanie und in Berlin das Café des Westen.

Wer sich dort trifft? Junge, noch unbekannte Literaten, Revoluzzer sowie Frauen aus großbürgerlichem Hause, die sich gegen das Establishment auflehnen.

Allen ist gemeinsam, dass sie sich in den Kaffeehäusern Gedanken um die Zukunft machen. Vieles davon grenzt an Größenwahn - daher auch der (Zusatz)Name der Institutionen. Interessanterweise besuchen einige der Protagonisten die Kaffeehäuser aller drei Städte.

Man diskutiert, streitet, manchmal prügeln sich die Herrschaften und versöhnt sich wieder. Es fließt neben Kaffee auch Alkohol in Strömen. Die meisten der Besucher sind nahezu mittellos und schnorren sich durchs Leben. Doch wenn sie, z. B. durch die Publikation eines Artikels in einer Zeitung, kurzfristig zu Geld kommen, wird das sofort wieder ausgegeben.

Die Liste der Namen, die in den drei Kaffeehäusern quasi lebten, liest sich wie das Who-is-Who der Literatenszene. Von Peter Altenberg bis Arthur Schnitzler, Else Lasker-Schüler und der recht umtriebigen Franziska von Reventlow reicht die Aufzählung. Auch Adolf Loos, der mit seinen schnörkellosen Fassaden auf Missfallen trifft, ist Teil der Kaffeehausgesellschaft.

Dirk Liesemer gelingt es vorzüglich, diese Jahre des Umbruchs auferstehen zu lassen. Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs wird dem Café Größenwahn in den drei Großstädten vorerst ein Ende bereiten.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem Rückblick in die angeblich „gute alte Zeit“, die so gut gar nicht war, 5 Sterne.

Bewertung vom 01.11.2023
Katz, Gabriele

Lee Miller


sehr gut

Lee Miller. Fotografin zwischen Krieg und Glamour


Lee Miller (1907-1977) gilt als eine der begnadetsten Fotografinnen des 20. Jahrhunderts. Zudem ist sie nicht nur hinter, sondern auch vor der Kamera zu finden, denn sie zählt auch zu den Top-Fotomodellen ihrer Zeit.

Doch ihre wahre Berufung hat sie als Kriegsreporterin gefunden. Sei es im Spanischen Bürgerkrieg oder später im Zweiten Weltkrieg als sie mit den Alliierten nach Europa kommt. Ihre schwarz-weiß Fotos sind beeindruckend. Leider sind in dieser Biografie aus rechtlichen Gründen nur wenige Fotos aus dieser Zeit abgebildet. Wer mehr über die Jahre 1944/45 der Kriegsreporterin Lee Miller lesen (sehen) will, muss das Buch „Lee Miller - Krieg, Reportagen und Fotos“ lesen.

Gabriele Katz hat hier eine ziemlich sachliche, manchmal auch etwas „weichgespülte“ Biografie von Lee Miller verfasst. Wir erfahren viel über ihre Bekanntschaften mit Künstlern wie Man Ray, Pablo Picasso und seinen Wegbegleiter(innen). Lee Miller gilt als Muse der Surrealisten. Auch ihr Privatleben kommt mehrfach zur Sprache. Nicht verschwiegen darf werden, dass sie zeitweise von Zigaretten und Alkohol lebt sowie den Missbrauch durch ihren Vater, der Aktfotos von ihr macht, seit sie sieben Jahre alt ist und erst kurz vor ihrer Hochzeit damit aufhört.

Nach Kriegsende zieht sie sich ob der gesehenen Kriegsgräuel ins Privatleben zurück. Sie wird Ehefrau und Mutter.

Fazit:

Eine sehr sachliche Biografie, der ich gerne 4 Sterne gebe.

Bewertung vom 01.11.2023
Schmitz-Esser, Romedio

Um 1500


ausgezeichnet

Romedio Schmitz-Esser, Autor und Historiker, entführt seine Leser in das Europa von 1500. Das Mittelalter hat ausgedient und macht langsam der Neuzeit Platz. Es ist das Europa des Umbruchs. Die Entdeckung Amerikas, die Erfindung des Buchdrucks sowie der Beginn der religiösen Umwälzungen verlangen von der Bevölkerung allerlei ab. Neben kriegerischen Auseinandersetzungen strebt die Kunst zu noch nie da gewesenen Höhenflügen.

Stellvertreter dieser Zeit ist Albrecht Dürer (1471-1528). Er nimmt auch in diesem opulenten Buch von Romedio Schmitz-Esser eine zentrale ein. Rund um den Maler erklärt der Historiker in 50 Kapiteln die Welt um 1500.

So fungiert der Renaissancekünstler quasi als Reiseführer durch Epoche. Zunächst erfahren wir einiges über die Familie Dürer selbst. Diese Fakten bieten Stichworte, um das eine oder andere Thema weiter auszuführen. Wer weiß denn schon, dass diese Zeit gar nicht so prüde war, wie oft angenommen?

Jedes der 50 Kapitel beginnt mit einem Bild von Albrecht Dürer, an denen es wahrlich nicht mangelt. Auszüge aus dem Schriftverkehr lassen den Künstler selbst zu Wort kommen. Dies zu lesen gleicht manchmal einem Rätsel, denn der Autor belässt die Sprache des 15./16. Jahrhunderts.

Das Buch eignet sich perfekt als Nachschlagewerk. Es ist sprachlich hervorragend und durch die vielen Abbildungen aufgelockert.
Wie es sich für einen Wissenschaftler gehört, enthält das Buch zahlreiche Anmerkungen, Bildnachweise sowie einen Personen- und Ortsindex. Wer sich noch weiter in die beginnende Neuzeit versenken will, kann dies durch die ausführliche Bibliografie, die nach Themen geordnet ist, reichlich tun.
Durch seine hochwertige Aufmachung ist das Buch auch ein vorzügliches Geschenk.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem ansprechendem und großartig verfassten Buch über Albrecht Dürers Welt um 1500 eine Leseempfehlung und 5 Sterne.

Bewertung vom 01.11.2023
Oetker, Alexander

Revanche / Luc Verlain Bd.7 (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

„Revanche“ ist der siebente Teil der Reihe rund um Luc Verlain, dem Polizisten aus dem Aquitaine. Der Klappentext verheißt einen komplexen Fall:

Meine Meinung:

Wie wir es von Autor Alexander Oetker gewöhnt sind, sind einfache Lösungen seine Sache nicht. Kriminalistische Kleinarbeit sowie zahlreiche Überstunden für Luc Verlains Team, das sich über einen Neuzugang freuen darf, machen diesen Krimi spannend. Das Motiv des Täters reicht weit in dessen Kindheit hinein.

Daneben kommt auch das Privatleben der Polizisten nicht zu kurz.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem komplexen Krimi 5 Sterne.

Bewertung vom 01.11.2023
Albich, Mina

Wiener Todesmelodie


ausgezeichnet

Dieser zweite Kriminalfall für Felix Grohsmann und sein Team beginnt, wie es sich für einen Musik-Krimi gehört, mit einem Paukenschlag.

Grohsmann besucht ein Klavierkonzert im Stadtpalais der Kunstmäzenin Marie Rettenbach. Kaum hat er das Konzert verlassen, wird er auch schon wieder zurückgerufen. Im Kofferraum der jungen Konzertpianistin Dorothea Zauner, deren Klavierspiel noch eben gelauscht wurde, wird eine Leiche entdeckt. Schnell wird sie als ihr Freund Mariusz Lión identifiziert. Der junge Mann ist ein besonders begabter Pianist, dem eine große Karriere vorgesagt worden ist.
Er sei auch, vor allem bei der Damenwelt, sehr beliebt und ein virtuoser und begnadeter Franz-Liszt-Interpret gewesen.

Felix Grohsmann und sein Team, zu dem mit Ursula Manz eine neue Kollegin stößt, ermitteln fieberhaft in alle Richtungen. Mit der angehenden Kriminalpsychologin Nicky Witt hat Grohsmann ein weiteres Atout im Ärmel. Doch die Ermittlungen gestalten sich als schwierig. Nicht nur weil Dorothea Zauner eine eigenwillige Persönlichkeit ist, sondern vor allem deswegen, weil ihre Mutter die Tochter von der Welt abschottet. Daher beginnt Joe Kettler, Felix‘ Mitarbeiterin, wie schon im ersten Fall („Mexikoplatz“) auf eigene Faust zu recherchieren.

Meine Meinung:

Auch dieser Krimi beginnt rasant, doch bald nimmt die Autorin etwas Tempo heraus, um den Lesern die Charaktere vorzustellen. Alle jene, die „Mexikoplatz“ gelesen haben, sind Felix Grohsmann, Johanna „Joe“ Kettler, Nicky Witt und der ewig maulende Gregor Kienzle sowie Felix‘ Hund Sally geläufig. Das Team der Ermittler erhält mit Ursula Manz eine neue Kollegin, die sich nach anfänglicher Zurückhaltung recht gut einfügt. Ob sie für weitere Ermittlungen im Team bleiben wird? Felix Grohsmann ist ein guter Vorgesetzter, der seine Mitarbeiter dem Vorgesetzten gegenüber in Schutz nimmt, wenn dieser die Kollegen ungerechtfertigt zusammenstaucht. Dabei erinnert er sich immer wieder an seine Anfänge bei der Polizei, wo er ebenso wie Joe den einen oder anderen nicht ganz ungefährlichen Alleingang unternommen hat.

Neben den Ermittlungen, bei denen wenig zusammenpasst und immer wieder neue Verdächtige auftauchen, muss sich Felix noch um seinen Neffen Lukas kümmern, der aufgrund der Ehekrise seiner Eltern, kurz entschlossen bei ihm einzieht. Auch Joes und Nickys Privatleben darf eine wohl dosierte Rolle spielen.

Mina Albichs Schreibstil ist fesselnd und lebendig. Dafür sorgen wienerische Ausdrücke und einige Szenen, die zum Schmunzeln einladen. Zahlreiche, vermeintlich viel versprechende Spuren erweisen sich als Sackgassen. Ein Hinweis auf ein mögliches Mordmotiv findet sich gleich zu Beginn des Krimis. Die Leser haben hier einen kleinen Wissensvorsprung. Doch wie das manchmal mit Prologen ist, wird er erst einmal ignoriert. So auch bei mir. Allerdings hat es dann doch recht bald geklingelt.

Als Wienerin gefällt es mir natürlich besonders, wenn Straßen und Plätze, die ich kenne, in Büchern eine Rolle spielen. Geschickt wird den Lesern der Unterschied zwischen modernen und alten Klavieren erklärt. Dies völlig unaufgeregt als interessanter Dialog, um den Ermittlern einen Einblick in die Welt der Klassik zu geben.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem komplexen Krimi, der zahlreiche Verdächtige und mögliche Motive enthält, 5 Sterne und eine Leseempfehlung.

Bewertung vom 01.11.2023
Schleifer, Christian

Perchtoldsdorfer Todesrausch


ausgezeichnet

Dieser 4. Teil der Reihe um die Ex-Polizistin Charlotte Nöhrer erzählt, wie ihre Karriere bei der Wiener Polizei ein abruptes Ende genommen und wie sie ihre große Liebe gefunden hat.

Das Prequel ist in einen nochmaligen Urlaub in Schladming eingebettet. Lydia, eine neugierige Reporterin will die Geschichte rund um die „Koks-Planai“ aus dem Vorjahr genau wissen und interviewt Charlotte und Andrea auf einer Skihütte. Dass die beiden die Journalistin ziemlich auf der Schaufel haben, ist nur ein witziges Detail am Rande. Lydia muss nämlich die Zeche, die während des Interviews aufläuft, bezahlen, Schampus inklusive.

Charlotte erzählt frisch von der Leber weg, was sich damals ereignet hat.

Nach dem Eklat in der Polizeiinspektion und den Jobs im Bewachungsgewerbe findet es Charlotte an der Zeit, sich einen Urlaub zu gönnen. Also schnappt sie ihre jüngere Schwester Flora und fährt nach Schladming, um dort in einen etwas speziellen Kriminalfall zu geraten. Denn einmal Polizistin, immer Polizistin.

Was ist passiert?

Flora und Charlotte sind wie zahlreiche Touristen auf der Piste zum Nachtskifahren auf der Hochwurzen, als eine Gruppe betrunkener Deutsche mehrere Sterne und zwei der Skifahrer stehen nicht mehr auf - tot. Während die Pistenrettung schon unterwegs ist, entdeckt Charlotte, dass die beiden Toten Schaum vor den Mund und blutunterlaufene Augen haben. Nicht Tod IM Schnee, sondern DURCH Schnee, wenn auch von der besonderen Sorte. Da sich die örtliche Kripo ein wenig desinteressiert anstellt, beginnt Charlotte ihre eigenen Erkundigungen anzustellen. Hilfreiche Tipps erhält sie dabei Joe von, der Barkeeper des „Schneeweißchen“, der nebenbei noch andere Jobs hat sowie von einer Dame des horizontalen Gewerbes.

Und gleich vorweg, es wird nicht bei den beiden Toten im Schnee bleiben. Wie es weitergeht, müsst ihr schon selbst lesen ...

Meine Meinung:

Passend zum Nachtslalom von Schladming ist der Krimi in drei Abschnitte geteilt: 1. und 2. Durchgang sowie Zieleinlauf.

Charlotte, Andrea und Flora sind mir ja seit dem ersten Fall („Perchtoldsdorfer Schweigen“) gut bekannt. Die Andeutungen, warum Charlotte den Dienst bei der Polizei quittiert hat, werden nun aufgelöst.

Außerdem erfahren wir, woher Flora den Luca kennt, der doch in einem der anderen Krimis eine Rolle spielt.

Gut gelungen ist die Beschreibung von Schladming. Ich kenn ja den Ort noch aus den 1970er-Jahren, wo es noch halbwegs beschaulich zugegangen ist. Lediglich mit einer Vierergondel auf die Planai und frierend auf dem Doppelsessellift auf die Hochwurzen. Und ja, die Andeutungen mit den ehemals berühmten Namen - gleich erkannt, um wen es da geht. Zur Heim-WM 1982 hat man ja groß umgebaut und aufgerüstet.

Der Schreibstil ist wie bekannt, locker und der Krimi lässt sich gut lesen. Die Charaktere sind gut gelungen. Was mir auch schon in den anderen Krimis ein wenig missfällt, ist ihr doch heftiger Alkoholkonsum. Vielleicht sollte sie, nachdem ihr Leben ja inzwischen gut geordnet ist, damit aufhören.

Ein bisschen unglaubwürdig ist, dass die Dealer das so hoch konzentrierte Koks einfach so verpulvert haben.

Im Anschluss an den Krimi erzählt Christian Schleifer, wie er überhaupt zur Figur der Charlotte Nöhrer gekommen ist. Außerdem deutet er an, dass es einen 5. Band geben, der auf einem Maskenball spielen wird. Auf die Fortsetzung freue ich mich schon.

Fazit:

Ein gelungenes Prequel, das die Wartezeit auf den nächsten Krimi mit Charlotte, ohne e bitte, verkürzt. Gern gebe ich hier 5 Sterne.

Bewertung vom 31.10.2023
Hammerl, Elfriede

Der Hund hat Recht


ausgezeichnet

Elfriede Hammerls Kolumnen im österreichischen Magazin „Profil“ sind pointiert und treffen fast immer ins Schwarze.

Das lässt sich von diesem satirischen Dialog zwischen einer Frau und ihrem Hund auch sagen. Der aus dem Tierheim, Pardon, Boarding House, stammende Hund verwickelt seine Besitzerin in zahlreiche Diskussionen, aus denen es kein Entrinnen gibt.

So stellt er mehrmals die Frage, was denn der Unterschied zwischen ihm und Michael, dem Liebhaber sei, beide fressen den Kühlschrank leer, liegen auf der Couch. Und, ob er, Michael, denn der Richtige wäre.
Gleichzeitig bekommt allerdings ER die Frage nach seinem Beitrag zur Haushaltskasse gestellt. Die Antwort fällt entsprechend ernüchternd aus.

Diesen gewitzten Dialog, der teilweise eine bissige Gesellschaftskritik enthält, habe ich sehr gerne gelesen. Manchmal musste ich ob der hündischen Besserwisserei herzlich lachen. Besonders die Szene im Supermarkt mit der quengelnden Tochter, die das Kleinkindalter schon längst überschritten hat, hat mir gut gefallen.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem satirischen Dialog 5 Sterne.