Benutzer
Benutzername: 
clematis

Bewertungen

Insgesamt 332 Bewertungen
Bewertung vom 27.07.2025
Collins, Tessa

Die Wildblütentochter / Die Blumentöchter Bd.2 (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Island

Soley, alias Superstar Flower Power, trifft nach dem Tod ihrer Großmutter Rose ihre gesamte Familie und stößt dabei auf Blooming Hall in Cornwall auf ein altes Ölgemälde. Die Frau am Bild sieht ihr verblüffend ähnlich, weshalb sie auf den Spuren ihrer Vorfahren wandelt und ins Herkunftsland ihres Vaters reist, nämlich nach Island. Die Familienmitglieder, welche sie dort unangekündigt besucht, begegnen Soley mit unterschiedlichen Gefühlen.

Großartig, wie die Geschichte der Blumentöchter (die Vornamen der Mädchen in dieser Familie stammen traditionsgemäß alle aus dem Blumenreich) hier weitergesponnen wird. Tessa Collins führt uns diesmal ins raue Island und schenkt uns an der Seite von Soley bewegte Stunden. Einerseits geht es um die Karriere der berühmten Sängerin, andererseits, viele Jahre zurückliegend, um ihre Urgroßmutter Sigrún. Dieser Zeitenwechsel, der bisweilen durch Tagebucheinträge ergänzt wird, welche in der Gegenwart gelesen werden, ist gekonnt umgesetzt, um Spannung aufzubauen und die Geschehnisse authentisch darzustellen. So erleben wir mit Soley den herrlichen isländischen Sommer mit endlos langen Tagen, Pferdeausritten und dem Baden in den Hot Tubes, während bei Sigrún im bitterkalten verschneiten Winter das Schicksal zuschlägt. Beide Frauen erleben aufregende Zeiten, die sie für ihre weiteren Lebenstage prägen, sie zu begleiten ist sehr berührend.

Ein wunderbarer Roman über Selbstfindung und Familienbande vor der kargen Landschaft Islands – mit diesem Buch liegt jeder richtig, der gerne in eine liebevoll erzählte Gefühlswelt zwischen 1940 und heute eintauchen möchte. Ich hatte großen Spaß und bisweilen eine kleine Träne in den Augen.

Bewertung vom 26.07.2025
Gregorio, Roberta

Alles Glück beginnt auf Capri / Via dell´Amore Bd.2


ausgezeichnet

Capri

Graziano betreibt eine feine Konditorei in der Via dell’Amore in Neapel. Als er eine Hochzeitstorte auf Capri abliefert, geht das Meisterwerk beinahe zu Bruch und er selbst ist wie verzaubert von der strahlenden Sängerin am Fest. Währenddessen plant seine Nonna einen Werbefilm über die romantische Gasse in Neapel, die alles für eine gelungene Hochzeit bereithält und wie es der Zufall will, trifft Graziano hier erneut auf die Sängerin Letizia.

Bezaubernd mit Bildern und Worten erzählt Roberta Gregorio auch diesmal eine wunderbare Geschichte vor der Kulisse von Neapel und Capri, verbindet dabei zwei sehenswerte Orte und Menschen, die stets zusammenhalten und füreinander da sind, auch wenn es auf den ersten Blick anders erscheinen mag. Da treffen wir zum Beispiel (wieder) auf Nonna Tommasina, die unter ihrer harten Schale einen verletzlichen Kern versteckt, deren drei Hündchen, die ungewöhnliche Gewohnheiten pflegen und natürlich auf die Geschwister Chiara und Graziano, die wir möglicherweise ebenfalls schon aus dem Vorgängerband „Capri bedeutet für immer“ kennen. Schnell finde ich mich in der malerischen Via dell’Amore zurecht, erfreue mich an feinsten Sfogliatelle (typisches Blätterteiggebäck) und filigranem Schmuck, lausche den plaudernden Menschen und blicke am Abend über das sich sanft kräuselnde Meer. Neben der Romantik gibt es aber auch allerlei Hürden wie Krankheiten oder hinterhältige Winkelzüge zu bewältigen, sodass der locker-leichte Sommerroman durchaus seine Ernsthaftigkeit und Tiefe bekommt.

Eine überaus lebendige Geschichte voller Atmosphäre tut sich hier auf, die lebensechten Charaktere, die malerischen Orte und ein gefühlvoller Schreibstil laden ein zum Verweilen. Leseempfehlung!

Bewertung vom 24.07.2025
Bilinszki, Nina

My Italian Lovestory


sehr gut

Sizilien mit Auswahl

Da ihr Vater sich das Bein gebrochen hat und ihre Hilfe braucht, unterbricht Emilia ihr Auslandspraktikum und kehrt vorübergehend zurück auf das heimische Weingut in Sizilien. Aber nicht nur der Vater hat Probleme, auch mit den Rebstöcken scheint etwas nicht in Ordnung zu sein. Die beiden Angestellten Angelo und Paolo empfangen Emilia ganz unterschiedlich, mit dem einen ist sie schon seit Kindheit befreundet, mit dem anderen hatte sie bislang nur Ärger. Welchen Einfluss wird das gemeinsame Bangen um den Wein auf die Gefühlswelt der drei jungen Menschen ausüben?

Ein wunderschönes Buch mit liebevollen Illustrationen darf man hier in Händen halten. Jedes der 25 Kapitel wird von stimmungsvollen Aquarellen begleitet, bisweilen gibt es Informationen und Tipps zu regionalen Speisen samt entsprechenden Rezepten. Schon das alleine spricht für diesen hübschen Geschenkband. Allerdings bietet dieser noch sehr viel mehr, nämlich eine Geschichte, in welcher der Leser selbst bestimmen kann, wie es weitergeht, ob wir lieber in die Berge fahren oder an den Strand, ob eher Angelo oder Paolo in der nächsten Szene die Hauptrolle spielen soll. So geht es kreuz und quer durch die Seiten, man blättert vor und zurück und sucht sich seine jeweils bevorzugte Möglichkeit aus. Eine süße Romanze hält Nina Bilinszki für uns bereit, wobei man da leichte Abstriche in Kauf nehmen muss, nicht immer verläuft der Anschluss von einem Wahlkapitel zum nächsten ganz rund, trotz der Probleme am Weingut handelt es sich um eher unkomplizierte Szenen, die Leichtigkeit und Urlaubsgefühl vermitteln. Fast zu schnell verläuft die Zeit mit Emilia, schon ist man an einem Ende angelangt, zum Glück hat man dann aber immer noch die Option, das andere Buch im Buch zu lesen. Beide Varianten könnten etwas tiefgründiger sein, dennoch hat man stets Spaß, egal, ob Angelo oder Paolo an Emilias Seite steht.

Als Geschenk oder für eigene entspannte Stunden – My Italian Lovestory ist ein mit Liebe gestalteter Band, der sich an all jene Leser richtet, die gerne mehrere Varianten eines Handlungsverlaufes zur Wahl haben möchten und sich an hübschen sommerlichen Bildern erfreuen.

Bewertung vom 24.07.2025
Völler, Eva

Der Sommer am Ende der Welt (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Der Kinderkur auf der Spur

Um mehr über das schreckliche Schicksal der Verschickungskinder zu erfahren, über die unvorstellbaren Erziehungsmethoden der gestrengen und kaltherzigen „Tanten“, über die Unbarmherzigkeit, der einst auch ihre eigene Mutter ausgesetzt gewesen ist, reist Journalistin Hanna gemeinsam mit ihrer fast sechzehnjährigen Tochter Katie auf die Nordseeinsel Borkum. Während sie für ihren Artikel recherchiert, sieht sie sich einerseits so mancher Anfeindung ausgesetzt, andererseits entwickelt sie romantische Gefühle für den charmanten Inselarzt.

Ein heiterer Rahmen in Form einer leicht knisternden Liebesgeschichte fasst das tragische Geschehen rund um die Kurkinder in ihren Erholungsstätten ein, sodass das Lesen stets abwechslungsreich bleibt und die Beschreibung der Gräueltaten in einem erträglichen Ausmaß gehalten wird. Kurz wird auch das Thema Lebensborn angeschnitten, sodass an dieser Stelle jedenfalls eine Triggerwarnung zu den beiden genannten Punkten ausgesprochen werden darf. Besonders gut gelungen finde ich den Aufbau der Handlung: in erster Linie geht es um unsere 40jährige Journalistin Hanna, deren einzelne Tage auf Borkum beleuchtet und sehr warmherzig erzählt werden. Für ihre Nachforschungen interviewt sie Sabine, die selbst als Kind sechs Wochen im Borkumer Heim Villa Aurelia zugebracht hat und schildert, woran sie sich Jahrzehnte später noch erinnert. Dazu kommen Tagebucheinträge aus der Sicht einer Erzieherin und ein süßer kurzer Schulaufsatz, der mich zum Schmunzeln bringt. Diese geschickte Verknüpfung unterschiedlicher Handlungsstränge bewirkt ein gutes Gleichgewicht zwischen Freud und Leid und lässt durchaus auch heitere Szenen zu in all den komplizierten Verstrickungen, die sich in kurzer Zeit auftun.

Lebensnahe Figuren mit vielfältigen Gedanken und Gefühlen, eine Handlung, die enorm großen Bezug zu realen Geschehnissen setzt und nicht zuletzt ein geschliffener Schreibstil bieten bewegende Momente, die in ein unterhaltsames Umfeld eingebettet sind. Wer sich also für Verschickungskinder und die Aufarbeitung familiär verwurzelter Schuld interessiert, wird hier anregende Stunden finden, von mir gibt es eine Leseempfehlung.

Bewertung vom 22.07.2025
Tuokko, Kaisu

Gerächt sein sollst du / Die Morde von Kristinestad Bd.1 (eBook, ePUB)


sehr gut

Bergholm und Manner

Ein Siebzehnjähriger wird tot im Meer vor Kristinestad aufgefunden, es könnte sich um Selbstmord handeln, da der Schüler ein Einzelgänger gewesen und gemobbt worden ist. Kriminalkommissar Mats Bergholm leitet die Ermittlungen, wobei er auf seine Jugendfreundin, die Journalistin Eevi Manner trifft.

Lebendig und bildreich schildert Kaisu Tuokko das Geschehen, die detaillierte Beobachtung von Mensch und Tier steht hier im Vordergrund. Auch viele persönliche Einzelheiten rund um Mats und Eevi prägen diesen Roman und drängen den Kriminalfall mitunter in den Hintergrund. Obwohl ich Privates grundsätzlich gerne mag, um die Figuren (insbesondere bei einer Serie) besser kennenzulernen, ist es hier mit Eevis Problemen fast schon ein bisschen zu viel. Vom Schreibstil her liest sich die Handlung flüssig, lediglich an einzelnen Stellen wirken die Dialoge eher hölzern als authentisch. Geschickt gewählt sind die Kapitel mit ihrer Kürze und die ab und zu eingestreuten Tagebucheinträge, welche die Spannung steigern, aber noch nichts verraten.

Sehr gut gelungen sind der Aufbau der Geschichte und die schrittweise Annäherung an die Wahrheit, die Hintergründe, welche einen Todesfall nach sich gezogen haben. Die Kulisse einer Kleinstadt, wo jeder jeden kennt, ist passend gewählt, dennoch will niemand etwas Näheres wissen, das den Polizisten Max Bergholm und Line Bäckström weiterhilft. Dafür erhält Eevi Manner einen wichtigen Hinweis. Am Ende geht es dann Schlag auf Schlag, eine logische Auflösung wird präsentiert.

Interessante Themenkomplexe, eine eingehende Betrachtung zwischenmenschlicher Beziehungen und einfühlsame Hauptfiguren, die Ursachen suchen und sie auch verstehen wollen – ein schöner Auftakt für eine neue Krimireihe.

Bewertung vom 21.07.2025
Caspian, Hanna

Schwestern des brennenden Himmels


ausgezeichnet

Dreimächtekonferenz

Auf Schloss Cecilienhof in Potsdam treffen Churchill, Truman und Stalin aufeinander, um nach Beendigung des Zweiten Weltkriegs über das Schicksal Deutschlands zu beraten. Dabei werden auch die persönlichen Lebenswege von Ann Miller vom ATS (Auxiliary Territorial Service, Frauenabteilung des britischen Heeres) und von Corporal Jackson Powers, Fahrer beim amerikanischen Hauptquartier, nachhaltig beeinflusst.

Die Potsdamer Konferenz im Sommer 1945 dient als historische Kulisse für ganz persönliche Schicksale im und nach dem Zweiten Weltkrieg. Ziemlich nahe an realen Begebenheiten und stellvertretend für viele Menschen auf beiden Seiten der Kriegsparteien spielt sich die Handlung in Hanna Caspians bewegendem Roman „Schwestern des brennenden Himmels“ ab. Wir lernen Ann Miller kennen, die während des Kriegs im Londoner Hyde Park bei der Fliegerabwehr beschäftigt ist und später als Übersetzerin arbeitet, bevor sie nach Deutschland fliegt, um bei der Organisation der Dreimächtekonferenz von Berlin mitzuwirken. Dort lernt sie den charismatischen und lebenslustigen Amerikaner Jackson Powers kennen und gerät schnell in ein Dilemma zwischen Moral und Eigennutz.

Hervorragende Recherche (bis hin zu lustigen Details) untermauert die historisch relevanten Szenen, in welche eine fiktive Geschichte eingeflochten ist. Bewegend, beklemmend und berührend ist das Buch von der ersten bis zur letzten Zeile. Durch unterschiedliche Blickwinkel erkennt man, dass jede Seite ihren Gegner als eine Nation von Monstern ansieht und man erst näher hinsehen muss, um zu erkennen, dass nicht alle über einen Kamm geschoren werden können. Einzelne Familien werden herausgegriffen, um Beweggründe für das individuelle Handeln zu erklären, ja, um eine hoffnungsvolle Zukunft möglich werden zu lassen. Überaus authentisch, mit sehr lebendigen Figuren, geht es durch einen Sommer, der die Welt nachhaltig prägt. Besonders die Entwicklung so mancher Person ist beeindruckend. Und nicht zuletzt trägt Hanna-Caspians feinfühlig getroffene Wortwahl zu einem großartigen Leseerlebnis bei: sie erzählt detailliert und lässt auch Grausamkeiten nicht aus, driftet dabei jedoch niemals in eine voyeuristische Darstellung ab.

Ein anrührendes und aufrüttelndes Buch, das Information und Romanhandlung auf wunderbare Weise miteinander verknüpft und mir fesselnde Lesestunden beschert hat. Ich empfehle es daher sehr, sehr gerne weiter!

Bewertung vom 19.07.2025
Weinert, Steffen

Eisfeld - Dunkle Enthüllungen / Mara Eisfeld ermittelt Bd.2


ausgezeichnet

Journalistenmord

Mara Eisfeld hat erst kürzlich ihren ersten Fall als Leiterin der 9. Mordkommission im Berliner LKA bravourös gemeistert, da wird schon der nächste Tote gemeldet: ein bekannter Investigativjournalist ist direkt vor dem Verlagshaus mitten in Berlin erschossen worden. Während die Ermittlungen immer gefährlicher werden und schließlich auch noch eine sehr persönliche Wendung nehmen, spitzen sich auch in Maras Privatleben die Ereignisse immer weiter zu.

Mara Eisfeld ist mir schon von ihrer früheren Ermittlung rund um Katharina S. in guter Erinnerung, sodass ich natürlich sehr neugierig auf „Dunkle Enthüllungen“ war. Und auch hier enttäuscht Autor Steffen Weinert seine Leser nicht, die lebensnahe Darstellung sämtlicher Figuren sorgt für ein realistisches Bild beim Leser, der Kriminalfall hat zwar meinen Geschmack nicht ganz so perfekt getroffen wie zuletzt, ist aber jedenfalls spannend und logisch aufgebaut. Insbesondere die privaten Szenen rund um Mara lassen die Hauptkommissarin authentisch erscheinen, auch sie ist keinesfalls fehlerfrei und tappt sogar in eine gefinkelte Falle. Wohldosierte Spannungsmomente, humorvolle Episoden und ein Ende, das keine Fragen offen lässt, lassen diesen Krimi zu einem Leseerlebnis werden, die flotte Sprache Weinerts trägt nicht zuletzt dazu bei.

Eine tolle Krimireihe mit einer Leiterin der 9. Mordkommission als Hauptfigur, die mit ihrer Nähe zum realen Leben punkten kann. Ich komme gerne wieder nach Berlin, wenn es einen weiteren Fall gibt!

Bewertung vom 18.07.2025
Lambert, Thérèse

Wenn die Blätter wieder tanzen (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Stiller Widerstand

Berlin verändert sich während des Nationalsozialismus, man traut sich nicht mehr, seine Meinung zu äußern, überall könnten Spitzel und Denunzianten etwas falsch verstehen. Aber deshalb muss sich Ruth noch lange nicht der Hetze gegen Juden anschließen, ganz im Gegenteil, versucht sie, Freunden zu helfen, indem sie Verfolgte in ihrer Wohnung übernachten lässt, sie in verlassenen Scheunen mit Essen versorgt oder Flugblätter vervielfältigt und verteilt – sie ist ein Teil der Hitlergegner, die stillen Widerstand leisten.

Beruhend auf Notizen in Ruth Andreas-Friedrichs Tagebuch dürfen wir einen Blick auf die Zivilbevölkerung während des Zweiten Weltkriegs werfen. Ruth und ihre Tochter Karin engagieren sich völlig uneigennützig und selbstverständlich für all jene, die Hilfe und Unterstützung brauchen. So geht es von den ersten Gerüchten um die Abholung von Juden quer durch die Jahreszeiten und die immer gefährlicher werdenden Momente bis hin zu erschütternden Bombenangriffen, bevor es endlich ein Aufatmen am Ende des Krieges gibt. Mit vielen historisch verbürgten Persönlichkeiten bekommt diese Geschichte eine starke Realitätsnähe, vermittelt sehr gut vorstellbar, wie man Ängste beiseiteschiebt und seiner Überzeugung entsprechend handelt.

Wenn die Blätter wieder tanzen ist ein wichtiges Erinnerung- und Mahnmal, das es sich zu lesen lohnt, denn unabhängig von den hier benannten Jahren ist der Mut zu menschlichem Handeln stets zeitlos.

Bewertung vom 17.07.2025
Hokin, Catherine

The Secret Hotel in Berlin


ausgezeichnet

Heldin oder Hassfigur

Zufällig laufen einander Lili Falck, die ursprünglich Krauss geheißen hat, und Marius Rodenberg über den Weg, eine Jüdin und ein „echter Deutscher“, was im Jahre 1929 noch kein großes, aber im Laufe der Zeit ein zunehmend größeres Problem wird, insbesondere, da die beiden heiraten und Lili sich erst spät ihrem Mann offenbart. An der Seite des Besitzers des renommierten Hotels Edel in Berlin steht nun eine elegante und selbstbewusste Frau, die sich quasi versteckt, indem sie offen den Führer empfängt und ihm lächelnd Champagner einschenkt. Eine bessere Maske kann sie kaum ersinnen, niemand ahnt etwas von ihrer jüdischen Herkunft. Auf diese Weise ist sie gerade prädestiniert dafür, verfolgte Juden durch den Hotelkeller in die Freiheit zu schleusen. Eine Heldin im Widerstand, die aufgrund ihrer augenscheinlichen Nähe zu den Nazis gleichzeitig für viele (auch Jahrzehnte später) eine Hassfigur ist.

Eine schöne Rahmenhandlung verquickt auf wunderbare Weise die Geschichte während des Zweiten Weltkriegs mit den Jahren 1990/91. Im Mittelpunkt steht das Hotel Edel, ein Ort, der dem Führer ein zweites Wohnzimmer ist, fünfzig Jahre später an eine Hotelkette verkauft werden und in neuem Glanz erstrahlen soll. Überaus realistisch erzählt Catherine Hokin aus unterschiedlichen Perspektiven und lässt sowohl die Vergangenheit als auch die Zeit der Enkelgeneration lebendig werden. Welche Beweggründe treiben die junge Lili dazu, ihren Namen zu ändern, warum schließt sie sich dem Widerstand an, wie reagiert ihr Ehemann, als er sich der Uniform nicht länger erwehren kann? Viele Fragen, die im Laufe der Handlung eingehend beleuchtet und beantwortet werden. Ähnlich verhält es sich im zweiten Handlungsstrang mit Lucy und Adam in den Hauptrollen, die nach dem Mauerfall danach trachten, das Edel wieder auf den besten Platz unter den Berliner Hotels zu bringen. Dass sich durch die gründliche Recherche zwecks einer möglichst naturgetreuen Restaurierung der Kreis zum Krieg und zu familiären Banden schließt, ist da noch nicht abzusehen.

Historische Detailtreue und fiktive Geschehnisse, die sich nahe an realen Begebenheiten orientieren, prägen diesen erschütternden Roman. Eine tapfere Frau, geleitet von Anstand und Moral, möchte einerseits den Verfolgten helfen, andererseits aber auch ihre Tochter schützen. Wie sie mit diesem Dilemma umgeht und wie man in den folgenden Generationen darüber denkt, das erzählt Catherine Hokin hier auf sehr eindrückliche Weise. Leseempfehlung!

Bewertung vom 17.07.2025
Friewald, Gerlinde

Das Versprechen der Medica (eBook, ePUB)


sehr gut

Delia in Alexandria

Obwohl sie das jüngste Kind ist und noch dazu ein Mädchen, unterweist der Arzt Adelphos von Delos seine Tochter Delia in allen Fragen rund um die Heilkunst. Sein ganzes Wissen findet sich nicht nur auf gut gehüteten Papyrusrollen, sondern auch im Gedächtnis Delias, die unerbittlich lernen musste. Als sich im Jahre 65 v.Chr. eine Gesandtschaft an Wissenschaftlern im Museion von Alexandria ankündigt, ist Delia aufgeregt. Wird sie als Frau teilhaben dürfen an den Diskussionen mit den anderen Ärzten? Und steht das ganze Aufeinandertreffen wirklich unter einem sehr schlechten Stern, wie die Astrologen vorhersagen?

Es ist dieselbe Delia, die ich bereits bei einem Abenteuer in Rom kennenlernen durfte, nicht minder spannend ist alles, was sie hier in Alexandria erleben muss. Dank genauer Recherche durch Gerlinde Friewald wird die Zeit der Antike rasch lebendig, erfährt der Leser Interessantes über damalige Gepflogenheiten und das Wesen der Wissenschaft. Wie selbstbewusst die junge Delia aufgrund ihrer Kenntnisse auftreten kann, ja schwierige medizinische Eingriffe ohne zu zögern meistert, ist beachtenswert, dennoch befürchtet sie anfangs, dem Austausch mit den angereisten Ärzten nicht gewachsen zu sein. Aber schon das erste Beisammensein belehrt Delia eines Besseren, die Fremden sind nicht nur ausgesprochen höflich, sondern durchaus interessiert an ihrer Meinung – bis ein Unglück auf das andere folgt.

Besonders ansprechend ist auch diesmal wieder Friewalds Schreibstil, eher nüchtern, schnörkellos, aber dennoch überaus einnehmend. Delia erzählt in der Ich-Form, während andere Szenen aus neutraler Sicht geschildert werden, da wie dort kann man sich als Leser stets gut einfühlen in die jeweilige Situation. Viele Figuren kreuzen unseren Weg, nicht immer hätte ich auf den ersten Blick erkannt, wer einem wohlgesonnen ist und wer sich hinter einer geschickten Maske verbirgt.

Wie schon bei „Das Schicksal der Medica“ wurde ich auch in Alexandria sehr gut unterhalten und empfehle daher beide Romane gerne weiter.