Benutzer
Benutzername: 
Magnolia
Wohnort: 
Bayern

Bewertungen

Insgesamt 204 Bewertungen
Bewertung vom 09.08.2025
Williams, Hattie

Bittersüß


gut

Vergiftete Beziehungsverhältnisse

Die junge Charlie arbeitet in der Presseabteilung eines Londoner Verlages, in dem auch der erfolgreiche Autor Richard Aveling unter Vertrag ist. Als sie sich zufällig begegnen, ist sie von seiner Ausstrahlung beeindruckt und kann es gar nicht glauben, dass er sie als Person wahrnimmt. Es kommt, wie es kommen muss, sie beginnen eine Affäre, die sich für sie bald als äußerst toxisch erweist. Ab sofort wartet sie immer nur darauf, dass er sie in seine Londoner Wohnung zitiert. Dann ist sie happy, dann lässt sie alles und alle stehen, um ihm seine Wünsche zu erfüllen. Natürlich muss dies im Geheimen stattfinden, denn Richard ist verheiratet. Und – selbstredend besteht seine Ehe nur mehr auf dem Papier, was denn sonst.

Hattie Williams hat einen durchaus unterhaltsamen Roman über Abhängigkeiten und toxische Machtverhältnisse geschrieben. Der charismatische, allerdings sehr egoistische Richard weiß um seine Wirkung auf Frauen, was er für sich zu nutzen weiß. Da kommt ihm die unerfahrene, naive Charlie gerade recht. Er fordert permanent alles für sich ein, sie ist von ihm emotional total abhängig, vernachlässigt ihre Freunde und ist für ihn immer auf Abruf bereit. So oder so ähnlich sind diese äußerst toxischen Abhängigkeiten schon zigmal geschrieben und verfilmt worden. Dieses Auf und Ab der Gefühle nimmt viel Raum ein, erst später dann wendet sich für Charlie das Blatt auf nochmal sehr bittere Art.

Die Story ist voller Klischees, sie ist vorhersehbar – älterer Mann macht junge Frau von sich abhängig, der Alkohol fließt zu jeder Tages- und Nachtzeit in Strömen, dazu gesellt sich Tablettenmissbrauch. Die toxische Beziehung immer im Vordergrund ist „Bittersüß“ eine leichte Sommerlektüre, die schnell weggelesen ist.

Bewertung vom 08.08.2025
Gerstberger, Beatrix

Die Hummerfrauen (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Von drei starken Frauen, die unterschiedlicher nicht sein könnten

Männer sind es für gewöhnlich, die zum Fischen rausfahren. Zumindest assoziiere ich diesen doch schweren, sehr anstrengenden Beruf eher mit einem starken Mann denn einer zarten Frau. Soweit mein Vorurteil, das so nicht ganz stimmt, wenngleich Hummerfischerinnen, von denen ich lese, eher selten sind. Aber doch gibt es sie.

„Die Hummerfrauen“ faszinieren mich jede für sich. Ann ist mit ihren 72 Jahren die älteste der drei Hummerfischerinnen. Sie lebt schon lange alleine. Fast alleine, denn Mr. Darcy, der blaue Hummer, hat sein Aquarium in ihrem Haus. Die Frage, ob er denn freiwillig hier wäre, kann sie mit JA beantworten, denn sie hat ihn schon mehrfach am Strand ausgesetzt, ihn ins Meer getrieben. Er aber ist immer wieder zu ihr zurückgekrabbelt.

Auch die 54jährige Julie hat ihre ganz eigene Geschichte. Schon vor ihrem schweren Unfall hatte sie einen mitunter scharfen Ton drauf, sie eckt gern mal an, wer sie aber besser kennt, weiß um ihre Hilfsbereitschaft. Sie lernt das Hummerfischen als Achtermann bei Nat und ist nun mit ihrem eigenen Boot draußen, hat ihre Kapitänslizenz und auch Fangrechte. Einst hat sie Nat das Schwimmen gelernt, was unter Fischern nicht üblich ist. Warum sie nicht schwimmen können? Da hab ich erst mal schlucken müssen…

„Du wirst es nicht glauben, ich habe eine Meerjungfrau im Haus.“ Was für ein Kraut sie denn geraucht hätte, wird Ann gefragt. Nun, Ann hat Mina (28) aufgenommen, sie wurde am Strand aufgelesen und zu ihr gebracht - vorerst bleibt sie bei ihr. Schon früher war die kleine Mina mit ihren Eltern und ihrem großen Bruder in Maine. Als Kind trifft sie auf den Fischerjungen Sam, dem sie nun, als erwachsene Frau, wiederbegegnet.

Beatrix Gerstberger hat sich viel mit Hummerfischerinnen unterhalten, wie sie verrät. Sie war für ein halbes Jahr direkt in einem Hummerfischerdorf. Sie schreibt vom Leben und von der Liebe, von Verlust, den jeden treffen kann und von der Trauer und deren Bewältigung. Jeder geht anders mit Schicksalsschlägen um und so manch raue Schale, die nach außen hin gezeigt wird, hat einen weichen Kern. Der generationenübergreifenden Zusammenhalt der Dorfbewohner schwingt mit, ebenso ein Gespür für den Kummer und Schmerz der anderen. Nicht jeder kann die Schatten der Vergangenheit hinter sich lassen, Mina etwa geht ganz anders damit um wie Sam.

Zwei Zeitebenen wechseln sich ab, wobei der Sommer 1982 viel von der Familie Gray aus Philadelphia erzählt. Richard und Judith Gray verbringen mit ihren Kindern Christopher und Mina ihre Ferien. Wir bekommen einen tiefen Einblick in das Familienleben, die so unterschiedlichen Figuren sind fein gezeichnet, nicht jeder ist sympathisch. So auch im Jahr 2000, in dem so manche Beziehung auf dem Prüfstand steht. Sie leben im Einklang mit der Natur, sie wissen um die Vergänglichkeit jeglichen Lebens.

Es wird zunehmend intensiver. Je mehr ich von ihnen allen weiß, desto klarer wird mein Bild, auch das des Hummerortes und dessen Bewohnern, die alle von Hummerfang abhängig sind. Das Hineinfinden ins Buch verlangt schon Aufmerksamkeit, sobald ich aber die einzelnen Charaktere verinnerlicht, je mehr ich gelesen habe, desto weniger mochte ich das Buch zur Seite legen.

Bewertung vom 04.08.2025
Allende, Isabel

Mein Name ist Emilia del Valle (eBook, ePUB)


sehr gut

Eine kluge Frau inmitten des chilenischen Bürgerkrieges 1891

Molly Walsh besteht darauf, dass ihre Tochter eine del Valle ist. Ihr Name ist: Emilia del Valle. 1866 wird sie in San Francisco geboren, ihr Papo ist ihr ein liebevoller Vater, wenngleich er nicht ihr Erzeuger ist. Dieser ist ein Spross der einflussreichen chilenischen Familie del Valle, er hat sich Molly, die auf dem besten Wege zur Nonne war, einst mit Gewalt genommen. „Molly Walsh wurde nie zur Nonne, und jede Hoffnung auf Heiligkeit, die sie in ihrer frühen Jugend genährt haben mochte, wurde binnen Tagen zunichte gemacht von einem chilenischen Herrensöhnchen mit erheblichem Vermögen, einnehmendem Äußeren und wenigen Skrupeln. Sein Name war Gonzaló Andrés del Valle.“ Er war ihr Vater.

Ihr Papo aber, ihr Stiefvater, war es, der ihr von klein auf Selbstbewusstsein vermittelt hat. „Du bist klüger als die anderen, vergiss das nicht“ hat er oft zu ihr gesagt.

Das Schreiben war von jeher Emilias Passion, sie schreibt und veröffentlich unter dem Pseudonym Brandon J. Price sehr erfolgreich Groschenromane, was ihr jedoch nicht mehr genügt. Sie bewirbt sich bei einer Zeitung. „Bei uns gibt es keine Journalistinnen“, wird ihr bei ihrer Bewerbung gesagt. Sie aber lässt sich nicht abwimmeln. „Deshalb bin ich hier. Ihre Zeitung braucht mich“ meint sie lapidar. Und sie beweist, was sie kann. Sie wird eingestellt, sie wird unter ihrem richtigen Namen schreiben.

Der Ich-Erzählerin Emilia folge ich zunächst nach New York. Ihre beruflichen und auch ihre amourösen Momente zeigen eine selbständige, eine neugierige, eine freiheitsliebenden Frau. Dieser erste Eindruck verfestigt sich dann später, als sie mit ihrem Kollegen Eric nach Chile geht, um über den dortigen Bürgerkrieg zu berichten. Und sie ist nicht nur dabei, sie ist mittendrin. Daneben sucht sie ihren leiblichen Vater und gleich mal muss sie damit aufräumen, am Erbe interessiert zu sein.

Zu Isabel Allendes Büchern greife ich, seit ich vor langer Zeit „Das Geisterhaus“ gelesen habe. Mit Chile verbindet sie, die Weltbürgerin, ihr ganzes Leben. „Mein Name ist Emilia del Valle“ legt den Focus auf die chilenische Revolution von 1891, bei der Schlacht von Carcón war ich gefühlt an vorderster Front. Als Kriegsreporterin durchlebt Emilia die Schrecken des Krieges, Eric und sie berichten von unterschiedlichen Stellen und irgendwann trifft Emilia dann eine für sie richtige Entscheidung. Mehr möchte ich dazu nicht sagen. Nur so viel:

Es lohnt sich, Isabel Allendes neuestes Buch zu lesen. Man wird direkt hineinkatapultiert in eine längst vergangene Zeit, in ein uns fremdes Land. Und doch lernt man eine emanzipierte, eine sehr kluge Frau kennen und schätzen, die ihren eigenen Weg geht.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 01.08.2025
Lott, Sylvia

Duftwickensommer


sehr gut

Von Duftwicken in all ihrer Vielfalt, von Liebe und mehr…

„Das ist eine historische viktorianische Duftwicke, Lathyrus odoratus.“ Oje, ein Fachidiot, denkt sie noch, als er sich als Biologe vorstellt, der für den Nationalpark Wattenmeer tätig ist, der den aktuellen Bestand seltener Wildpflanzen erforscht. Die erste Begegnung zwischen Marieke und Tibo ist eher nüchtern, sie werden sich von nun an noch öfter über den Weg laufen.

Marieke hat sich in die Villa Cupani verliebt. Es ist ein kleines Häuschen auf Borkum, das nach ihrer Scheidung der perfekte Rückzugsort ist. Sie freundet sich mit Alwine, ihrer schon älteren Nachbarin, an, die ihr von Anni erzählt, einer Frau, die einst hier gelebt hat.

Sylvia Lott lädt mich ein, ein Stück weit mit Marieke zu gehen und auch mit Anni, der ich im Jahr 1911 begegne. Diese beiden Zeitebenen wechseln sich ab. Marieke im Hier und Jetzt ist eher antriebslos, Alwine dagegen steckt voller Tatendrang. Bei Tee und gebuttertem Stutenbrot tauchen sie ein in Annis Geschichte, die auf Willow Hill als Vorleserin für Katherine Moss, der Gattin eines Teegroßhändlers, ihren Unterhalt verdient. Als eines Tages ein Wettbewerb für den schönsten Strauß aus selbstgezogenen Wicken von der Daily Mail ausgelobt wird, ist Anni sofort Feuer und Flamme. Und nicht nur sie, auch ihre Freundinnen Millie und Meg könnten das Preisgeld gut gebrauchen.

Den Wickenwettbewerb hat es tatsächlich gegeben, auch kämpften zu dieser Zeit Frauen um ihr Wahlrecht, allen voran die historischen Persönlichkeiten Emmeline Pankhurst und Ethel Smyth, die in die Geschichte geschickt integriert sind wie auch Lord Northcliffe, der Begründer der Daily Mail. Anderes ist fiktiv, das Gesamtpaket an sich kann sich sehen lassen.

Beide Erzählstränge haben ihren Reiz, auch kommt die Liebe nicht zu kurz, wobei mir das Geschehen um Anni noch etwas mehr zugesagt hat. Ihre Freundinnen Meg und Millie sind wie sie bei hohen Herrschaften in Stellung und natürlich erfahren wir so einiges Pikantes. Auch der (Geld)Adel ist nicht frei von so manch üblen Machenschaften, von Intrigen und Anspruchsdenken, das Sittenbild dieser Jahre und die gesellschaftlichen Gepflogenheiten sind gut eingefangen. Mit den Protagonisten habe ich mitgefiebert, die meisten davon waren mir durchaus sympathisch, zu allen hatte ich ein authentisches Bild vor Augen. In der Jetztzeit gefällt mir die charismatische, zupackende Alwine trotz aller Schicksalsschläge ausgesprochen gut. Marieke, die dabei ist, Altes loszulassen, um Neues in ihr Leben zu lassen, wirkt dagegen etwas blass.

"Duftwickensommer" ist ein zauberhafter, kurzweiliger Roman - perfekt zum Wegträumen. Und über allem erfüllen der betörende Duft und die Blütenvielfalt der Wicken die Luft.

Bewertung vom 31.07.2025
Geschke, Linus

Der Trailer / Donkerbloem Bd.1


ausgezeichnet

Was geschah in Camp Donkerbloem?

„Willkommen im Camp Donkerbloem.“ Lisa kann zunächst für eine Nacht hier bleiben. Der Angestellte der Campinganlage muss erst mit seinem Chef reden, denn soviel er weiß, ist der Platz für dieses Wochenende ausgebucht. Sie bekommt den Wohnwagen mit der Standnummer W3 zugewiesen, der sich am Ende der Anlage, dicht am See, befindet. Dies war vor fünfzehn Jahren, seither fehlt von Lisa jede Spur.

Und nun, in der Gegenwart, spricht die Hauptkommissarin Frieda Stahnke in einem Podcast über diesen Vermisstenfall. Noch ahnt sie nicht, was sie damit lostritt und auch sie selber lässt dieser Fall nicht mehr los. Sie trifft auf den halbseidenen Wount Meertens und seinen Angestellten Tayfun, auch mischt Wounts Mieterin Kathinka mit. Wount war damals, als Lisa verschwand, in Camp Donkerbloem, was ihn per se verdächtig macht.

Das erste Buch der Donkerbloem-Trilogie war in Rekordgeschwindigkeit ausgelesen, Linus Geschke hat mich wiederum vollkommen überzeugt und natürlich fiebere ich den beiden Nachfolgebänden gespannt entgegen, auch wenn es noch gefühlt ewig dauern wird, bis ich „Das Camp“ (02.26) und „Die Schlucht“ (07.26) in Händen halte.

Die Story lebt von den wechselnden Schauplätze und den Figuren, die - jede für sich - gut ausgearbeitet sind. Da ist (neben so einigen anderen Gestalten) Frieda, die wegen einer anderen Geschichte suspendiert ist, die aber hier nicht locker lässt, auch wenn sie momentan eher in einer Grauzone unterwegs ist. Auch Wount, dieser Unterwelttyp, der nichts anbrennen lässt, ist ein vielschichtiger Charakter mit Ecken und Kanten nicht zu knapp und so zart Kathinka auch ist, lässt sie sich nicht so einfach wegschieben. Sie alle sind nicht unbedingt nett, aber tough und unerschrocken sind sie allemal.

Gleich mal erleben wir Lisa, die durch die Nacht rennt, sie versucht dem Grauen zu entkommen. Was genau sich hier abspielt, sickert schon durch und doch weiß man nichts, auch wenn die Gedanken beim Lesen permanent rattern. Der Podcast schreckt so einige Typen auf, die damals auf dem Campingplatz waren. Bei anderen wiederum ist nicht klar, warum sie dermaßen alarmiert agieren. Wer ist Opfer, wer ist Täter? Es geht um Missbrauch, um Gewalt und Wut, die oftmals einen klaren Blick verhindert und wie Linus Gescheke so treffen schreibt, ist Wut auch die Beschützerin der Trauer.

„Der Trailer“ ist absolut fesselnd, die Handlung ist durchdacht - ein Thriller-Schmankerl vom Feinsten.

Bewertung vom 30.07.2025
Slaughter, Karin

Dunkle Sühne / North Falls Bd.1 (eBook, ePUB)


sehr gut

Abgründe tun sich auf in North Falls

Die 15jährige Madison steht ein wenig abseits, während sie die Leute von North Falls beobachtet. Alle warten gespannt auf das große Feuerwerk anlässlich des Unabhängigkeitstages. Madison ist mit ihrer Freundin Cheyenne verabredet, aber sie verspätet sich wieder mal.

Deputy Emmy Clifton hat an diesem 4. Juli Dienst wie viele ihrer Kollegen. Sie spricht kurz mit Madison, der Tochter ihrer besten Freundin Hannah, die sie von klein auf kennt. Später dann erinnert sich Emmy, dass das Mädchen ihr noch etwas sagen wollte, widrige Umstände haben dies jedoch verhindert. Und nun macht sie sich Vorwürfe, denn beide Mädchen sind verschwunden, lediglich ihre Fahrräder werden gefunden. Darüber zerbricht die Freundschaft zu Hannah.

Neben Emmy, der wir hier hauptsächlich folgen, ist es auch ihr Vater, Sheriff Gerald Clifton, der alle Hebel in Bewegung setzt, um die beiden Mädchen zu finden. Sie stellen gefühlt halb North Falls auf den Kopf, die gründliche Suche in den Zimmern der Mädchen fördert so einiges zutage, vor allem Cheyenne scheint nicht das brave Kind gewesen zu sein, für das ihre Eltern sie halten. Auch führen Spuren zu etlichen zwielichtigen Typen und nicht nur Drogen sind im Spiel, auch gerät einer ins Visier der Ermittler, der als der Perverse bekannt ist. Emmy geht immer und immer wieder mögliche Szenarien durch, es ist ein Wettlauf gegen die Zeit, denn stündlich sinken erfahrungsgemäß die Überlebenschancen der entführten Mädchen.

Neben der nervenaufreibenden Ermittlungsarbeit sind es auch die Cliftons, die hier leben und die in aller Ausführlichkeit umschrieben sind. Gut, es ist eine große Familie, aber nicht jedes Mitglied muss ich explizit einordnen können. Bei so einigen hätte es eine kurze Erwähnung auch getan, denn dem Thriller wird dadurch so einiges an Tempo genommen. Das war es dann schon mit meiner Kritik, denn die Handlung ist komplex und ziemlich kompliziert. Akribische Kleinarbeit ist gefordert. Dabei lässt die Spannung nie nach, ich lebe und leide mit den einen und hoffe, dass andere, mir sehr verdächtige Gestalten, ihre gerechte Strafe erhalten. Was aber beileibe nicht so einfach ist, denn Jahre später geht es wieder los. Wieder verschwindet ein Mädchen, wieder fordert sie der Fall und als ob es nicht genug wäre, schwingt eine private Sache bedrohlich mit.

Karin Slaughter bürgt für spannende Lesestunden. Ihre Charaktere sind keine Superhelden, sie wirken authentisch, sind nahbar, zweifeln auch mal und müssen so manch Rückschläge hinnehmen. Sie geben nicht auf, letztendlich werden die Fälle nach so etlichen überraschenden Wendungen dann aufgeklärt. Ein lange gehütetes Geheimnis innerhalb der Kernfamilie jedoch bleibt offen, ich bin gespannt auf den nächsten Band.

Bewertung vom 28.07.2025
Jackson, Holly

Not Quite Dead Yet


gut

Sieben letzte Tage, die gut genutzt werden wollen

„Not Quite Dead Yet“ ist mein erster Thriller von Holly Jackson. Das sehr einladende Cover zieht mich formlich zum Buch, auch die erste Beschreibung klingt vielversprechend.

Jet Mason kommt nach der ausgelassenen Halloween-Feier nach Hause, dort wartet eine für sie beinahe tödliche Überraschung. Sie wird von hinten angegriffen, die Schläge auf den Kopf lassen sie zu Boden gehen. Ihr Jugendfreund Billy findet sie, er ruft sofort die Rettung. Im Krankenhaus dann der Befund: Ein durch die Schläge verursachtes Aneurysma wird sie in spätestens sieben Tagen umbringen. Als Alternative käme eine risikoreiche OP infrage, allerdings wäre die Überlebenschance mit zehn Prozent äußerst gering. Jet entscheidet sich gegen diese OP.

Ab jetzt beginnt das Staunen. Jet verlässt das Krankenhaus, sie will ihren eigenen Mord aufklären - ein absolut cooles Szenario, sie läuft zur Hochform auf. Noch habe ich die leise Hoffnung, dass sie doch überleben wird.

Zunächst ermittelt sie akribisch die genaue Tatzeit, keiner der herbeigerufenen Polizisten ist dazu in der Lage. Sie rekonstruiert den Verlauf des Halloween-Abends, macht sich mit einem Vorschlaghammer an einem Fundament zu schaffen, das sie einen Meter in die Tiefe wie nix zerschlägt und die Brocken beiseite schmeißt – selbst Billy, der immer an ihrer Seite steht, kommt da nicht mit. Es geht noch weiter, ich hab hier nur ein Detail herausgegriffen, um zu verdeutlichen, wie unwirklich, ja unmöglich dies alles anmutet. Wie nebenbei entdeckt sie auch noch so manch kriminalistische Ader im familiären Umfeld, auch rettet sie ihren Ex-Freund vor dem Gefängnis. Auch hier hat sie den siebten Sinn, auch hier versagt die Polizei kläglich.

Gut, die Story hat mit der Wirklichkeit nichts zu tun, was bei Thrillern des Öfteren vorkommen soll. Was mich daran stört, ist diese geballte Kraft, die trotz schwerer Kopfverletzungen nie nachlässt. Ich hätte mir etwas mehr Realität gewünscht, ein wenig mehr Glaubhaftigkeit. Trotz allem habe ich das Buch gerne gelesen, der rasante, kurzweilige Schreibstil hat so einiges gut gemacht, kann aber meinen Gesamteindruck nicht so ganz abfedern. Wer die Logik über Bord wirft, ist hier gut bedient, spannend ist und bleibt das Buch bis zuletzt.

Bewertung vom 28.07.2025
Sauer, Anne

Im Leben nebenan (MP3-Download)


sehr gut

Was wäre wenn… ein spannendes Szenario

„Vielleicht denk ich mir einfach ein zweites Leben für mich aus“ hatte sie gemeint…

Toni wacht auf und fühlt sich wie im falschen Film. Wo ist sie? Und wem gehört dieses Baby? Gut, sie und Jakob, ihr langjähriger Freund, haben einen Kinderwunsch, doch bis jetzt hat es nicht geklappt. Also – das Baby ist nicht ihres, auch ist ihre Wohnung in der Großstadt eher beengt und diese hier ist direkt luxuriös, die Umgebung vertraut – hier, in diesem Dorf, ist sie aufgewachsen, wie ein Blick aus dem Fenster verrät. Es war eben noch Sommer…

…und plötzlich ist es Herbst. In diesem anderen Leben ist sie Antonia, sie lebt mit Adam im Dorf ihrer Kindheit, sie hat Mann und Kind.

Was wäre wenn? Ein spannendes Szenario, direkt abstrakt. Anne Sauer erzählt zwei Geschichten parallel - von Kinderwunsch und Mutterschaft, von Toni und von Antonia. Das Hineinfinden in diese beiden Leben war zunächst befremdlich, da alles andere als alltäglich. Aber bald konnte ich mich damit anfreunden, dieses Wechselspiel hat mir zunehmend Spaß gemacht.

Ich hab mich darauf eingelassen, mich zurückgelehnt und mir „Im Leben nebenan“ von Chantal Busse vorlesen lassen. Sie ist für dieses Buch die absolut richtige Sprecherin, ihre jugendliche Stimme passt hervorragend zu der jungen Toni bzw. zu Antonia. Sie hat Anne Sauers Idee, zwei Lebensszenarien nebeneinander aufzuzeigen, perfekt in Szene gesetzt.

Bewertung vom 28.07.2025
Kelly, Julia R.

Das Geschenk des Meeres


ausgezeichnet

So traurig und doch so wundervoll

Es ist Winter in Schottland, wir schreiben das Jahr 1900. Wir beobachten Joseph, als er mitten auf der Straße von Skerry einen kleinen Jungen trägt. Er hält auf das Haus des Pfarrers zu, der Junge hustet, er hat nur einen braunen Stiefel an. Am Strand hat er ihn gefunden, wird er später berichten. Auch in Mrs Browns Laden wird diese Szene registriert und an Jahre zuvor erinnert, als an diesem Strand ein Junge verschwand, der diesem Jungen verblüffend ähnlich sieht. Als ob das Meer ihn nach all der Zeit zurückgebracht hätte.

Julia R. Kelly hat einen leisen, einen sehr atmosphärischen Roman geschrieben, der von Dorothy erzählt. Wie sie ihre Stelle als Lehrerin hier antritt. Sie kommt direkt aus Edinburgh, von Begräbnis ihrer Mutter. Dort hält sie nun nichts mehr, der Pfarrer holt sie vom Bahnhof ab, er bringt sie direkt ins Schulhaus. Erzählt wird auch von dem Joseph, dem Fischer und vom Leben noch so einiger anderer, die das große Glück suchen, das sie nicht unbedingt finden. Sie alle haben viele Geheimnisse, Lügen und Intrigen machen so manchem das Dasein schwer, es geht und Verlust und Neuanfang, um Schuld und Schuldzuweisungen, um Trauer und um die Liebe geht es auch.

„Das Geschenk des Meeres“ erzählt von einer eingeschworenen Gemeinschaft, in der es auch Außenseiter gibt. Dorothy ist eine davon, sie möchte in ihrer Unsicherheit es jedem recht machen. Sie weiß, dass sie tuscheln, dass sie genauestens beobachtet wird. Ihre Gefühle zu einem Mann lässt sie nicht zu, obwohl es beide zueinander hinzieht. Irgendwann heiratet sie den Falschen, sie bekommt ihren kleinen Jungen, den sie Moses tauft und dieser Junge ist es, der eines Tages verschwindet. Zuletzt wird er am Strand gesichtet. Und nun erinnert alles an Moses, Dorothy bietet an, sich um den anderen, gerade dem Meer entkommenen Jungen zu kümmern. Wer ist dieser Junge? Wo kommt er her? Alte Geschichten werden hervorgekramt und immer wieder sind es Dorothy und Joseph, die im Focus stehen. Die Frauen treffen sich in Mrs Browns Laden. Hier wird gestrickt, gebacken und getratscht, die Männer findet man eher im Pub.

So traurig und doch so wundervoll ist diese Geschichte, die zuweilen wie entrückt daherkommt, die mich sehr beeindruckt hat. Gebannt bin ich Dorothy gefolgt, der ich öfter mal zurufen wollte, nicht so viel auf das Geschwätz der Leute zu geben. Nicht nur sie hatte ich direkt vor Augen, auch die anderen Charaktere sind gut gezeichnet, zu jedem einzelnen hatte ich genaue Vorstellungen. Ihre Wünsche, ihre Sehnsüchte und die raue Wirklichkeit sind authentisch und gut nachvollziehbar beschrieben. Daneben ist das Leben an sich um 1900 gut eingefangen. Die Rolle des Mannes und der der Frau sind klar definiert, Romantik hat hier nicht unbedingt Platz. Kälte, Regen und Schnee verstärken die düstere Stimmung, dazu das Meer und das Mystische um die Wellenkinder, die ihnen zuflüstern, mitzukommen. Und ja - dieses so eindrucksvolle Buch ist es wert, gelesen zu werden.

Bewertung vom 27.07.2025
Völler, Eva

Der Sommer am Ende der Welt


sehr gut

Bewegend, erschütternd, emotional

Die Journalistin Hanna reist mit ihrer 15jährigen Tochter Katie nach Borkum, sie will neben ihren Recherchen um die Verschickungskinder, die hier in den 1960er Jahren für jeweils sechs Wochen zur Erholung hier waren, auch ein wenig Privatleben genießen. Sie mieten sich im luxuriösen Dünenschloss ein, das von Isa Martens und ihrem Bruder Jan Guterson betrieben wird.

Früher diente das Haus, die damalige Villa Aurelia, als Erholungsheim für Kinder. Aus dem Ruhrgebiet kam Sabine, mit der Hanna jetzt in Kontakt ist, mit sechseinhalb Jahren zur gleichen Zeit nach Borkum wie ihre Mutter Cornelia, die damals noch jünger war. Für die Kinder, die den Sommer über der Willkür der Betreiber dieser Heime ausgesetzt waren, waren es schreckliche Wochen, die sie Zeit ihres Lebens verfolgten. Als erstes wurden sie ihrer Namen beraubt, sie wurden durchnummeriert, Kopfnüsse und Ohrfeigen waren an der Tagesordnung, der Tag genauestens durchstrukturiert, minderwertiges Essen wurde ihnen notfalls eingetrichtert, auch kam es zu Medikamententests, die ärztliche Versorgung wurde vernachlässigt, es waren schlichtweg Horrorwochen.

Es sind zwei sich abwechselnde Zeitstränge, von denen ich lese. Hanna findet heraus, dass hinter diesem System der Verschickungskinder viele Institutionen beteiligt waren. Missstände wurden vertuscht oder bagatellisiert, den Kindern, die es wagten, von ihren seelischen und körperlichen Qualen zu berichten, wurde nicht geglaubt. Hannas Recherchen über diese Verschickungskinder und dem ganzen Hintergrund drumherum gefallen auch heute nicht jedem. Je mehr sie gräbt, je mehr sie herausfindet, desto mehr erkennt sie, warum ihre Recherchen boykottiert werden.

Die beiden Erzählstränge greifen ineinander über. Hanna findet vor ihrer Tür ein altes Tagebuch, später dann eine Karte mit einem entscheidenden Hinweis. Auch die Gespräche mit der heute älteren Sabine geben viel von dem stramm geführten Heim preis.

Eva Völlers Schwester war in den frühen 1960ern auf Norderney, sie hat nach ihrer Kur weniger gewogen als zuvor. Ihr Bruder war auf Borkum und erst jetzt, nach vielen Jahren des Schweigens, hat er sich ihr doch geöffnet. Dieser familiäre Hintergrund hat sie letztendlich dazu bewogen, diesen Roman zu schreiben, der aufwühlt, der fassungslos macht.

Die Figuren und die Örtlichkeiten sind fiktiv, die Thematik allerdings ist es nicht. Der Roman legt den Finger auf dieses finstere Kapitel, diese Heime und die Erziehungsmethoden waren sehr real. Borkum hat sich schon früh mit dem Stempel „judenfrei“ gebrüstet, begehrte Objekte waren alsbald in den Händen strammer Nationalsozialisten. Auch wird der Bogen bis nach Litzmannstadt und den Kinder-KZ, dem heutigen Lodz, gespannt. Dieser Handlungsstrang von damals ist so eindringlich, so bewegend geschildert, dass die Geschichte um die private Hanna direkt banal wirkt. Und doch lockern so einige wenige Szenen dieses doch sehr ernste Thema etwas auf. Ein Roman, der aufwühlt, ein Roman, der gelesen werden will.