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Benutzername: 
heinoko
Wohnort: 
Bad Krozingen

Bewertungen

Insgesamt 582 Bewertungen
Bewertung vom 03.03.2023
Ruhm und Verbrechen des Hoodie Rosen
Blum, Isaac

Ruhm und Verbrechen des Hoodie Rosen


gut

Sehr gemischtes Urteil

Eigentlich schien mir der Inhalt dieses Buches sehr interessant und lesenswert. Der Konflikt zwischen selbstverständlichem jüdischen Leben und antisemitischem Gedankengut hielt ich für ein wichtiges Thema für jugendliche Leser. Doch nach Lektüre des Buches bin ich mir (allerdings als sehr viel älteres Semester) sehr unsicher, ob dieses Buch die Jugendlichen wirklich erreicht.

Hoodie Rosen hat einen recht langweilig-normalen Alltag. Chips essen, Lehrer ärgern, den Attacken der Schwestern entfliehen. Normal halt. Dann lernt er Anna-Maria kennen, verliebt sich von jetzt auf gleich in sie. Als er mit ihr zusammen Hakenkreuze von einem jüdischen Grabstein entfernt, was er für gut und richtig hält, gerät er mitten hinein in einen großen Konflikt. Hoodie’s Familie sieht das anders, denn Anna-Maria ist die Tochter der Bürgermeisterin, die der jüdisch-orthodoxen Gemeinschaft den Kampf angesagt hat. In den Augen von Hoodie’s Familie begeht er durch die Verbindung zu Anna-Maria Verrat. Jetzt sitzt Hoodie zwischen den Stühlen und muss sich entscheiden…

Der Schreibstil ist recht angenehm, insbesondere die eingestreuten humorvollen Stellen lockern das eigentlich sehr ernste Thema auf. Auch sind einige Situationen sicher ganz bewusst recht überspitzt dargestellt. Nicht immer konnte ich alle Handlungen der Hauptperson wirklich nachvollziehen, obwohl ich eine gewisse Sympathie für Hoodie hegte. Die gebotenen Einblicke in das orthodoxe jüdische Leben waren eigentlich auch recht interessant, da ich mich damit bislang noch nie befasst hatte und keine Kenntnisse hatte. Gleichzeitig jedoch bin ich streckenweise völlig ausgestiegen und habe Teile des Textes nur noch überflogen, weil mir die vielen fremden hebräischen Begriffe und Namen die Lust am Weiterlesen nahmen, da mir diese unbekannten Wörter für Feiertage oder Lebensmittel oder Gebräuche kein Begriff waren und im Verlauf auch unverständlich blieben, weil sie nirgends erklärt werden. Auch hatte ich Schwierigkeiten mit dem vom Autor gewählten Spagat zwischen heiter-lockerer Erzählweise und dem Darstellen einzelner brutaler Schilderungen.

Kurzum: Mein Urteil über dieses Buch bleibt sehr gemischt. Interessant wäre zu erfahren, ob Jugendliche einen besseren Zugang zum Inhalt haben als ich, die ich zwei Generationen älter bin als die Zielgruppe.

Bewertung vom 23.02.2023
Anpfiff! / Die Zauberkicker Bd.1
Schreuder, Benjamin

Anpfiff! / Die Zauberkicker Bd.1


ausgezeichnet

Fußball und Magie

Eine ungewöhnliche Mischung bietet dieses Buch, das mit dem Titel „Anpfiff!“ den Einstand in eine neue Fortsetzungsreihe bietet. Ob die Kombination Fußball und Magie für fußballbegeisterte Jungs und Mädchen funktioniert, würde ich gerne vorlesend bei 8-10-Jährigen ausprobieren, denn ich bin nach Lektüre nicht sicher.

Ben hat es nicht leicht, weil sein Fußballtrainer nicht viel von ihm hält und seinen eigenen Sohn regelmäßig bevorzugt. Ben fehlt der Glauben an sich selbst und ist oftmals Opfer für Hänseleien. Doch welch eine Überraschung! Ben erhält die Einladung zu einer Probewoche im Fußball-Internat Tannwald. Seine Mutter und seine kleine Schwester glauben fest an ihn und machen ihm Mut, diese Chance zu nutzen. In der altehrwürdigen Schule lernt er recht skurrile Erwachsene kennen, aber auch einen sprechenden Waschbär. Sehr seltsam. Die Jungs, die auch an dieser Probewoche teilnehmen, können alle viel besser Fußball spielen als er selbst. Da hilft doch tatsächlich nur ein wenig Magie?

Der unsichere, manchmal recht verpeilte Ben ist eine sehr sympathische Hauptperson, in die sich die Kinder sicher gut einfühlen können. Dass seine absolute Leidenschaft das Fußballspielen ist, tritt schon auf den ersten Seiten sehr deutlich zu Tage, und zwar so sehr, dass Leser, die von Fußball keine Ahnung haben, nicht mehr weiterlesen werden, was sehr schade wäre. Auch die anderen Akteure im Buch werden sehr lebendig beschrieben, was es Lesern leicht macht, vertraut mit ihnen zu werden, insbesondere da so manche Verhaltensweisen sicher aus dem eigenen Umfeld bekannt sind. Und wer möchte nicht einen sprechenden Waschbär mit besonderen Fähigkeiten haben? Überhaupt schreibt der Autor sehr frisch-frech-lebendig und baut in Band 1 eine gewisse Spannung auf, sodass man unbedingt weiter lesen möchte. Die eingestreuten Illustrationen lockern den Text auf. Damit und mit der etwas größeren Schrift fällt das Lesen leichter.

Bewertung vom 23.02.2023
Das Sanatorium / Ein Fall für Elin Warner Bd.1
Pearse, Sarah

Das Sanatorium / Ein Fall für Elin Warner Bd.1


gut

Starker Beginn, der sich ins Unlogische verliert

Hat Reese Witherspoon tatsächlich den Thriller von Sarah Pearse gelesen, dem sie „Gänsehaut pur!“ attestiert? Ich glaube nicht.
„Le Sommet“ war einstens ein Sanatorium für Tuberkulosekranke, bis es schließlich mehr und mehr verfiel und zu einem typischen Lost Place wurde. Nach Jahren des Leerstands fanden jedoch zwei befreundete Architekten Gefallen an dem riesengroßen Gebäude, das mit seiner Lage, teils tief versteckt im Wald und überragt von drohenden Berggipfeln, ideal zu sein schien für ein Luxushotel der Extraklasse. Nach vielen Jahren der Planung und des Baus, oftmals angefeindet von Naturschützern und überschattet vom rätselhaften Verschwinden des Daniel Lemaitre, dem Architekten mit Visionen, ist das Fünf-Sterne-Hotel nun fertiggestellt. Elin Warner, ein Detective Inspector, derzeit beruflich freigestellt, reist zur Verlobungsfeier ihres Bruders Isaac an. Für Elin ist die Beziehung zu ihrem Bruder durch ein früheres, unausgesprochenes Drama belastet. Sie hat Angst vor der Begegnung. Da verschwindet Isaacs Verlobte, dann geschieht ein Mord. Und ein gewaltiger Schneesturm mit Lawinenabgang schneidet das Hotel von der Außenwelt ab. Die Gäste sind in dem riesigen Gebäude mit einem Killer gefangen.
Ein Plot also, der alles bietet, was ein atemberaubender Thriller braucht. Und so startet das Buch auch: Mit viel atmosphärisch geschilderter wachsender Spannung. Der Autorin gelingt es, ihre Schilderungen, insbesondere die der Umgebung und Natur, mit allen Sinnen zu schildern. Ebenso detailfreudig werden die Gestimmtheiten der handelnden Personen in allen Feinheiten beschrieben. Insbesondere die Gefühle von Elin werden geradezu seismographisch erspürt und in Worte gefasst. Diese Feinfühligkeit der Autorin ist ihre Stärke, aber auch ihre Schwäche. Denn je weiter der Thriller voranschreitet, desto mehr verlieren sich die Schilderungen in sich selbst, werden unlogisch, dienen nicht mehr dazu, die Handlung voranzubringen. Und damit verlieren die Protagonisten, allen voran Elin, an Glaubwürdigkeit. Aber auch die Sprache wird zunehmend nüchterner und emotionsärmer. Dadurch gelingt es dem Leser immer schwerer, sich lesend in die Handlung hineinzufinden. Die Spannung verliert sich.
Fazit: Ein starker Plot, ein starker Beginn, aber im Verlauf stetig schwächer, unlogischer und spannungsärmer werdend.

Bewertung vom 16.02.2023
Rebel Beauty - Entdecke sieben Wege, um zu erfahren, wie einzigartig du bist!
Christopher, Bethan

Rebel Beauty - Entdecke sieben Wege, um zu erfahren, wie einzigartig du bist!


weniger gut

Ein Buch der guten Absichten

Tja, was soll ich von diesem Buch halten? Der Anspruch, den das Buch an sich selbst stellt, ist sicher gut und wichtig. Ja, es ist wichtig, dass junge Mädchen (und nicht nur die) nicht blind in die Fallen der Social-Media-Scheinwelt tappen. Ja, es ist wichtig, Selbstwahrnehmung mit den Augen der Selbstakzeptanz zu schulen. Ja, es ist wichtig, das Selbstwertgefühl generell zu stärken. Aber kann das dieses Buch, kann das überhaupt ein Buch? Schön wäre es. Aber ich glaube es nicht.

„ Rebel Beauty“ kommt rein äußerlich daher wie ein Ausmalbuch für Kinder. Das halte ich bereits für das erste Hindernis. Teenies möchten ernst genommen werden, und zwar ernst genommen wie Erwachsene untereinander. Das sollte sich auch in der gesamten Gestaltung des Buches widerspiegeln. Da sind Schnörkel, Ausmalbilder, Mandala und Blümchen nicht sehr geschickt. Und durch Ausfüllen von Listen und Zettel ins Buch Kleben geschieht keine Änderung der (Selbst)Wahrnehmung. Ein erster Schritt ist richtigerweise, den Ist-Zustand zu analysieren. Aber zur Analyse fehlt das Gegenüber, die Reibung und damit der eigentlich notwendige Schritt oder die Chance zur Veränderung. Die Verlockungen der Social Media Kanäle sind viel zu stark, haben eine viel zu große Suggestivwirkung, als dass eine Übung des „Label“-Umschreibens (natürlich wieder in einer Liste) tatsächlich wirksam sein könnte. Und hilft die etliche Seiten lange Exkursion über den weiblichen Zyklus tatsächlich bei der Entdeckung der „inneren Schönheit“?

Vielleicht ist das Buch tatsächlich für manche junge Mädchen eine gute Anregung. Vielleicht haben manche junge Mädchen tatsächlich Lust auf Listen-Schreiben und das dadurch angeregte Nachdenken über sich selbst. Doch ich wage die Behauptung, dass diese Mädchen durchaus schon von sich aus auf einem guten Weg sind. All die vielen jungen Mädchen, die tief verunsichert sind, weil in all den Jahren VOR Beginn der Pubertät bereits viel schief gelaufen ist und die durch Nacheifern fraglicher Ideale glauben, endlich all das zu erlangen, was ihnen von früher Kindheit an gefehlt hat – all diesen Mädchen wird nur ein therapeutisch ausgebildetes Gegenüber helfen. Leider nicht dieses Buch der guten Absichten.

Bewertung vom 12.02.2023
Vogel entdeckt - Herz verloren
Coenen, Antonia;Juranek, Philipp

Vogel entdeckt - Herz verloren


ausgezeichnet

Wie man Vögel in sein Leben lässt

Selten hat mir ein „Sach“buch so viel Freude, Anregung und Wissenserweiterung gebracht wie das vorliegende. Trotz meines gewaltigen Ärgers darüber, dass man heutzutage nicht mehr Vögel beobachtet, sondern „Birding“ betreibt.

Das Autorenpaar hat wohl einige Berühmtheit erlangt durch ihren Podcast „Gut zu Vögeln“. Sympathisch sind mir die Beiden, weil sie sich nicht als Fachleute darstellen, die ihr Wissen mit den Unwissenden teilen. Sondern weil sie ihre persönliche Leidenschaft auf extrem kurzweilige Weise durch viele Anekdoten und Erlebnisse angereichert an uns weitergeben in der Hoffnung, dass der Funke auf den Leser überspringt. Bei mir jedenfalls ist diese Hoffnung voll aufgegangen. Ohne besserwisserischen Zeigefinger wird dem Leser ans Herz gelegt, wie wichtig es für die Natur (und damit für uns) ist, Vögel zu unterstützen. Und wie wertvoll es ist, wenn wir lernen, unsere Augen und unsere Wahrnehmung zu öffnen für die Vögel. Denn erst wenn wir etwas wirklich wahrnehmen, schafft dies ein Gefühl der Wertschätzung und der Verantwortung. „Man sieht nur was man weiß“ – auf nichts passt diese Aussage besser als auf dieses Buch. Schade nur, dass das Cover nicht im geringsten den Wert des Buches transportiert. Schade auch, dass die Schrift zu klein ist und damit das Lesen unnütz erschwert.

Dass die Spatzen in den Großstädten wie Paris oder Berlin ausgestorben sind, sollte uns erschrecken. Dass die Goldammer trotz des Verbotes in Frankreich gemästet und von Sterneköchen nach wie vor zubereitet wird, sollte uns genauso erschrecken. Spätestens als ich das herzzerreißende Foto des armen gerupften Vögelchens mit aufgetriebenem Bauch anschaute, wuchs in mir der Wunsch, mehr zu erfahren, besonders darüber, was ich persönlich tun kann. Kurzweilig, lebendig, humorvoll, mit etlichen Ausflügen in die Kultur, kurzum sehr unterhaltsam ist dieses Buch.
Lesen Sie es!

Bewertung vom 31.01.2023
Julian und Anisa und das Wunder vom Wacholderpark
Lebert, Benjamin

Julian und Anisa und das Wunder vom Wacholderpark


ausgezeichnet

Ein Kinderbuch, das wohltut und stärkt

Wenn die Geschichte in einem Kinderbuch mit einem Happy End abschließt, gibt es sicher so manche Kritik: So ist die Wirklichkeit nicht. Kinder erwartet keine heile Welt usw. usw. Doch ich persönlich bin immer beglückt von einem Kinderbuch, das die Wirklichkeit zwar nicht in Rosarot hüllt, aber dennoch zu einem guten, zu einem heilsamen Ende führt. Warum denn nicht? Lernen Kinder (und Erwachsene) nicht viel leichter von Beispielen, die zum Guten führen als von Darstellungen negativer Inhalte? Mir jedenfalls hat das Buch von Benjamin Lebert rundum außerordentlich gut gefallen. Gerade weil es gut ausgeht!
Julian ist ruhig, in sich gekehrt, sammelt Wörter und schreibt Gedichte. Er leidet an Epilepsie und wird deshalb von Schulkameraden als „Zitteraal“ verspottet. Anisa dagegen ist ein Wirbelwind, immer aktiv, frech und laut. Erst später in der Geschichte erfahren wir, dass sie bereits Schlimmes hatte durchstehen müssen. Julian mag Anisa. Er mag die Buchstaben in ihrem Namen. Sein Opa rät ihm, zum „Detektiv der Liebe“ zu werden. Und so beobachtet Julian Anisa aus der Ferne. Als er wieder einmal zum hilflosen Mobbingopfer wird, tritt völlig überraschend Anisa für ihn ein. Was sich daraus entwickelt, müsst ihr unbedingt selber lesen.
Der Autor erzählt sehr einfühlsam und sensibel, fast möchte ich sagen vorsichtig. Er erzählt von wahrer Stärke und der Kraft, die darin liegt, Schwäche zeigen zu können. Er erzählt davon, dass es gut ist, deutlich Stellung zu beziehen gegen Unrecht, und wie dies andere mitzieht. Und er erzählt davon, wie viel Kraft im Miteinander liegt. Er erzählt von Freundschaft und davon, dass jeder etwas Besonderes ist. Die Warmherzigkeit, die in der Geschichte liegt, springt direkt auf den Leser über. Gleichzeitig ist die Handlung auch spannend und überraschend. Die große Schrift, die kurzen Absätze und die passenden Illustrationen lassen das Buch auch für Kinder, die noch nicht so gut lesen können, zu einem rundum schönen, gelungenen Leseerlebnis werden.

Bewertung vom 31.01.2023
Der Inselmann
Gieselmann, Dirk

Der Inselmann


ausgezeichnet

Wunderbares Wortgemälde

Eigentlich geschieht nicht besonders viel in diesem kleinen Büchlein. Und doch transportiert es einen unglaublichen Reichtum, der mich beim Lesen und noch lange danach beglückte. Ein Buch, das man dauerhaft um sich haben möchte, um immer wieder einmal weg vom Alltag abzutauchen in die wunderbare Welt der Wortgemälde, die der Autor hier geschaffen hat.

Der zurückhaltende, schüchterne Junge Hans zieht mit seinen Eltern auf eine unbewohnte Insel, weit weg von Umtriebigkeit und Lärm. Und es beginnt gleichermaßen seine Reise nach innen und ein Verwachsen mit der Natur, die ihn umgibt, unspektakulär und innig. Alleinsein als Reichtum. Hans wächst dabei, fühlt sich als Herr der Insel. Doch die Kindheit endet abrupt, Hans muss zur Schule, wird getrennt von den Eltern und von seiner Welt der Steine und Pflanzen. Aber Hans verweigert sich, schwänzt die Schule, rudert immer wieder zur Insel. Vergebens, der Vater gewährt ihm keinen Zutritt mehr. Erst nach Jahren gelingt es Hans, sein Reich wieder in Besitz zu nehmen und in die für ihn so beglückende Einsamkeit zurückzukehren.

Fasziniert bin ich von der wunderbar poetischen Sprache, die so viel mehr transportiert als nur reine Kopfbilder. Ich habe beim Lesen den Eindruck, die Geräusche der Natur zu hören, mit dem Wind zu schwingen, vermoderndes Laub zu riechen. Für den Autor hat jedes Wort ein eigenes Gewicht, das Gewicht der Steine oder der Bäume, das Gewicht des Feuers oder des Wassers. Alles verlangt nach richtigen Wörtern. Aber nicht nur das. Dirk Gieselmann findet auch die Wörter hinter den Dingen, für Gefühle wie Schwermut, Ergebenheit oder Reichtum in der Stille des Augenblicks. Es ist gut, wenn es beim Lesen dieses Buches ganz still ist, damit man die Wortgemälde in all ihren Farben genießen kann.

Bewertung vom 24.01.2023
Frankie
Köhlmeier, Michael

Frankie


weniger gut

Was soll ich mit dieser Lektüre anfangen?

Auf der Buchrückseite steht neben anderen Lobesäußerungen auch „Eine erzählerische Meisterschaft, die ihresgleichen sucht.“ Tja, offensichtlich reicht mein Literaturverständns nicht aus, denn weder erzählerische Meisterschaft konnte ich erkennen noch fand ich Rebellion und Befreiung, schon gar nicht Initiation, wie auf der Umschlaginnenseite versprochen.
Was ich stattdessen fand, waren die Schilderungen eines vierzehnjährigen Jungen, der Rituale liebt, gerne kocht, Filme mit seiner Mutter zusammen guckt und für sein Alter recht schlicht im Denken ist. Dieser Frank beobachtet zwar sorgfältig, aber diese Beobachtungen führen zu nichts, schon gar nicht zu Rebellion oder Befreiung.
Nach 18-jährigem Gefängnisaufenthalt wird der Großvater in die Freiheit entlassen. Die Mutter von Frank will mit ihrem Vater nichts zu tun haben, aber Frank, vom Großvater „Fränkie“ genannt, ist auf eine rätselhafte Weise von seinem Großvater fasziniert. Dieser Großvater hat eine einschmeichelnde Seite, aber auch eine harte, tyrannische, brutale Seite. Das war der Inhalt, ganz grob umrissen. Mehr ist nicht und kommt auch nicht. Das Ende bleibt offen – und der Sinn des Buches bleibt mir verborgen.

Fazit: Ich habe keine Ahnung, warum man diesen Roman lesen sollte. Für mich jedenfalls war es vertane Lesezeit.

Bewertung vom 17.01.2023
Cäcilias Erbe / Gut Erlensee Bd.2
Weinberg, Juliana

Cäcilias Erbe / Gut Erlensee Bd.2


sehr gut

Angenehmes Lesefutter für trübe Tage

Es gibt im Leben so gewisse graue Tage mit Novemberstimmung, an denen es ein Buch braucht, das einen in eine andere Welt verschlägt, an denen man das Leben mit den Protagonisten teilt und deren Gefühle mitfühlt. So erging es mir jedenfalls mit dem vorliegenden Buch, das mich das schlechte Wetter um mich herum vergessen ließ. Zwar hatte ich den Band 1 nicht gelesen, was jedoch keinen negativen Einfluss hatte darauf, die aktuelle Handlung in allen Zusammenhängen zu verstehen.

Kurz zur Handlung: Anfang der Zwanziger Jahre in der Nähe von Kiel schließt die junge Cäcilia Herringer ihre Ausbildung zur Lehrerin erfolgreich ab und freut sich unendlich darauf, Kinder mittels der neuen modernen Reformpädagogik zu unterrichten. Zu dieser Zeit mussten Frauen noch auf Ehe und Kinder verzichten, wenn sie ihren Beruf ausüben wollten, was Cäcilia in große Konflikte stürzt, als sie dem einfühlsamen Physiker Jakob Kaltenbrunner begegnet. Auf Gut Erlensee, auf dem Cäcilia lebt, gibt es innerhalb der Familie etliche Konflikte, auch die zunehmende Inflation wirft ihre Schatten. Doch was wird aus Cäcilia?

Der Roman ist, wie oben schon erwähnt, ein sehr angenehm zu lesendes Lesefutter. Die handelnden Personen werden lebendig und differenziert geschildert. Man hat als Leser keine Mühe, sich in deren Gefühle und Gedanken einzufühlen und ihren Lebensweg ein Stück weit zu begleiten. Überhaupt wird episch breit erzählt, was aber an keiner Stelle zu Langeweile führte. An den leicht antiquiert wirkenden Sprachstil gewöhnt man sich schnell und empfindet ihn genau passend zum historischen Hintergrund. Allerdings nervten mich im Verlauf der knapp 400 Seiten zahlreiche Sprachwiederholungen. Ich weiß gar nicht, wie oft zum Beispiel „Kekse geknabbert“ oder „Haare verstrubbelt“ wurden. Auch kannte und kennt man weder 1922 noch heute in Nürnberg „Franzbrötchen“ (ich bin gebürtige Nürnbergerin).

Fazit: Angenehmes Lesefutter, unterhaltsam und leicht lesbar mit ein paar sprachlichen Verbesserungsstellen.

Bewertung vom 06.01.2023
Wintersterben
Krüger, Martin

Wintersterben


sehr gut

Spannend-gruselige Lektüre mit kleinen Schwächen

Sowohl Titel als auch Cover kommen meiner Meinung nach zu harmlos daher, denn dieser Thriller hat es in sich. Im Guten wie im Schlechten.

Wir befinden uns in einem abgelegenen Dorf in den Walliser Alpen. Viele Häuser im Dorf haben vernagelte Fenster. Die Menschen leben in eisiger und schweigsamer Abgeschiedenheit. Als eine schrecklich zugerichtete Leiche mitten im Nirgendwo gefunden wird und klar wird, dass der Tote ein deutscher BKA-Mann war, entsendet Interpol seine beste Ermittlerin, Valeria Ravelli, zur Aufklärung in die verschneite Bergwelt. Zusammen mit ihrem neuen Kollegen versuchen sie auf getrennten Wegen, den Spuren des toten BKA-Mannes zu folgen, die auf rätselhafte Weise weit in die Vergangenheit reichen. Ravelli ahnt nicht, in welch tödliche Gefahr sie sich dabei begibt.

Allem sei vorangesetzt: Dieser Thriller hat mich von Anfang bis Ende großartig unterhalten. Die durchweg spannende Handlung nahm mich derart gefangen, dass ich das Buch kaum weglegen wollte. Dadurch störte es mich letztlich wenig, dass der Thriller nicht konsequent durchkomponiert war. Es gab einige lose Handlungsfäden, die nicht weiter bearbeitet wurden. Es gab Unglaubwürdigkeiten und Hinweise auf eine Vorgeschichte, die nicht erklärt wurden. Überhaupt bleiben etliche Fragen offen, auch beim fulminant inszenierten Schluss. Aber die eindrücklichen, atmosphärisch dichten und den Leser packenden Natur- und Situationsschilderungen ließen so manche Ungereimtheit beim Lesen vergessen. Bildhaft und intensiv ließ der Roman an so manchen Stellen ein schauderndes Gefühl von Horror und Bedrohung entstehen.

Fazit: Sehr spannender, fast gruselig zu nennender Thriller, dessen kleine Schwächen mein Lesevergnügen nicht minderten.