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Frankfurt

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Insgesamt 778 Bewertungen
Bewertung vom 18.06.2021
Trinick, Loveday;White, Teagan

Das Museum des Meeres


ausgezeichnet

Atemberaubende Welt unter Wasser
Hereinspaziert hereinspaziert, hier im „Museum des Meeres“ gibt es viel zu entdecken, dass ihr so sicherlich noch nicht entdeckt habt!
Loveday Trinick hat wundervolle Texte zu den atemberaubenden großformatigen Illustrationen von Teagan White geschrieben. Loveday Trinick arbeitet im National Marine Aquarium und ist eine britische Meeresbiologin. Ihren Beschreibungen und ihrer Texte merkt man die Leidenschaft für das Thema Lebensraum Meer an.
Dieses großformatige Bilderbuch ist zwar im klassischen Sinn ein Bilderbuch, aber es ist mit Nichten nur für Kinder oder gar kleine Kinder. Eher ein Bilderbuch für große Kinder und begeisterungsfähige Erwachsene! Denn dieses Buch strotzt vor Wissen und lädt und ein die verschiedensten Tiergruppen zu erkunden. Es beginnt bei den kleinsten, dem Plankton, wird größer bei den Nesseltieren, dann in Saal 3 erkunden wir die Weichtiere und Stachelhäuter. Gefolgt von Gliederfüßlern und dann endlich die offensichtlichste Gruppe: Fische. Abgerundet mit den Säugetieren, Vögeln und Reptilien. Hinzu kommt, dass in jeder Tierart-Sektion auch ein jeweiliger Lebensraum unter die Lupe genommen wird, wie beispielsweise die Mangroven oder der Tangwald.
Das Buch hat knapp unter 100 Seiten und lädt immer wieder zum Aufschlagen und Entdecken ein.
Besonders macht das Buch die schon erwähnten großartigen Illustrationen von Teagan White mit einer Liebe zum Detail gezeichnet! Die Fülle an Abbildungen ist man einfach nach dem Blättern Sattgeguckt! Genial.
Mich persönlich hat die Doppelseite zu den Kopffüßlern am meisten fasziniert!
Fazit: Hier lassen sich die vielen Meeresbewohner ohne Luftanhalten erkunden!

Bewertung vom 15.06.2021
Langroth, Ralf

Die Akte Adenauer / Philipp Gerber Bd.1


sehr gut

Packender Nachkriegspolit-Thriller

1953, Bonn, in der gerade sehr jungen Bundesrepublik Deutschland. Adenauer ist Kanzler und steht kurz vor der Wiederwahl. Und genau in dieser Zeit wird Philipp Gerber Kriminalhauptkommissar beim BKA und sein erster Auftrag ist die Aufklärung des Mordes seines Vorgängers! Eigentlich wollte er in die USA zurückkehren und dort als Juradozent tätig werden. Die Situation drehte sich rasant, den als ehemaliger US Special Agent eines Spionageabwehrkorps mit deutschen Wurzeln war er prädestiniert im BKA. Heikle Lage, spannend und strapaziös! Philipp Gerber findet mehr raus als nur einem Mörder auf die Schliche zu kommen. Neben ihm gibt es dann noch Eva Herden als zweite Protagonistin, die als Journalistin für die damalige Zeit emanzipiert und forsch den Dingen auf den Grund geht. Die Spannungslage zwischen ihren Ansichten macht die Geschichte umso spanneder.
Ralph Langroth ist der Autor dieses Kriminalromans, allerdings ist es ein Pseudonym unter dem ein bekannter Hannoveraner Krimiautor seinen neusten Coup gelandet hat: Die Akte Adenauer.
Der Krimi ist außerordentlich gut recherchiert und liest sich nur so weg. Ein wahrer Pageturner, wenn man an deutscher Geschichte Interesse hat. Wie anders doch die Sachlage damals war, wie frisch die mentalen Kriegswunden und die Situationen im Einzelnen sowie das große Ganze. So viel im Umbruch und zugleich im Finden. Der Spannungsbogen ist unterhaltsam und rundet die Geschichte gut ab.
Fazit: Wer gerne historisch mit Gereon Rath durch das Berlin der 20iger Jahre oder auch mit Max Heller durch das Nachkriegs-Dresden eilt, ist hier genau richtig. Philipp Gerber gesellt sich dazu!

Bewertung vom 15.06.2021
Schreiber, Constantin

Die Kandidatin


ausgezeichnet

Eine dystopische Utopie

Dieses Buch nimmt einem die Illusion an dem Guten in der Politik. Irgendwie schlummert tief in mir noch immer die naive Hoffnung, dass unsere Politiker uns in Würde vertreten und nur das Beste für uns, die gesamte Gesellschaft, im Auge behalten. Natürlich mit Abwägen, mit gewissen Konflikten, aber in der Summe vom Diskurs zu einem Zielzustand der viele Interessen im Blick hat.
Und dann kam dieser Roman „Die Kandidatin“ vom neusten Tagesschausprecher und Experte über den Nahen Osten Constantin Schreiber. Der Roman spielt in der zukünftigen politischen Landschaft in 30 Jahren, also ca. 2050. Deutschland ist den Weg des Wandels angetreten und nun steht eine muslimische Frau kurz vor der Kanzlerschaft. Der Roman ist reine Fiktion, aber so treffend und gut ausdekliniert, dass man es für bare Münze halten könnte. Mit voller Absicht enthält er einen Dynamit-Cocktail an Annahmen der Veränderung, den viele heute sicher absurd und zum Teil beängstigend fänden. Muslimische Quoten in Gesetzen verankert, die Rechten wieder auf dem Vormarsch. Dieser Roman ist eine Fortführung der Spaltung der Gesellschaft, eine Entwicklung die wir heute schon beobachten können. Es führt zur Radikalisierung auf allen Ebenen, zu intoleranten Toleranten und wenig offene Begegnungen. Und inmitten von diesem Szenario begleiten wir die Protagonistin Sabah Hussein, die sich als Feministin sogleich als Muslima und Karrieristin präsentiert. Gänzlich unsympathisch aus meiner Sicht, aber rund ausgestaltet und faszinierend angetrieben von ihrem Ziel den mächtigsten Posten des Landes zu erreichen: Sie will Bundeskanzlerin werden.
Das gelungene an dem Roman ist das augenöffnende Element wie schon heute nur um die Gunst der Wähler gebuhlt wird um selbst den Machtanspruch zu sichern, nur das es nicht mehr um die kleinen Themen geht wie Steuern rauf oder runter sondern um wesentliche Elemente der Demokratie wie Trennung von Religion und Staat. Politiker getrieben von Machtgelüsten egal welcher Colour, aber definitiv nicht mehr der Sache verschrieben, sondern einzig sich selbst.
Das Erscheinungs-Timing ist natürlich grandios gewählt, so kurz vor der Bundestagswahl 2021. Und mit knapp 200 Seiten eine gute Ergänzung zum tagespolitischen Geschehen.
Fazit: Mich hat der Roman fasziniert und vor allem schwirrt er mit weiterhin im Kopf herum, auch wenn die Lektüre bereits einige Tage zurückliegt. Er regt zur Diskussion und zur Auseinandersetzung außerhalb der eigenen Bubble ein. Lesen, diskutieren, einbringen!

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.06.2021
Graze, Linda

Schwarzwälder Morde / Schwarzwald-Krimi Bd.2


ausgezeichnet

Wie ‚Mord mit Aussicht‘ bloß im Schwabeländle

Willkommen im Schwarzwald, im beschaulichen Bad Wildbad! Hier wo die Welt noch in Ordnung ist passiert eigentlich nichts, außer dass sich mal der ein oder andere Rentner verirrt. Hierhin hat es Justin Schmäzle verschlagen als Kommissar aus der Großstadt und nun hockt er mit seinem Postenchef Scholz in seiner Wache. Langeweile stellt sich ein, aber dann geschieht doch etwas! Es wird eine Moorleiche gefunden und eine alte Fehde kocht hoch im Ort! Schnaps ist auch involviert, den die örtliche berühmte Schnapsbrennerei wird auch unter die Lupe genommen.
Linda Graze hat mit dem zweiten Fall des Kommissars Justin Schmäzle einen herrlich amüsanten Mitrate-Krimi geschrieben. Wenig Blut und viel zu lachen ohne dass es zu arg Komödie wird. Mir haben die Passagen der hochschwäbischen wörtlichen Rede sehr gut gefallen. Gut getroffen, amüsant, auch wenn es natürlich klischeehaft ist. Meine schwäbische Verwandtschaft möge es mir nachsehen, dass ich hier doch die ein oder andere Parallele gesehen und vor allem gehört habe!
Es war bereits der 2. Fall und ich kannte den ersten nicht. Kam aber auch so gut in den Fall und in das Leben des Kommissars und des Dorfes, pardon, des Ortes hinein. Was bemerkenswert gut ist um die Diversität der deutschen Kommissarenlandschaft zu erweitern: Der Kommissar is POC (Person of Color) und somit, soweit ich mich erinnere, der einzige farbige Kommissar! Großartig aus meiner Sicht, dass es nicht wieder ein mittelalter, mittelweißer und problembeladener Mann ist. Hier ein sportlicher Schwarzer mit schlagfertiger Ärztin als Frau. Weiter so! Ich würde ich auch mal eine POC KomissarIN wünschen, aber gemach gemach, oins nach ‘em andere!
Der Fall an sich ist auch knifflig genug, natürlich hatte ich so meine Vermutungen, aber so recht kam ich bis zum Schluss nicht auf die Lösung.

Fazit: Des kann man fei scho lese! A bissl arg viel Schwobe, aber es muss ma mäge.

Bewertung vom 08.06.2021
Oforiatta Ayim, Nana

Wir Gotteskinder


ausgezeichnet

Das Zwischenweltliche

Afrikanische Literatur spielt leider noch keine allzu große Rolle hierzulande. Wenn dann doch kommen einem die wenigen in den Sinn, die man bisher doch stärker auch in den Medien wahrgenommen hat, wie die Klassiker von Chinua Achebe oder neueren Literatur von Chimamanda Ngozi Adichie, Taiye Selasi oder Ayesha Harruna Attah. Aber es kommen einige Romane dazu in diesem Bücherfrühling und einer davon ist „Wir Gotteskinder“ von der großartigen Nana Oforiatta Ayim!
Die Presse hat sich global förmlich überschlagen vor positiven Stimmen und da werde ich eher skeptisch, aber hier war auch ich euphorisch dieses Buch zu lesen, hat doch die Autorin bereits einen spannenden Lebenslauf, der sich auch stark in der Geschichte des Romans wiederfindet.
Der Roman erzählt die Geschichte von Maya Mensah, die in Deutschland aufwuchs. Ihre Eltern fanden Exil, da es in Ghana nicht mehr Sicher für die Familie war. Im Heimatland Teil einer angesehenen Familie, die zu einer Königsfamilie gehört, in Deutschland die belächelten Flüchtlinge.
Maya ergründet ihre Wurzeln und lernt die Welt kennen mit ihren Kategorisierungen, mit ihren Vorurteilen und ihren Ausgrenzungen. Sie lebt, wie viele zwischen den Welten, es ist eine Suche der eigenen (inneren) Heimat. Eine Bereicherung der Perspektiven. Es passiert aber auch noch eine Menge mehr, denn es folgen die Jahre der Entzweiung in der Familie, eine Rückkehr nach Accra. Aber immer bleibt Maya im Fokus mit ihrer Reflektion und Suche nach Halt und Verortung.
Und es bleibt auch die Frage im Raum ob Maya ein „Gotteskind“ ist oder eben nicht. Ein Gotteskind ist ein Kind das mit einem Fuß in der materiellen Welt steht und mit einem anderen in der spirituellen Welt. Ein Kind das scheinbar das große Ganze zu greifen vermag.
Selbst der Schreibstil wird zum Statement, wenn die junge Autorin sich wunderbarerweise an den lokalen Arten der Geschichtenerzählung orientiert. Die schriftliche Form ist Literatur, nun hat sie eine Fusion kreiert in dem sie den Rhythmus der mündlichen Übertragung von Geschichten begleitet von Trommeln einbaute. Es entsteht geschriebene Oratur. Diesem Rhythmus sollte man sich hingeben und der Roman kann seine volle Wirkung erzielen.

Fazit: Ein handlungsstarker Roman mit Tiefe von einer Person, die weiß was sie schreibt.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 07.06.2021
Golz, Manuela

Sturmvögel


sehr gut

Emmy – ein tiefgreifendes Portrait einer Frau

Manuela Golz ist im ersten Leben Psychotherapeutin und kennt die Untiefen der Seele. Dieses Wissen und ihre Beobachtungsgabe hat sie genutzt und schrieb diesen unfassbar guten Roman: Sturmvogel. Es ist zwar schon ihr zweiter Roman, aber ein besonderer, denn sie hat sich vom Leben ihrer Großmutter Emmy inspirieren lassen und so auch ihre Protagonistin genannt.
Emmy wird 1907 auf einer kleinen Nordseeinsel geboren hinein in eine nicht nur kühle Landschaft die mit Ebbe und Flut kämpft, auch den Gemütern sind die Naturgewalten anzumerken. Es folgt ein durch Zufälle markiertes und ein mit erschütternden Ereignissen gepflastertes Leben. Nicht nur landet sie als Dienstmädchen im mondänen Berlin der 20er Jahre, sie überlebt auch 2 Weltkriege, heiratet, bekommt Kinder. Ein durchgeschütteltes und gerütteltes Leben. Wir blicken dank Manuela Golz in ihre Seele ohne Aufdringlich zu werden. Wir begleiten Sie durch die Stürme ihres Lebens und schließen sie ins Herz ohne das es je kitschig wird.
Großartig ist nicht nur die psychologisch sehr abgerundete Darstellung Emmys und anderer auftauchender Figuren. Auch die kulturhistorische Verortung der Personen, ihrer Gedanken und ihrer Handlungen sind sehr gelungen.
Ich habe das Buch äußerst gerne gelesen und kann es wärmstens empfehlen!
Fazit: Würde meine Großmutter noch leben würd‘ ich mich gerne mit ihr an ihren Kachelofen setzen und sie fragen wie es ihr wirklich erging. Einen Rat den ich meinen Kindern mitgeben werde, mal schauen ob er fruchtet.

Bewertung vom 27.05.2021
Hussung, Thomas

Kreaturenkritzelbuch


ausgezeichnet

Dies ist wahrlich eine Zeichenschule für Kinder und Erwachsene die gerne grusselige, angsteinflößende, anstoßende oder sonstige Kreaturen malen. Es lässt sich alles finden vom Gnom, über das Einhorn, aber auch Oger, dreiköpfige Hunde, Nixen und Klabautermänner sowie Dracula. Dies alles gilt es zu zeichnen. Aber auch Kreaturen die mir bisher unbekannt waren wie Sylphe (Luftgeist) oder Rottkapp (kleines fieses Wesen) sind enthalten und viele viele mehr. Aus meiner Sicht eine sehr umfangreiche Sammlung an Anschauungsobjekten die zum kreativen Zeichnen einladen.
Es ist ein recht dickes Buch mit 160 Seiten prall gefüllt mit Zeichenanleitungen. Es erinnert mich bei der Ansprache an den Leser an das „Kleines böses Buch“. Direkte interaktive Ansprache an den/die Zeichenschüler:in! Vor allem wird nicht nur erklärt WIE die einzelnen Kreaturen zu zeichnen sind, es gibt auch gleich jeweils ein Kasten in dem man sich ausprobieren kann. Ich empfehle allerdings die ersten Versuche auf einem Block zu machen und dann den 2 oder 3 Anlauf ins Buch zu „kritzeln“.
Das Buch richtet sich aus meiner Sicht frühstens an Grundschüler, da es zum einen zum Lesen animieren kann mit Pausen zum Zeichnen und weil die zeichnerische Leistung die hier trotz detaillierter Vorgaben erwartet werden, doch recht hoch sind, möchte man ein Ergebnis erzielen, dass dem des abgedruckten Vorbilds ansatzweise entspricht.
Es sind auch Zeichenübungen dabei wie blind nachzeichnen oder von Punkt zu Punkt oder bestimmte Flächen auszumalen. Wenn Frust auskommt, kann man auch beliebig weiterblättern. Ohnehin ist es kein Buch das von vorne nach hinten stringent durchzuarbeiten ist. Kreuz und quer nach Lust und Laune geht auch! Wobei es vorne tendenziell einfacher ist.
Thomas Hussung hat ein tolles Buch erschaffen bei dem nun auch Zeichenschüler:innen auf ihre Kosten kommen, die keine Waldtiere oder ähnlich kuscheliges malen wollen. Hier wird es schaurig!
Fazit: Eine super Sache für Lesemuffel in der Grundschule, die sich lieber kreativ grusselige Kreaturen zu Papier bringen wollen!

Bewertung vom 20.05.2021
Ladipo, Eva

Räuber


ausgezeichnet

Die eigenen 4 Wände müssen bezahlbar bleiben!

Als ich die letzte Seite gelesen habe und mir innerlich schon ein sehr gutes Urteil über den Roman zurechtfrikelte, da kam auch Verwunderung hoch. Denn, der Roman ist im März erschienen und hat noch keine Lawine ausgelöst! Warum nicht? Eva Ladipo hat mit „Räuber“ einen so aktuellen und packenden Roman geschrieben, dass sucht momentan in der deutschen Literatur seinesgleichen aus meiner Sicht!

Wer über das russische Steuersystem promovieren kann, ist scheinbar hochqualifiziert ein so komplexes Thema wie das Recht auf Wohnen in einen unterhaltsamen, spannenden, gar lustigen Roman zu packen.

Die Geschichte spielt mitten in Berlin und zeigt die Miesere auf, die viele umtreibt: der vernachlässigte Sozialbau und die Gentrifizierung, durch die viele weniger Gutverdienende aus ihren eigenen Stadtvierteln vertrieben werden. In „Räuber“ treffen wir auf Olli Leber von Beruf Bauarbeiter und nun auch noch bald verstoßen aus den eigenen 4 Wänden. Dieser tut sich mit der Journalistin Amelie Warlimont zusammen, die diesen Ausverkauf der Menschlichkeit schon länger als Thema umtreibt und auch als Mutter zweier Kinder hier einen anderen Blickwinkel hat. Außerdem mischt Falk Hagen mit, der alternde Finanzsenator Berlins. Diese drei Wege kreuzen sich wegen des Verkaufs von sozialem Wohnraum an einen europäischen Immobilienkonzern und entwickelt sich zu einem richtigen Krimi! Die Charaktere sind rund ausgestaltet und besonders überzeugt hat mich, dass es keine Schwarz-Weiß-Figuren gibt. Nicht die Immobilienbranche auf der einen und die armen Mittellosen auf der anderen Seite. Die Protagonisten sind gut gewählt und geben dem Stoff eine fiktive, aber sehr lebendige Bühne um das Thema der Wohnungsnot plastisch zu machen.

Wer mit dem etwas dickeren Werk hadert, keine Sorge! Die über 500 Seiten lesen sich schnell weg und als Lesende:r sollte man froh sein, dass Eva Ladipo nicht weniger kluge und unterhaltsame Seiten zu Papier gebracht hat!

Natürlich ist Berlin hier ein zentrales Thema, deshalb spricht das Buch sicher die Berliner und die, die es werden wollen besonders an, aber auch allen anderen Großstädtern sei dieses Buch ans Herz gelegt. Denn Berlin steht hier exemplarisch für alle großen Städte in Deutschland, das Problem ist ein bundesweites.

Eva Ladipo ist eine Autorin, der ich einen riesigen Erfolg mit diesem Werk wünsche und die ich im Auge behalte. Mögen noch viele tolle Bücher aus ihrer Feder folgen.

Bewertung vom 19.05.2021
Austen, Annie

Bücherliebe - Was Bücherregale über uns verraten


sehr gut

Für bibliophile Liebhaber des Buches

Annie Austen hat mit „Bücherliebe – Was Bücherregale über uns verraten“ eine Liebenserklärung an das Buch geschrieben und alles was damit zusammenhängt: Das Lesen, Bücherregale, Autor:innen, Buchtitel, Zitate, Sprache, Buchreferenzen. Alles drin und eine Runde Sachen auf 186 Seiten. Schmal, aber sehr unterhaltsam. Es ist ein Buch das man immer mal wieder zur Hand nimmt und in der Tat schmöckern kann. Es gibt jedes Mal etwas zu entdecke: mal ein Zitat, mal ein Fakt, mal was zum Schmunzeln.
Die Verfasserin dieses netten Büchleins das im Original auch originell „Shelfrespect“ heißt, lebt in England und möchte anonym bleiben. Dem Inhalt merkt man an der ein und anderen Stelle schon an, dass die Verfasserin im englischen Sprachraum zu Hause ist, aber das störte mich beim Lesen selbst eher weniger.

Fazit: Wie ein Snack für Bücherwürmer zwischen zwei Romanen!

Bewertung vom 18.05.2021
Zeh, Juli

Über Menschen


ausgezeichnet

Nicht ‚Unter Leuten‘, diesmal ‚Über Menschen‘

Juli Zeh ist eine großartige Schriftstellerin, die ein feines Gefühl hat für gesellschaftliche Veränderungen, die von ihr gezielt und großartig beschrieben werden in ihren Romanen. Auch 'Über Menschen' ist wieder ein lesenswertes Stück Literatur und nicht ohne Grund schon seit dem Erscheinen auf der Spiegel-Bestsellerliste.
Wer ‚Unter Leuten‘ gelesen hat und das ist sicherlich das Gros der Leser:innen von diesem neusten Werk wird bemerken, dass der neue Roman andere Akzente setzt und daher sehr trefflich, aber sehr ähnlich am letzten Titel angelehnt ‚Über Menschen‘ heißt.
Dora steht im Mittelpunkt des Romans, sie zieht aus der Großstadt aufs Land, weil sie ihren Freund Robert in der Corona-Pandemie nicht mehr im engen home office erträgt. Er, Journalist, schlachtet mit seinen immerwährenden Untergangsszenarien das Thema aus. Sie dagegen, die nachhaltig-bewusste und ökoafine Workaholic, zieht aufs Land in ein fiktives Dorf in der Prignitz: Bracken. Sie lässt nicht nur Robert, sondern die ganze Stadt hinter sich mitten in der Pandemie. Aber keine Sorge, dass Thema Corona ist ein Aufhänger, aber nicht das alleinige und auch nicht das beherrschende Thema des Romans!
Der Name des Dorfes ist Programm: Bracken. Etwas abgerockt und baufällig, ein bisschen lehmig im Abgang. Und genau da findet nun das Geschehen statt: die Reibung. Es reibt sich die Stadt mit dem Dorf, die Landbevölkerung mit dem Stadtmenschen, der Nazi mit der Linksliberalen. Diese Reibungen von Standpunkten und Glaubenssätzen ist unfassbar gut und sehr pointiert dargestellt. Und am Ende sind es alles Menschen die ihr Wohnort eint und lässt sie alle ein wenig humaner aussehen.
Was den Roman ‚Über Menschen‘ klar von dem Bestseller ‚Unter Leuten‘ unterscheidet ist die stringente Erzählung von Doras Geschichte, keine Vogelperspektive auf verschiedensten Ebenen und doch so treffsicher wie es nur Juli Zeh schafft. Die Personenzahl ist reduzierter und damit der Blick etwas intensiver auf die Einzelnen. Mich hat es wieder überzeugt.

Fazit: Juli Zeh brilliert wieder in ihrer feinen Analyse über das Mensch sein indem sie ‚Über Menschen‘ schreibt und zeigt uns allen worüber es sich nachzudenken lohnt.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.