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Igelmanu
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Mülheim

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Insgesamt 1033 Bewertungen
Bewertung vom 17.02.2018
Fitzek, Sebastian

Flugangst 7A


sehr gut

»Dank Ihrer Therapie haben Sie Ihren Patienten vor einiger Zeit von seinen selbstzerstörerischen Gedanken befreit und ihm ein normales Leben ermöglicht.«
Und?
»Ich möchte, dass Sie diese Therapie rückgängig machen. Reaktivieren Sie die Gewaltfantasien Ihres Patienten. Lösen Sie erneut Mordgedanken in ihm aus. Und bewegen Sie ihn dazu, das Flugzeug zum Absturz zu bringen.«

Dr. Mats Krüger ist ein erfahrener und erfolgreicher Psychiater, vielen Menschen hat er schon geholfen, sie von Problemen und Ängsten befreit. Bei sich selbst konnte er kein ähnlich gutes Ergebnis erzielen, er leidet unter panischer Flugangst und selbst ein entsprechendes Seminar konnte ihn davon nicht heilen. Freiwillig würde er niemals in ein Flugzeug steigen, doch seine Tochter Nele ist hochschwanger und hat ihn gebeten, zu ihr zu kommen und ihr beizustehen. Und leider lebt Nele in Berlin und Mats in Südamerika… Kaum ist er also an Bord, kommt zu seiner beginnenden Panik noch ein anderes, gewaltiges Problem hinzu. Er erhält einen Anruf, in dem ihn ein Erpresser auffordert, einen ehemaligen Patienten, der sich auch gerade in derselben Maschine befindet, dazu zu bringen, diese abstürzen zu lassen…

Bücher von Sebastian Fitzek haben auf mich bislang stets dieselbe Wirkung gehabt: Einmal angefangen, mochte ich sie nicht mehr aus der Hand legen. Dieses Buch macht da keine Ausnahme. Es ist sehr spannend geschrieben und die kurzen Kapitel fördern den Wunsch, noch eben ein weiteres zu lesen, und noch eins, und noch eins.

Erzählt wird aus wechselnden Perspektiven, mal verfolgt man Mats Erlebnisse in der Luft, mal die Geschehnisse in Berlin. Das Tempo ist durchgehend hoch und vor allem die psychischen Empfindungen und die Gedanken der Protagonisten werden sehr intensiv verfolgt. Stellenweise wird es auch ziemlich blutig, zu empfindlich sollte man als Leser nicht sein.
Für Schwangere würde ich das Buch ebenfalls nicht empfehlen, ich bin mir ziemlich sicher, dass ich es während meiner Schwangerschaften gar nicht gut vertragen hätte.
Leser mit Flugangst werden sich wahrscheinlich sehr verstanden fühlen. Die Ängste, die Mats ausstehen muss, werden überaus eindringlich und anschaulich beschrieben. Ich vermute, dass jemand mit Aviophobie anschließend erst recht kein Flugzeug mehr besteigen mag.

Davon abgesehen empfand ich die Thematik aber stellenweise als zu abgedreht. Natürlich weiß ich mittlerweile, dass sich in Fitzek-Büchern gerne mehr als ein Psychopath findet, ich erwarte regelrecht einen Streifzug durch menschliche Abgründe und psychische Probleme, aber hier hätte es für mein Empfinden ruhig etwas weniger sein können.
Zudem sind die hier vorkommenden Störungen und Motive teilweise so dermaßen ungewöhnlich, dass ich zwar staunte und mich gut unterhalten fühlte, sie aber letztlich als zu unrealistisch betrachtet habe. Und das ist das Problem: Alles war mir (zumindest halbwegs) realistisch erscheint, empfinde ich als sehr viel spannender, schließlich kann ich mir dann im Kopf ein Szenario zurechtbasteln, bei dem ich selber Teil der Handlung werde. Das gelang mir hier nicht. Und da meine Schwangerschaften schon über zwanzig Jahre zurückliegen und ich sehr gerne fliege, habe ich nicht so viel „Thrill“ empfunden wie bei anderen Büchern des Autors.

Fazit: Gut geschrieben und sehr unterhaltsam, aber thematisch für meinen Geschmack etwas zu abgedreht. Für Schwangere und Menschen mit Flugangst aber vermutlich der pure Horror.

»An so viele Risiken hatte er im Vorfeld gedacht. An die Möglichkeit, auf dem Rollfeld von einem landenden Flugzeug gerammt zu werden, beim Start in Flammen aufzugehen, von einem Terroristen entführt zu werden. An einen Sprengsatz im Gepäck.
Aber an die gemeingefährlichste Waffe, an die einzige Bombe, die wirklich jeder mit an Bord bringen und die von keinem Detektor dieser Welt gefunden werden konnte, an dieses perfekte Massenvernichtungsmittel hatte er nicht gedacht: an die menschliche Seele.«

Bewertung vom 17.02.2018
Funke, Cornelia

Das Buch, das niemand las


ausgezeichnet

»In der Bibliothek, in der Morry lebte, gab es viele solcher Bücher. Morry war gerade erst fünf Jahre alt. Das ist für ein Buch SEHR jung. Aber Morry fand, dass fünf Jahre eine furchtbar lange Zeit war, nur um in einem Regal zu stehen.«

Morry weiß genau, was er sich wünscht. Hände, die ihn öffnen und Augen, die ihn lesen. Von seinem Platz im Bücherregal aus scheint die Erfüllung dieses Wunsches aber noch in ferner Zukunft zu liegen. Morry wagt sich bis an die Kante des Regals vor und stürzt auch schon bald in die Tiefe. Das Abenteuer beginnt! Wird es Morry gelingen, einen Leser zu finden?

Schon mehrere Bücher von Cornelia Funke habe ich mit Begeisterung verschlungen. Als ich dieses entdeckte, war mir klar, dass ich es lesen muss! Wobei es hier natürlich nur kurze Texte gibt, dafür aber viele tolle, phantasievolle und farbenprächtige Illustrationen.

Ein Buch, das verzweifelt einen Leser sucht – diese Handlung geht jedem Bücherfreund ans Herz! Kleine Leser werden sicher besonders viel Mitgefühl mit dem kleinen Buch haben, das sich zwischen den vielen großen Büchern im Regal so schrecklich langweilt und das sich von ihnen eine Lebensweisheit und Ermahnung nach der anderen anhören muss.

Die Bücher sind herrlich gezeichnet, ihre Gesichtsausdrücke einfach großartig! Man blickt einem Buch ins Gesicht und erkennt seine Stimmung, erahnt seinen Charakter. Großen Lesern wird sicher schnell eine bemerkenswerte Ähnlichkeit der Bücher mit ihren Autoren auffallen. Im Regal stehen unter anderem Werke von Victor Hugo, Nietzsche, Jane Austen und Alexandre Dumas, letzteres sogar mit Degen ;-) Herrlich! Selbst charakteristische Gesichtsausdrücke finden sich wieder!

Das Buch ist perfekt zum Vorlesen, die kurzen Texte machen es aber auch Leseanfängern leicht. Auf den Bildern gibt es so viel zu entdecken, die Handlung macht einfach Spaß und wer vorher noch nicht überzeugt war, dass Bücher lebende Geschöpfe sind, der hat nach dem Lesen sicher eine andere Meinung.

Auf der ersten Seite las ich: »Bitte schreib deinen Namen in dies Buch und lies es, bis die Seiten sich lösen und du sie festkleben musst. Hinterlass deine Fingerabdrücke, drück einen Kuss aufs Papier und fülle dieses Buch mit Leben und Erinnerungen, denn nichts wünscht es sich mehr!« Mmh, das mit den Fingerabdrücken kostet mich Überwindung. Aber meinen Namen habe ich gleich hineingeschrieben. Wenn es schließlich dem Buch so viel bedeutet…

Fazit: Dieses Buch muss man liebhaben! Ich glaube, ich lese es gleich noch einmal…

Bewertung vom 07.02.2018
Tempelhof, Siegbert;Gnad, Marcus;Weiß, Daniel

Das neue Knietraining


ausgezeichnet

»Orthopäden und Osteopathen wissen zwischenzeitlich, dass eine gute Balance- und Koordinationsfähigkeit ein wesentlicher Faktor ist, um Verletzungen und vorzeitigen Gelenkverschleiß zu verhindern.
Unser Körper funktioniert immer als Einheit. Übertragen auf unser Kniegelenk bedeutet das, dass Gehirn, Rumpf-, Knie- und Fußmuskulatur eine Einheit bilden müssen.«

Für beinahe jeden Menschen kommt früher oder später der Punkt, an dem das Knie ziept, streikt, protestiert oder sogar schon mächtig schmerzt. Warum ist es eigentlich so sensibel? Und muss man sich damit abfinden?
Ich gestehe, ich habe erst angefangen, meinen Knien Beachtung zu schenken, als sie anfingen, mich zu ärgern. Früher etwas zu tun, wäre klüger gewesen, aber nun ja…

Dieses Buch startet damit, dass es ausführlich beschreibt, wie das Kniegelenk funktioniert und aufgebaut ist. Ich erfahre, wie die diversen Strukturen zusammenspielen, lese über Knochen, Muskeln, Bänder und Menisken und über den Knorpel, der als regelrechte „Schwachstelle“ bezeichnet wird. Schnell wird mir klar, dass es mächtig viele Ursachen für Beschwerden geben kann.
Im weiteren Verlauf wird nun aufgezeigt, was das Kniegelenk krankmacht und was es gesund hält. Diverse Krankheitsbilder werden beschrieben, es gibt einen Abschnitt „1. Hilfe bei akuten Verletzungen“ und Erläuterungen über ärztliche Versorgung, Untersuchungen und Therapieverfahren.
Aber hier geht es nicht darum, Ärzten und Therapeuten dauerhaft die Behandlung kranker Kniegelenke zu überlassen, sondern im Fokus steht, die eigene Gesundheit selbst in die Hand zu nehmen! Positives Denken ist dazu nötig und oftmals muss Bewegung neu erlernt werden. Dabei hilft dieser Ratgeber.

Es geht sehr vernünftig los, nämlich mit einigen Sicherheitsfragen. Wenn mindestens eine dieser Fragen mit „ja“ beantwortet wird, sollte man zunächst einen Arzt aufsuchen. Das habe ich bereits hinter mir und darf daher mit dem Test weitermachen, bei dem mein Knie in den Bereichen Beweglichkeit, Kraft und Koordination untersucht wird. Zuvor gibt’s natürlich ein Warm-up, das auch vor jedem täglichen Training gemacht werden sollte.
Die Auswertung des Tests zeigt dann an, ob man im Bronze-, Silber- oder Goldprogramm trainieren darf. Ich starte mit dem Silberprogramm. Dieses ist geplant über vier Wochen und das Übungspensum bzw. der Schwierigkeitsgrad steigern sich von Woche zu Woche. Im Anschluss kann ich in das Goldprogramm wechseln, das ebenso aufgebaut ist.
Alle Übungen sind mit Fotos und ausführlichen Anleitungen versehen. Diese sind leicht verständlich und gut zu befolgen. Das Programm fordert mich bei einigen Übungen, überfordert fühle ich mich aber nicht. Den Abschluss bilden Dehnübungen, auch diese werden gut beschrieben.

Jetzt, nach einer Woche, kann ich natürlich noch nicht sagen, ob ich mittel- oder langfristig Erfolge erzielen werde, aber auf jeden Fall habe ich durch das Training keine Beschwerden bekommen. Ich habe ein gutes Gefühl, denke positiv und dass ich selber etwas für mich tun kann, gefällt mir sehr.

Zwei der Autoren sind Fachärzte für Orthopädie mit osteopathischen/manualmedizinischen, naturheilkundlichen und reflextherapeutischen Ansätzen. Der dritte ist Physiotherapeut und Heilpraktiker mit den Schwerpunkten Manuelle Therapie, Osteopathie und Sporttherapie.

Fazit: Die eigene Gesundheit selbst in die Hand nehmen – das ist ein Ansatz, der mir gefällt. Und dieses Programm hier erscheint mir vernünftig und sicher.

Bewertung vom 07.02.2018

Sachsenmorde


sehr gut

»Das ging seit Abschluss ihrer Vorbereitungsphase jetzt schon mehrere Jahre so. Vier Opfer pro Saison waren drin, also in etwa eins pro Monat. Viel mehr schaffte sie nicht und wollte es auch gar nicht. Der zeitliche Aufwand wäre zu groß gewesen und alles Regelmäßige war ihr ohnehin suspekt.«

Ich mag Regionalkrimis (bzw. -thriller) und dieses Buch bietet dem Leser gleich dreizehn kurze Thriller, die jeweils in einer anderen Region Sachsens spielen. Schon an dieser Stelle habe ich was gelernt, denn diese dreizehn Regionen hätte ich zuvor nicht so einfach aufzählen können. An regionalen Dingen gibt es Beschreibungen von Landschaften, Städten oder Sehenswürdigkeiten, außerdem werden immer wieder politische Themen aufgebracht, die Gegenwart und die Vergangenheit betreffend. Dabei kommen natürlich auch ganz spezifische DDR-Themen zur Sprache.

Ähnlich abwechslungsreich sind auch die Thriller selbst, von den klassischen Motiven bis hin zu wirklich ungewöhnlichen oder bizarren Fällen ist alles dabei. Das gefiel mir sehr!

Bei Sammlungen von Geschichten ist es häufig so, dass mich nicht alle gleichermaßen ansprechen. In diesem speziellen Fall kommt noch hinzu, dass jede Geschichte von einem anderen Autor verfasst wurde, wobei ich auf einige gestoßen bin, die mir von ihrer Art zu erzählen her sehr gefielen.

Zu den Fällen, die mir gefielen, habe ich mir Notizen gemacht wie: „Spannend. Gut geschrieben. Realistisch. Gruselig. Psychologisches Verwirrspiel. Lange war ich auf der falschen Fährte. Was für ein Schluss! Genial! Dieser Schluss kam unerwartet. Interessant. Fesselnder geschichtlicher Hintergrund.“

Ich habe mir angewöhnt, bei Büchern dieser Art jede Geschichte einzeln zu bewerten und dann einen Durchschnitt zu berechnen. Ich vergab hier für vier Geschichten jeweils 5 Sterne, einmal 4,5 Sterne, viermal 4 Sterne, zweimal 3 Sterne und je einmal 2,5 und 2 Sterne. Das ergibt einen Schnitt von 3,9, folglich eine Gesamtwertung von 4 Sternen.

Fazit: Eine mörderische Reise kreuz und quer durch Sachsen in dreizehn abwechslungsreichen Kurz-Thrillern.

Bewertung vom 06.02.2018
Kremer, Bruno P.;Gosselck, Fritz

Die Küste


ausgezeichnet

Küsten sind für mich schon immer Sehnsuchtsorte gewesen. Ich kann ewig an einem Strand entlanglaufen, auf die scheinbar endlose Weite des Meeres blicken und die typischen Klänge und Gerüche auf mich wirken lassen. Als ich dieses Buch sah, ahnte ich schon, dass meine Sehnsucht reichlich Futter bekommen würde. Und ich hatte recht.

Die Autoren sind vom Fach, Dr. Bruno P. Kremer studierte Biologie, Chemie und Geologie und lehrte an der Universität zu Köln, Fritz Gosselck studierte Biologie und spezialisierte sich auf Meeresbiologie. Mit diesem Buch haben sie einen großartigen Mix geschaffen. Der Leser darf sich auf viele wunderschöne, große Farbfotos freuen, die die enorme Vielfalt der Natur in Küstenregionen eindrucksvoll zeigen. Zusätzlich gibt es umfangreiche Sachinfos, angefangen bei Grundlagen wie dem Unterschied zwischen Strand und Küste oder der Frage, wieso das Meer eigentlich blau aussieht, über immer umfangreichere Themenbereiche (zum Beispiel: Wie entstehen Meereswellen? Oder gar Monsterwellen? Wie unterscheiden sich Nord- und Ostsee? Wie entstand die Ostsee? Wieso gibt es Gezeiten?) bis hin zu wirklich ungewöhnlichen Punkten, von denen sicher so mancher Leser noch nicht gehört hat. Ich habe mich jedenfalls zum ersten Mal mit Gezeitentümpeln befasst. Und war fasziniert von diesen spannenden Kleinlebensräumen!

Gestaunt habe ich auch über die Ausführungen zu Braunalgen. Wo einem diese im täglichen Leben überall begegnen, ist wirklich faszinierend. Das Kapitel über Vogelfelsen mochte ich ebenfalls sehr und erst den Abschnitt über die unglaubliche Vielfalt von Lebensformen, die einen Sandstrand bevölkern! Da gibt es winzig kleine Lebewesen, die Lücken zwischen Sandkörnern zu ihrem Lebensraum gemacht haben!
Wer hätte gedacht, dass Muschelschalen Klima- bzw. Umweltarchive darstellen, die von Wissenschaftlern ausgewertet werden können?
Und wie kommt eigentlich das Meeresrauschen ins Schneckenhaus?

Fragen über Fragen, hier werden sie ausführlich beantwortet und häufig mit informativen Schaubildern ergänzt. Schön ist zudem, dass all diese Infos höchst angenehm in einem lockeren Tonfall rübergebracht werden. Da plaudern Experten, vermitteln Sachwissen und bemühen sich gleichzeitig, dies unterhaltsam zu gestalten. Das ist witzig und anschaulich zugleich. Wenn die gemeinsame Drehbewegung von Erde und Mond verglichen wird mit dem „Walzertanz eines schwergewichtigen Möbelpackers mit einem gertenschlanken Mannequin“, dann bekommt auch der größte Nicht-Astronom eine Vorstellung davon, wie diese Bewegung aussieht.

Die Autoren schreiben mit großer Begeisterung und Leidenschaft, man fühlt sich beim Lesen richtig mitgerissen. Ich würde so gerne sofort meine Koffer packen! Einziges Manko für mich: An vielen Bildern fehlt die Beschreibung, was genau dargestellt wird, wo zum Beispiel der gezeigte Küstenabschnitt sich befindet.

Fazit: Toller Mix aus hochinformativem Sachbuch und schönem Fotoband. Ein echtes Sehnsuchtsbuch eben! Und zudem ein wundervolles Geschenk für Naturfreunde.

»Im Mittel leben unter 1 m² Sandbodenoberfläche innerhalb der Gezeitenzone mindestens etwa 1 bis 2 Mio. Individuen. Das sind, bezogen auf eine 2 dm² große Männerhandfläche immer noch rund 400.000 Kleinsttiere oder – unter der Fläche eines durchschnittlichen Fingernagels (1 cm²) – sogar noch deutlich über 1000. Hätten Sie das vermutet, als Sie vor der Liegezeit im Strandkorb einen ausgedehnten Strandspaziergang über die nassglänzenden Feinkornflächen unternommen haben? Sie schritten buchstäblich über Millionenstädte…«

Bewertung vom 28.01.2018
Butscher, Günther

Ungereimtheiten


sehr gut

Lyrik lese ich eher selten und was ich in der Schule mal über Dinge wie Versformen und -maß gelernt habe, ist lang schon vergessen. Ich kann nur sagen, ob mir ein Gedicht gefällt oder nicht. Ob es mich anspricht oder berührt, ob es eine Aussage hat, die mir zusagt oder mich zum Nachdenken anregt.

Dieses Buch hat mich über Wochen begleitet. Immer mal wieder las ich ein paar „Häppchen“ und staunte, was dabei in mir vor sich ging. Ich merkte, dass ich die einzelnen Gedichte nicht einfach in „gefällt mir“ und „gefällt mir nicht“ unterteilen kann, denn das änderte sich schon mal ja nach Situation. Ein Gedicht las ich an einem Abend auf dem heimischen Sofa und es sagte mir irgendwie nichts. Einige Zeit später las ich es erneut, an einem Samstagmorgen zwischen zwei Saunagängen und ich dachte: Ja genau! Das ist es doch! Das ist ja so wahr, was der Autor da schreibt!
Wie gut, dass ich noch einmal zurückgeblättert hatte.

Aber ohnehin schreibt Günther Butscher über Themen, die jeder kennt, Gedanken, die jeder schon mal mehr oder weniger stark gewälzt hat. Seine Wortwahl trifft auf den Punkt, gleichzeitig findet man sich in der Art des Ausdrucks wieder, die Sprache ist nicht abgehoben, sondern eben so, wie man selber auch reden würde. Die Stimmung ist mal ernst und nachdenklich, ein anderes Mal unterhaltsam und witzig. Die Themenvielfalt spiegelt ebenfalls das normale, tägliche Leben wieder, da wird auch schon mal gegessen, U-Bahn gefahren oder Tiere beobachtet. Es wird nachgedacht über Vorurteile und Offenheit, über Frieden und Gerechtigkeit, über Dichtung und Malerei. Jahreszeiten finden sich wieder und Feste, im Grunde kann man zu gefühlt allen Bereichen des täglichen Lebens einen passenden Text finden. Das gefiel mir sehr.
Immer noch fand ich nicht zu allen Texten einen Zugang. Aber wer weiß, vielleicht ändert sich das bei späterer Gelegenheit auch noch?

Fazit: Warum nicht mal Lyrik? Diese hier kommt voll aus dem Leben und lädt zum Nachdenken ein.

Widersinn
Sagt einer, es sei dunkelhell,
Könnt‘ er auch sagen langsamschnell;
Eine weit’re Möglichkeit
Wäre auch alleinzuzweit.
Man könnte noch in großer Zahl
Finden solcher Worte Wahl,
Doch eins find‘ ich besonders krass,
Viel mehr noch als nur trockennaß -
Wenn mit viel Gewehren in der Hand
‘ne Friedenstruppe wird entsandt.

Bewertung vom 27.01.2018
Burke, James Lee

Sturm über New Orleans / Dave Robicheaux Bd.16


sehr gut

August 2005. Der Hurrikan Katrina, eine der verheerendsten Naturkatastrophen in der Geschichte der Vereinigten Staaten, hat die Stadt New Orleans zerstört. Die Stadt ist überflutet, unzählige Menschen sind gestorben. In den Trümmern und verlassenen Häusern treiben Plünderer ihr Unwesen, in den gefluteten Straßen herrscht Gesetzlosigkeit. Schwelender Rassismus bricht allerorten auf, die Polizei ist hoffnungslos überfordert. Grund genug für eine selbst ernannte Bürgerwehr, das Gesetz selber in die Hand zu nehmen. Eines Nachts fallen wieder mal Schüsse und ein siebzehnjähriger Schwarzer ohne Vorstrafen stirbt. In unmittelbarer Nähe zu dem Haus einer weißen Familie, deren Tochter nach der Vergewaltigung durch mehrere Schwarze traumatisiert ist. Ein simpler Fall von Selbstjustiz? Cop Dave Robicheaux schaut genauer hin…

Dieser Krimi ist kein Wohlfühlbuch, er ist hart und brutal. Das beginnt schon bei der Schilderung des Szenarios. Katrina ist zwar viele Jahre her, trotzdem habe ich noch die Fernsehbilder präsent. Die allerdings durch die Wortgewalt der Beschreibungen im Buch noch mal enorm verstärkt werden. Ein pures Albtraum-Szenario, man kann es nicht anders ausdrücken.

Den Leser erfasst Zorn, ganz klar tritt hervor, wie die Opfer – vor allem die ohnehin schon ärmsten unter ihnen – im Stich gelassen werden. Fassungslos liest man von vergeblich auf Hilfe wartenden Menschen. Dass vor diesem Hintergrund Verbrechen und Gewalt blühen, wundert nicht, aber in seinem Ausmaß und der drastischen Darstellung schockiert es schon. Sensible Gemüter sollten besser die Finger von diesem Buch lassen.

Die Protagonisten scheinen alle gegen persönliche Dämonen zu kämpfen. Dave Robicheaux ist ein traumatisierter Vietnam-Veteran und trockener Alkoholiker. Sein Freund Clete war mal sein Kollege, musste aber den Polizeidienst verlassen und arbeitet jetzt als eine Art Privatermittler. Er ist sensibel aber aggressiv, engagiert aber unbeherrscht und nach meiner Einschätzung aktiver Alkoholiker oder auf dem Weg, einer zu werden. Die Guten haben mächtig schlechte Seiten, die Bösen unterscheiden sich im Grad ihrer Grausamkeit, doch auch bei ihnen wird ein Blick hinter die Fassade gewagt, nach den möglichen Ursachen ihres verkorksten Lebenswegs gefragt. Darin steckt gleichzeitig eine Menge Gesellschaftskritik, mindestens bei einem der Bösen war ich am Ende geneigt zu glauben, dass sein Leben unter günstigeren Startbedingungen einen anderen Weg genommen hätte. Ich merkte, wie sich beim Lesen meine Empfindungen wandelten. Beispiel: Vier Plünderer nehmen ausgerechnet das Haus eines Unterweltbosses auseinander. Über die Plünderer erfährt der Leser, dass sie einige wirklich schwere und grausame Verbrechen begangen haben. Da schleicht sich ein fieser kleiner Gedanke in der Art von „Jungs, dieses Mal werdet ihr nicht ungeschoren davonkommen“ ein. Aber wenn es dann so weit ist, kommt fast Mitleid auf. Wie gesagt, der Grad der Grausamkeit macht den Unterschied. Man darf auch nicht darauf hoffen, dass am Ende alles gut ist. Dafür steckt viel zu viel Realismus in der Handlung und die wirkliche Welt ist oftmals keine nette.

Es sind altbekannte Themen, die hier aufgebracht werden, Themen wie Gerechtigkeit, Rache, Vergebung und Schuld. Der Leser kommt nicht umhin, sich unangenehme Fragen zu stellen, die berühmten „was würde ich tun“ Fragen. Recht und Gerechtigkeit sind nun mal nicht immer eins. Und wenn es um die eigenen Kinder geht, übernehmen gerne Urinstinkte die Steuerung menschlichen Handelns.

Ich mag Bücher, die einen als Leser vor solche gedanklichen Herausforderungen stellen. Trotzdem brauchte ich ein wenig, bis ich in der Handlung war, der Einstieg war manchmal verwirrend. Dazu trugen sicher der Umgangston und die vielen benutzten Slangausdrücke bei, deren Übersetzung nicht immer nahelag. Auch für die mehreren Erzählstränge benötigte ich eine kurze Orientierungszeit, nachdem das geschafft war, hat mich das Buch aber wirklich gefesselt.

Bewertung vom 21.01.2018
Shatner, William;Fisher, David

Spock und ich


sehr gut

»Ich war es … und werde es immer sein … Ihr Freund.«

Wer, so wie ich, viele wichtige Abende seiner Kindheit vor dem Fernseher verbracht hat, auf die magischen Worte »Der Weltraum, unendliche Weiten.« wartend, der weiß ganz genau, wer da wem und in welcher Situation eine solche Freundschaftserklärung macht. Die Szene, in der Mr. Spock stirbt, hat sicher niemanden kalt gelassen. Und wie oft mag William Shatner nach dem Tod seines besten Freundes im Jahr 2015 an sie zurückgedacht haben? Dass er sein Buch mit der Schilderung der Szene beginnt, lässt eine Antwort erahnen…

Spock ist ein Charakter, der über Generationen bekannt ist und den selbst Menschen erkennen, die keine einzige Folge Star Trek gesehen haben. Dieses Buch nähert sich nicht nur dem Menschen hinter der Figur Spock, sondern es legt einen Schwerpunkt auf die gut fünfzig Jahre dauernde Freundschaft zwischen Leonard Nimoy und William Shatner.

Schon nach kurzer Zeit hat man als Leser das Gefühl, dass diese beiden Menschen Freunde werden mussten, dass irgendein Schicksal sie dazu bestimmt hatte. Sie wiesen viele Gemeinsamkeiten auf und wo sie zum Beispiel charakterlich verschieden waren, ergänzten sie sich eben dadurch perfekt.
Die Gemeinsamkeiten begannen schon in frühester Kindheit. Die beiden wurden im Abstand von nur vier Tagen geboren, beide wuchsen in jüdisch-orthodoxen Immigrantenfamilien der unteren Mittelschicht auf, begannen im Alter von acht Jahren mit der Schauspielerei. Und bis Star Trek sie unerwartet zu Stars machte, waren sie viele Jahre lang gezwungen, jede sich bietende Rolle anzunehmen und ständig nebenbei zu jobben, um das Überleben zu sichern.
Und dann kam das Jahr 1965, kam Star Trek. Beim Dreh lernten sich Shatner und Nimoy kennen, aber ihre Beziehung war zu Beginn nicht ohne Konflikte, es war keine Freundschaft „auf den ersten Blick“. Dafür aber eine, die sich entwickelte und umso inniger wurde. Daran lässt Shatner den Leser teilhaben. Das Ergebnis ist eine Art Doppelbiographie, Shatner berichtet bei fast jedem Punkt zusätzlich, wie es jeweils bei ihm war. Dadurch erfährt man auch über ihn als Mensch viel, er erzählt sehr offen und wirkt schonungslos ehrlich.

Und natürlich geht es immer wieder um Spock. Wie entstand die Figur, wie entwickelte sie sich und wie groß war der wechselseitige Einfluss zwischen Spock und Nimoy? Shatner schreibt in diesem Zusammenhang schon mal von „Leonards Spockigkeit“. Ich fand es faszinierend, wie stark Nimoy seine berühmteste Rolle formte, was er alles zu ihrer Entwicklung beitrug. Der Vulkanische Nackengriff und der Vulkanische Gruß waren seine Erfindung, konsequent schützte er seinen Charakter, achtete darauf, dass alles rund um ihn logisch und stimmig war.

Tatsächlich waren Logik und Präzision auch im privaten Leben seine ständigen Begleiter. Aber da war noch mehr, viel mehr. Der Mensch Leonard Nimoy war äußerst vielschichtig und sensibel. Er sang und schrieb Gedichte, war ein leidenschaftlicher Fotograf, gläubiger Jude und Alkoholiker. Er war politisch engagiert und Nächstenliebe war für ihn nicht nur ein schönes Wort.

Star Trek selbst ist natürlich auch ein Thema, das ließe sich gar nicht vermeiden. Shatner erzählt über die Serie und die Filme, über Erlebnisse beim Dreh, über Conventions und darüber, wie es war, plötzlich ein Star zu sein, plötzlich zu erleben, dass nahezu jeder Mensch in einem zunächst Kirk oder Spock sieht. Ein Mittelteil mit Fotos rundet alles perfekt ab.

In seiner Art zu erzählen, bleibt Shatner nicht immer chronologisch, macht den ein oder anderen Sprung. Aber dafür wirkt alles sehr lebendig, ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, dass er mir gegenüber auf dem Sofa sitzt und plaudert. Er blickt auf ein langes Leben zurück, auf eine lange Freundschaft. Bei der Fülle der Erinnerungen ersetzt manchmal ein Gefühl das konkrete Erlebnis. Das klingt dann etwa so: „Wir sagten etwas, das uns total wichtig war. Ich weiß nur nicht mehr, was es war.“ Das ist echt, das ist lebendig.

Bewertung vom 21.01.2018
Preston, Douglas;Child, Lincoln

Relic - Museum der Angst / Pendergast Bd.1


sehr gut

»Hier entlang«, sagte der Wärter. »Die Treppe hinunter. Es ist ziemlich schlimm, Lieutenant. Ich kam gerade - «
»Erzählen Sie mir das später«, sagte D’Agosta. Nach dem Mord an den Kindern war er auf alles vorbereitet. »Sie sagten, er hätte die Uniform eines Wachmanns an. Kannten Sie ihn?«
»Ich weiß es nicht, Sir. Es ist schwer zu sagen.«

Dass der Wärter seinen toten Kollegen nicht erkennt, ist verständlich. Die Leiche ist in einem fürchterlichen Zustand, der Mörder hat wahrhaft grausam gewütet. Zudem war der Wachmann nicht sein erstes Opfer und bei weitem auch nicht das letzte…

New York, im Naturhistorischen Museum. Die Verantwortlichen dort bereiten sich auf die Eröffnung einer großen und bedeutenden Ausstellung vor. Eine Mordserie im Museum ist da so ziemlich das Letzte, was man brauchen kann. Schnelle Aufklärung ist gefragt, weshalb neben Lieutenant D’Agosta auch der FBI-Agent Pendergast anrückt. Doch die Suche nach dem Täter gestaltet sich als ungeheuer schwierig, zumal bald Zweifel auftreten, ob es sich hier überhaupt um einen „normalen“ Täter handeln kann. Gibt es am Ende passend zur anstehenden „Aberglaube“-Ausstellung etwas Ungeheuerliches, das das Museum unsicher macht?

Thriller, bei denen etwas Mysteriöses sein Unwesen treibt, lese ich eher selten. Ohne eine Empfehlung wäre dieser hier vermutlich nie bei mir eingezogen. Ich hätte was verpasst!

Was mir (die ich normalerweise Wert auf Realismus lege) sehr gut gefiel, waren die häufigen wissenschaftlichen bzw. wissenschaftlich anmutenden Ausführungen. Da wird zum Beispiel nicht einfach das Ergebnis einer DNS-Analyse in einem Satz erwähnt, sondern recht präzise besprochen. So etwas erhöht den realistischen Eindruck, kann aber auf einen Leser, der keine Sachtexte mag, langatmig wirken. Ich mochte diesen Mix sehr!
Möglich wird er durch ein ganz spezielles Autorenduo, von dem der eine Teil am Naturhistorischen Museum in New York arbeitete und diverse Sachbücher verfasste und der andere für den Spannungsteil zuständig ist.

Wer Spannung mag, bekommt diese auch. Und reichlich Blut dazu, man sollte als Leser nicht zu empfindlich sein.
Die Handlung ist recht vorhersehbar, wer gut ist und wer böse, ist schnell klar. Nichtsdestotrotz gibt es ein paar sehr interessante Charaktere, besonders Agent Pendergast erscheint mir ungewöhnlich und vielversprechend im Hinblick auf weitere Bände. Sein Charakter lässt noch auf einige Überraschungen hoffen. Dann gibt es die üblichen Warner, auf die niemand hören will und die fiesen Typen, die am liebsten alles vertuschen wollen. Im Groben ist der Ablauf klar, die Umsetzung trotzdem spannend und gelungen. Bei der unvermeidlichen Katastrophe werden alle Register gezogen, durch die sehr deutlichen Schilderungen hatte ich alles genau vor Augen. Und am Ende gab es sogar noch eine kleine Überraschung.

Mittlerweile haben die Autoren 16 Fälle für Pendergast geschrieben, das hier war der erste. Band 2 setze ich dann gleich mal auf meine Liste.

Fazit: Vorhersehbar, aber trotzdem spannend, blutig und mysteriös. Durch den wissenschaftlich anmutenden Anteil wirkte alles sehr realistisch, diesen Mix aus Thrill mit Sachinfos fand ich sehr ansprechend!

Bewertung vom 21.01.2018
Anthony, Lawrence;Spence, Graham

Der Elefantenflüsterer


ausgezeichnet

»Bitte tu’s nicht, Mädchen.«
Ich spürte, wie mich ihre Augen durchbohrten, obwohl ich in der Finsternis ihr Gesicht kaum ausmachen konnte.
»Sie werden dich töten, wenn du ausbrichst. Das ist jetzt dein Zuhause. Du musst nicht mehr davonlaufen.«

1999, im Tierreservat Thula Thula, im Herzen von Zululand, Südafrika. Anthony Lawrence, geboren und aufgewachsen in Afrika, hat sich ein großes Ziel gesetzt: in seinem Tierreservat, einem früheren Jagdrevier, soll kein Tier mehr erschossen werden. Für dieses Ziel ist er rund um die Uhr im Einsatz, Wilderer machen ihm das Leben schwer. Und dann noch dieser Hilferuf! Für eine Herde verhaltensauffälliger Wildelefanten wird händeringend ein neues Reservat gesucht. Anthony hat keine Ahnung, wie er diese Aufgabe bewältigen soll, aber eins ist ihm klar: wenn er die Herde, bestehend aus erwachsenen Kühen, einigen Halbwüchsigen und einem Baby nicht aufnimmt, werden alle erschossen. Und wenn er es nicht schafft, die Tiere zu beruhigen, ebenfalls. Anthony macht sich an die Arbeit. Noch nicht ahnend, wie die Elefanten sein ganzes Leben beeinflussen werden…

Was für ein großartiges Buch! Und was für einen bewundernswerten Mann durfte ich hier kennenlernen! Wenn er seine Geschichte erzählt, macht er dabei dasselbe, was er auch im Leben getan hat, er stellt die Tiere in den Mittelpunkt. Offen gestanden wunderte ich mich kein bisschen, dass er im Alter von nur 61 Jahren an einem Herzinfarkt verstarb. Ich glaube, um sich selber hat er sich überhaupt nie gekümmert, sich stattdessen fortwährend und bis zur körperlichen und seelischen Erschöpfung für Tiere engagiert.

Was hat er dabei alles geschafft? Er hat einen Zugang zu traumatisierten Elefanten gefunden und ihnen ein Weiterleben in seinem Reservat ermöglicht. Dabei musste er sich intensiv mit dem Thema Kommunikation auseinandersetzen. Wie funktioniert diese unterhalb der Elefanten? Und wie zwischen Mensch und Tier? Sensibel widmet er sich diesen Fragen, seine Ausführungen fand ich hochinteressant. Bemerkenswert ist zudem, dass er sich immer wieder auf sein Bauchgefühl verließ, manches Mal entgegen der Meinung von Experten. Und dass er dabei stets im Auge behielt, dass die Tiere wilde Tiere bleiben sollen.

Viele Menschen hätte alleine diese Aufgabe ausgefüllt, aber Anthony Lawrence tat noch viel mehr. Neben dem stetigen Kampf gegen Wilderer stand er in regelmäßigem Kontakt zu den in seinem Umfeld lebenden Stämmen. Dabei fand er sich manches Mal im Mittelpunkt von Stammeszwistigkeiten wieder, musste sich mutig behaupten und immer wieder einen Weg der Zusammenarbeit finden. Er trug maßgeblich zur Gründung neuer Reservate bei, die sowohl die Tiere schützen als auch helfen, den dort lebenden Menschen durch Öko-Tourismus ein regelmäßiges Einkommen zu verschaffen.

Seine Liebe und Achtung galt ausnahmslos jedem Tier. Fand er eine Giftschlange in seinem Schlafzimmer, trug er sie vorsichtig aus dem Haus. Und als er 2003 einen Bericht über den durch Bombenangriffe zerstörten Zoo in Bagdad sah, flog er kurzentschlossen dorthin, um vor Ort den hungernden und verletzten Tieren zu helfen. Er gründete eine Umweltschutzorganisation „The Earth Organization“ und erhielt für sein Engagement diverse Auszeichnungen.
Es heißt, als er 2012 starb, kamen Elefanten zu seinem Haus und trauerten um ihn wie um ein Herdenmitglied.

Fazit: Fesselndes Porträt eines hochinteressanten Mannes, für Tier- und Naturfreunde ein Muss. Sehr schön geschrieben und mit insgesamt acht Seiten beeindruckender und teils persönlicher Farbfotos als Sahnehäubchen.

»In unseren lauten, hektischen Städten sind viele Dinge verloren gegangen, die unsere Vorfahren noch intuitiv wussten: dass die Wildnis lebendig ist, dass ihr Flüstern für alle Lebewesen hörbar ist – und dass alle darauf antworten können.«