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Fredhel
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Deutschland

Bewertungen

Insgesamt 1263 Bewertungen
Bewertung vom 08.12.2022
Meyer, Kai

Die Bücher, der Junge und die Nacht


gut

Der Roman beginnt 1933 in Leipzig, der Nationalsozialismus ist überall gegenwärtig, als sich der Buchbinder Jakob Steinfeld in die hübsche Juli Pallandt verliebt. Es ist eine kurze Romanze zwischen zwei verfeindeten Familien (wie bei Romeo und Julia), nach der das Mädchen für immer verschwindet. Jakob kann noch ein Manuskript von ihr einbinden, das Juli unbedingt vor ihrer Familie versteckt halten will. Hier gefällt mir gut, wie die bedrohliche Atmosphäre durch die SS und die Willkür ihrer Handlanger sehr anschaulich wider gegeben wird.
Zehn Jahre später, im dichten Bombenhagel, kann sich ein Junge aus seinem Gefängnis befreien. Er hat Hilfe von dem geheimnisumwitterten Mercurio, einem sehr gefährlichen Mann, der ihm jedoch den Vater ersetzt. Zusammen gehen sie auf Bücherjagd in den ausgebombten Städten. Sie suchen nach ausgefallenen Werken und verkaufen sie an Sammler. Davon leben sie. Doch Mercurio ist auf der Suche nach einem ganz speziellen Buch voller dunkler Geheimnisse.
Diese beiden Bücher ziehen sich wie ein roter Faden durch die Episoden in drei verschiedenen Zeitabschnitten. 
Im Jahr 1971 spielen sie erneut eine Rolle, als Robert Steinfeld bei der Auflösung der legendären Bibliothek der Pallandts behilflich ist. Jetzt endlich lüftet sich das Geheimnis.
Ich habe den Roman als Hörbuch gehört. Die Geschichte wird sehr gut vorgetragen, aber sie konnte mich leider nicht dauerhaft fesseln. Die Sprache des Autors Kai Meyer ist wunderschön, die Idee für den Plot bestechend, aber die Ausführung hätte für mich straffer sein müssen. Vielleicht hätte ich es spannender gefunden, wenn über den Inhalt der zwei besagten Bücher etwas mehr bekannt geworden wäre, aber so fehlte mir in längeren Passagen das Tempo. 

Bewertung vom 03.12.2022
Harper, Jane

Der Sturm


ausgezeichnet

Seit zwölf Jahren muss Kieran mit der Gewissheit leben, dass sein Bruder und dessen bester Freund bei einem Sturm ums Leben kamen, um ihn aus einer gefährlichen Situation zu retten. Als er nach langen Jahren in sein Heimatdorf zurückkehrt, um seinen Eltern bei der Haushaltsauflösung zu helfen, hat er sich seelisch halbwegs gefangen. Weil Kieran nun eine verständnisvolle Frau und eine kleine Tochter hat, kann er sich allmählich verzeihen, aber nicht alle Menschen in der Gemeinde denken so. Ausgerechnet jetzt wird eine junge Frau ermordet. Die Ermittlerin kommt von ausserhalb. Sie lässt keinen Stein auf dem anderen und stochert erbarmungslos in den Geschichten von damals. Mit erstaunlichem Ergebnis.
Natürlich handelt es sich hier um einen Krimi. Schließlich geht es um Mord. Aber noch viel mehr ist es eine Charakterstudie, wie eine relativ kleine Gemeinschaft mit Schuld und Tod und Vergebung umgeht. Alle Personen rund um Kieran werden gründlich ausgeleuchtet, gute und schlechte Charakterzüge treten ans Licht. Alles ist spannend, die Mordermittlung ebenso wie die psychologische Komponente.
Die Autorin zieht den Leser schnell in ihren Bann; sie kommt dabei völlig ohne billige Effekthascherei aus. Es gibt keine Cliffhanger und mit der letzten Seite sind restlos alle Fragen geklärt, auch wenn man mit diesem Ende nicht rechnen konnte.
"Der Sturm" ist ein Krimi, der nicht nur an der Oberfläche kratzt und deshalb von mir eine hundertprozentige Leseempfehlung erhält.

Bewertung vom 29.11.2022
Indriðason, Arnaldur

Wand des Schweigens / Kommissar Konrad Bd.4


sehr gut

Dieser vierte Band um Kommissar Konráð, der mittlerweile pensioniert ist, zeigt sich wieder düster und schwermütig. In einem alten Haus in Reykjavik kommt durch eine einstürzende Wand eine Leiche ans Tageslicht. Die Mordkommission ermittelt in diesem Fall, denn vorerst ist das Opfer noch namenlos. 
Kommissar Konráð geht unterdessen immer noch den seltsamen Spuren seines kriminellen Vaters nach, der damals unter ungeklärten Umständen getötet wurde. Doch viele Zeugen sind mittlerweile schon verstorben oder nicht mehr auffindbar. 
Der Handlungsstrang wechselt ständig abschnittweise in die Vergangenheit, in der das Drama aus dem Mordhaus erzählt wird. Allmählich kristallisiert sich eine Schnittstelle zu Konráðs Nachforschungen heraus. Weil er in der Vergangenheit oft den Weg des Schweigens und Leugnens gewählt hat, gerät er nicht nur bei der Polizei unter Verdacht, sondern auch privat fliegt ihm alles um die Ohren.
Dieser Krimi ist mal wieder sehr speziell. Generell, würde ich sagen, fehlt es hier an Spannung. Das Erzähltempo ist gleichbleibend langsam, die Hauptperson Konráð bleibt einem fremd. Die Suche nach dem Mörder seines Vaters hat Vorrang vor dem aktuellen Verbrechen, und nach vier Bänden wäre es an der Zeit, dieses Mysterium endlich aufzuklären.
Aber das Buch hat auch seinen eigenen Reiz. Ich denke, das liegt an den sehr unterschiedlichen Charakteren, vor allem an der Mentalität, die so ganz anders ist, als wir es aus unserem Umfeld gewohnt sind. Kommissar Konráð konnte mich wieder gut unterhalten, aber dafür müssen für mich auch immer große zeitliche  Abstände zwischen den Büchern liegen. 

Bewertung vom 29.11.2022
Fickl, Stefan

Auf den Zahn gefühlt


sehr gut

Prof. Dr. med. dent. Stefan Fickl, eine Koryphäe auf seinem Gebiet, hat sich der Aufgabe gestellt, ein allgemein verständliches Sachbuch über Zähne und Zahnpflege zu schreiben. Vielleicht hat man ihn auch in der Talkshow, in der dieses Buch promoted wird, gesehen. Er spricht dabei ein breites Spektrum an: junge Zähne, alte Zähne, Wahl eines guten Zahnarztes, Zahnfleischerkrankungen und vieles mehr. Sein Schreibstil ist meist humorvoll, bleibt aber sehr sachlich. Es gibt viel Wissenswertes zu lesen. Für junge Eltern sind wahrscheinlich die Milchzahnthemen sehr interessant (hier erweist sich der Autor als begeisterter Fluorid-Fan), die eher älteren Leser erhalten gute Informationen über Zahnerhalt und Zahnersatz. Sehr wichtig finde ich die Kapitel über Schleimhauterkrankungen. Darüber weiß man als Laie doch recht wenig. Jedes Kapitel schließt mit einer prägnanten Zusammenfassung der Fakten ab. Sehr übersichtlich.
Insgesamt ist das Buch recht informativ, lässt sich flüssig lesen, ist aber in meinen Augen etwas teuer. Immerhin konnte ich nach der Lektüre feststellen, dass mein eigener Zahnarzt eine gute Wahl gewesen ist.

Bewertung vom 28.11.2022
Ahern, Cecelia

Alle Farben meines Lebens


sehr gut

Eine psychisch kranke Mutter macht die Kindheit von Alice zur Hölle. Das Leben des hochsensiblen Mädchens ändert sich im Alter von acht Jahren schlagartig, als sie beginnt, die seelischen Zustände der Menschen als Farben (Auren) wahrzunehmen. Zusammen mit den schwierigen Lebensverhältnissen (außer der unberechenbaren Mutter gibt es noch einen kriminellen jüngeren Bruder und einen fürsorglichen älteren Bruder, der aber schnellstmöglich zum Studium in eine andere Stadt und später auf einen anderen Kontinent entschwindet) ist Alice heillos überfordert. Der Körper reagiert mit heftigen Migräneattacken und Alice selbst neigt zu Gewaltausbrüchen, die sie auf eine Sonderschule bringen. Sie wird zum Außenseiter. Erst als junge Erwachsene kriegt sie ihre Probleme in den Griff, ja, sie findet sogar den einen, den einzigen Mann, dessen Gefühle sie nicht lesen kann. Der Leser begleitet Alice bis zu ihrem Tod, wobei die letzten Jahre im Vergleich zu ihrer Jugend fast schon im Zeitraffertempo berichtet werden.
Weil Gefühle so eine große Rolle in diesem Roman spielen, kommt einem die Hauptperson schnell nahe. Man lernt Alice als einen sensiblen Menschen kennen, der an den Gefühlen anderer verzweifelt. Auch wenn ihr großes Unrecht widerfährt, stellt sie sich ihrer Verantwortung und ihren Aufgaben so, wie sie sie empfindet. Sie ist fast schon zu gut für diese Welt, auch wenn ihre Gewalttätigkeit eine andere Sprache spricht. Die Autorin hat hier mit dem Aurenlesen einen sehr ungewöhnlichen Ansatz für ein Buch gewählt. Doch auch wenn man den Lebensweg von Alice mit Anteilnahme verfolgt, so hätte ich mir den Mittelteil etwas straffer gewünscht, dafür aber das Ende nicht so flott und nebulös.
Tessa Mittelstaedt als Sprecherin des Hörbuchs hat mir sehr gut gefallen.

Bewertung vom 25.11.2022
Black, Holly

Book of Night Bd.1


sehr gut

Holly Black ist zurzeit Barkeeperin. Mit Schwester und Freund bildet sie eine Wohngemeinschaft. Hollys Vergangenheit ist sehr bewegt, denn schon früh wurde sie vom dubiosen Freund ihrer Mutter zur Trickbetrügerin und Diebin ausgebildet. Seit einem Jahr allerdings hat sie sich nichts mehr zu Schulden kommen lassen und sie will auch weiterhin redlich bleiben. Allerdings reicht allein der gute Wille nicht.
Wir befinden uns in einer Urban Fantasy, in der die Schatten der Menschen ein Eigenleben führen können. Man kann seinen Schatten optisch umformen, man kann ihn verkaufen, er kann geraubt werden ... diese Vielfalt und Möglichkeiten, die jeweils auch eine spezielle Bezeichnung haben (Gloamisten, Puppeteers u.ä.) erschlagen den Leser zu Beginn und wenn ich ehrlich bin, auch nach Abschluss der Lektüre kann ich die wenigsten zuordnen, was aber auch nicht weiter schlimm ist.
Eigentlich ist Holly darauf spezialisiert gewesen, kostbare Bücher dieser okkulten Szene zu stehlen und zu verhökern. Auch wenn sie es nicht will, so wird sie von ihrem Todfeind wieder in die alten illegalen Aktivitäten hineingezogen. Auch Hollys Freund Vince hat dunkle Geheimnisse, die erst mal einen Keil in die Beziehung treiben. Wenn ich zu Anfang diese Schattenwelten noch interessant, aber verwirrend fand, so rückt nach ungefähr einem Viertel der Seiten immer mehr Spannung in den Vordergrund. Eigentlich hat man es mit einem richtigen Krimi zu tun, nur eben in einer erfundenen Welt. Man möchte den Verbrecher überführt sehen. Das Ende ist ein guter Abschluss der Handlung, aber ist dennoch so rätselhaft, dass die Neugier auf den Folgeband geweckt ist.

Bewertung vom 25.11.2022
Nesbø, Jo

Blutmond / Harry Hole Bd.13


ausgezeichnet

Nein, Harry Hole ist für mich kein Held. Ich hasse diese abgehalfterten, versoffenen Ermittler, aber Jo Nesbø zieht mich mit seinen Thrillern immer wieder in seinen Bann. Erneut zaubert er auf über 540 Seiten pure Spannung, vom ersten Moment an.
Harry Hole ist in Amerika gelandet. Völlig abgebrannt, völlig ausgebrannt, doch er rettet eine ältere Dame vorerst vor brutalen Geldeintreibern. Jetzt kommt er vom Regen in die Traufe, denn ihm bleibt wenig Zeit, die geforderte Summe aufzutreiben. Deshalb nimmt er einen heiklen Job in Oslo an. Als Privatermittler soll er einen windigen Geschäftsmann von der Mordanklage reinwaschen.
Selten habe ich einen Krimi gelesen, der so voller 180°-Wendungen steckt. Selbst im Finale stolpert der Leser von einer falschen Fährte auf die nächste. Einfach genial. Dazu kommt, dass die Hauptpersonen sehr genau dargestellt werden. Ihre hervorstechendsten Charaktereigenschaften treten deutlich zutage, auch wenn man sich erst selbst davon ein Bild machen muss.
Trotz der vielen Toten gibt dann das Ende ein positives Signal für die Zukunft. 
"Blutmond" hat mich total begeistert, sodass ich gerne alle 5 Lesesterne gebe, auch wenn ich mir noch kein klares Urteil über das "Tatwerkzeug" gebildet habe. Ist es realistisch oder Fiktion?

Bewertung vom 25.11.2022
Gerold, Ulrike;Hänel, Wolfram

Rauhnächte - Sie werden dich jagen


sehr gut

In einem fiktiven österreichischen Bergdorf verschwinden seit Jahren junge Frauen rund um Neujahr in den sogenannten Rauhnächten. Ebenso erleiden junge Männer, alle ungefähr im gleichen Alter, rätselhafte tödlichen Unfälle.
Lisa hat ihrem Heimatdorf den Rücken gekehrt, sobald sie es konnte. Nun startet sie noch einen letzten Versuch, sich mit ihren verbitterten Großeltern auszusöhnen. Wieder ist ein Mädchen verschwunden, die Dorfgemeinschaft schweigt eisern, doch die Polizei stellt endlich Nachforschungen an, bei denen Lisa helfen soll.
Dieser Krimi hat mir gut gefallen, weil er mit verschiedenen Gruselmomenten gekonnt jongliert, allen voran die wirklich abscheulichen Perchtenmasken, die sich alptraumhaft durch die Erinnerungen der Frauen ziehen. Es ist auch ein Wettlauf mit der Zeit, ob die aktuell verschwundene Person noch rechtzeitig gefunden werden kann und bis fast ganz zum Schluss bleibt es ein Geheimnis, wie sehr Lisas persönliche Vergangenheit mit dem jetzigen Geschehen verkettet ist.
Das Hörbuch wird sehr gut vorgelesen von Charlotte Puder.
Einen Punkt Abzug gibt es, weil hier so viele abgenutzte Klischees von hinterwäldlerischen Bergbewohnern bedient werden, dass es fast schon wehtut. Egal. Super Spannung, super Unterhaltung, empfehlenswert.